Baurecht

Erweiterung von Dachgauben – Zahl der Vollgeschosse

Aktenzeichen  9 ZB 20.2610

Datum:
14.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20908
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
BayBO Art. 76 S. 2
BayVwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

1. Mängel, die einem Bebauungsplan anhaften, führen nicht zur Gesamtnichtigkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung iSd § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden und in ihnen zum Ausdruck kommenden planerischen Konzeption. Beim Bebauungsplan manifestieren sich die Grundzüge in den seine Hauptziele umsetzenden Festsetzungen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung von Bedeutung sein. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der mit der Beseitigung baulicher Anlagen verbundene (Kosten-)Aufwand spielt für die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Beseitigungsanordnung keine Rolle, da derjenige, der ohne die erforderliche Genehmigung eine Anlage errichtet oder ändert, das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen hat. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 19.666, AN 9 K 19.667 2020-08-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 22.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Erweiterung von Dachgauben an seiner Doppelhaushälfte auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung R* … in N* … Er wendet sich zudem gegen die Fälligstellung eines Zwangsgeldes in Höhe von 7.500,00 Euro.
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. … der Beklagten, rechtswirksam seit dem 29. April 1970. Dieser setzt als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet und im fraglichen Bereich zum Maß der baulichen Nutzung als Geschosszahl zwei Vollgeschosse als zwingend fest.
Dem Kläger wurde am 16. Dezember 2014 die Baugenehmigung für den Anbau an eine Doppelhaushälfte mit Dachterrasse und Erweiterung der Dachgauben auf dem Baugrundstück erteilt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Mai 2016 verfügte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Sofortvollzugsanordnung und unter Androhung eines Zwangsgeldes von 5.000,00 Euro die sofortige Baueinstellung, weil die Dachgauben auf der Nord- und Südseite planabweichend ausgeführt seien.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2016 ordnete die Beklagte gegenüber dem Kläger an, dass der mit Bescheid vom 12. Mai 2016 getroffenen Anordnung auf Einstellung der Bauarbeiten für den Anbau an einer Doppelhaushälfte mit Dachterrasse und Erweiterung der Dachgauben sofort ab Zustellung des Bescheids Folge zu leisten ist. Der Sofortvollzug wurde angeordnet und ein Zwangsgeld von 7.500,00 Euro wurde angedroht. Außerdem wurde von der Beklagten mit Schreiben vom selben Tag das mit Bescheid vom 12. Mai 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro fällig gestellt. Nach Rücknahme der gegen den Bescheid vom 9. Juni 2016 erhobenen Klage stellte das Verwaltungsgericht das betreffende Verfahren mit Beschluss vom 12. Mai 2017 ein (Az. AN 9 K 16.01251).
Mit Bescheid vom 13. September 2017 lehnte die Beklagte den mit Unterlagen vom 26. Oktober 2016 gestellten Bauantrag des Klägers zum Bauvorhaben „Anbau an eine Doppelhaushälfte mit Dachterrasse, Erweiterung der Gauben“, „Tektur über Erweiterung der beiden bestehenden Dachgauben“, zu dem dieser am 7. November 2016 auch einen Antrag auf Befreiung bezüglich des Dachgeschosses als Vollgeschoss gestellt hatte, ab (Nr. 1 des Bescheids). Unter Nr. 2 wurde der Rückbau auf das genehmigte Maß innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Unanfechtbarkeit des Bescheids angeordnet. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wurde ein Zwangsgeld von 5.000,00 Euro angedroht (Nr. 3). Mit Schreiben vom 14. September 2017 erklärte die Beklagte das mit Bescheid vom 9. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld von 7.500,00 Euro für fällig.
Die gegen den Bescheid vom 13. September 2017 und auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung, hilfsweise zu erneuter Verbescheidung, gerichtete Klage (Az. AN 9 K 19.00667) sowie die Klage auf Feststellung, dass das Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 Euro nicht fällig geworden sei (Az. AN 9 K 19.00666), hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. August 2020 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Mit seinen Anträgen auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine Rechtsschutzbegehren weiter.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Gerichts- bzw. Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was innerhalb offener Frist zur Begründung des Zulassungsantrags dargelegt wurde (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
a) Dies gilt zunächst für das Zulassungsvorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die für das Baugrundstück maßgebliche Festsetzung von zwingend zwei Vollgeschossen nicht durch eine eventuelle Unwirksamkeit der Festsetzung „I+D“ in anderen Bereichen des Bebauungsplans Nr. … unwirksam geworden sei.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass über die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die Festsetzung „I+D“, unwirksam ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.1997 – 4 NB 30.96 – juris Rn. 13 m.w.N.), nicht entschieden werden müsse, weil eine solche Teilunwirksamkeit nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Festsetzung zur zulässigen Geschosszahl im Bereich der Gültigkeit dieser Festsetzung mit der Zeichenerklärung „2 Vollgeschosse [Erdgeschoss + Dachgeschoss] – Höchstgrenze“, keinesfalls aber zur Unwirksamkeit der Festsetzung der Zahl der zulässigen Vollgeschosse im gesamten Baugebiet führe. Es hat dabei zutreffend darauf abgestellt, dass hinsichtlich der Frage der ggf. aus einer Teilunwirksamkeit resultierenden Gesamtunwirksamkeit die allgemeinen Grundsätze gelten, nämlich dass Mängel, die einem Bebauungsplan anhaften, dann nicht zur Gesamtnichtigkeit führen, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. Es ist außerdem zu Recht davon ausgegangen, dass hierüber einzelfallbezogen zu befinden ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.1997 a.a.O. m.w.N.). Das Verwaltungsgericht hat den Festsetzungen des Bebauungsplans entnommen, dass es der Beklagten als Plangeberin erkennbar auf das Maß der baulichen Nutzung von zwei Vollgeschossen, entweder als „Höchstgrenze“ oder als „zwingend“, also auf eine Begrenzung auf zwei Vollgeschosse angekommen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus den Zeichenerklärungen zu den drei festgesetzten Varianten („Zahl der Vollgeschosse – zwingend“, “Zahl der Vollgeschosse – Höchstgrenze“ sowie „2 Vollgeschosse [Erdgeschoss + Dachgeschoss] – Höchstgrenze“), was zudem überwiegend der in großen Teilen des Plangebiets bereits realisierten Bebauung entsprochen habe. Die verbleibenden Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung könnten ungehindert einer eventuellen Unwirksamkeit der Festsetzung „I+D“ ihre Aufgabe erfüllen und eine geordnete städtebauliche Entwicklung des Planbereichs gewährleisten, da dem Bebauungsplan jedenfalls die Kernaussage nicht entzogen sei.
Dem setzt der Kläger nichts Durchdringendes entgegen. Nach der Argumentation des Verwaltungsgerichts kann offenbleiben, ob dem Kläger darin zu folgen wäre, dass im Fall der Unwirksamkeit der Festsetzung „I+D“ Teile der betreffenden Zeichenerklärung nicht herangezogen werden könnten, um die Höchstgrenze von zwei Vollgeschossen als weiterbestehende wirksame Teilregelung zu begründen. Dass bei Wegfall der Festsetzung „I+D“ in Geltungsbereichen wie dem des Baugrundstücks mit der Festsetzung von zwei Vollgeschossen als zwingend oder in Bereichen mit der Festsetzung von zwei Vollgeschossen als Höchstgrenze keine sinnvolle städtebauliche Ordnung mehr bewirkt werden könnte oder davon auszugehen wäre, dass die Plangeberin diese Festsetzungen ohne die Festsetzung „I+D“ in anderen Planbereichen dort nicht getroffen hätte, legt der Kläger damit nicht dar. Ebenso wenig genügt hierfür der Hinweis des Klägers auf die aus seiner Sicht insoweit inkonsequente Überzeugung des Verwaltungsgerichts, dass der Satzungsgeber an keiner Stelle mehr als zwei Vollgeschosse habe zulassen wollen und es sich bei den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung bzw. der Begrenzung auf zwei Vollgeschosse um wesentliche planerische Festsetzungen handele.
b) Das Vorbringen des Klägers, die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung seien jedenfalls funktionslos geworden, weil die Beklagte für zahlreiche Anwesen im Geltungsbereich des Bebauungsplans, insbesondere auch in Teilbereichen, in denen zwei Vollgeschosse als zwingend festgesetzt worden seien, Baugenehmigungen erteilt habe, die aufgrund des anzunehmenden statischen Verweises auf den Vollgeschossbegriff nach „§ 18 BauNVO (1962) i.V.m der BayBO a.F.“ (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 15 m.w.N.) über drei Vollgeschosse verfügten, ist ebenfalls nicht durchgreifend. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht, abgesehen davon, dass es die vom Kläger angeführten Wohnhäuser in der P* … Straße, * und * – im Einzelnen begründet – nicht als Bezugsfälle für vorhandene drei Vollgeschosse angesehen hat, nicht davon ausgegangen ist, dass wegen dieses Wohnblocks aus drei Reihenhäusern (P* … Str., * und *) und eines weiteren vom Kläger benannten Einzelanwesens (R* …str. **), jeweils nicht in unmittelbarer Nähe zum Baugrundstück, die Umsetzung der Festsetzung der Geschosszahl im gesamten Bebauungsgebiet als erkennbar nicht mehr durchsetzbar erscheine (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 9 ZB 20.12 – juris Rn. 7).
c) Soweit der Kläger noch anführt, für den Fall, dass hinsichtlich der Frage des Vorliegens von Vollgeschossen aufgrund der Änderungen des Bebauungsplans, zuletzt 2013, nicht auf die Regelung aus der BayBO 1962, sondern auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen sei, liege ein Abwägungsmangel hinsichtlich des gegenständlichen Bauungsplans in seiner letzten Fassung vor, weil die Beklagte bei der Änderung des Bebauungsplans nicht berücksichtigt habe, welche Auswirkungen die Änderungen des Vollgeschossbegriffs auf die getroffenen Festsetzungen habe, ist die ebenfalls unbehelflich. Abgesehen davon, dass die Unwirksamkeit einer Änderungssatzung nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit der Ursprungssatzung von 1970 oder einer vorgehenden Änderungssatzung zur Folge hätte, legt der Kläger nicht dar, die Rügemöglichkeit des § 215 Abs. 1 BauGB genutzt zu haben, weshalb sich der Umfang der Inzidenzkontrolle eines Bebauungsplans nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf die nicht von dieser Vorschrift erfassten stets beachtlichen Mängel beschränkt (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2021 – 9 ZB 19.2273 – juris Rn. 11 m.w.N.). Er zeigt – wie demnach erforderlich – auch keinen Mangel im Abwägungsergebnis auf, für den nicht genügt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung bei einer fehlerfreien Abwägung anders ausgefallen wäre; vielmehr müsste eine fehlerfreie Nachholung der erforderlichen Abwägungsentscheidung aus Unverhältnismäßigkeitsgründen schlechterdings unmöglich sein (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2021 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.).
d) Nachdem es auf ein vom Kläger dargelegtes Einfügen seines Bauvorhabens nach dem Maß baulichen Nutzung gemäß § 34 BauGB somit nicht ankommen kann, führt sein weiteres Zulassungsvorbringen auch nicht zu ernstlichen Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Anzahl der Vollgeschosse gemäß § 31 Abs. 2 BauGB verneint hat, weil es die Grundzüge der Planung als berührt angesehen hat.
aa) Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse keine untergeordnete Planabweichung betreffen, sondern einen Grundzug der Planung berühren. Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden und in ihnen zum Ausdruck kommenden planerischen Konzeption (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – BVerwGE 162, 363; vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2021 – 9 ZB 19.2504 – juris Rn. 11; B.v. 23.2.2021 – 9 ZB 20.12 – juris Rn. 13 m.w.N.). Beim Bebauungsplan manifestieren sich die Grundzüge in den seine Hauptziele umsetzenden Festsetzungen (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2017 – 15 ZB 16.940 – juris Rn. 10). Zwar ist allein dem Umstand, dass die Beklagte im Bebauungsplan mit der Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse Mindestfestsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung getroffen hat, noch nicht zwingend zu entnehmen, dass es sich hierbei um einen Grundzug der Planung handelt (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 15 ZB 15.468 – juris Rn. 11). Das Verwaltungsgericht hat aber einen Grundzug der Planung hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse nicht nur aus der Festsetzung ansich, sondern aus einer Gesamtschau der drei verschiedenen Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse als „Höchstzahl“ bzw. „zwingend“, entnommen, weil sich hieran die Intention der Plangeberin zeige, als planerisches Konzept im gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans die Höchstgrenze der Zahl der Vollgeschosse von zwei umzusetzen. Dem tritt der Kläger damit, dass sich die Festsetzungen als „Höchstgrenze“ oder „zwingend“ allein aus der sich aus § 17 Abs. 4 BauNVO 1962 ergebenden Pflicht, bei der Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse diese entweder als zwingend oder als Höchstgrenze festzusetzen, ergäben und ihnen darüber hinaus keine besondere Bedeutung beizumessen sei, nicht substantiiert entgegen. Dass die Plangeberin das planerische Konzept verfolgt hat, im gesamten Plangebiet maximal zwei Vollgeschosse zuzulassen, wird mit dieser Argumentation nicht in Frage gestellt.
bb) Soweit der Kläger im Hinblick auf die ihm mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 u.a. für die Erweiterung der Dachgauben erteilte Baugenehmigung, die nach seiner Auffassung bereits die Genehmigung eines dritten Vollgeschoss umfasse, weshalb er Bestandsschutz geltend machen könne, sowie hinsichtlich nachbarlicher Anwesen, die bei Zugrundelegung des „zutreffenden“ Vollgeschossbegriffs ebenfalls drei Vollgeschosse aufwiesen, das „Berührt sein“ eines Grundzuges der Planung in Abrede stellt, legt er damit nicht ausreichend dar, dass der mit der Planung verfolgte Interessenausgleich bereits durch die bisherige tatsächliche Entwicklung im Baugebiet nachhaltig gestört ist und in Folge des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht mehr in einer ins Gewicht fallenden Weise berührt werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10.09 – juris Rn. 39, BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 9 ZB 20.12 – juris Rn. 13 m.w.N.; vgl. aber auch B.v. 26.7.2018 – 2 ZB 17.1656 – juris Rn. 3).
Es ist zwar umstritten, kann hier aber offenbleiben, ob die Verweisung des hier wohl als maßgeblich anzusehenden § 18 BauNVO 1962 (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2020 – 9 ZB 16.882 – juris Rn. 8 m.w.N.) auf die landesrechtlichen Vorschriften zu Vollgeschossen als statische oder dynamische Verweisung zu verstehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 15 m.w.N.; vgl. auch B.v. 5.4.2018 – 1 ZB 16.2598 – juris Rn. 7 m.w.N.). Wie sich anhand der Aktenlage und dem gesamten Prozessvorbringen ergibt, hat die Beklagte bei der Erteilung der Baugenehmigung vom 16. Dezember 2014 die Auffassung vertreten, dass die Erweiterung der Dachgauben nicht zur Errichtung eines weiteren Vollgeschosses führe, nachdem nach den Bauvorlagen von einer lichten Höhe unter 2,30 m auszugehen sei. Hinsichtlich der Anwesen R* …straße … und P* … Straße * sowie * hat die Beklagte die Verwirklichung eines dritten Vollgeschosses jeweils ebenfalls verneint. Das dritte Vollgeschoss in der P* … Straße * sei bereits mit der Erstgenehmigung von 1929/30 vor Inkrafttreten des Bebauungsplans genehmigt worden. Unabhängig davon, ob die Beklagte bzw. in der Folge das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Einschätzung zum Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Vollgeschosses beim klägerischen Anwesen und den vom Kläger benannten Bezugsfällen jeweils richtig lag, ist dem Zulassungsvorbringen nicht schlüssig zu entnehmen, dass mit der hier in Streit stehenden weiteren Erweiterung der Dachgauben, eine ins Gewicht fallende Verschlechterung der planungsrechtlichen Situation nicht mehr hervorgerufen bzw. der allgemeine Geltungsanspruch des Bebauungsplans durch das Bauvorhaben nicht mehr zusätzlich in Frage gestellt werden könnte (vgl. BayVGH, U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.1337 – juris Rn. 41). Die hier streitgegenständliche beantragte Tektur könnte selbst bei Annahme einer dynamischen Verweisung in § 18 BauNVO 1962 und dem daraus für die Annahme eines Vollgeschosses folgenden Erfordernis einer Geschosshöhe von mindestens 2,3 m über mindestens 2/3 der Geschossgrundfläche (vgl. hierzu Art. 83 Abs. 6 BayBO i.V.m. Art. 2 Abs. 5 BayBO in der bis 31.12.2007 geltenden Fassung) zweifelsohne und vom Kläger unbestritten nur unter Erteilung einer Befreiung von der als zwingend festgesetzten Zahl der Vollgeschosse genehmigt werden. Der Kläger hat dementsprechend zu seinem Tekturantrag auch einen Antrag auf Befreiung von der Festsetzung zur Zahl der zulässigen Vollgeschosse gestellt und ihre Erteilung mit der Begründung zu erreichen versucht, dass im Bereich des Bebauungsplans bereits Neubauten mit mehr als zwei Vollgeschossen vorhanden seien. Das Zulassungsvorbringen verhält sich dennoch nicht zur Frage einer Bezugsfallwirkung einer erteilten Befreiung, obwohl sich andere Bauwerber im Plangebiet nicht auf in der Vergangenheit unter Missachtung der Festsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse erteilte Baugenehmigungen berufen könnten, weil ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht nicht besteht (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 9 ZB 18.2090 – juris Rn. 16 m.w.N.). Für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können aber Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung von Bedeutung sein (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2021 – 9 ZB 19.661 – juris Rn. 6 m.w.N.).
e) Soweit der Kläger anführt, das Verwaltungsgericht habe zur Frage der Geschosszahl die Bauakten zu den von ihm benannten Bezugsfällen nicht beigezogen, keinen Augenscheintermin durchgeführt und auch kein Sachverständigengutachten eingeholt, leitet der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aus einem Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts her. In diesen Fällen wird ein Zulassungsgrund nur dann ausreichend dargelegt, wenn dem Darlegungserfordernis der Verfahrensrüge genügt wird. Entspricht das Vorbringen diesen Anforderungen, kommt eine Zulassung nur in Betracht, wenn auch eine entsprechende Verfahrensrüge zu einer Zulassung führen würde. Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Eine Verletzung von § 86 Abs. 1 VwGO und ein Verfahrensmangel liegen nur dann vor, wenn ein Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt worden ist oder sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 9 ZB 20.498 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Dies ist hier nicht der Fall. Abgesehen davon, dass der anwaltlich vertretene Kläger in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2020 keine Beweisanträge gestellt hat, kann dem Zulassungsvorbringen schon nicht entnommen werden, dass die Aufklärung der Geschosshöhen der Anwesen P* … Str., * sowie * und R* …str. … entscheidungserheblich gewesen wäre. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen. Ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), ist somit nicht dargelegt.
f) Auch soweit der Kläger die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der Rückbauverpflichtung im Bescheid vom 13. September 2017 in Zweifel zu ziehen versucht, kann er nicht durchdringen.
aa) Das Verwaltungsgericht hat die streitgegenständliche Anordnung der Beseitigung als ermessensfehlerfrei ergangen angesehen. Entgegen der Ansicht des Klägers hatte es dabei keine Veranlassung, auf den mit der Beseitigung der baulichen Anlage verbundenen (Kosten-)Aufwand einzugehen. Dieser spielt für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung keine Rolle, da derjenige, der ohne die erforderliche Genehmigung eine Anlage errichtet oder ändert, das Risiko einer baurechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen hat. Andernfalls hätte es der Betroffene auch in der Hand, durch hohen Kostenaufwand die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2019 – 9 ZB 18.1263 – juris Rn. 10 m.w.N.)
bb) Das weitere die Rückbauverpflichtung betreffende Zulassungsvorbringen, wonach die Beklagte im Zusammenhang mit ihrer Ermessensentscheidung Erwägungen zu Vollgeschossen unter Berücksichtigung des Vollgeschossbegriffes hätte anstellen müssen, ist ohne jede Erläuterung nicht nachvollziehbar. Es genügt dem Darlegungsgebot nicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2021 – 9 ZB 20.1900 – juris Rn. 7 m.w.N.).
g) Zur Fälligkeit des Zwangsgeldes lässt sich dem Zulassungsvorbringen nicht entnehmen (vgl. § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO).
2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124a Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Beklagte genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26). Die Rechtssache weist keine entscheidungserheblichen Fragen auf, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereiten, sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2021 – 9 ZB 18.1513 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt auch im Hinblick auf den explizit erwähnten überdurchschnittlichen Ermittlungsaufwand der Vollgeschosseigenschaft des Dachgeschosses des klägerischen Anwesens, die nur hinsichtlich der mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 genehmigten Erweiterung der Dachgauben streitig ist, und benannter nachbarlicher Anwesen. Auch auf die Frage, ob die BauNVO auf den landesrechtlichen Vollgeschossbegriff statisch oder dynamisch verweist, kommt es nach den Ausführungen zu 1. nicht an.
3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 9 ZB 18.1261 – juris Rn. 17). Dem wird das Zulassungsvorbringen, mit dem die Entscheidungserheblichkeit der Frage, ob es sich bei dem Verweis der BauNVO auf den landesrechtlichen Vollgeschossbegriff um eine statische oder dynamische Verweisung handelt, nicht dargelegt wird, nicht gerecht.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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