Baurecht

Feuerstättenschau, Verwaltungsgerichte, Prozeßbevollmächtigter, Sachverhaltsermittlung, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Bezirksschornsteinfeger, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Schriftsätze, Kostenentscheidung, Zwangsgeldandrohung, Keine Klageänderung, Bevollmächtigter, Unverletzlichkeit der Wohnung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Inaugenscheinnahme, Duldungsverfügung, Kehr- und Überprüfungsordnung, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Dachgeschoss

Aktenzeichen  M 32 K 18.5970

Datum:
3.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42811
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SchfHwG § 1 Abs. 4, § 1 Abs. 3 S. 1, § 14 Abs. 1
GG Art. 13

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III.  Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Gründe

Über die Klage kann durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil das Verfahren keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtordnung – VwGO). Zudem konnte von einer Anhörung zum Erlass eines Gerichtsbescheids abgesehen werden, da die Beteiligten sich einvernehmlich und ausdrücklich mit einer solchen Entscheidung einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist zwar zulässig.
Insbesondere ist die erhobene Klage statthaft, unabhängig davon, ob man sie als Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog oder als allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO behandelt (vgl. zum Meinungsstand Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 90, 97).
Es liegt jedenfalls auch in Bezug auf § 43 Abs. 1 VwGO eine zulässige Klageänderung i.S.d. § 91 VwGO vor; die Umstellung des Antrags bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage stellt keine Klageänderung in diesem Sinne dar und ist ohne weiteres zulässig (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 88).
Die anwaltlich vertretenen Kläger erhoben zwar zunächst mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2018 Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO und begehrten Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom 6. November 2018. Erst nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass sich die Hauptsache auf Grund der vor Klageerhebung erfolgten Durchführung der Feuerstättenschau erledigt hat, stellten die Klägerbevollmächtigten den Klageantrag in einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des o.g. Bescheids um. Dies kann eine echte Klageänderung darstellen, so dass gem. § 91 Abs. 1 VwGO diese nur zulässig ist, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Gem. § 91 Abs. 2 VwGO ist von einer Einwilligung auszugehen, wenn die Beklagte sich, ohne der Änderung zu widersprechen, z.B. in einem Schriftsatz, auf die geänderte Klage eingelassen hat. Dies ist hier anzunehmen, da sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 12. März 2020 rügelos zur geänderten Klage geäußert hat.
Die Kläger haben auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bzw. ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung, § 43 Abs. 1, HS. 2 VwGO. Nach allgemeiner Meinung ist ein Interesse berechtigt, wenn es rechtlicher oder schutzwürdiger tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art ist (vgl. BVerwG, B. v. 20.12.2017 – 6 B 14/17 – NVwZ 2018, 739, 740). Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern (vgl. Happ/Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 30, § 113 Rn. 108 f., 112). Vorliegend besteht durch die regelmäßige Verpflichtung aus § 14 Abs. 1 SchfHwG, die Feuerstättenschau durchzuführen, eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf die – auch in der Vergangenheit zwischen den Beteiligten bestehende – Streitfrage, welche Räumlichkeiten der Feuerstättenschau unterliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 34). Dabei ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft bei Verweigerung der Feuerstättenschau seitens der Beklagten vergleichbare Verwaltungsakte ergehen werden und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Wesentlichen unverändert bleiben (vgl. st. Rspr. des BVerwG, u.a. U.v. 18. 12. 2007 – C-47/06 – juris Rn. 13; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 112).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich als rechtmäßig.
Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist § 1 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 SchfHwG. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 SchfHwG sind Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen verpflichtet, u.a. dem bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für die Durchführung der Feuerstättenschau (§ 14 SchfHwG) Zutritt zu ihren Räumen und Grundstücken zu gestatten; wird dieser Zutritt nicht gestattet, erlässt die zuständige Behörde nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SchfHwG eine Duldungsverfügung. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG besichtigt der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger persönlich zweimal im Zeitraum seiner amtlichen Bestellung von sieben Jahren (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SchfHwG) sämtliche Anlagen in den Gebäuden seines Bezirks, in den Arbeiten nach den Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 SchfHwG (d.h.: der Kehr- und Überprüfungsordnung – KÜO) und der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungsanlagen (d.h.: der 1. BImSchV) oder nach den landesrechtlichen Bauordnungen durchzuführen sind, und prüft die Betriebs- und Brandsicherheit der Anlagen (Feuerstättenschau), § 14 Abs. 1 Satz 2 SchfHwG. Diese Gesamtbegutachtung der in einem Haus befindlichen Schornsteine und Feuerungsanlagen dient der Sicherstellung der Betriebs- und Brandsicherheit und des Umweltschutzes. Sie ist als ergänzende Maßnahme zu den Arbeiten zu verstehen, die in der KÜO und 1. BImSchV vorgeschrieben sind. Hierzu gehört auch die Feststellung, ob seit der letzten Feuerstättenschau an den Feuerungs- oder Abgasanlagen sonstige Änderungen vorgenommen wurden, etwa Schornsteine ggf. rechtswidrig belegt wurden, neue Anlagen angeschlossen oder stillgelegte Anlagen wieder in Betrieb genommen wurden. Die Feuerstättenschau stellt die Grundlage für den Erlass des Feuerstättenbescheids nach § 14a SchfHwG dar, mit dem festgelegt wird, welche Schornsteinfegerarbeiten an einem Gebäude im Einzelnen durchzuführen sind. Dies erfordert eine umfassende Sachverhaltsermittlung. Denn ohne die Erkenntnisse der Feuerstättenschau gibt es keine Möglichkeit zu erfahren, ob die Daten in den Kehrbüchern noch aktuell oder korrekt sind oder ob nicht gemeldete Änderungen an Feuerungs- oder Abgasanlagen, der Einbau neuer Anlagen oder die Inbetriebnahme stillgelegter Anlagen erfolgt sind (vgl. VG Regensburg, B.v. 16.2.2016 – RN 5 S 16.161 – juris Rn. 24). Die Feuerstättenschau umfasst damit insbesondere das Betreten sämtlicher Räume, die an den Schornstein angrenzen, um eine Inaugenscheinnahme des Schornsteins an allen vier Seiten zu ermöglichen. Hierbei ist es auch erforderlich, Räume zu betreten, in denen der Kamin eingemauert ist, weil es Aufgabe des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegers ist, diese ebenfalls zu besichtigen, um die Angaben des Eigentümers zu überprüfen und nachzusehen, ob Anlagen geändert oder weitere Anlagen in Betrieb genommen wurden (vgl. VG Augsburg, U.v. 23.11.2017 – Au 5 K 17.590 – juris Rn. 27; VG München, juris Rn. 17; VG München, U.v. 21.5.2019 – M 32 K 18.3641 – noch nicht veröff.).
Hiervon ausgehend ist der Bescheid der Beklagten vom 6. November 2018 rechtmäßig.
Der Schornstein, der durch das Anwesen der Kläger verläuft und an einer Seite an das Schlafzimmer im Dachgeschoss angrenzt, unterliegt gem. § 14 Abs. 1 SchfHwG der Feuerstättenschau, denn er ist Teil einer Abgasanlage im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KÜO (vgl. Definition in Nr. 1 der Anlage 4 zu § 7 KÜO), die auch nicht nach § 1 Abs. 3 KÜO von der Überwachungspflicht ausgenommen ist. Der Schornstein unterlag auch entsprechend den obigen Ausführungen der Feuerstättenschau, da dieser von allen vier Seiten eingesehen werden musste. Der Zutritt zum Schornstein im Bereich des Schlafzimmers im Dachgeschoss wurde zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht gewährt. Der Einwand der Kläger, die Rückwand des Kamins und deren baulich einwandfreier und unversehrter Zustand hätten leicht mittels eines Blicks durch die im Speicher befindliche Kamintür überprüft werden können, greift nicht durch, da auch durch diese Vorgehensweise eine Gesamtbegutachtung des Schornsteins auf der kompletten Länge nicht möglich gewesen wäre. So könnten z.B. an der Schornsteinwand Gegenstände (Heizkörper, Regale) angebracht oder Rohrbüchsen eingelassen worden sein, welche nicht die gesamte Schornsteinwand durchdrungen haben und damit nicht durch die Kamintüre sichtbar wären, aber dennoch die Betriebs- und Brandsicherheit gefährden könnten.
Da die letzte vollständige Feuerstättenschau am 23. Juni 2015 stattgefunden hatte, sind die Fristen des § 14 Abs. 1 Satz 3 SchfHwG gewahrt.
Da die Kläger die in der Anhörung gesetzte Frist zur Vervollständigung der Feuerstättenschau nicht eingehalten hatten, war der Erlass des Bescheids erforderlich.
Sonstige Gründe, die den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Anordnung ist verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei. Denn der mit der Feuerstättenschau verbundene Eingriff in Grundrechte der Kläger ist von geringer Intensität, erfolgt nur kurzzeitig und liegt zur Durchsetzung des vorbeugenden Brand- und Gesundheitsschutzes im besonderen öffentlichen Interesse. Dagegen müssen die klägerischen Interessen zurücktreten.
Der mit der Anordnung verbundene Eingriff in das Grundrecht der Kläger auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. § 1 Abs. 3 SchfHwG gibt dem Bezirksschornsteinfeger lediglich das Recht, die Wohnung zu betreten und zu besichtigen und ist als sonstiger Eingriff nach Art. 13 Abs. 7 GG aufgrund eines Gesetzes zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zulässig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass Art. 13 Abs. 7 GG nicht den Eintritt einer konkreten Gefahr voraussetzt. Eingriffe und Beschränkungen des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung sind bereits dann zulässig, wenn sie dem Zweck dienen, einen Zustand nicht eintreten zu lassen, der seinerseits eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde. Zweifel an der Erforderlichkeit oder Angemessenheit der Anordnung ergeben sich entsprechend der o.g. Argumentation nicht. Insbesondere liegen dem Gericht keine Anhaltspunkte für ein willkürliches Verhalten des BBS oder dafür vor, dass dieser aus unerheblichem Anlass, beispielsweise allein zur Erfüllung überflüssiger Formalitäten gehandelt hatte. Die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist durch Nennung des Art. 13 GG in § 1 Abs. 5 SchfHwG erfüllt.
Schließlich begegnet auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheids keinen rechtlichen Bedenken. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, v.a. Art. 31, 36 VwZVG, lagen im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vor. Es ist insbesondere das mildeste Zwangsmittel. Die Zwangsgeldandrohung ist überdies hinreichend bestimmt formuliert. Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes hält sich in dem in Art. 31 Abs. 2 VwZVG eröffneten Rahmen und ist angemessen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 4) war zwar im vorliegenden Fall überflüssig, da bereits gesetzlich vorgesehen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 SchfHwG i.V.m. § 25 Abs. 4 SchfHwG), jedoch unschädlich. Eine Auswirkung auf die Höhe der Bescheidsgebühr wäre damit nicht verbunden gewesen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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