Baurecht

Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Werbeanlage

Aktenzeichen  Au 4 K 20.335

Datum:
7.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19394
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 14 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs wird bereits dann – konkret – gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder – anders ausgedrückt – „bloßer“ Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird. Der Nachweis, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist oder eine hohe Wahrscheinlichkeit hierfür sind nicht erforderlich.  (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Annahme einer Gefahrenlage genügt daher die Feststellung, dass die konkrete Situation die Befürchtung nahelegt, dass – möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände – irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt. Geht es dabei um die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gem. § 101 Abs. 2, § 87a Abs. 3. Abs. 2 VwGO angesichts der entsprechenden Zustimmungserklärungen der Beteiligten durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung. Es kann offen bleiben, ob das Bauvorhaben Vorschriften des Bauplanungsrechts widerspricht (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO). Denn das Vorhaben verstößt jedenfalls gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, auf die sich die Beklagte berufen hat (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2020 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Der von der Klägerin beantragten Werbetafel steht Art. 14 Abs. 2 BayBO entgegen, wonach die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen nicht gefährdet werden darf. Die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs wird nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 2 ZB 16.1288 – Rn. 4; B.v. 27.10.2011 – 15 ZB 10.2409 – juris Rn. 6; B.v. 24.2.2003 – 2 CS 02.2730 – juris Rn. 16; vgl. ferner U.v. 30.5.2018 – 2 B 18.681 – juris Rn. 24) bereits dann – konkret – gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder – anders ausgedrückt – „bloßer“ Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird. Der Nachweis, dass jederzeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist oder eine hohe Wahrscheinlichkeit hierfür sind nicht erforderlich. Zur Annahme einer Gefahrenlage genügt daher die Feststellung, dass die konkrete Situation die Befürchtung nahelegt, dass – möglicherweise durch Zusammentreffen mehrerer gefahrenträchtiger Umstände – irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt. Geht es dabei – wie hier – um die Gefährdung von Leben und Gesundheit, sind an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze stellt die verfahrensgegenständliche Werbeanlage bei der Gesamtwürdigung aller Umstände eine konkrete Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dar. Zu berücksichtigen waren dabei neben dem Vorbringen der Parteien insbesondere die Eindrücke der Augenscheinseinnahme, die mit dem Bauantrag eingereichten Lagepläne sowie der fachlichen Stellungnahmen der Polizeiinspektion, hier insbesondere vom 15. Januar 2020. Derartige Stellungnahmen sind zwar weder für die Genehmigungsbehörde noch für das Gericht bindend; sie haben jedoch namentlich angesichts der Sach- und Problemnähe der örtlichen (polizeilichen) Dienststellen eine nicht unerhebliche Aussagekraft (VG Augsburg, U.v. 31.1.2018 – Au 4 K 17.1683 – juris Rn. 25; U.v. 16.12.2015 – Au 4 K 15.869 – juris Rn. 41).
Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass auf den ersten Blick keine sonderlich gefahrenträchtige Verkehrssituation vorzuliegen scheint: Die Straßenzüge (… von Osten und von Westen; … Straße bzw. … Straße von Süden bzw. von Norden) verlaufen weitgehend gerade auf den Kreuzungsbereich zu. Der Verkehr im Kreuzungsbereich ist lichtzeichengeregelt; die Frequentierung und die Verkehrsbedeutung der Straßenzüge ist nicht auffallend hoch.
Gleichwohl liegen hier zahlreiche Umstände vor, die jedenfalls in einer Zusammenschau eine komplexe Verkehrssituation ergeben, aus welcher sich eine konkrete Gefährdung von Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs bei Hinzutreten der beantragten Werbeanlage ergibt.
Auszugehen ist zunächst davon, dass die Werbeanlage auf Grund ihres – wenn auch im Laufe des Bauantrags veränderten – Standorts und ihrer Ausrichtung in das Verkehrsgeschehen des gesamten Kreuzungsbereichs sowie zumindest der nördlich, östlich und südlich anschließenden Straßenbereiche hineinwirkt. Die Werbeanlage befindet sich nach dem klägerseits eingereichten Auszug aus dem Liegenschaftskataster (Eingang bei der Beklagten am 17.9.2019) lediglich ca. 20 m vom Schnittpunkt der … mit der … Straße entfernt. Zudem ist sie, praktisch senkrecht zum Straßenverlauf und erhöht auf einem Monofuß stehend, klar auf den Kreuzungsbereich ausgerichtet. Gerade die Wahrnehmbarkeit für eine möglichst große Zahl von Verkehrsteilnehmern ist offenbar auch – trotz der im Laufe des Baugenehmigungsverfahrens vorgenommenen Beantragung eines etwas weiter vom Straßenrand und von Straßenschnittpunkt versetzten Standorts – Ziel von Situierung und Ausrichtung der Anlage. Insofern muss auch berücksichtigt werden, dass einzelne Verkehrsvorgänge im hier bestehenden Kreuzungsbereich und den sich anschließenden Verkehrsbereichen nicht isoliert voneinander betrachtet werden können, sondern dass das Verkehrsgeschehen vorliegend, wie auch beim Augenschein erkennbar, miteinander verzahnt ist, so dass sich Komplexitäten und Gefahren, die in einem Teilbereich auftreten, auf angrenzende Bereiche auswirken können.
Unter den vorliegenden Gegebenheiten ist hier insbesondere folgendes zu berücksichtigen: Die aus Richtung Norden (… Straße) kommenden Verkehrsteilnehmer haben ihre Aufmerksamkeit auf die Lichtzeichenanlage im Kreuzungsbereich zu richten; bereits auf diese Verkehrsteilnehmer wirkt die Werbeanlage auf Grund ihrer Nähe zum eigentlichen Kreuzungsbereich und ihrer Ausrichtung ein, so dass die Gefahr einer Ablenkung mit der Folge der nicht ausreichenden Beachtung der Lichtzeichenanlage besteht. In Ost-West-Richtung verläuft die … als Fahrrad straße, welche auch zur Benutzung durch Kraftwagen und Krafträder zugelassen ist (vgl. Augenschein, Fotos 6, und 24). Dies hat zur Folge (Zeichen 244.3 der Anlage 2 zur StVO), dass für den Fahrverkehr eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gilt. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern. Der Fahrradverkehr ist mithin dort die Regel, der Autoverkehr die Ausnahme. Schon daraus folgt, dass sich der Kraftfahrzeugverkehr in den vorherrschenden Fahrradverkehr einpassen muss (vgl. OLG Karlsruhe, B.v. 7.11.2006 – 2 Ss 24/05 – juris Rn. 5). Der die Fahrrad straße nutzende Kraftfahrzeugverkehr muss mithin besondere Rücksicht auf Fahrradfahrer als verkehrsschwächere Teilnehmer nehmen, was, zumal im Kreuzungsbereich, besondere Aufmerksamkeit erfordert. Dies gilt insbesondere für Abbiegevorgänge, weil diesbezüglich gesonderte Lichtzeichenregelungen vorliegend nicht vorhanden sind. Dieser besonders gebotenen Aufmerksamkeit steht die Ablenkungswirkung der geplanten Werbeanlage entgegen.
Weiter hat die Beklagte – unter Wiedergabe der Stellungnahme der Polizeiinspektion … vom 15. Januar 2020 – unwidersprochen vorgetragen, dass sowohl die … Straße als auch die … auf Grund der Nähe von mehreren Schulen als Schulweg von verkehrsschwächeren Kindern und Jugendlichen benutzt wird, die dort zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Auch dieser Umstand erfordert im Sicht- und Wirkungsbereich der fraglichen Werbeanlage eine besondere Aufmerksamkeit von den Verkehrsteilnehmern, weil bei Schulkindern nicht stets mit verkehrsgerechtem Verhalten gerechnet werden kann (BayVGH, B.v. 2.6.2020 – 2 ZB 19.220 – Rn. 5 zu VG Augsburg, U.v. 19.12.2018 – Au 4 K 18.953) und Fahrzeugführer sich gem. § 3 Abs. 2a StVO u.a. gegenüber Kindern, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten müssen, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Für aus Richtung Norden in die … Straße einfahrende Verkehrsteilnehmer – sei es für die aus der … Straße geradeaus fahrenden oder die aus der … einbiegenden – ist zusätzlich wegen der sich auf dem Vorhabengrundstück zur … Straße hin befindlichen Kfz-Stellplätze die volle Aufmerksamkeit vonnöten. Bei diesen Stellplätzen ist, da sich auf dem Grundstück eine Bankfiliale befindet, von öfter wechselnden Nutzern auszugehen. Ganz überwiegend fahren die Stellplatznutzer dabei rückwärts zur … Straße aus (vgl. Augenscheinstermin, Foto 4), so dass auf der … Straße fahrende oder in diese einbiegende Verkehrsteilnehmer auf diese Rückwärts-Ausparkvorgänge, welche sich in unmittelbarer Nähe der Werbeanlage abspielen, besonders zu achten haben. Für ab- bzw. einbiegende Verkehrsteilnehmer ist umso mehr umso mehr Aufmerksamkeit erforderlich, da – wie bereits erwähnt – die Abbiegevorgänge durch die Lichtzeichenanlage nicht gesondert geregelt sind.
Eine komplexe Verkehrssituation ergibt sich ferner aus den Bushaltestellen in der … Straße (vor Nr. 5 bzw. bei Nr. 4), welche sich direkt auf der Fahrbahn befinden. Zwar liegen diese unter Heranziehung des von der Klägerin eingereichten Auszugs aus dem Liegenschaftskataster ca. 40 – 50 m entfernt vom Standort der Werbeanlage. Gerade nach den beim Augenschein gewonnenen Erkenntnissen sind die Standorte der Haltestellen aber so gelegen, dass sie noch immer dem Verkehrsgeschehen im Kreuzungsbereich und dem Wirkbereich der Werbeanlage zuzuordnen sind. Ihre Situierung etwas vom eigentlichen Kreuzungsbereich weg beruht offenbar lediglich darauf, dass dort eine Behinderung des Verkehrsgeschehens (durch haltende Busse) und eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern im unmittelbaren Kreuzungsbereich nicht angenommen wurde. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass im Bereich der Bushaltestellen bereits wieder eine unproblematische Verkehrssituation vorliegen würde. Vielmehr ist die vorliegende Situation so zu bewerten, dass die Bushaltestellen in einer noch vertretbaren Entfernung zum Verkehrsgeschehen im Kreuzungsbereich situiert wurden, dass aber mit der Werbeanlage ein verkehrs- und aufmerksamkeitsbeeinflussendes Element hinzutreten würde, das geeignet ist, das Gefahrenpotenzial entscheidend zu erhöhen, zumal den Kraftfahrern im Bereich einer Bushaltestelle nicht nur zu den Zeitpunkten des Ein- und Aussteigens erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt wird, sondern auch mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist, dass Fußgänger an dieser Stelle auf die Fahrbahn treten oder die Straße queren (vgl. BayVGH, B.v. 2.6.2020 – 2 ZB 19.220 – Rn. 5). Dies gilt hier umso mehr, als die Querungsmöglichkeit an der Lichtzeichenanlage im Kreuzungsbereich bereits von den Bushaltestellen derart entfernt ist, dass es weder anzunehmen noch geboten ist, dass sämtliche Fußgänger die … Straße an der Lichtzeichenanlage überqueren.
Für die auf der … Straße aus Süden kommenden Verkehrsteilnehmer ergibt sich vorliegend ein weiteres gefahrerhöhendes Potenzial aus der bereits auf Höhe der Bushaltestelle bei Nr. 5 beginnenden Linksabbiegerspur, so dass es in diesem Bereich, der ebenfalls zum Sicht- und Wirkungsbereich der Werbeanlage zu rechnen ist, zu Spurwechseln kommt, wobei für die Verkehrsteilnehmer angesichts des erst unmittelbar am Kreuzungsbereich auf der Fahrbahn angebrachten Linksabbiegerpfeils (vgl. Augenschein, Fotos 19 und 20) zu erkennen ist, dass es sich um eine solche eigene Abbiegerspur handelt. Mit Spurwechseln ist daher mit zunehmender Nähe zum Kreuzungsbereich und damit zur beantragten Werbeanlage in stärkerem Maße zu rechnen.
In dieses Bild einer insgesamt betrachtet schon jetzt komplexen und gefahrenträchtigen Verkehrssituation fügt es sich, dass es nach der polizeilichen Stellungnahme vom 15. Januar 2020 im Kreuzungsbereich von 2017 bis 2019 zu drei registrierten Unfällen mit Personenschaden gekommen ist. Zwar weist die Klägerseite zuletzt (Schriftsatz vom 5.8.2020) nochmals auf die Aussagen der Polizei beim Augenscheinstermin hin, wonach es sich in diesem Bereich nicht um eine Unfallhäufungs- oder Unfallgefahrenstelle handelt. Für das Gericht ist jedoch nicht erkennbar, dass die Polizei damit von ihrer mehrfach begründeten und für das Gericht nachvollziehbaren Ablehnung der Werbeanlage (Stellungnahmen vom 2.8.2019, vom 8.11.2019 sowie – ausführlich – vom 15.1.2020) abgerückt ist; vielmehr handelt es sich um eine weiter differenzierende und die bisherigen Stellungnahmen einordnende Aussage der Polizei. Zudem ist nicht entscheidend, ob bereits bisher ein Unfallschwerpunkt vorliegt. Denn eine Art Probephase, ob sich bei einer Genehmigung einer Werbeanlage Unfälle mit schwerwiegenden Folgen ereignen können, verbietet sich angesichts der Gefährdung der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit auch in Abwägung mit den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2011 – 15 ZB 10.2409 – juris Rn. 5; VG Regensburg, U.v. 17.10.2019 – RO 2 K 18.472 – juris Rn. 50).
Ohne Erfolg wendet die Klägerseite ein, dass vorrangig andere Maßnahmen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit bzw. zur Absenkung der Gefahrenschwelle zu ergreifen wären, bevor ihr Bauantrag abgelehnt werden dürfe. Das Gericht kann dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 BayBO sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung nicht entnehmen, dass zunächst das Verkehrsumfeld eines beantragten Bauvorhabens mit verkehrlichen Anordnungen und Einrichtungen derart aufbereitet werden müsste, dass bei Errichtung des Vorhabens keine nach Art. 14 Abs. 2 BayBO beachtliche Gefahr vorliegen würde. Zudem ist gem. § 45 Abs. 9 StVO die Anordnung von Verkehrszeichen und Einrichtungen an strenge Voraussetzungen geknüpft („zwingend erforderlich“); hierfür ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Hinzu kommt, dass Ansprüche Einzelner nach dieser Norm nur in Betracht kommen, wenn öffentlich-rechtlich geschützte Individualinteressen – insbesondere Gesundheit und Eigentum – als Schutzgüter der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs durch Einwirkungen des Straßenverkehrs in unzumutbarer Weise verletzt werden (vgl. Hühnermann in Burmann/Heß/ders./Jahnke, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rn. 4b). Auch insofern ist also ein Anspruch auf Tätigwerden der Verkehrsbehörden, um die baurechtliche Zulässigkeit der Werbeanlage zu ermöglichen, nicht gegeben.
Vor diesem Hintergrund kann auch aus dem Umstand, dass bisher keine weiteren Maßnahmen zur Regelung des Verkehrsgeschehens ergriffen worden sind (z.B. durchgezogene Linie; Geschwindigkeitsbeschränkung) nichts zu Gunsten des klägerischen Vorhabens abgeleitet werden. Zudem steht vorliegend nicht in Rede, ob bereits eine Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs bzw. eine Gefahrenlage vorliegt, die Anordnungen nach § 45 Abs. 9 StVO erlauben würde, sondern, ob eine solche Gefahr bei Hinzutreten der Anlage der Klägerin eintreten würde. Wie ausgeführt, braucht auch keine „Probephase“ durchgeführt werden, ob sich bei Errichtung der Anlage schwerwiegende Unfälle ereignen, auf die anschließend mit den Mitteln insbesondere des Straßenverkehrsrechts reagiert werden müsste.
Das klägerseits weiter angeführte Werbeschild des …-Supermarktes ist mit dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht vergleichbar. Es ist kleiner und niedriger als die beantragte Werbeanlage sowie unbeleuchtet. Zudem handelt es sich nicht um eine Anlage für wechselnde Fremdwerbung, sondern um ein dem Supermarkt zugeordnetes Hinweisschild. Vorsorglich ist weiter zu erwähnen, dass die im Bereich dieses Supermarkts befindliche Werbeanlage (vgl. Augenschein, Foto 17) mit der vorliegend beantragten ebenfalls nicht vergleichbar ist; sie ist niedriger, unbeleuchtet und zudem parallel zur Fahrbahn angeordnet, was ihre Wirkungsweise und ihren Wirkungskreis deutlich einschränkt. Vorsorglich ist schließlich zu den westlich der Kreuzung in der … befindlichen Werbeanlagen (vgl. Augenschein, Foto 25) zu bemerken, dass auch diese niedriger, unbeleuchtet und parallel zur Fahrbahn errichtet wurden und insoweit ebenfalls nicht mit der streitgegenständlichen Anlage vergleichbar sind. Insbesondere aber befinden sich diese an einem anderen Standort, so dass hier auch nicht etwa entscheidend eine Vorbelastung durch andere Werbeanlagen vorliegt und die Ablenkungsgefahr durch die vorliegend beantragte Anlage nicht merklich gesteigert würde (vgl. dazu BayVGH, B.v. 30.7.2012 – 9 ZB 11.2280 – juris Rn. 12).
Unter Berücksichtigung all dessen fällt bei der gebotenen Gesamtwürdigung hier nicht maßgeblich ins Gewicht, dass Verkehrsteilnehmer grundsätzlich in innerörtlichen, gewerblich geprägten Lagen an das Vorhandensein von Werbeanlagen gewöhnt sind und dass es sich um eine Werbeanlage ohne fortlaufenden Bildwechsel handelt. Die vorliegend in Rechnung stellenden Umstände, insbesondere hinsichtlich der Komplexität und Gefahrenträchtigkeit der Verkehrssituation, reichen aus, um auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte eine Gefährdung i.S.d. Art. 14 Abs. 2 BayBO anzunehmen.
Ergänzend wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung des Ablehnungsbescheids vom 24. Januar 2020 betreffend die Ausführungen zu Art. 14 Abs. 2 BayBO (unter Nr. 6, S. 5 f.) Bezug genommen. In diesem Zusammenhang ist noch zu bemerken, dass die dort (S. 6, unter Buchst. d) wiedergegebene – und beim Augenscheinstermin wiederholte – Angabe der Polizei aus der Stellungnahme vom 15. Januar 2020 betreffend den Fahr- / Bremsweg eines Kraftahrzeugs bei einem zwei Sekunden langen Blick auf die Werbeanlage lediglich – nachvollziehbar – der Veranschaulichung der Ablenkungswirkung der Anlage und der sich daraus vorliegend ergebenden Gefahren ergibt; die Aussage ist nicht so zu verstehen, als sei eine regelmäßige Ablenkungsdauer von zwei Sekunden rechtssatzartig anzunehmen.
Die Klage war nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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