Baurecht

Feststellung eines befriedeten Bezirks iSd Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG

Aktenzeichen  Au 8 K 18.665

Datum:
17.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16994
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayJG Art. 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2
VwGO § 43 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Hausgärten sind kultivierte Grundflächen, die nach Lage, Größe und Nutzungsart zumindest überwiegend den hauswirtschaftlichen Bedürfnissen der Bewohner des unmittelbar anschließenden Hausanwesens zu dienen bestimmt sind. Dabei sind im konkreten Einzelfall die Größe der jeweiligen Fläche, das Angrenzen an eine „Behausung“, die Umfriedung der Fläche, deren bestimmungsgemäße Verwendung mit Flächeninhalt sowie die Kulturart zu berücksichtigen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Nutzung eines Grundstücks zum Feuer machen und als Ort, um Modellflugzeuge fliegen zu lassen, lässt keine hauswirtschaftliche Nutzung erkennen, da ihr als reine Freizeitbeschäftigung jeglicher hauswirtschaftliche Bezug fehlt. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Um die von Art. 6 Abs. 1 BayJG geschützte häusliche Sicherheit von Menschen am effektivsten zu gewährleisten, ist das Kriterium der Unmittelbarkeit mittels einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen. Unter Berücksichtigung dieses Schutzzwecks kann zur Bestimmung des Kriteriums der Unmittelbarkeit insbesondere auf die Entfernung zur Behausung sowie die optisch erkennbare Abtrennung des zu befriedenden Bereichs vom bereits befriedeten Bereich abgestellt werden. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig erhobene Klage ist unbegründet. Das streitgegenständlichen Grundstück mit der Flurnummer … stellt keinen befriedeten Bezirk i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG dar.
1. Die Klage ist zulässig.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Frage, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Grundstück mit der Flurnummer … um einen befriedeten Bezirk i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG handelt, stellt ein solches Rechtsverhältnis dar. Auch hat der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung (§ 43 Abs. 1 letzter Hs VwGO), da der Beklagte diesbezüglich eine andere Rechtsauffassung als der Kläger vertritt.
2. Die Klage ist unbegründet.
Das streitgegenständlichen Grundstück mit der Flurnummer … stellt keinen befriedeten Bezirk i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG dar.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 BayJG sind Befriedete Bezirke (§ 6 des Bundesjagdgesetzes) Hofräume und Hausgärten, die unmittelbar an eine Behausung im Sinn der Nummer 1 anschließen und durch eine Umfriedung begrenzt sind. Behausungen i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayJG sind Gebäude, die zum Aufenthalt von Menschen dienen, und Gebäude, die mit solchen Gebäuden räumlich zusammenhängen.
a) Das streitgegenständliche Grundstück stellt keinen Hausgarten i.S.d. genannten Vorschrift dar. Hausgärten sind kultivierte Grundflächen, die nach Lage, Größe und Nutzungsart zumindest überwiegend den hauswirtschaftlichen Bedürfnissen der Bewohner des unmittelbar anschließenden Hausanwesens zu dienen bestimmt sind. Dabei sind im konkreten Einzelfall die Größe der jeweiligen Fläche, das Angrenzen an eine „Behausung“, die Umfriedung der Fläche, deren bestimmungsgemäße Verwendung mit Flächeninhalt sowie die Kulturart zu berücksichtigen (Leonhardt, Jagdrecht, Stand 1.5.2018, Art. 6 Anm. 2.1.2). Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist im hier zu entscheidenden Fall das streitgegenständliche Grundstück keine kultivierte Grundfläche, die nach Lage, Größe und Nutzungsart zumindest überwiegend den hauswirtschaftlichen Bedürfnissen der Bewohner des unmittelbar anschließenden Hausanwesens zu dienen bestimmt ist.
aa) Das streitgegenständliche Grundstück mit der Flurnummer … ist 4.000 m2 groß sowie 50 Meter vom Wohnhaus des Klägers entfernt. Darauf macht der Kläger unter anderem Feuer und lässt Modellflugzeuge fliegen. Auf dem 6.000 m2 großen Grundstück mit der Flurnummer … befindet sich das Wohnhaus des Klägers sowie direkt daran anschließend dessen Garten.
bb) Das Grundstück mit der Flurnummer … dient nicht zumindest überwiegend den hauswirtschaftlichen Bedürfnissen der Bewohner. Die Nutzung des Grundstücks zum Feuer machen und als Ort, um Modellflugzeuge fliegen zu lassen, lässt keine hauswirtschaftliche Nutzung erkennen, da ihr als reine Freizeitbeschäftigung jeglicher hauswirtschaftliche Bezug fehlt (vgl. Leonhardt, Jagdrecht, Art. 6 Anm. 2.1.2). Auch das Vorbringen des Klägers während des Ortstermins am 21. Juni 2018, er nutze das streitgegenständliche Grundstück im Übrigen wie einen ganz normalen Garten, ändert daran nichts. Zwar lässt sich daraus ein anerkennenswertes Bedürfnis nach einem Rückzugsort ableiten (vgl. Leonhardt, Jagdrecht, Art. 6 Anm. 2.1.2), jedoch dient das streitgegenständliche Grundstück zumindest nicht überwiegend als Rückzugsort. Das Ruhebedürfnis des Klägers wird überwiegend durch den sich auf dem 6.000 m2 großen Grundstück mit der Flurnummer … befindlichen Garten befriedigt.
cc) Das streitgegenständliche Grundstück grenzt auch nicht an eine „Behausung“ an (siehe dazu sogleich). Die Voraussetzungen für die Annahme eines Hausgartens liegen somit nicht vor.
b) Das Grundstück mit der Flurnummer … schließt darüber hinaus nicht unmittelbar an Gebäude, die zum Aufenthalt von Menschen dienen, und Gebäude, die mit solchen Gebäuden räumlich zusammenhängen, an. Um die von Art. 6 Abs. 1 BayJG geschützte häusliche Sicherheit von Menschen (Leonhardt, Jagdrecht, Art. 6 Anm. 1; Frank/Käsewieter, Das Jagdrecht in Bayern, Stand 1.5.2018, Art. 6 Anm. 1) am effektivsten zu gewährleisten, ist das Kriterium der Unmittelbarkeit mittels einer Gesamtwürdigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen. Unter Berücksichtigung dieses Schutzzwecks kann zur Bestimmung des Kriteriums der Unmittelbarkeit insbesondere auf die Entfernung zur Behausung sowie die optisch erkennbare Abtrennung des zu befriedenden Bereichs vom bereits befriedeten Bereich abgestellt werden.
Im hier zu entscheidenden Fall sind die Grundstücke mit den Flurnummern … und … durch zwei parallele Reihen großer Bäume sowie einen Maschendrahtzaun voneinander getrennt. Der Abstand vom Wohnhaus des Klägers zu den Baumreihen beträgt 50 Meter. Auf Grund einer Gesamtwürdigung dieser Umstände grenzt das streitgegenständliche Grundstück nicht unmittelbar an eine Behausung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayJG an. Sowohl der räumliche wie auch der optische Aspekt führen in einer Gesamtschau dazu, dass das Kriterium der Unmittelbarkeit nicht erfüllt ist. Bei einem Abstand von 50 Metern zwischen dem Wohnhaus des Klägers und der zwischen den Grundstücken befindlichen Baumreihen sowie der Trennung der beiden Grundstücke durch diese Baumreihen sowie einen Maschendrahtzaun ist die häusliche Sicherheit des Klägers hinreichend gewahrt.
Auch die Tatsache, dass zwischen den Baumreihen ein Weg angelegt ist, der mittels eines Durchlasses im Maschendrahtzaun auf das Grundstück mit der Flurnummer … mündet, führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Anerkennung einer bloßen faktische Überwindbarkeit das Kriterium der Unmittelbarkeit nicht entfallen lässt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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