Baurecht

Festsetzung von Verkehrsflächen und Funktionslosigkeit des Bebauungsplans

Aktenzeichen  1 ZB 14.2641

Datum:
14.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 103803
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 11

 

Leitsatz

1 Festsetzungen eines Bebauungsplans werden nur dann funktionslos, wenn die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hat, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn die dadurch fehlende Steuerungsfunktion der Festsetzung offenkundig ist, so dass ein Vertrauen auf die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine der Realisierung entgegenstehende tatsächliche Entwicklung kann nicht nur durch planwidrige Grundstücksnutzungen, sondern auch durch andere Umstände, wie beispielsweise das Fehlen der erforderlichen Finanzmittel für die Realisierung der geplanten Maßnahme, ausgelöst werden. Die Festsetzung von Verkehrsflächen kann daher zum Beispiel funktionslos werden, wenn die Gemeinde den Bau einer Straße endgültig aufgegeben hat und dies bei einem mehr als 40 Jahre alten Plan offenkundig ist (hier verneint). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 K 12.5473 2014-10-09 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Die Darlegungen im Zulassungsantrag vermögen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht zu begründen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Kläger, die eine Einfriedung auf ihrem Wohngrundstück vorgelagerten Grundstücken errichten wollen, die durch Bebauungsplan als Verkehrsfläche festgesetzt sind, dringen weder mit dem Argument durch, dass die Festsetzung funktionslos und damit unwirksam geworden sei, noch haben sie Anspruch auf eine Befreiung von der Festsetzung.
Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Festsetzung der Verkehrsfläche weiterhin wirksam ist. Festsetzungen eines Bebauungsplans werden nur dann funktionslos, wenn die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hat, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn die dadurch fehlende Steuerungsfunktion der Festsetzung offenkundig ist, so dass ein Vertrauen auf die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5). Eine der Realisierung entgegenstehende tatsächliche Entwicklung kann nicht nur durch planwidrige Grundstücksnutzungen, sondern auch durch andere Umstände, wie beispielsweise das Fehlen der erforderlichen Finanzmittel für die Realisierung der geplanten Maßnahme, ausgelöst werden. Die Festsetzung von Verkehrsflächen kann daher funktionslos werden, wenn die Gemeinde den Bau einer Straße endgültig aufgegeben hat und dies bei einem mehr als 40 Jahre alten Plan offenkundig ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.7.2010 – 4 B 22.10 – BauR 2010, 2060). Davon, dass die Beklagte die Verbreiterung der Erschließungs Straße einschließlich der Anlegung von Gehwegen endgültig aufgegeben hat oder die tatsächliche Entwicklung einer Verbreiterung der Erschließungs Straße entgegensteht, kann nicht die Rede sein. Dass die Verkehrsbedeutung der Straße nach Sperrung der Brücke über die Bahn geringer geworden ist, rechtfertigt nicht den Schluss auf den Verzicht des Ausbaus, weil der Neubau der Brücke weiterhin im Haushaltsplan der Beklagten aufgeführt ist. Auch die vor anderen Wohngebäuden auf der Verkehrsfläche errichteten Einfriedungen stehen der Realisierung der Verbreiterung nicht entgegen, weil diese Anlagen keinen Bestandsschutz genießen und gegebenenfalls beseitigt werden können.
Entgegen der Auffassung der Kläger kommt für die Einfriedung der Kläger auch keine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht, weil diese Maßnahme die Verbreiterung der Erschließungs Straße auf Dauer unmöglich machen und dadurch Grundzüge der Planung berühren würde. Das städtebauliche Konzept der Beklagten geht von einer ausreichend leistungsfähigen Straße aus, über die ein größeres Gebiet erschlossen werden soll. Daran vermögen auch die von den Klägern geäußerten Zweifel an der Realisierung des festgesetzten Straßenausbaus nichts zu ändern, weil es für die Frage, ob Grundzüge der Planung berührt werden, allein darauf ankommt, ob das mit dem Bebauungsplan verfolgte Konzept noch realisiert werden kann.
2. Angesichts der Ausführungen unter Nummer 1 weist die Rechtssache auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG.
Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dhom Widmann Dr. Volckens


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