Baurecht

Fehlende Klagebefugnis der Standortgemeinde gegen Plangenehmigung für Inertabfalldeponie

Aktenzeichen  M 17 K 15.3469

Datum:
7.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KrWG KrWG § 35 Abs. 3
BauGB BauGB § 36, § 38
GG GG Art. 28 Abs. 2
VwGO VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zur Begründung der Klagebefugnis einer Gemeinde muss die Störung einer gemeindlichen Planung durch einen überörtlichen Fachplan (§ 38 BauGB) nachhaltig sein; geringfügige Beeinträchtigungen der Planungshoheit sind nicht geeignet, die gemeindliche Klagebefugnis zu begründen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gemeinde kann Belange der Allgemeinheit, die nicht speziell dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind, nicht gerichtlich geltend machen; auch kommen einer Gemeinde nicht schon dann eigene wehrfähige Rechte zu, wenn nach ihrer Ansicht einzelnen Privatpersonen ein Schaden droht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg, denn sie ist unzulässig. Der Klägerin fehlt die Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO.
§ 42 Abs. 2 VwGO setzt voraus, dass der Kläger die Verletzung eines subjektiven Rechts geltend macht. Ein Kläger ist also nur klagebefugt, wenn die Rechtsordnung ein subjektives Recht kennt, das den geltend gemachten Anspruch in seiner Person tragen würde (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 42 Rn. 82). Der Kläger hat mit seiner Klage jedenfalls darzulegen, dass eine Verletzung von eigenen Rechten im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO möglich erscheint und nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die von dem Kläger geltend gemachten Rechte nicht bestehen oder ihm nicht zustehen können. Der Kläger muss jedenfalls das Tatsachenmaterial beibringen, das es dem Gericht ermöglicht zu klären, ob ein subjektives Recht des Klägers bei dem Rechtsstreit verletzt sein könnte. Möchte der Kläger seine Klage im mehrseitigen Verwaltungsrechtsverhältnis auf einen Verfahrensfehler stützen, so muss sich aus seinem Vorbringen ergeben, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 42 Rn. 93-97). Erscheint die Verletzung eigener Rechte im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen, fehlt die Widerspruchs- oder Klagebefugnis, so dass Widerspruch und Klage unzulässig sind (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 134).
Vorliegend hat die Klägerin weder im Plangenehmigungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren Tatsachen vorgetragen, die die Verletzung eigener Rechte der Klägerin als Gemeinde möglich erscheinen lassen.
Die Klägerin kann nicht geltend machen, in ihrer Planungshoheit als Ausfluss der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz verletzt zu sein. Die Planungshoheit vermittelt den Gemeinden nur dann eine wehrfähige Rechtsposition, wenn eine eigene hinreichend bestimmte Planung nachhaltig gestört wird, das Vorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzieht oder kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben erheblich beeinträchtigt werden (Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 36 Rn. 109 m. w. N., BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 40 /86 – BVerwGE 81, 95/106; NdsOVG, B.v. 26.9.2006 – 7 ME 93/06 – NVwZ-RR 2007, 121). Die Gemeinden müssen die Möglichkeit einer solchen Verletzung ihrer Planungshoheit aufzeigen und hierbei insbesondere den Eingriff in eine solche Rechtsposition substantiiert darlegen (BVerwG, U.v. 30.9.1993 – 7 A 14/93 – NVwZ 1994, 371; NdsOVG a. a. O.). Es müssen also Tatsachen dargelegt werden, die es denkbar und möglich erscheinen lassen, dass die Gemeinde durch den Planfeststellungsbeschluss in einer eigenen rechtlich geschützten Position beeinträchtigt ist (BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 3). Die Störung der Planung durch den überörtlichen Fachplan – d. h. im vorliegenden Fall die abfallrechtliche Plangenehmigung – muss daher nachhaltig sein, geringfügige Beeinträchtigungen der Planungshoheit sind nicht geeignet, die gemeindliche Klagebefugnis zu begründen (BayVGH, B.v. 27.3.1998 – 20 A 97.40033 – juris Rn. 40 f.).
Die Klägerin hat bisher nicht ansatzweise dargelegt, inwieweit eine nachhaltige Verletzung ihrer Planungshoheit vorliegen soll, eine solche ist auch nicht ersichtlich. Ausweislich der Verfahrensakten des Landratsamts hat die Klägerin im Plangenehmigungsverfahren mit Schreiben vom 21. Februar 2013, 11. Dezember 2013 und 26. Februar 2015 lediglich mitgeteilt, dass das gemeindliche Einvernehmen gemäß § 36 BauGB verweigert wird. Konkrete Planungsabsichten hat die Klägerin bislang nicht dargetan. Vielmehr liegt das Vorhaben nach den vorgelegten Planunterlagen im Außenbereich, § 35 BauGB. Auch liegt der Standort der genehmigten Deponie unstreitig nicht im Einflussbereich einer Trinkwasseranlage der Klägerin. Auf die Zunahme des Straßenverkehrs auf der Zufahrtsstraße zur Deponie, wie in der mündlichen Verhandlung am 7. April 2016 vorgetragen, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht stützen, weil diese Straße nicht ihrer Straßenbaulast unterliegt, sondern es sich dabei um die Staatsstraße St 2335 handelt. Das gilt auch für die behauptete Gefahr durch Zufluss von Wasser von der Deponie in den Straßengraben.
Die Klägerin konnte auch nicht geltend machen, dass gemeindliche Einrichtungen durch das Vorhaben tangiert würden. Soweit private Trinkwasserbrunnen der Deponie benachbart sind, kann die Klägerin daraus keine eigenen subjektiven Rechte ableiten. Als Gemeinde kann die Klägerin nämlich zum einen nicht Belange der Allgemeinheit, die nicht speziell dem gemeindlichen Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind, geltend machen, insbesondere kann sie sich gegenüber einem anderen Planungsträger nicht zum gesamtverantwortlichen „Wächter des Umweltschutzes“ machen (BVerwG, U.v. 21.3.1996 – 4 C 26/94 – BVerwGE 100, 388/395; BVerwG, B.v. 5.11.2002 – 9 VR 14/02 – NVwZ 2003, 207 Rn.17). Zum anderen kommen einer Gemeinde nicht schon dann eigene „wehrfähige“ Rechte zu, wenn nach ihrer Ansicht einzelnen Privatpersonen – die ihre Rechte selbst geltend zu machen haben – ein Schaden droht (BVerwG, U.v. 15.12.1989, -___39Bayerisches Verwaltungsgericht München40___ – BVerwGE 84, 209/213).
Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung kann die Klägerin auch nicht darauf stützen, dass das Landratsamt das gemeindliche Einvernehmen nach § 36 BauGB ersetzt hätte. Vielmehr wird im angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 2015 ausdrücklich festgestellt (Nr. II. 3.7 der Gründe), dass die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens vorliegend unschädlich ist. Zu Recht geht das Landratsamt in den Gründen der Genehmigung davon aus, dass § 36 BauGB auf das genehmigte Vorhaben von vornherein nicht anwendbar ist. Gemäß § 38 BauGB sind auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung – worunter auch Plangenehmigungen gemäß § 35 Abs. 3 KrWG fallen – §§ 29 bis 37 BauGB nicht anzuwenden, sofern ein Vorhaben von überörtlicher Bedeutung vorliegt und wenn die Gemeinde im Verfahren beteiligt wird; städtebauliche Belange sind zu berücksichtigen.
Die genehmigte Inertabfalldeponie ist ein Vorhaben von überörtlicher Bedeutung, denn die konkreten Wirkungen des plangenehmigten Vorhabens greifen über das Gemeindegebiet der Klägerin hinaus. Es gibt lediglich in zwei Gemeinden des Landkreises DK 0-Deponien, so dass ein Einzugsgebiet besteht, das weit über das Stadtgebiet der Klägerin hinausreicht.
Eine Klagebefugnis ist auch nicht deshalb gegeben, weil das Landratsamt statt des Planfeststellungsverfahrens nach § 35 Abs. 3 KrWG ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt hat. Allein durch eine etwaige fehlerhafte Wahl des Genehmigungsverfahrens werden Dritte nicht in ihren Rechten verletzt, sondern nur dann, wenn die erteilte Plangenehmigung gegen sonstige drittschützende verfahrens- oder materiellrechtliche Normen verstößt. Der Einzelne hat nur Anspruch darauf, dass im Rahmen des Verwaltungsverfahrens seine materiellen Rechte gewahrt werden, nicht aber darauf, dass dies in einem bestimmten Verfahren geschieht, wie er auch die Beachtung von Verfahrensvorschriften nicht um ihrer selbst willen erzwingen kann, wenn seine materiellen Rechte gewahrt bleiben (BVerwG, B.v. 25.3.2011 – 7 B 86/10 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 4.4.2012 – 9 B 95/11 – juris Rn. 6 f.; Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 3. Aufl. 2012, § 35 Rn. 139).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 60.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 2.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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