Baurecht

Genehmigung einer doppelseitigen beleuchteten Werbeanlage zur Fremdwerbung

Aktenzeichen  AN 17 K 19.01354

Datum:
2.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33445
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 2, § 144
FStrG § 9 Abs. 3
BayBO Art. 8 S. 2, S. 3, Art. 14 Abs. 2, Art. 56 S. 1 Nr. 5, Art. 59 Abs. 1 Nr. 3
BauNVO § 6

 

Leitsatz

1. Die in § 9 Abs. 3 FStrG genannten Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. § 9 Abs. 3a FStrG auch bei der Erteilung von Baugenehmigungen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen zu beachten. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bauplanungsrechtlich wird eine selbstständige Werbeanlage wie ein Gewerbebetrieb behandelt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 2019 verpflichtet, die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit  vorläufig vollstreckbar.
3.    Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder  Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die  Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist auch begründet.
1. Die fristgerecht erhobene Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist das Rechtschutzbedürfnis gegeben, da eine Baugenehmigung erforderlich ist. Es liegt kein Fall von Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 1, 2 StVO vor, wonach bei Werbeanlagen keine Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn sie einer Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht bedürfen. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO ist es verboten, „Einrichtungen“, die u.a. die Wirkung von Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 – 43 StVO) beeinträchtigen können, dort anzubringen oder zu verwenden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO verbietet Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen und -einrichtungen. Ausnahmen können gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO von der zuständigen obersten Landesbehörde oder der nach Landesrecht bestimmten Stelle – hier der Regierung … gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b, c der Verordnung über die Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustVVerk) – für bestimmte Einzelfälle genehmigt werden. § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO ist vorliegend nicht einschlägig, denn die beantragte Werbetafel beeinträchtigt die Ampelanlage an der Kreuzung H1. Straße/ H1. Straße nicht, da insbesondere der Abstand des geplanten Standortes der Tafel zur nächstgelegenen Ampel der Kreuzung mit ca. 80 m bereits deutlich zu groß ist (vgl. auch: VG München, U.v. 26.4.2017 – M 9 K 16.1946 – juris Rn. 26), was erst recht für die Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 2 VwGO gilt (vgl. Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, StVO, 2. Aufl. 2017, § 33 Rn. 21). Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich der vom geplanten Standort der Werbetafel ca. 33 m entfernt liegenden Ampel an der Einmündung des … Weges. Diese Lichtzeichenanlage betrifft nur die auf der H1. Straße Richtung Süden (…) fahrenden Fahrzeuge. Die Werbeanlage befindet sich räumlich deutlich vor der Ampel und zudem auf der anderen Straßenseite bzw. mittig über der rechten Fahrbahn. Zudem kommt es in diesem Bereich zu einer Häufung von Werbeanlagen beidseits der B … Eine Wirkungsbeeinträchtigung der Lichtzeichenanlage ist daher fernliegend.
2. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Diese hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nachdem es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt und auch keine Verfahrensfreiheit (Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 a – g, Abs. 2 Nr. 6 BayBO) oder Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) in Frage kommt, sind vom Prüfungsumfang grundsätzlich nur die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasst. Allerdings gewährt Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO den Bauaufsichtsbehörden eine erweiterte Ablehnungsmöglichkeit, wenn das Vorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt.
a) Die geplante Werbeanlage der Klägerin widerspricht nicht der Regelung des § 9 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 FStrG. Die in § 9 Abs. 3 FStrG genannten Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. § 9 Abs. 3a FStrG auch bei der Erteilung von Baugenehmigungen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen zu beachten (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2009 – 14 ZB 08.3159 – juris Rn. 4, B.v. 15.10.2011 – 15 ZB 10.2590 – juris; HessVGH, B.v. 26.3.2007 – 3 UZ 3100/06 – juris). Bei der H1. Straße handelt es sich im maßgeblichen Bereich ganz offensichtlich um einen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teil der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße (§ 9 Abs. 3a i.V.m. § 5 Abs. 4 Satz 1 FStrG), der B … Der Regelung des § 9 Abs. 3 FStrG liegt nicht der polizeiliche Gefahrenbegriff zugrunde, der ein Eingreifen rechtfertigt, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden eintritt. Eine konkrete Verkehrsgefährdung ist nicht erforderlich. Die Vorschrift geht vielmehr über das Ziel hinaus, eine im Einzelfall bestehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Es kommt nicht allein darauf an, ob Gefahren oder Schäden für die Verkehrsteilnehmer eintreten können; geschützt werden soll auch ein normaler Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll sichergestellt werden. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern es muss die erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs durch die Werbeanlage bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2011 Nr. 15 ZB 10.2590, m.w.N.).
Zwar verweigerte das von der Beklagten beteiligte Staatliche Bauamt …, welches irrig davon ausging, dass das Vorhaben nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 FStrG zu beurteilen sei, sein Einvernehmen zu dem Vorhaben, da sich die Werbeanlage, die im Abstand von 3,90 m zur Fahrbahn der B … errichtet werde, unmittelbar an einer Einmündung mit Lichtsignalanlagen und vielen Grundstückszufahrten befinde, was zu einer Ablenkung des Verkehrs führe. Das Gericht ist indes davon überzeugt, dass hier keine erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung des reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs durch die Werbeanlage besteht. Die Lichtzeichenanlagen befinden sich, wie bereits dargestellt, in einiger Entfernung zum geplanten Vorhabenstandort. Das gleiche gilt für den Bahnübergang (Abstand von ca. 115 m). Zudem verläuft die H1. Straße hier in gerader Richtung. Die Werbeanlage taucht von keiner Seite überraschend ins Blickfeld des Betrachters. Außerdem handelt es sich bei der H1. Straße um eine typische Einfallstraße, wie sie nahezu jede (größere) Stadt besitzt, und wo der unbedarfte Beobachter mit Werbeanlagen, Tankstellen o.ä. rechne muss. Die tatsächlichen Verhältnisse belegen dies. So finden sich in unmittelbarer Nähe zwei nebeneinanderliegende Fremdwerbeplakatwände an der nach Norden gerichteten Hauswand des Anwesens H1. Straße *. Weiter südlich befindet sich direkt an der Kreuzung auf der in Richtung … … zugewandten Wandseite des Anwesens H1. Straße … ein weiteres Fremdwerbeplakat. Auch auf der gegenüberliegenden Seite findet sich Fremdwerbung u.a. im Schaufenster des Anwesens H1. Straße *. Gegenüber des Vorhabengrundstückes sind zwei weitere großflächige Plakate, angebracht an der zur Straße ausgerichteten Hausseite, zu sehen, die für das Autohaus werben. Auf Höhe des geplanten Vorhabens findet sich auf der anderen Straßenseite ein freistehendes Fremdwerbeplakat. Daneben befinden sich etliche weitere Werbeschilder und großflächige Schaufensterwerbung der angrenzenden Firmen beidseitig der Straße. Ein Fremdwerbeanhänger der Fa. … befindet sich auf derselben Straßenseite wie das geplante Vorhaben ein Stück weiter nördlich auf der FlNr. …, Gemarkung …, ein Stück weiter in nördlicher Richtung ist eine Litfaßsäule vorhanden. In der näheren Umgebung des geplanten Vorhabens gehören Werbeplakate zum Straßenbild und sind daher für den passierenden Verkehrsteilnehmer nicht weiter auffällig und schon gar nicht überraschend. Ein weiteres Werbeplakat fällt diesbezüglich nicht ins Gewicht, selbst wenn dieses nun beleuchtet ist. Unerheblich ist es daher, wenn die Beklagte zu den beiden Werbeplakaten auf der Hauswand des Anwesens H1. Straße * anmerkt, dass eines davon nicht genehmigt sei. Auch die im Umgriff des Vorhabens befindlichen Grundstücksausfahrten, z. B. die Ausfahrten zur H1. Straße, * und … bzw. auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Ausfahrt des als Abstellfläche für den Autohandel … genutzten Areals mit den FlNrn. … und …, Gemarkung …, können, auch aufgrund des übersichtlichen Verlaufes der Straße und der Menge an Werbeanlagen, an der Einschätzung des Gerichts nichts ändern.
b) Bauordnungsrechtliche Vorschriften der BayBO stehen dem geplanten Vorhaben nicht entgegen.
Die Regelung des Art. 14 Abs. 2 BayBO führt nicht zur Versagung der Baugenehmigung. Offenbleiben kann, ob sich die Baugenehmigungsbehörde auf die Vorschrift des Art. 14 Abs. 2 BayBO überhaupt berufen hat, was ihr nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO möglich gewesen wäre, aber jedenfalls nicht ausdrücklich bzw. unter Nennung der Norm des Art. 14 Abs .2 BayBO erfolgt ist. Zumindest wurde im Bescheid die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs aber angeführt und dargelegt, dass eine weitere Ablenkung nicht toleriert werden könne und zudem der beschrankte Bahnübergang gesteigerte Aufmerksamkeit erfordere. Jedenfalls ist die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nach Ansicht des Gerichts hier nicht gefährdet. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs wird konkret gefährdet, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass durch die Anlage ein Verkehrsunfall verursacht wird oder der Verkehr in seinem Ablauf behindert wird, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch die Werbeanlage abgelenkt wird (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2011 – 15 ZB 10.2409 – juris Rn. 6). Dies ist hier nicht der Fall. Auf die vorstehenden Ausführungen unter 2 a) wird verwiesen. Zudem ergibt sich keine ernsthafte Sichtbehinderung für die direkt am Werbeschild von den Grundstücken mit den FlNrn. … und …, Gemarkung …, auf die B … ausfahrenden Fahrzeuge aufgrund der Höhe von 2,50 m, bei der das Werbeschild erst beginnt und des zurückgesetzten Monofußes. Außerdem befindet sich noch der Gehweg zwischen Werbetafel und Fahrbahn.
Ausdrücklich berufen hat sich die Baugenehmigungsbehörde dagegen auf Art. 8 Satz 2 BayBO, wonach bauliche Anlagen das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild nicht verunstalten dürfen.
Unter Verunstaltung ist ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand zu verstehen. Dabei ist nicht auf ästhetisch besonders empfindsame oder geschulte und auch nicht auf solche Betrachter abzustellen, die ästhetischen Eindrücken gegenüber überhaupt gleichgültig oder unempfindlich sind; entscheidend ist das Empfinden des sogenannten gebildeten Durchschnittsmenschen, der zwischen diesen beiden Personenkreisen steht (BayVGH, B.v. 26.11.2019 – 9 ZB 17.264 – juris Rn. 6).
Dies zugrunde gelegt, kann die geplante Werbeanlage, nicht verunstaltend wirken. Die Bebauung ist in der näheren Umgebung uneinheitlich und zerrissen. Die einzelnen Bauten weisen die unterschiedlichsten Maße auf. Es entsteht der Gesamteindruck einer lockeren, uneinheitlichen Bebauung. Der Anbringungsort ist reizlos und ästhetisch ohne besondere Wertigkeit. Die B … ist hier insgesamt wenig ansprechend und ohne gestalterische Bedeutung. Einen Vorstadtcharakter, wie die Beklagte ausführt, kann das Gericht hier nicht erkennen. Auch die Altstadt befindet sich zu weit entfernt, um Auswirkungen haben zu können. Hinzu kommt, dass die nähere Umgebung, wie unter 2 a) ausgeführt, bereits eine Vielzahl von Fremd- und Werbeplakaten am Ort der Leistung sowie Schaufensterwerbung aufweist. Zwar findet sich – jedenfalls im näheren Umkreis – noch keine Werbeanlage auf Monofuß, die orthogonal zur Fahrtrichtung angebracht ist. Orthogonal zur Fahrbahn angebrachte Werbetafeln gibt es dagegen, auch freistehende. Wenn die Beklagte ausführt, dass die geplante Werbeanlage wie ein überdimensionaler Fernseher wirke, so hat die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es sich nicht um eine Megalight-Werbeanlage mit automatischem Plakatwechsel handele, sondern um einen statischen Plakatträger, dessen Plakate manuell ca. alle zehn Tage gewechselt würden. Insgesamt betrachtet kann nicht davon gesprochen werden, dass die Werbeanlage das Straßen- und Ortsbild verunstalten würde, auch nicht unter Berücksichtigung der geplanten Beleuchtung.
Ebenso kommt es nicht zu einer störenden Häufung von Werbeanlagen i.S.d. Art. 8 Satz 3 BayBO. Auch auf diese Norm hat sich die Beklagte berufen. Von einer störenden Häufung von Werbeanlagen kann vorliegend jedoch nicht die Rede sein. Eine Häufung liegt vor, wenn mehrere, mindestens aber drei gleichartige oder verschiedene Werbeanlagen in enger räumlicher Beziehung zueinander angebracht werden und gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen. Einzubeziehen sind alle vorhandenen Werbeanlagen jeder Art; auf die Funktion der Werbeanlage (Eigen- oder Fremdwerbung) kommt es nicht an. Nicht genehmigte Anlagen sind zu berücksichtigen, wenn mit ihrer Beseitigung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (vgl. OVG NRW, U.v. 20.2.2004 – 10 A 3279/02 – juris Rn. 34, 42; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 136. EL Januar 2020, Art. 8 Rn. 204 ff.). Dabei ist eine Störung durch Häufung nicht schon durch die Häufung als solche erreicht. Maßgeblich ist, dass der enge örtliche Bereich, der gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegt, mit Werbeanlagen derart überladen ist, dass das Auge keinen Ruhepunkt findet und das Bedürfnis nach werbungsfreien Flächen stark hervortritt, weil die Werbeanlagen allein wegen ihrer unangebrachten Häufung als lästig empfunden werden (vgl. OVG NRW, U.v. 20.2.2004 – 10 A 3279/02 – juris Rn. 36). Bei Zulassung der beantragten Werbeanlage kommt es nicht zu einer unzulässigen Häufung von Werbeanlagen auf engerem Raum. Zwar befinden sich in der näheren Umgebung, wie bereits ausgeführt, etliche Werbeanlagen, von denen aus verschiedenen Blickwinkeln auch mehr als drei Werbeanlagen gleichzeitig ins Blickfeld des Betrachters fallen, so dass von einer Häufung i.S. des Art. 8 Satz 3 BayBO auszugehen ist. Die bloße Häufung ist aber noch nicht mit einer Störung gleichzusetzen (vgl. OVG NRW, U.v. 20.2.2004 – 10 A 3279/02 – juris Rn. 36). Da Art. 8 Satz 3 BayBO ein Unterfall des allgemeinen Verunstaltungsverbots ist (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 136. EL Januar 2020, Art. 8 Rn. 216), muss die optische Beeinträchtigung gerade durch die Häufung die Schwelle der Verunstaltung überschreiten. Zwar hängt der Grad einer möglichen Störung im Wesentlichen von der Qualität der jeweiligen Umgebung ab. Gleichwohl gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts „was schon verunstaltet ist, kann nicht mehr verunstaltet werden“ (vgl. OVG NRW, U.v. 17.4.2002 – 10 A 4188/01 – juris Rn. 44). Das Gericht ist der Überzeugung, dass hier kein Fall einer störenden Häufung der Werbeanlagen vorliegt. Eine Verunstaltung der näheren und weiteren Umgebung des Anbringungsortes durch Zulassung auch noch der beantragten Werbeanlage kommt nicht in Betracht. Insofern kann auf die obigen Ausführungen zu Art. 8 Satz 2 BayBO verwiesen werden. Die Umgebung verträgt Werbeanlagen dieser Art und auch noch die nun beantragte Werbetafel. Es liegt noch kein evidentes Missverhältnis zwischen der vorhandenen Zahl der Werbeanlagen und der Umgebung vor.
Eine Verletzung der Vorschriften des Abstandsflächenrechts, Art. 6 BayBO, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Aus bauplanungsrechtlicher Sicht ist das geplante Vorhaben ebenfalls zulässig. Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung ist § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Danach ist ein – wie hier – im unbeplanten Innenbereich gelegenes Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB). Es bedarf gerade keiner Prüfung mehr, ob sich das Vorhaben diesbezüglich in seine Umgebung einfügt (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.1990 – 4 B 240/89 – juris). Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Eigenart der näheren Umgebung einem Mischgebiet, § 6 BauNVO, entspricht. In der näheren Umgebung findet sich überwiegend Wohnnutzung und gewerbliche Nutzung, u.a. ein Autohandel, ein Pizzaservice und ein Reisebüro, so dass auch das Gericht davon ausgeht, dass es sich hier um ein faktisches Mischgebiet handelt. Im Mischgebiet ist Wohnnutzung und die Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, allgemein zulässig, § 6 Abs. 1 BauNVO. Bei der geplanten Werbetafel handelt es sich zwar nicht um einen Gewerbebetrieb, sondern um eine Anlage für gewerbliche Zwecke, für die eine Regelung in den Nutzungskatalogen der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung fehlt. Diese Regelungslücke wird aber geschlossen, indem eine selbstständige Werbeanlage bauplanungsrechtlich wie ein Gewerbebetrieb behandelt wird (vgl. BayVGH, U. v. 11.12.2007 – 14 B 06.2880 – juris Rn. 14). Damit ist die geplante Werbeanlage ihrer Art nach allgemein zulässig, § 34 Abs. 2 BauGB. Art. 15 BauNVO führt diesbezüglich zu keinem anderen Ergebnis. Auch die übrigen Voraussetzungen sind gegeben. Das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Insbesondere wird in der näheren Umgebung sowohl zurückgesetzt als auch an die Grundstücksgrenze bebaut, so dass sich das Vorhaben mit seiner Grenzbebauung Richtung Bundesstraße auch diesbezüglich einfügt. Für die streitgegenständliche Werbetafel, die nach Aufmachung und Größe das Wohnen nicht wesentlich stört, ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass eine Unzulässigkeit nach § 15 BauNVO vorliegt, was auch hinsichtlich des Vortrages des Grundstückseigentümers der FlNrn. …, …, Gemarkung …, zur beeinträchtigten Aussicht am Anwesen H1. Straße * gilt. Weiter ist die Erschließung gesichert; § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Auch die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse sind gewahrt. Ebenso ist das Ortsbild nicht beeinträchtigt (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Es sind nur solche Beeinträchtigungen des Ortsbildes beachtlich, die eine städtebauliche Qualität besitzen. Dabei kommt es auf das Erscheinungsbild zumindest eines größeren Bereichs der Gemeinde an. Entscheidend ist, ob sich das Vorhaben in diese weite Umgebung einpasst. Weiter müssen die negativen Auswirkungen des Vorhabens den Grad einer Beeinträchtigung erreichen. Zu beachten ist auch, dass nicht jedes Ortsbild schützenswert ist. Vielmehr muss es, um schützenswert zu sein und die Baugestaltungsfreiheit des Eigentümers einschränken zu können, eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit besitzen. Es muss einen besonderen Charakter, eine gewisse Eigenheit haben, die dem Ort oder dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht. (vgl. BVerwG, U. v. 11.5.2000 – 4 C 14/98 – juris; BayVGH, U.v. 8.5.2008 – 2 B 08.212 – juris Rn. 19). Hier fehlt es schon an letzterem, denn es handelt sich hier um Ortsbild, wie es so oder so ähnlich überall angetroffen werden kann und das zudem reizlos ist. Es fehlt bereits an dem besonderen Charakter, der dem Ortsteil eine besondere Prägung verleihen würde. Zudem ist auch die Beeinträchtigung keinesfalls gegeben. Die nähere Umgebung des Vorhabens ist in deutlichem Umfang durch die vorhandenen gewerblichen Anlagen und Betriebe geprägt, wobei sich hier auch etliche Werbeanlagen und sonstige Hinweisschilder finden. Die geplante Werbetafel stellt gerade keinen Fremdkörper dar. Gemessen daran kann eine Beeinträchtigung des Ortsbildes seitens der Kammer nicht festgestellt werden.
d) Die städtebauliche Satzung der Beklagten, die Werbeanlagensatzung (WaS) in Kraft getreten am 13. April 2013, steht der Genehmigung des Vorhabens ebenso wenig entgegen. Auch im vereinfachten Genehmigungsverfahren sind örtliche Bauvorschriften i.S.v. Art. 81 Abs. 1 BayBO Prüfungsumfang, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 c BayBO. Die WaS ist eine solche örtliche Bauvorschrift i.S.v. Art. 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayBO. Ebenso fällt die beantragte Werbetafel als Anlage für Fremdwerbung ohne unmittelbaren Bezug zur Stätte der Leistung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 a WaS in die Schutzzone B der Satzung. Es kann dahinstehen, ob die WaS wirksam ist, denn selbst bei ihrer Geltung steht diese der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegen.
§ 3 Abs. 1 Nr. 2 b WaS, wonach Werbeanlagen, die das Straßen- und Ortsbild erheblich beeinträchtigen, insbesondere ortsbildprägende Sichtachsen und Blickzüge, wesentliche Straßenräume und Fahrbahnmittelstreifen der Hauptzufahrten, unzulässig sind, ist nicht einschlägig. Auf der geradlinig verlaufenden B … liegt insbesondere keine Störung der Sichtachse, des Blickzuges und des wesentlichen Straßenraums vor. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen zu Art. 8 Satz 2 BayBO verwiesen. Dasselbe gilt für § 3 Abs. 1 Nr. 1 WaS. Auch § 3 Abs. 1 Nr. 2 a WaS ist nicht gegeben, denn von einer störenden Häufung kann nicht ausgegangen werden. Die Ausführungen zu Art. 8 Satz 3 BayBO gelten entsprechend.
Auch der in Bezug genommene § 3 Abs. 2 Nr. 3 WaS führt nicht zur Versagung der Genehmigung. Danach dürfen Werbeanlagen nicht oberhalb des Brüstungsbereichs des Obergeschosses angebracht werden. Die Bezugnahme auf die Brüstungshöhe des Obergeschosses und das Wort „angebracht“ deutet darauf hin, dass mit der Vorschrift nur Werbeanlagen gemeint sind, die direkt an Wänden von Gebäuden angebracht werden. Als freistehende Anlage fällt das geplante Vorhaben nicht darunter. Die Anwendung der Vorschrift auch auf freistehende Werbeanlagen scheitert schon daran, dass dann unklar wäre, auf welches Gebäude hinsichtlich der in Bezug genommenen Brüstungshöhe abzustellen ist. Ohnehin ist die Formulierung „oberhalb der Brüstungshöhe“ zu unbestimmt. Dasselbe gilt für „Obergeschoss“, da Gebäude auch mehrere Obergeschosse haben können. Auch der angeführte § 2 Abs. 2 WaS, der gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 WaS auch in der Schutzzone B entsprechende Anwendung findet, greift nicht. Auf die Ausführungen unter 1. wird entsprechend verwiesen.
Weitere Verstöße gegen die WaS wurden beklagtenseits weder angeführt noch sind diese gegeben. Insbesondere entspricht auch die Beleuchtung den Anforderungen des § 2 Abs. 3 WaS i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 WaS. Die Vorschriften für Werbeausleger (§ 3 Abs. 3 WaS), Werbe- und Hinweisschilder (§ 3 Abs. 4 WaS) sowie Schaukästen und Warenautomaten (§ 3 Abs. 5 WaS) sind offensichtlich nicht einschlägig bzw. unbestimmt. Insbesondere § 3 Abs. 4 Nr. 2 WaS, wonach Marken- und Reklameschilder nur flach und in Erdgeschoßhöhe angebracht werden dürfen sowie ihre Größe maximal 0,3 m2 betragen darf, leidet an Mängeln der Bestimmtheit. So ist vollkommen unklar, was unter „Reklameschild“ zu verstehen ist. Aufgrund der sonst in der WaS genannten „Werbeanlage“ ist mit Reklameschild wohl eine besondere Art der Werbeanlage gemeint, ebenso wie es die anderen in den Abs. 3 bis 5 genannten Anlagen sind. Angesichts der erlaubten Maximalgröße von 0,3 m2 wären Plakattafeln im Euro-Format, wie sie für Fremdwerbeanlagen typisch sind, bei anderer Deutung per se ausgeschlossen, was vorliegend unverhältnismäßig wäre. Die WaS wäre zudem sinnentleert. Die Unbestimmtheit der Regelung geht jedenfalls nicht zu Lasten der Klägerin und kann eine Versagung der Baugenehmigung nicht rechtfertigen. Mit Recht beruft sich die Beklagte daher auch nicht auf § 3 Abs. 4 Nr. 2 WaS.
e) Schließlich steht auch die von der Beklagten angeführte Sanierungssatzung des Sanierungsgebietes „Innenstadt“ der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegen. Die Sanierungsgenehmigung wird vom Prüfungsumfang des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBO nicht erfasst, weder entfällt sie wegen der Baugenehmigung noch wird sie von dieser eingeschlossen oder ersetzt. Sie ist vielmehr eine formell eigenständige Genehmigungsentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2013 – 15 ZB 11.128 – juris Rn. 5 f. m.w.N.). Da die Baugenehmigung nach bayerischem Bauordnungsrecht nicht den „Schlusspunkt“ der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsprüfung eines Vorhabens bildet (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO), setzt deren Erteilung das Vorliegen einer sanierungsrechtlichen Genehmigung nicht voraus. Soweit die weiter erforderliche Genehmigung, Erlaubnis oder sonstige behördliche Gestattung bereits unanfechtbar versagt wurde oder offensichtlich nicht erteilt werden kann, ist allerdings ein Sachbescheidungsinteresse nicht (mehr) gegeben und der Antrag kann abgelehnt werden (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2000 – 9 B 96.1114 – juris Rn. 33). Zwar hat die Beklagte dargelegt, dass die geplante Werbeanlage den Ordnungszielen des Sanierungsgebietes widerspricht, explizit hat sie sich jedoch auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse nicht berufen. Doch selbst wenn man annimmt, dass die Beklagte die Baugenehmigung (auch) wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse versagt hat, so kann die Baugenehmigung deshalb gleichwohl nicht abgelehnt werden, denn weder ist offensichtlich, dass eine Sanierungsgenehmigung erforderlich ist noch dass sie nicht erteilt werden kann. Die wohl derzeit fehlende Beantragung der Sanierungsgenehmigung schadet nach oben Gesagtem ebenso wenig und entspricht vielmehr einem zulässigen schrittweisen Vorgehen, zumal Bauwerber oftmals erst im Baugenehmigungsverfahren von einer bestehenden Sanierungssatzung erfahren.
3. Gemäß § 154 Abs. 1 VwGO hat der unterliegende Teil, nämlich die Beklagte, die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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