Baurecht

Erweiterung einer Splittersiedlung durch Dachgeschossausbau im Außenbereich

Aktenzeichen  B 2 K 16.890

Datum:
14.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 156073
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7
BayBO Art. 75 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Unter „Erweiterung“ einer Splittersiedlung ist die räumliche Ausdehnung und unter „Verfestigung“ der Vorgang des Auffüllens des schon bisher in Anspruch genommenen räumlichen Bereichs zu verstehen. „Zu befürchten“ ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung, wenn das Vorhaben zu einer „unerwünschten Splittersiedlung“ führt. Unerwünscht in diesem Sinn ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird.   (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Verfestigung ist u.a. dann unerwünscht, wenn das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich (weiter) zersiedelt werden würde (hier bejaht durch Dachgeschossausbau). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Baueinstellungsbescheid ist rechtmäßig.
Gem. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Dem Ausbau der Räume im Dachgeschoss des Anwesens des Klägers stehen öffentlich rechtliche Vorschriften entgegen.
a) Es kann dabei dahinstehen, ob das Vorhaben bereits formell baurechtswidrig ist, oder ob der Ausbau des Dachgeschosses gem. Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 c) BayBO verfahrensfrei wäre. Hiernach sind tragende und nichttragende Bauteile zur Errichtung einzelner Aufenthaltsräume, die zu Wohnzwecken genutzt werden, im Dachgeschoss überwiegend zu Wohnzwecken genutzter Gebäude verfahrensfrei, wenn die Dachkonstruktion und die äußere Gestalt des Gebäudes nicht in genehmigungspflichtiger Weise verändert werden. Die vom Kläger geplanten Räume im Dachgeschoss sollen als Wohnräume genutzt werden. Das Gebäude, in dem sie errichtet werden, wurde auch bereits nach den mit der Baugenehmigung vom 26.06.1969 genehmigten Plänen zu Wohnzwecken genutzt, die Baugenehmigung bezieht sich jedoch nur auf einen Gartenbaubetrieb (s.u.). Ob in einem solchen Fall ein „überwiegend zu Wohnzwecken genutztes Gebäude“ vorliegt, oder ob durch die Aufgabe des Gartenbaubetriebes ein Gebäude verblieben ist, für das die Vorschriften zur Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 BayBO nicht gelten (sowohl VG München, U. v. 28.07.2014, M 8 K 13.2380, Rn. 38, juris) braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Die Baueinstellung wurde nicht auf eine formelle, sondern auf die materielle Rechtswidrigkeit des Vorhabens gestützt. Diese ist vorliegend auch gegeben.
b) Die materielle Illegalität ergibt sich jedoch nicht bereits aus den Festsetzungen des übergeleiteten Baulinienplans Nr. … der Stadt Bamberg vom 02.07.1959, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung eine Gärtnersiedlung ausweist, d.h. Gärtnergehöfte mit Wohnhaus, Stallungen, Remisen, Schuppen und Garage zulässt. Der Baulinienplan stellt sich nämlich hinsichtlich der bauleitplanerischen Festsetzungen als funktionslos dar und ist daher insgesamt unwirksam. Zur Begründung wird insoweit auf die Begründung des (durch die Klagerücknahme des Klägers wirkungslosen) Urteils im Verfahren des Klägers B 2 K 15.86 verwiesen. Im Geltungsbereich des Baulinienplans Nr. … findet sich kein einziges Gärtnergehöft im Sinne des Baulinienplanes mehr. Mit einer Neuansiedlung von Gärtnergehöften kann aufgrund der derzeit vorhandenen Bebauung auch auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden, weil keine Flächen mehr vorhanden sind, auf denen sich derartige Betriebe sinnvoll realisieren ließen.
b) Das streitgegenständliche Grundstück liegt nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 Abs. 1 BauGB. „Der Begriff des Innenbereichs enthält zwei selbständige Tatbestandsmerkmale, einen Bebauungszusammenhang sowie einen Ortsteil. Ein Bebauungszusammenhang ist eine tatsächlich aufeinander folgende Bebauung, die trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 2.3.2000 – 4 B 15.00 – juris m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425 – juris Rn. 3 f.; B.v. 2.11.2006 – 1 ZB 05.2132 – juris Rn. 8; U.v. 15.9.2005 – 23 BV 05.1129 – juris Rn. 34; U.v. 12.5.2005 – 23 B 04.1761 – juris Rn. 33; U.v. 24.10.2002 – 23 B 02.1144 – juris Rn. 25). Dies erfordert eine wertende Betrachtung der tatsächlichen Gegebenheiten, für die sich dem Tatsachengericht häufig das Beweismittel der Ortsbesichtigung zur sachgerechten und umfassenden Tatsachenfeststellung anbieten wird (BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – juris Rn. 22). Das zu beurteilende Grundstück muss einen Bestandteil des Bebauungszusammenhangs darstellen; auch unbebaute Grundstücke können aufgrund besonderer Gegebenheiten („natürlichen Grenzen“, z.B. besonderen topographischen Merkmalen) noch als dem Bebauungszusammenhang zugehörig anzusehen sein (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96 – juris Rn. 4; U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – juris Rn. 22; U.v. 10.8.1990 – 4 C 3.90 – juris Rn. 27; U.v. 16.2.1988 – 4 B 19.88 – juris Rn. 2; U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425 – juris Rn. 3). Dem gegenüber können je nach den Umständen des Einzelfalles andere Merkmale, beispielsweise Geländehindernisse oder eine Straße eine trennende bzw. unterbrechende Wirkung haben mit der Folge, dass jenseitig gelegene Grundstücke nicht mehr dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sind (stRspr, z.B. BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – juris Rn. 22; B.v. 16.2.1988 – 4 B 19.88 – juris Rn. 2; U.v. 12.10.1973 – IV C 3.72 – juris Rn. 11; U.v. 6.11.1968 – IV C 2.66 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 14 ZB 09.425 – juris Rn. 3, 5; B.v. 14.2.2001 – 15 ZB 00.2160 – juris Rn. 3; jeweils m.w.N.). Ein Ortsteil ist dem gegenüber jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 19.2.2014 – 4 B 40.13 – juris Rn. 5; U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – juris Rn. 12; B.v. 25.3.1986 – 4 B 41.86 – juris; BayVGH, U.v. 15.9.2005 – 23 BV 05.1129 – juris). Letzteres kann nicht pauschal beurteilt werden, sondern nur unter Heranziehen der Siedlungsstruktur im Gebiet der jeweiligen Gemeinde (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.2000 – 4 B 49.00 – juris m.w.N.; U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – juris Rn. 12; B.v. 25.3.1986 – 4 B 41.86 – juris).“ (BayVGH U. v. 26.06.2017 – 20 B 16.190 -, Rn. 24, juris).
Vorliegend ist bereits das Tatbestandsmerkmal des Bebauungszusammenhangs nicht gegeben. An dem Bebauungszusammenhang des östlich des klägerischen Grundstücks gelegenen Sondergebietes der … mit Einkaufszentrum nimmt das Vorhabengrundstück nicht mehr teil. Zwar kann der zur … gehörende Parkplatz dem in diesem Bereich gegebenen Bebauungszusammenhang zugerechnet werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.09.1992, 4 c 15/90), dieser Bebauungszusammenhang endet jedoch mit der Grenze des Parkplatzes zu dem unbebauten Grundstück mit Fl.Nr. … der Gemarkung Bamberg. Das östlich hieran angrenzende Grundstück des Klägers und auch die im weiteren Verlauf vorhandenen Gebäude stellen eine völlig andersartige, kleinteiligere und weitläufigere Bebauung dar. Nach dem Eindruck, der aus den beim Ortstermin des BayVGH angefertigten Fotografien und aus den verfügbaren Luftbildaufnahmen gewonnen werden kann, steht die im Bereich des klägerischen Grundstücks gegebene Bebauung mit der Bebauung des Sondergebietes nicht im Zusammenhang. Dieser Eindruck wird durch das zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Parkplatz der Brose-Arena bestehende unbebaute Grundstück Fl.Nr. … noch verstärkt.
Auch die übrige vorhandene Bebauung bildet mit dem klägerischen Grundstück keinen hinreichenden Bebauungszusammenhang. „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Grundsätzlich gehören hiernach nur solche Bauwerke zum Bebauungszusammenhang, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinne „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (BVerwG, B. v. 05.04.2017, 4 B 46/16). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass lediglich die zu Wohnzwecken genutzten Gebäude, ferner die auf dem Anwesen … und dem Grundstück Fl.Nr. … vorhandenen Büro- und Werkräume und evtl. das Sportheim des ASV … überhaupt geeignet sind, einen Bebauungszusammenhang herzustellen. Die vorhandenen und lediglich teilweise für Autoreparaturen genutzten Gewächshäuser und Lager hingegen, vermitteln keinen Bebauungszusammenhang. Die zu berücksichtigende Bebauung ist sehr weitläufig und immer wieder von Freiflächen unterbrochen. Zudem werden die südlich gelegenen und noch am dichtesten stehenden Gebäude vom Grundstück des Klägers durch die Straße „…“ getrennt. Der Eindruck einer geschlossenen und zusammengehörigen Bebauung entsteht daher vorliegend nicht.
Zudem hätte die vorhandene Bebauung auch kein hinreichendes Gewicht, um einen eigenen Ortsteil zu bilden. Vielmehr liegt, auch wenn man alle im Bereich des verfahrensgegenständlich gelegenen Anwesens gegebenen relevanten Gebäude als zusammengehörig betrachten würde, lediglich eine Splittersiedlung vor, der eine organische Siedlungsstruktur fehlt. Zwar ist die vorhandene Bebauung ursprünglich aufgrund einer Planung der Stadt … (Baulinienplan) entstanden, nach der tatsächlichen Entwicklung und faktischen Umnutzung der Grundstücke ist jedoch keine organische Siedlungsstruktur mehr erkennbar. Während die zu den vormaligen Gartenbaubetrieben gehörenden Wohnhäuser als reine Wohnnutzung weitergeführt werden, bestehen im Übrigen Gewerbe- und Gartenbaubetriebe, die an Grundstücke mit Freizeitnutzung (Pferdekoppel, Fußballplatz) angrenzen. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ist keine Einheitlichkeit erkennbar.
c) Das Anwesen des Klägers befindet sich daher im Außenbereich, die Zulässigkeit des Dachgeschossausbaus beurteilt sich nach § 35 BauGB. Das Vorhaben des Klägers ist nicht privilegiert, da keine der in § 35 Abs. 1 BauGB genannten Nutzungsarten vorgesehen ist. Vielmehr dient der Dachgeschossausbau reinen Wohnzwecken, die aufgrund der bereits vor Jahrzehnten erfolgten Aufgabe des Gartenbaubetriebes auch nicht im Zusammenhang mit einer privilegierten Nutzung stehen. Der Ausbau des Dachgeschosses des klägerischen Anwesens stellt damit ein sonstiges Vorhaben dar. Gem. § 35 Abs. 2 BauGB können sonstige Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Vorliegend steht dem Dachgeschossausbau jedenfalls der öffentliche Belang der Verfestigung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB) entgegen.
Dieser Belang ist nicht gem. § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 BauGB unbeachtlich. Hiernach kann der öffentliche Belang der Verfestigung einer Splittersiedlung einem Vorhaben nicht entgegengehalten werden, wenn es sich um die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen handelt und das Gebäude zulässigerweise errichtet worden ist, die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen ist und bei der Errichtung einer weiteren Wohnung Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird.
Bei dem Haus des Klägers handelt es sich jedoch bereits nicht um ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude im Sinne dieser Vorschrift. Zulässigerweise errichtet ist ein Gebäude, wenn es in Übereinstimmung mit dem materiellen Bebauungsrecht errichtet oder wenn – trotz materieller Illegalität – eine Baugenehmigung erteilt worden ist (BVerwG Urt. v. 08. 10. 1998 – 4 C 6.97, BVerwGE 107, 265, 266 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 337 S. 118). Gegenstand der planerischen Beurteilung ist jeweils die bauliche Anlage in ihrer Funktion (BVerwG Urt. v. 11. 11. 1988 – 4 C 50.87, Buchholz 406.11 § 35 Nr. 252 S. 21 f.). Auf § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB kann sich daher nicht berufen, wer ein zulässigerweise errichtetes Gebäude erweitert und erst mit dieser Erweiterung eine Umnutzung hin zu einer Wohnnutzung vornimmt (BVerwG, U.v. 03.08.2016, 4 C 3/ 15, m.w.N.). Das Gebäude des Klägers wurde mit Baubescheid vom 26.06.1969 unter dem Betreff: Bauvorhaben Errichtung eines Gartenbaubetriebes genehmigt. Zwar stellte das Gebäude schon immer das zu diesem Betrieb gehörende Wohnhaus dar, aus den Unterlagen zum damaligen Genehmigungsverfahren ergibt sich jedoch, dass das Vorhaben nur aufgrund der Zugehörigkeit zu und in Zusammenhang mit dem Gartenbaubetrieb genehmigt wurde. Dies entspricht auch den Festsetzungen des damals geltenden und der Baugenehmigung zugrundliegenden Baulinienplanes, die eine Bebauung nur mit „Gärtnergehöften“ zuließen. Aus den Festsetzungen des Baulinienplanes („geplante Gärtneranwesen mit allen Gebäudeteilen, wie Wohnhaus,…“) ergibt sich hierbei eindeutig, dass Wohnhäuser nur als Bestandteil des einheitlichen Bauvorhabens Gärtneranwesen zulässig sein sollten. Hierbei kommt es auch nicht darauf an, ob, wie vom Bevollmächtigten des Klägers vorgetragen, ein Wohnhaus dieser Größe dem ursprünglichen Betrieb überhaupt gedient hätte. Selbst wenn das Wohnhaus für einen Gartenbaubetrieb zu groß bemessen gewesen wäre, wäre die Genehmigung zwar möglicherweise rechtswidrig gewesen, der Inhalt der erteilten Baugenehmigung, der durch die klare Bezeichnung des Bauvorhabens in Bauantrag und Baugenehmigung unzweifelhaft ist, würde sich hierdurch jedoch nicht ändern. Auch in der Folgezeit hat die Beklagte gegenüber den Rechtsvorgängern des Klägers mehrmals darauf hingewiesen, dass eine Bebauung des Grundstücks mit einem reinen Wohnhaus nicht zulässig ist.
Diese genehmigte Nutzung wurde nach Angaben des Klägers bereits in den 1980er Jahren aufgegeben, das Gebäude wird seither als reines Wohnhaus genutzt. Der Kläger selbst, der das Anwesen 1998 erworben hat, hat das Gebäude nie der vorhandenen Baugenehmigung entsprechend genutzt. Eine Nutzungsänderungsgenehmigung wurde auch nicht beantragt, obwohl die Nutzungsänderung aufgrund der anderen öffentlich rechtlichen Anforderungen an die neue Nutzung nie nach Art. 57 Abs. 4 BayBO bzw. den entsprechenden Vorgängervorschriften (Art. 83 BayBO 1969, Art. 66 BayBO 1982 und Art. 63 BayBO 1997) verfahrensfrei war. Ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude besteht aus diesen Gründen gerade nicht, die Nutzung als Wohngebäude würde gegenüber der vorhandenen Baugenehmigung eine Nutzungsänderung darstellen.
Auch die Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Nr. 6 BauGB (Erweiterung eines gewerblichen Betriebes) greift vorliegend nicht, da die gewerbliche Nutzung des Anwesens des Klägers aufgegeben wurde.
Das Vorhaben des Klägers ist daher nicht zulässig, da ihm der öffentliche Belang der Verfestigung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB) entgegensteht. „Eine Splittersiedlung ist eine (regellose) Ansammlung von baulichen Anlagen, die zum – wenn auch eventuell nur gelegentlichen – Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Sie steht im Gegensatz zum Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB und ist dadurch gekennzeichnet, dass ihr mangels einer angemessenen (Bau-)Konzentration das für die Annahme eines Ortsteils notwendige Gewicht fehlt und sie damit Ausdruck einer unorganischen Siedlungsstruktur ist“ (BayVGH, B. v. 24.4.2017 – 15 ZB 16.1598 -, Rn. 12, juris). Eine solche Splittersiedlung ist im Bereich des klägerischen Grundstücks vorliegend gegeben (s.o.). „Unter „Erweiterung“ einer Splittersiedlung ist die räumliche Ausdehnung und unter „Verfestigung“ der Vorgang des Auffüllens des schon bisher in Anspruch genommenen räumlichen Bereichs zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.1977 – IV C 37.75 – BVerwGE 54, 73/76 = juris Rn. 24; B.v. 7.6.2016 – 4 B 47/14 – ZfBR 2016, 799 = juris Rn. 16). „Zu befürchten“ ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung, wenn das Vorhaben zu einer „unerwünschten Splittersiedlung“ führt. Unerwünscht in diesem Sinn ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird (BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10/11 – ZfBR 2012, 570 = juris Rn. 21 m.w.N.). Eine Verfestigung ist u.a. dann unerwünscht, wenn das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich (weiter) zersiedelt werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10/11 – ZfBR 2012, 570 = juris Rn. 22)“ (BayVGH, B. v. 24.4.2017 – 15 ZB 16.1598 -, Rn. 12, juris). Vorliegend ist durch das Vorhaben des Klägers eine Verfestigung der Splittersiedlung zu befürchten. Zwar baut der Kläger vorliegend nur einzelne Räume im Dachgeschoss seines Wohnhauses aus, ohne eine weitere Wohneinheit zu schaffen, dies hat jedoch bodenrechtliche Bedeutung, da als Vorhaben im Sinne des § 35 BauGB nicht die jeweilige Anlage zuzüglich der ihr zugedachten Nutzung, sondern die bauliche Anlage in ihrer durch die Nutzung bestimmten Funktion als Einheit betrachtet werden muss. Die Änderung der Funktion eines Vorhabens entzieht diesem die Identität. Gegenstand der erneuten Beurteilung hat die bauliche Anlage in ihrer geänderten Funktion zu sein (BVerwG, U. v. 15.11.1974, IV C 32.71). Folglich können hier nicht lediglich die einzelnen Räume im Dachgeschoss betrachtet werden, vielmehr muss aufgrund der bislang nie erfolgten Nutzungsänderungsgenehmigung die gesamte bauliche Anlage betrachtet werden, da die zu errichtenden Wohnräume mit den darunterliegenden Räumlichkeiten künftig reine Wohnräume darstellen sollen, die unabhängig von einem gärtnerischen Betrieb sein sollen. Das Vorhaben des Klägers hat daher eine Vorbildwirkung, da im Bereich der Splittersiedlung noch andere Gebäude vorhanden sind, die als betriebszugehörige Gebäude errichtet wurden und die aufgrund ihrer günstigen Lage im Stadtgebiet von Bamberg als Wohngebäude aus-/ umgebaut werden könnten. Dies würde auch eine weitere Zersiedelung nach sich ziehen, da die Nutzung der Gebäude als Wohnraum im gegenständlichen Gebiet bedeutend attraktiver sein dürfte, als die Nutzung als Gartenbaubetrieb, was sich auch durch die faktisch bereits großenteils erfolgte Umnutzung der Grundstücke hin zu reiner Wohnnutzung zeigt.
Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob das Vorhaben des Klägers auch wegen Entgegenstehen des öffentlichen Belanges nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB unzulässig wäre, da es schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Lärmimmissionen der Brose Arena ausgesetzt wäre. Hierzu hatte der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass am Grundstück des Klägers lediglich die Grenzwerte für ein Gewerbegebiet (und diese auch nur durch eine Verkürzung der Nachtzeit), nicht jedoch die für ein Mischgebiet eingehalten würden. Dies wurde jedoch in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheides noch nicht angesprochen, sondern erst im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben.
c) Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Baueinstellung war notwendig um den Verstoß gegen die öffentlich rechtlichen Vorschriften des Bauplanungsrechts zu verhindern. Sie stellt gegenüber einer späteren Beseitigungsverfügung das mildere Mittel dar. Die Baueinstellungsverfügung stellt sich auch als im engeren Sinne verhältnismäßig dar. Die Beklagte hat in dem Bescheid lediglich die Bauarbeiten im Dachgeschoss des Anwesens eingestellt. Mit Schreiben vom 24.11.2016 hat sie zudem noch vor Klageerhebung die Arbeiten, die zur Fertigstellung des EG und 1. OG im Dachgeschoss vorgenommen werden mussten und die Ergänzung der begonnenen Zwischensparrendämmung freigegeben. Soweit der Kläger im Ortstermin vorgetragen hat, es seien noch weitere Freigaben notwendig, hat er diese nicht genauer bezeichnet und es ist auch für das Gericht nicht ersichtlich, inwiefern die Baueinstellung im Dachgeschoss dem weiteren Ausbau des 1. OG entgegenstehen sollte. Der Inhalt der Baueinstellungsverfügung bezieht sich damit allein auf die Wohnraumerweiterung im Dachgeschoss. Der Kläger genießt auch aufgrund der zurückgenommenen Klage hinsichtlich der ursprünglichen Errichtung eines weiteren Gebäudes auf seinem Grundstück keinen besonderen Vertrauensschutz. Vielmehr hätte ihm durch den Ablauf dieses Verfahrens, in dem auch diskutiert wurde, dass das Grundstück des Klägers im Außenbereich gelegen ist, diese besondere Problematik bekannt sein müssen.
d) Die Auswahl des Klägers als (alleinigen) Adressaten begegnet keinen Bedenken. Der Kläger ist Bauherr und Miteigentümer des Grundstücks.
2. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung bestehen nicht. Insbesondere ist es auch nicht zu beanstanden, dass dem Kläger keine Frist für die Einstellung der Arbeiten, nach deren Ablauf das Zwangsgeld fällig würde, gesetzt wurde, da das grundsätzliche Erfordernis einer Fristsetzung für die Erfüllung der Verpflichtung (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) im Falle einer reinen Unterlassungsverpflichtung, um die es sich hier handelt, entfällt (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.1993 – 14 CE 93.434 – juris Rn 31).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO -.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben