Baurecht

Erstaufforstung eines Grundstücks

Aktenzeichen  M 25 K 18.3146

Datum:
17.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25179
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWaldG Art. 16 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BayNatSchG Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten, der die beabsichtigte Erstaufforstung des Grundstücks der Beigeladenen erlaubt, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 BayWaldG bedarf die Aufforstung nicht forstlich genutzter Grundstücke mit Waldbäumen der Erlaubnis. Gemäß Abs. 2 darf diese Erlaubnis nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn die Aufforstung Plänen im Sinne des Art. 3 BayNatSchG widerspricht, wenn wesentliche Belange der Landeskultur und des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden, der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird oder erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind. Die zuständigen Behörden dürfen bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen die Aufforstungserlaubnis verweigern, sind jedoch gesetzlich nicht verpflichtet, dies zu tun. Aufgrund des bundesrechtlichen Abwägungsgebotes (§ 9 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 3 BWaldG) erfordert die Prüfung eines Versagungsgrundes eine Interessenabwägung der öffentlichen Belange mit denen des Antragstellers gegeneinander und untereinander (BayVGH, U.v. 25.10.2000 – 19 B 98.2562- beckonline; BayVGH U.v. 29.11.2000 – 19 B 97.690 – beckonline BeckRS 2001, 21037 Rn. 36).
Die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen ist rechtlich nicht zu beanstanden (Art. 40 BayVwVfG; § 114 VwGO).
Das Gericht überprüft in diesem Zusammenhang die Entscheidung des Beklagten nur unter den einschränkenden Gesichtspunkten des § 114 VwGO. Es hat danach nur zu prüfen, ob die Behörde von ihrer Ermessensbefugnis überhaupt Gebrauch gemacht hat, ob sie alle maßgeblichen Gesichtspunkte und Interessen in ihre Ermessensentscheidung einbezogen hat, ob sie die einzustellenden Interessen in einer Weise gewichtet hat, die ihrer wirklichen Bedeutung gleichkommt und ob sie den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen in sachgerechter Weise vorgenommen hat.
Gemessen hieran stellt sich die Entscheidung des Beklagten als frei von Ermessensfehlern dar.
Dem streitgegenständlichen Bescheid ist – wenn auch nur in sehr knappen Ausführungen – zu entnehmen, dass sich der Beklagte seines durch Art. 16 Abs. 2 BayWaldG eröffneten Ermessens bewusst war und dieses Ermessen auch ausgeübt hat (Punkt II.1 des Bescheids).
Der Beklagte durfte davon ausgehen, dass erhebliche Beeinträchtigungen i.S.d. Art. 16 Abs. 2 BayWaldG gegenüber dem klägerischen Grundstück mit der Fl.Nr. 900, nicht jedoch gegenüber dem Grundstück mit der Fl.Nr. 899 bestehen.
„Erhebliche Nachteile“ setzen eine wesentliche Ertragseinbuße voraus, die dann anzunehmen ist, wenn der Ertrag um mehr als ein Drittel vermindert würde bzw. die zumindest bei einer Ertragsminderung von bis 20 v.H. nicht anzunehmen ist (vgl. st. Rspr. BayVGH, U.v. 29.11.2000 – 19 B 97.690 – beckonline BeckRS 2001, 21037 Rn. 48f. m.w.N.; Zerle/Hein/Brinkmann/Foerst/Stöckel, Forstrecht in Bayern, Rn. 13 zu Art. 16 BayWaldG). Darunterliegende Beeinträchtigungen sind aufgrund des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots hinzunehmen. Danach steht der Verpflichtung des Aufforstenden, den Grenzbereich nicht bzw. nur eingeschränkt forstlich zu nutzen, die Verpflichtung des Nachbarn gegenüber, im Grenzbereich eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeiten hinzunehmen, bzw., eine gewünschte Bodennutzung nicht bis zur Grundstücksgrenze auszudehnen. Der Umstand, dass in Art. 16 Abs. 3 BayWaldG nur als Kannvorschrift vorgesehen ist, den relativ geringen gesetzlichen Grenzabstand nach dem AGBGB zu vergrößern, zeigt, dass die Erheblichkeitsschwelle für den betroffenen Nachbarn nicht zu gering angesetzt werden darf (vgl. st. Rspr. BayVGH, U.v. 29.11.2000 – 19 B 97.690 – beckonline BeckRS 2001, 21037 Rn. 37 m.w.N.)
Das Grundstück des Klägers mit der Fl.Nr. 899 grenzt im Norden auf einer Länge von etwa 78 m an das Grundstück der Beigeladenen an. Nach den Berechnungen des Beklagten errechnet sich eine Beeinträchtigung von 14,54%. Dabei geht der Beklagte entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (st. Rspr. BayVGH, U.v. 29.11.2000 – 19 B 97.690 – beckonline BeckRS 2001, 21037 Rn. 49; BayVGH, B.v. 1.2.2011 – 19 ZB 10.1938 – beckonline BeckRS 2011, 55456 Rn. 5 m.w.N) davon aus, dass sich die Aufforstung maximal bis zu einer Entfernung von 25m auswirkt, wobei eine Ertragsminderung unmittelbar im Anschluss an die Bestockung 100% beträgt und bis zu einer Entfernung von 25m auf Null abfällt, so dass die Beeinträchtigung im Mittel bei 50% liegt. Dabei ging der Beklagte zugunsten des Klägers lediglich von einer Grundstücksgröße von 6.702 qm aus (laut Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 11. April 2018: 6.740 qm) und ließ zudem den gesetzlichen Grenzabstand von 2m unberücksichtigt.
Unter Zugrundlegung des Buchgrundstücks mit 6.740 qm und unter Berücksichtigung des gesetzlichen Grenzabstands von 2m würde sich lediglich eine Beeinträchtigung von 12,24% errechnen (78m Grundstücksgrenze x 23m Einwirktiefe x 0,46 mittlere Beeinträchtigung = 825,24 qm beeinträchtigte Fläche; 825,24 qm = 12,24% der Gesamtfläche von 6.740 qm).
Zu Recht hat der Beklagte weiter angenommen, dass sich auch aus den tatsächlichen Verhältnissen keine relevanten Besonderheiten ergeben, die zu einer Erhöhung der Beeinträchtigung führen würden. Sowohl das Grundstück des Klägers mit der Fl.Nr. 899 als auch das Grundstück der Beigeladenen mit der Fl.Nr. 898 weisen leichte Neigungen auf, die jedoch nicht derart ins Gewicht fallen, dass sich daraus eine höhere Beeinträchtigung als die errechnete ableiten ließe. Vielmehr befindet sich der Grenzbereich der beiden Grundstücke auf derselben Höhe. Auch in Bezug auf die Lage des klägerischen Grundstücks im Norden der Aufforstungsfläche, musste der Beklagte angesichts der deutlichen rein rechnerischen Unterschreitung der Erheblichkeitsschwelle keine Anpassung des gesetzlichen Grenzabstands vornehmen. Ebensowenig ergibt sich hinsichtlich der vom Kläger vorgetragenen Hochwassergefahr bei einer Aufforstung eine relevante Beeinträchtigung. Laut Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts München vom 17. Juli 2018 werden durch die Aufforstung die Ziele des Hochwasserschutzes nicht gefährdet. Die vom Kläger ebenfalls monierte Erschließung des Grundstücks der Beigeladenen führt bereits per se nicht zu einer Beeinträchtigung der Grundstücke des Klägers. Im Übrigen ist für das Grundstück auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. 893 ein Fahrtrecht im Grundbuch eingetragen (Bl. 17 Rückseite der Behördenakte).
Dem gegenüber ergab die Berechnung des Beklagten in Bezug auf das westlich der Erstaufforstungsfläche gelegene klägerischen Grundstück mit der Fl.Nr. 900 bei Zugrundelegung des gesetzlichen Mindestabstands von 2m schon rein rechnerisch eine Beeinträchtigung von 27%, mithin eine erhebliche Beeinträchtigung nach Art. 16 Abs. 2 BayWaldG. Das Grundstück mit der Fl.Nr. 900 grenzt im Westen mit 93m an das Grundstück der Beigeladenen. Weiter ging der Beklagte zugunsten des Klägers von einer Grundstücksgröße von 4.298 qm und einer Einwirktiefe von 25 m aus. Unter Zugrundelegung der Berechnungsformel des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs errechnet sich eine Beeinträchtigung von 27%.
Bei Zugrundelegung des Buchgrundstücks, das laut Auszug aus dem Liegenschaftskataster vom 11. April 2018 4.360 qm beträgt, und einer Einwirktiefe von 23 m (25 m abzüglich 2m Grenzabstand) errechnet sich immer noch eine Beeinträchtigung von 22,57%, die ebenfalls über der Erheblichkeitsschwelle liegt (93m Grundstücksgrenze x 23m Einwirktiefe x 0,46 mittlere Beeinträchtigung = 983,94qm beeinträchtigte Fläche; 983,94qm = 22,54% der Gesamtfläche von 4.360qm).
Der im Rahmen der Ermessensausübung als Auflage festgelegte Grenzabstand von 4m in Ziff. 2 des Bescheides ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte kam bei seiner Berechnung bei einem Grenzabstand von 4m zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall eine Beeinträchtigung nur mehr bei 19% liegt, die unter der Schwelle der Erheblichkeit liegt. Bei Berücksichtigung des etwas größeren Buchgrundstücks (4.360 qm) errechnet sich sogar eine etwas geringere Beeinträchtigung von 18,8% (93m Grundstücksgrenze x 21m Einwirktiefe x 0,42 mittlere Beeinträchtigung = 820,26 beeinträchtigte Fläche; 820,26qm = 18,81% der Gesamtfläche von 4.360qm).
Eine weitere Erhöhung des Grenzabstands bzw. andere Auflagen waren auf Grund der örtlichen Gegebenheiten nicht angezeigt. Das Grundstück mit der Fl.Nr. 900 weist gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen mit der Fl.Nr. 898 kein besonderes Gefälle auf. Das vom Kläger monierte fehlende Fahrtrecht und eine potentielle Hochwassergefahr erfordern ebenso wenig eine Erhöhung des Grenzabstands (s.o.). Im Übrigen liegt das Grundstück des Klägers im Westen, so dass hinsichtlich einer Sonneneinstrahlung aus Süden und Westen keine Beeinträchtigung zu besorgen ist. Aus der verbleibenden östlichen Richtung kann sich eine Beeinträchtigung naturgemäß nur während der Vegetationsperiode, also während des Sommerhalbjahres, auswirken, wo die Sonne jedoch relativ hochsteht und aufgrund des steileren Einstrahlungswinkels relativ kurze Schatten entstehen. Ein Korrekturbedarf ergibt sich aus der Lage der Grundstücke zueinander somit nicht. Schließlich spricht der Gesetzestext in Art. 16 Abs. 2 BayWaldG von umliegenden Grundstücken, so dass eigentlich alle umliegenden Grundstücke des Klägers als wirtschaftliche Einheit zu betrachten gewesen wären (vgl. BayVGH, U.v. 1.2.2011 – 19 ZB 10.1938 – beckonline BeckRS 2011, 55456 Rn. 8), woraus sich insgesamt eine sehr viel niedrigere Beeinträchtigung ergeben hätte.
Die Klage war deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dass die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Kläger zu tragen hat, da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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