Baurecht

Herstellung der Aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für eine Windenergieanlage (WEA) bzw. Aufhebung der sofortigen Vollziehung (hier: Antragsablehnung)

Aktenzeichen  AN 11 S 20.00419

Datum:
29.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12602
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 2 Abs. 2, § 80 Abs. 5, § 80a, § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5, § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
EEG 2017 § 1 Abs. 1, § 36e Abs. 2, 2017 § 55 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2, § 35 Abs. 1 Nr. 5
GG Art. 14 Abs. 1
BImSchG § 6 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Begründung des Sofortvollzugs durch den Antragsgegner genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO, wenn die Genehmigungsbehörde unter ausreichender Bezugnahme auf die Besonderheiten des Einzelfalles ausführt, dass sich ein besonderes öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzuges aus dem in § 1 Abs. 1 EEG 2017 normierten Ziel des Bundesgesetzgebers, den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, ergebe. Um diesen Zweck zu erreichen, sei der Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 auf 80% zu erhöhen (§ 1 Abs. 1 EEG 2017). Die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage diene in besonderem Maße der Einsparung von CO2 und liege im Interesse des Klima- und Umweltschutzes. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wurde die Nachbargemeinde im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren als Träger öffentlicher Belange zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlage gehört, ist es aus rechtsstaatlichen Gründen und einer fairen behördlichen Verfahrensführung nicht geboten, die Nachbargemeinde ausnahmsweise vor der Vollziehbarkeitsanordnung anzuhören. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Nachbargemeinde kann sich als Nachbargemeinde allenfalls auf solche eigenen Belange berufen, die sich dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zuordnen lassen und daher nicht gleichsam als Sachwalterin private Interessen ihre Bürger vertreten und durchsetzen und sich auch nicht als Kontrolleurin der zur Wahrung öffentlicher Belange berufenen staatlichen Behörden betätigen.(Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Nachbargemeinde gegen den Sofortvollzug einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Windenergieanlage (WEA).
Der Antragsgegner genehmigte der Beigeladenen mit Bescheid vom 8. November 2019 die Errichtung und den Betrieb einer WEA des Typs VESTAS V 136 mit einer Nabenhöhe von 149 m, einem Rotordurchmesser von 136 m und einer Gesamthöhe von 217 m sowie einer Nennleistung von 3,6 MW auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, Markt … Die Gemarkung … grenzt an das Gemeindegebiet der Antragstellerin an. Der Standort der geplanten Anlage befindet sich nordwestlich von … zwischen den Ortschaften … und … (Gemeinden …, Landkreis …) innerhalb des Bebauungsplanes „… – …“. Westlich des geplanten Standortes auf den Grundstücken FlNr. … und …, Gemarkung …, befinden sich zwei weitere WEA eines anderen Betreibers, die ebenfalls im Bereich des genannten Bebauungsplanes liegen. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.
Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2019 gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid Klage erheben. Die Klage ist unter dem Aktenzeichen AN 11 K 19.02549 beim Verwaltungsgericht Ansbach anhängig. In der Klagebegründung (Schriftsatz v. 15.1.2020) wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die geplanten Windkraftanlagen eine nicht unerhebliche Auswirkung auf umliegende Wohnbebauung hätten und die Planungshoheit der Antragstellerin erheblich beeinträchtigen würden. Die von den Windkraftanlagen verursachten Emissionen würden die Antragstellerin im Einflussbereich insbesondere darin beschränken, Wohngebiete auszuweisen. Ebenso würden sich Emissionen negativ auf bestehende bebaute Gebiete der Antragstellerin auswirken. Insbesondere seien die Abstandsflächen gemäß Art. 82 BayBO verletzt. Der Abstand zwischen dem geplanten Windkraftanlagengebiet und den Wohnanlagen im Bereich des Ortsteils … betrage lediglich 1. 750 m, zum Ortsteil … 1.680 m und zur Wohnbebauung des Gemeindeteils … nur 900 m. Diesbezügliche Einwendungen der Antragstellerin im Bebauungsplanverfahren, insbesondere bezüglich der Unterschreitung des sich nach der 10 H-Regelung gemäß Art. 82 Abs. 1 BayBO auf 2.200 m belaufenden Abstandes sei der Markt … im Rahmen der Abwägungsentscheidung dahingehend entgegengetreten, dass die 10 H-Regelung gerade durch die Erstellung eines Bebauungsplans umgangen werden könne. Diese Erwägung könne keinen Bestand haben. Der Bebauungsplan „… – …“, Markt …, werde daher im Rahmen des anhängigen Normenkontrollverfahrens als nichtig zu erklären sein. Eine Unterschreitung dieses Abstands erfordere eine weitgehende Berücksichtigung der Interessen der im Abstand lebenden Menschen. Die bloße Verträglichkeit nach Immissionsschutzgutachten stelle hingegen nur einen absoluten Mindeststandard dar, unter dem unter keinem Gesichtspunkt die Windkraftanlagen zulässig seien. Der Antragstellerin als kommunale Selbstverwaltungskörperschaft stehe nach ständiger Rechtsprechung ein Abwehrrecht gegen die nachhaltige Störung der eigenen konkreten, städtebaulichen Planung durch ein Vorhaben zu. Eine solche Störung könne sich auch daraus ergeben, dass durch das Vorhaben wesentliche Gemeindeteile einer weiteren Planung entzogen würden.
Der Antragsgegner ordnete mit Bescheid vom 21. Februar 2020 die sofortige Vollziehung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 8. November 2019 an. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Errichtung und der Betrieb einer Windkraftanlage im besonderen Maße der Einsparung von CO2 diene und daher im Interesse des Klimaund Umweltschutzes liege. Der in § 1 Abs. 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2017) formulierte Zweck werde dadurch zielgerichtet erfüllt und liege somit im öffentlichen Interesse. Angesichts der ausdrücklichen Aussagen im EEG 2017 ergebe sich ein besonderes öffentliches Interesse der Allgemeinheit an dem zügigen Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Windenergie. Die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung mit diesen Zielen sei auch in der Rechtsprechung anerkannt. Der Wille zur Förderung der Errichtung von Windenergieanlagen ergebe sich auch aus den Festlegungen im Bayerischen Aktionsplan Energie des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom November 2019. Danach sollen in Bayern bis 2022 300 weitere Windenergieanlagen initiiert werden. Zum besonderen privaten Vollzugsinteresse der Beigeladenen wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin im Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur zum 1. Dezember 2019 einen Förderzuschlag für den in der Anlage erzeugten Strom erhalten habe. Nach § 36e Abs. 1 EEG 2017 bestehe eine Realisierungsfrist für die Windenergieanlage von 30 Monaten nach Erhalt eines Förderzuschlags. Eine Verlängerung der Frist sei nur einmalig möglich in dem Fall, dass die Anlage beklagt und die sofortige Vollziehung der Genehmigung angeordnet worden sei (§ 36e Abs. 2 EEG 2017). Nach Ablauf der Frist erlösche der Zuschlag der Beigeladenen. Die zu erwartende Förderung betrage nach den Angaben der Beigeladenen 7,97 ct/kWh. Der Börsenpreis liege aktuell bei knapp 4 ct/kWh. Mit diesem Preis sei nach Angaben der Beigeladenen ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlage nicht möglich. Werde die Anlage nicht innerhalb von 24 bis 28 Monaten errichtet, erleide die Beigeladene weitere finanzielle Nachteile. § 55 Abs. 1 EEG 2017 sehe gestaffelte Vertragsstrafen vor, wenn die Anlage nicht innerhalb dieser Fristen in Betrieb genommen werde. Bei einer Inbetriebnahme der Anlage später als 28 Monate seit öffentlicher Bekanntgabe des Zuschlags (bis Ende März 2022) sei eine Vertragsstrafe in Höhe von 108.000 EUR fällig. Zudem seien für die Errichtung der Anlage Lieferzeiten zu berücksichtigen und es sei eine Finanzierungssicherheit auszustellen. Beides setze eine vollziehbare Genehmigung voraus. Für einen Baubeginn Mitte 2021 (der zur Einhaltung der oben genannten Fristen erforderlich wäre), müsse nach Angaben der Beigeladenen Mitte 2020 eine vollziehbare Genehmigung vorliegen, damit die Beigeladene die Anlage entsprechend „eintakten“ könne. Die erteilte Genehmigung verletze die Antragstellerin nicht in ihren Nachbarrechten. Art. 82 BayBO habe keine drittschützende Wirkung. Ein Unterschreiten der „Privilegierungsgrenze“ auf der planungsrechtlichen Grundlage eines Bebauungsplanes mache eine Windkraftanlage nicht per se unzulässig. Es sei nicht ersichtlich, dass eine konkrete Planung der Antragstellerin durch das Vorhaben gestört werde. Die Nachbargemeinde habe lediglich die Behauptung aufgestellt, dass ihr wesentliche Gemeindeteile einer weiteren Planung durch das Vorhaben entzogen werde. Konkrete Planungen sei nicht vorgetragen worden. Die Gemeinde sei hinsichtlich ihrer Planungsvorstellungen und deren Konkretisierungsstadium darlegungspflichtig. Ein lediglich allgemeines Freihaltungsinteresse für bestimmte Gemeindeteile, um sich etwaige Planungsoptionen für die Zukunft abstrakt offenzuhalten, sei nicht schutzwürdig. Dem Aufschubinteresse der Antragstellerin könne so im Ergebnis im konkreten Fall nur ein sehr geringes Gewicht beigemessen werden mit der Folge, dass sich das greifbare Vollzugsinteresse der Beigeladenen an der zügigen Umsetzung ihres genehmigten Vorhabens nach Abwägung der beiderseitigen Interessen demgegenüber eindeutig durchsetze.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2020, eingegangen bei Gericht am 6. März 2020, ließ die Antragstellerin einen Eilantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO stellen und beantragen,
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27. [zutreffend 8.] November 2019, betreffend die Errichtung und den Betrieb einer Energieanlage vom Typ VESTAS V 136 auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung …, Markt …, wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigung nicht angehört worden sei. Wenn eine Anhörung deshalb entbehrlich sei, weil das Zeitmoment einer Vollziehungsanordnung eine besondere Rolle spiele, so könne dies nach einem Zeitraum von fast vier Monaten nicht mehr angenommen werden. Der Antragsgegner habe nicht das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Genehmigung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Der Antragsgegner weise formelhaft zur Begründung eines öffentlichen Interesses auf das Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien, sowie allgemein darauf hin, dass die Errichtung von Windkraftanlagen grundsätzlich im öffentlichen Interesse stehe. Insbesondere gehe der Antragsgegner nicht darauf ein, warum gerade an dieser Stelle die Errichtung von Windenergieanlagen zur Förderung der von ihm genannten Zwecke erforderlich sei. Auch lasse die Begründung nicht erkennen, worin gerade die Gründe für die sofortige Vollziehung lägen. Auch soweit das besondere Interesse im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO auf ein überwiegendes privates Interesse gestützt werde, könne dies nicht alleine eine Begründung der Vollziehungsanordnung rechtfertigen. Es bestünden ernstliche Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit sowohl der Vollziehungsanordnung als auch der Genehmigung. Alleine eine mögliche wirtschaftliche Beeinträchtigung und Gefährdung von Investitionen könne eine sofortige Vollziehung nicht begründen. Insbesondere drohende Vertragsstrafen könnten nicht zu Lasten der Rechte der Antragstellerin gehen. Solche finanziellen Nachteile lägen im wirtschaftlichen Risiko der Beigeladenen, welche keinesfalls durch Anordnung einer sofortigen Vollziehung auf die Antragstellerin umgelagert werden könnten. Im Rahmen der Abwägung seien auf Seiten der Antragstellerin insbesondere die Verletzung des Art. 82 BayBO und die Beeinträchtigung der Planungshoheit zu berücksichtigen. Dies schon deshalb, da durch den der Genehmigung zugrunde liegenden Bebauungsplan „… – …“, Markt …, diese Regelung umgangen werden sollte. Dies werde von der Antragstellerin auch mit ihrem Antrag im Verfahren Aktenzeichen 9 N 19.2265 und 9 NE 19.2274 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sowie in dem Verfahren AN 11 K 19.02549 geltend gemacht. Da der Ausgang des Normenkontrollverfahrens völlig offen sei, bestehe ein überwiegendes Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung, um zu vermeiden, dass durch die sofortige Vollziehung Tatsachen geschaffen würden, die den Zweck dieses Verfahrens unterlaufen könnten.
Mit Schriftsatz vom 13. März 2020, eingegangen bei Gericht am 20. März 2020, beantragte der Antragsgegner, den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beigeladene mit Schreiben vom 16. Januar 2020 beim Antragsgegner den Antrag gestellt habe, die sofortige Vollziehung der ihr erteilten Genehmigung anzuordnen. Der Antragsgegner ordnete die sofortige Vollziehung der angefochtenen Genehmigung mit Bescheid vom 21. Februar 2020 an. Die Einzelfallbezogenheit des öffentlichen Interesses mit dem im Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien zum Ausdruck kommenden Ziel des Bundesgesetzgebers, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung zügig zu erhöhen, stehe nicht entgegen, dass sie auch bei anderen Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen angeführt werden könne. In Fallgruppen, die (hier: Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien) eine typischerweise übereinstimmende Interessenlage aufwiesen, könnten auch typisierende Argumentationsmuster Verwendung finden. Die sofortige Vollziehung sei im öffentlichen sowie auch im privaten Interesse der Beigeladenen angeordnet worden. Die Ansicht des Bevollmächtigten der Antragstellerin, wonach die Anordnung des Sofortvollzugs ausschließlich auf ein besonderes öffentliches Interesse gestützt werden könne, sei rechtlich nicht zutreffend. Die getroffene Interessenabwägung bei der Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden. Sie falle eindeutig zugunsten der Beigeladenen aus, denn die Klage werde aller Voraussicht nach erfolglos bleiben.
Die durch Beschluss des Gerichts vom 9. März 2020 Beigeladene ließ mit Schriftsatz vom 21. April 2020 beantragen,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass ein Anhörungserfordernis bei der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ganz überwiegend abgelehnt werde. Die Frage sei aber nicht zu entscheiden, weil eine etwaige Anhörung im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nachgeholt worden sei. Ein Fehler wäre damit geheilt. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Genehmigungsbehörde sei nicht formelhaft. Die Frage sei in der vorliegenden Dreieckskonstellation aber auch nicht von Belang. Die Klage als Hauptsache werde ohne Erfolg bleiben, ihr stünden in der Abwägung auch keine sonstigen Gründe zur Verfügung, die gleichwohl eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin ergäben. Die Klage sei unzulässig, jedenfalls unbegründet. Wegen der prognostischen Erfolglosigkeit der Klage überwiege das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Bauausführung. Zur weiteren Begründung wurde auf den Schriftsatz vom 21. April 2020 in der Hauptsache verwiesen. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei, da der Sachvortrag der Antragstellerin eine Verletzung in eigenen Rechten nicht als möglich erscheinen lasse. Die Antragstellerin könne sich als Nachbargemeinde nur auf solche eigenen Belange berufen, die sich dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zuordnen ließen. Sie sei weder berechtigt, sich über die Anrufung des Verwaltungsgerichts als Kontrolleur der zur Wahrung öffentlicher Belange jeweils berufenen staatlichen Behörden zu betätigen, noch sei sie befugt, sich zum Sachwalter privater Interessen, insbesondere auch solche ihre Gemeindebürger, aufzuschwingen. Einwirkungen auf das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerin seien nicht ersichtlich. Es bleibe unklar, welche konkreten Planungen der Antragstellerin zur Ausweisung von Wohngebieten von dem Vorhaben betroffen seien. Die Antragstellerin lasse auch offen, welche Immissionen sich auf welche bestehenden bebauten Gebiete der Antragstellerin wie auswirken würden und warum dies eine Beschränkung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der Antragstellerin darstellen solle. Art. 82 BayBO regele schon keine (drittschützenden) „Abstandsflächen“ im Hinblick auf das Gebiet der Antragstellerin. Ein Verstoß gegen die Regelung würde lediglich dazu führen, dass das Vorhaben der Beigeladenen bauplanungsrechtlich nicht mehr im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB privilegiert, sondern an § 35 Abs. 2 BauGB zu messen wäre. Auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans der Gemeinde … komme es nicht an. Die Klage sei unbegründet. Zwar stünde der Antragstellerin als kommunale Selbstverwaltungskörperschaft ein Abwehrrecht gegen die nachhaltige Störung der eigenen, konkreten, städtebaulichen Planung durch ein Vorhaben zu. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen solche gewichtigen Auswirkungen auf die Planungshoheit der Antragstellerin habe. Ebenfalls sei nicht ersichtlich, dass eine konkrete Planung der Antragstellerin durch das Vorhaben gestört würde. Die Antragstellerin sei hinsichtlich ihrer Planungsvorstellungen und deren Konkretisierungsstadium jedoch darlegungspflichtig.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2020 führte die Antragstellerin im Wesentlichen ergänzend aus, dass entgegen der Ansicht der Beigeladenen auch ein Antrag in einer Dreieckskonstellation nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO Erfolg haben könne, wenn die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entspreche. Die Anordnung des Sofortvollzugs könne nicht mit dem überwiegenden Interesse der Beigeladenen an der Errichtung der geplanten Windenergieanlage begründet werden. Ein solch überwiegendes Beteiligteninteresse könne angenommen werden, wenn die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erfolge, um der Verwirklichung des Rechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Geltung zu verhelfen. Die Eigentumsfreiheit schütze aber nicht vor wirtschaftlichen Verlusten. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erteilt worden. Eine solche könne nur erteilt werden, wenn sie unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Als öffentliche Belange könnten dabei auch hinreichend konkrete oder jedenfalls konkretisierbare gemeindliche Planungen oder Planungskonzepte entgegenstehen. Für den Ortsteil … bestehe eine konkrete Planungsabsicht. Der Bebauungsplan „…“ befinde sich in der Aufstellung. Diese planerische Absicht der benachbarten Gemeinde stelle eine Erwägung dar, die in die Abwägung vor Erteilung der Befreiung einzustellen sei. Durch das Unterschreiten der 10 H-Regelung sei die Antragstellerin in der Bauleitplanung bezüglich des angesprochenen Ortsteils stark eingeschränkt. Sie habe zu berücksichtigen, dass bereits zwei Windenergieanlagen eines anderen Betreibers vorhanden seien. Bei drei Windenergieanlagen sei mit einer Verstärkung der von diesen ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen zu rechnen. Um Konflikte mit diesen Nutzungen zu vermeiden, sei die Antragstellerin hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung auf Festsetzungen von Baugebieten beschränkt, die allgemein mit den bestehenden Windenergieanlagen verträglich sind. Daher erweise sich die Planungshoheit der Antragstellerin als schutzwürdig.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten (auch zum Verfahren AN 11 K 19.02549) Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist im Haupt- und Hilfsantrag zulässig, insbesondere sind Statthaftigkeit und Antragsbefugnis gegeben.
Die Klage der Antragstellerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 8. November 2019 hat keine aufschiebende Wirkung, nachdem der Antragsgegner mit Bescheid vom 21. Februar 2020 den Sofortvollzug der erteilten Genehmigung gemäß § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Antrag der Beigeladenen angeordnet hat. In einem solchen Fall kann das Gericht gemäß §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO die Vollziehung aussetzen bzw. die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.
Von einer Antragsbefugnis der Antragstellerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog ist auszugehen, da eine mögliche Verletzung der kommunalen Planungshoheit als Ausfluss des in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts nicht gänzlich ausgeschlossen ist.
2. Der zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.
Das Gericht überprüft in einem Verfahren gemäß §§ 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO, ob die Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt und nimmt sodann eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs und dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Nutzung der angefochtenen Genehmigung vor. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Dritte können sich auch im Verfahren gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Genehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auch auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2014 – 22 CS 14.851 – juris Rn. 11). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
a) Die Anordnung des Sofortvollzug ist nicht zu beanstanden.
aa) Unabhängig von der Frage, ob es bei den sogenannten „Dreiecksfällen“ nach § 80a VwGO (i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO) auf den Begründungsaspekt im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO überhaupt ankommt (vgl. VG Ansbach, B.v. 5.7.2017 – AN 11 S 17.00474 – juris Rn. 49), genügt die die vorliegende Begründung der Sofortvollzugsanordnung – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – den formellen Anforderungen. Das in § 80 Abs. 3 VwGO normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts soll die Behörde mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzuges besonders sorgfältig zu prüfen (vgl. OVG Saarl, B.v. 13.11.2019 – 2 B 278/19 – juris Rn. 12). Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Ob die in einer Sofortvollzugsanordnung genannten Gründe inhaltlich die Anordnung zu rechtfertigen vermögen, ist keine Frage des formellen Begründungserfordernisses gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2019 – 22 CS 18.2310 – juris Rn. 11).
Die Begründung des Sofortvollzugs durch den Antragsgegner genügt diesen Anforderungen. Der Antragsgegner hat unter ausreichender Bezugnahme auf die Besonderheiten des Einzelfalles ausgeführt, dass sich ein besonderes öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzuges aus dem in § 1 Abs. 1 EEG 2017 normierten Ziel des Bundesgesetzgebers, den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, ergebe. Um diesen Zweck zu erreichen, sei der Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 auf 80% zu erhöhen (§ 1 Abs. 1 EEG 2017). Die Errichtung und der Betrieb einer Windenergieanlage diene in besonderem Maße der Einsparung von CO2 und liege im Interesse des Klima- und Umweltschutzes. Die Kammer teilt die Einschätzung des Antragsgegners, wonach die Einzelfallbezogenheit einer Begründung nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass die Begründung auch für die Genehmigung anderer Windenergieanlagen herangezogen werden kann. Denn wenn spezielle Fallgruppen (hier: Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien) eine typischerweise übereinstimmende Interessenlage aufweisen, können auch typisierende Argumentationsmuster Verwendung finden (vgl. VGH BW, B.v. 6.7.2015 – 8 S 534/15 – juris Rn. 19).
Im Übrigen hat die Beigeladene nachvollziehbar dargelegt, dass ihr ohne den Sofortvollzug ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden droht, so dass darüber hinaus das besondere private Interesse der Beigeladenen zur Begründung des Sofortvollzugs herangezogen werden kann.
bb) Der Antragsgegner war – entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Antragstellerin – nicht verpflichtet, die Antragstellerin vor Erlass der Sofortvollzugs Anordnung anzuhören. Die Verwaltungsgerichtsordnung enthält keine dahingehende Regelung. Eine Anhörung muss daher vor der Vollziehbarkeitsanordnung auch beim Verwaltungsakt mit Drittwirkung nicht stattfinden (vgl. Schoch in Schneider/Bier/Schoch, 37. EL Juli 2019, VwGO § 80a Rn. 33). Eine Ausnahme aus rechtsstaatlichen Gründen kommt dann in Betracht, wenn im vorangegangenen Verwaltungsverfahren zum Erlass des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes einem Drittbetroffenen noch kein rechtliches Gehör gewährt worden ist (vgl. Schoch in Schneider/ Bier/Schoch, VwGO § 80a Rn. 33). Vorliegend wurde die Antragstellerin im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren als Träger öffentlicher Belange zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlage gehört. Demzufolge war es aus rechtsstaatlichen Gründen und einer fairen behördlichen Verfahrensführung nicht geboten, die Antragstellerin ausnahmsweise vor der Vollziehbarkeitsanordnung anzuhören.
b) Die Kammer ist aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Für den Erfolg der Anfechtungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist dabei nicht ausreichend, wenn der angegriffene Genehmigungsbescheid rechtswidrig wäre, sondern erforderlich ist vielmehr, dass die erteilte Genehmigung die Antragstellerin voraussichtlich in ihren eigenen Rechten verletzt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Rahmen einer Drittanfechtungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1991 – 7B 102.90 – juris).
Das Gericht nimmt, da der eigenen Rechtsauffassung entsprechend und zur Vermeidung von Wiederholungen, Bezug auf die Begründung des Bescheids des Antragsgegners vom 8. November 2019 (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird dazu Folgendes ausgeführt:
aa) Anhaltspunkte dafür, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfahrensfehlerhaft ergangen ist, sind weder ersichtlich noch wurden diese geltend gemacht. Darüber hinaus könnte die Antragstellerin auf der Basis von deutschem nationalem Recht isoliert von Verfahrensfehlern nicht profitieren, da diese regelmäig keinen subjektiven Schutz vermitteln. Ein solcher ergäbe sich allenfalls in Verbindung mit einer Verletzung materiellen und zudem drittschützenden Rechts, woran es hier fehlt (vgl. nachfolgend).
bb) Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 8. November 2019 erweist sich nach summarische Prüfung mit Blick auf die Rechte der Antragstellerin als rechtmäßig und verletzt diese dadurch nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung ist § 6 Abs. 1 BImSchG. Danach ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und eine aufgrund des § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht für die von der Beigeladenen beantragten Anlage ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG i.V.m. § 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 1.6 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV (Anlagen zur Nutzung von Windenergie mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m und weniger als 20 Windkraftanlagen (Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV). Antragsgemäß wurde ein Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG durchgeführt (§ 19 Abs. 3 BImSchG). Das Vorhaben ist nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben genehmigungsfähig.
Die Antragstellerin ist weder Adressatin der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung noch ist sie Standortgemeinde, da das Vorhaben auf dem Gemeindegebiet der angrenzenden Gemeinde realisiert werden soll. Als Nachbargemeinde kann sie Verstöße gegen Vorschriften, die nicht auch dem Schutz ihrer gemeindlichen Interessen zu dienen bestimmt sind, nicht mit Erfolg abwehren. Aus diesem Grund kann eine Anfechtungsklage der Antragstellerin als Nachbargemeinde nur dann Erfolg haben, wenn eine Verletzung von jedenfalls auch ihre individuellen Rechte schützenden Normen gegeben ist (vgl. BVerwG U. v. 29.6.1983 – 7 C 102/82 – NVwZ 1983, 610 Rn. 8 ff.). Eine Nachbargemeinde kann daher nicht gleichsam als Sachwalterin private Interessen ihre Bürger vertreten und durchsetzen und auch nicht als Kontrolleurin der zur Wahrung öffentlicher Belange berufenen staatlichen Behörden betätigen. Sie kann daher gesundheitliche Belange ihrer Gemeindebürger oder natur- und landschaftsschutzrechtliche Belange nicht mit Erfolg geltend machen, da ihre Planungshoheit oder ihr Selbstgestaltungsrecht auf ihrem Gemeindegebiet insoweit nicht berührt sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 .CS 17.1471 – juris Rn. 15). Dass die Antragstellerin als Nachbargemeinde in die Bauleitplanung der Standortgemeinde über § 2 Abs. 2 BGB und § 1 Abs. 7 BauGB eingebunden sein mag, führt nicht dazu, ihr ein unbegrenztes Rügerecht aller möglichen Sachverhalte im Rahmen der Überprüfung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die einem Dritten erteilt worden ist, einzuräumen (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 .CS 17.1471 – juris Rn. 16). Die Antragstellerin kann sich als Nachbargemeinde allenfalls auf solche eigenen Belange berufen, die sich dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) zuordnen lassen.
(1) Die Antragstellerin kann sich nicht auf eine mögliche bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der Windenergieanlage berufen.
Selbst wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigung aus diesem Grunde rechtswidrig sein sollte, würde dies der Klage nicht zum Erfolg verhelfen, weil es insoweit an einer Verletzung von drittschützenden Rechten der Antragstellerin fehlen würde. Entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten der Antragstellerin kann daher offenbleiben, ob der Bebauungsplan „… … – …, …“ des Marktes … einen Fehler aufweist, der zu seiner Unwirksamkeit führt. Es kann also dahinstehen, ob der von der Antragstellerin gerügte Verstoß des Unterschreitens des sich nach der 10 H-Regelung gemäß Art. 82 Abs. 1 BayBO ergebenden Abstandes die Unwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge haben könnte. In diesem Fall würde sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB richten, sondern nach § 35 BauGB. Gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB sind unter anderem Windenergieanlagen im Außenbereich privilegiert. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob diese Privilegierung nach Art. 82 Abs. 1 BayBO entfällt und die Windenergieanlage als „sonstiges Vorhaben“ anzusehen ist, das bei Beeinträchtigung öffentlicher Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB rechtswidrig wäre. Da eine Nachbargemeinde – ebenso wie eine Privatperson – keinen Schutzanspruch mit drittschützender Wirkung auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit einen Abwehranspruch gegen Vorhaben hat, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig sind (vgl. BVerwG, B. v. 3.4.1995 – 4 B 47.95 – BRS 57 Nr. 224 – juris Rn. 2), kann der Vortrag der Antragstellerin, die genehmigte Windenergieanlage verstoße gegen die sogenannte 10 H-Regelung, keine Verletzung in eigenen Rechten begründen. Bei der Vorschrift des Art. 82 Abs. 1 BayBO handelt es sich nicht um eine bauordnungsrechtliche Abstandsflächenvorschrift mit drittschützendem Charakter; vielmehr setzt Art. 82 Abs. 1 BayBO eine bauplanungsrechtliche Entprivilegierung von Vorhaben fest, die den Mindestabstand von 10 H zu den genannten Wohngebäuden nicht einhalten (vgl. VG Ansbach, B.v. 5.7.2017 – AN 11 S 17.00474 – juris Rn. 55; nachfolgend BayVGH, B.v. 22.09.2017 – 22 CS 17.1471 – juris; VG München, B.v. 24.8.2016 – M 1 SN 16.3055 – juris Rn. 27).
In diesem Zusammenhang kann ebenfalls dahinstehen, ob die Voraussetzungen des Art. 82 Abs. 4 BayBO vorliegen. Sollte einer Nachbargemeinde bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 82 Abs. 4 Nr. 3 BayBO ein subjektives Recht darauf zustehen, dass Windkraftanlagen nicht unter Missachtung der Rechtslage genehmigt werden, die durch einen auf diese Vorschrift gestützten Widerspruch herbeigeführt wurde, so könnte dieses etwaige Abwehrrecht nicht weiter reichen als der objektive Regelungsgehalt dieser Vorschrift selbst (vgl. BayVGH, B. v. 10.4.2017 – 22 ZB 16.627 – juris Rn. 15 f.). Die Ausübung des Widerspruchs hat lediglich zur Folge, dass die in Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO bezeichnete Rechtsfolge, also die 10 H-Regelung, zum Tragen kommt. Wie bereits ausgeführt, verändert Art. 82 Abs. 1 BayBO jedoch nur den Zulässigkeitsmaßstab für Windkraftanlagen innerhalb des § 35 BauGB, ohne diese pauschal für unzulässig zu erklären. Daher kann auch ein aus Art. 82 Abs. 4 Nr. 3 BayBO gegebenenfalls resultierendes Abwehrrecht einer Gemeinde, die von der Widerspruchsmöglichkeit des Art. 82 Abs. 4 Nr. 3 BayBO Gebrauch gemacht hat, nicht die Folge haben, dass sie alleine wegen der erfolgten Ausübung des Widerspruchs verlangen kann, dass die Genehmigung eines konkreten Vorhabens unabhängig von der Betroffenheit ihrer geschützten Belange unterbleibt (vgl. BayVGH, a.a.O.).
(2) Auch der Vortrag der Antragstellerin, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung beeinträchtige ihre Planungshoheit, begründet keine Verletzung in eigenen Rechten.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat dazu vorgetragen, dass für den Ortsteil … eine konkrete Planungsabsicht bestehe. Der Bebauungsplan „…“ befinde sich bereits in der Aufstellung. Unabhängig von der Frage, ob der Bebauungsplan gegen den Prioritätsgrundsatz verstoßen könnte, wonach eine Planung Rücksicht auf eine konkurrierende Planung nehmen muss, die zeitlichen Vorsprung hat (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 N 05.1665 – juris), kann die Antragstellerin als Nachbargemeinde nur solche Belange einwenden, die sich dem Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen lassen, etwa ein hiernach geschütztes Selbstgestaltungsrecht, das dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie entnommen wird. Ein solches Selbstgestaltungsrecht einer Nachbargemeinde ist bauplanungsrechtlich als ungeschriebener öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu prüfen (vgl. BayVGH, B. v. 27.8.2013 – 22 ZB 13.927 – juris Rn. 15). Auf dieses Recht kann sich auch eine Nachbargemeinde berufen, wenn sich ein Vorhaben auch auf ihr Gebiet auswirkt, allerdings begrenzt durch das Selbstgestaltungsrecht der Standortgemeinde. Im Rahmen der Anlagengenehmigung im Anwendungsbereich des § 35 BauGB entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Abwehransprüche einer Nachbargemeinde allenfalls dann entstehen, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken, insbesondere die vorhandene städtebauliche Struktur von Grund auf ändern (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 22; B.v. 18.5.2016 – 22 ZB 16.12 – juris Rn. 11; BVerwG, U.v. 15.12.1989 – 4 C 36/86 – juris Rn. 30). Dabei sind allerdings gewisse ästhetische Einbußen für das Ortsbild als Folge ansonsten zulässiger Vorhaben hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 22; B.v. 31.10.2008 – 23 CS 08.2369 – juris Rn. 26).
Nach diesen Maßstäben ist nicht ersichtlich, dass das Vorhaben der Beigeladenen die Antragstellerin in ihrer Planungshoheit in Form ihres Selbstgestaltungsrechts verletzt. Es sind auch unter Berücksichtigung des laut Vortrags des Antragstellerbevollmächtigten in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplans „…“ für den Ortsteil … keine unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art auf die Planung bzw. das Gemeindegebiet der Antragstellerin ersichtlich. Soweit der Bevollmächtigte vorbringt, dass die Antragstellerin hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung auf Festsetzungen von Baugebieten beschränkt sei, die allgemein mit den bestehenden Windenergieanlagen verträglich seien, ist angesichts des erheblichen Abstandes des Ortsteils … vom geplanten Anlagenstandort von ca. 1.680 m bereits nicht ersichtlich, ob und inwieweit die Antragstellerin aufgrund des Vorhabens tatsächlich in den bauleitplanerischen Festsetzungen beschränkt ist. Jedenfalls hat die Antragstellerin nicht dargelegt, welche konkreten Festsetzungen, die sie beabsichtigt, nun wegen des Vorhabens der Beigeladenen nicht mehr möglich sein sollen. Dass das Vorhaben in konkreter Weise tatsächlich eine bauplanerische Entwicklung einzelner Ortsteile der Antragstellerin unmöglich machen sollte, wurde nicht ausreichend dargelegt (zur Darlegungspflicht bezüglich der konkreten Planungsabsichten NdsOVG, U.v. 17.8.2006 – 7 KS 81/03 – juris Rn. 26). Ohne Konkretisierung von Planungsabsichten der Antragstellerin ist nicht ersichtlich, inwieweit die Errichtung und der Betrieb der geplanten Windkraftanlage denkbare Planungen der Antragstellerin in einer die Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB auslösenden Weise tangieren könnte. Ein lediglich allgemeines Freihaltungsinteresse für bestimmte Gemeindeteile, um sich etwaige Planungsoptionen für die Zukunft oder auch Nutzungsmöglichkeiten Dritter abstrakt offen zu halten, ist nicht schutzwürdig und stellt keinen planungsrechtlich beachtlichen Belang dar (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 22).
Darüber hinaus ist eine nachhaltige für eine das Gemeindegebiet der Antragstellerin negative Prägung des Ortsbildes durch die Errichtung des Vorhabens der Beigeladenen nicht ersichtlich. Weder wird durch das Vorhaben die vorhandene städtebauliche Struktur der Antragstellerin verändert, noch beeinflusst die 1.680 m entfernte Windenergieanlage den Charakter des Gemeindegebietes. Für eine solche ortsbildprägende Wirkung genügt die bloße Sichtbarkeit der Anlage vom Gemeindegebiet aus ebenso wenig wie der Umstand, dass Windenergieanlagen bauartbedingt typischerweise markant in Erscheinung treten (vgl. VGH BW, B.v. 29.1.2019 – 10 S 1919/17 – juris Rn. 27).
(3) Aufgrund der vorgenannten Ausführungen ist darüber hinaus nicht ersichtlich, inwieweit die vorliegende Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB die Antragstellerin in ihren nachbarlichen Interessen bzw. ihrer kommunalen Planungshoheit verletzen könnte. Die örtliche Bauvorschrift in Ziffer 2.1.5 regelt für die Anlagen innerhalb des Geltungsbereichs bezüglich ihrer äußeren Gestalt, der Bauweise des Turms sowie der Nabenhöhe der Rotoren eine einheitliche Ausführung eine einheitliche Ausführung. Im Genehmigungsbescheid wird hierzu zutreffend ausgeführt, dass es aufgrund der technischen Entwicklung unverhältnismäßig wäre, auf die Einhaltung dieser Festsetzung zu bestehen. Dass diese Befreiung unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die Planung der Antragstellerin haben könnte, ist nicht ansatzweise erkennbar.
(4) Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an die Genehmigung können von der Antragstellerin ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden.
Eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin durch das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG ist vorliegend nicht ersichtlich. Insofern ist zwar anerkannt, dass sich auch eine Gemeinde auf den Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen berufen kann, jedoch ist dieser Schutz auf konkrete Rechtspositionen wie in deren Eigentum befindliche Grundstücke oder kommunale Einrichtungen begrenzt (vgl. BVerwG U. v. 24.7.2008 – 7 B 19/08 – Rn. 12). Die Antragstellerin hat jedoch diesbezüglich nichts vorgetragen. Sie stellt lediglich darauf ab, dass sich Emissionen negativ auf bestehende bebaute Gebiete der Antragstellerin auswirken würden. Dadurch schwingt sie sich jedoch in unzulässiger Weise zum Sachwalter der privaten Rechte ihrer Bürger auf.
Auch begründen die vom Bevollmächtigten der Antragstellerin vorgetragenen immissionsschutzrechtlichen Bedenken keine Verletzung der Planungshoheit der Antragstellerin. Zwar schützt die Planungshoheit diese grundsätzlich auch gegen eine Verlärmung solcher Baugebiete, die bereits in bestehenden Bebauungsplänen ausgewiesen sind. Auch das Interesse an der Bewahrung der in der Bauleitplanung ausgeformten städtebaulichen Ordnung vor nachhaltigen Störungen ist ein schutzwürdiger kommunaler Belang (vgl. BVerwG, U.v. 06.11.2013 – 9A9/12 – juris Rn. 22). Nachhaltige Störungen wesentlicher Teile von Baugebieten der Antragstellerin aufgrund von Immissionen des Vorhabens der Beigeladenen sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich und wurden auch nicht substantiiert geltend gemacht. Es wird insoweit auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Klage der Antragstellerin bleibt folglich in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg. Dieser maßgebliche Abwägungsaspekt im Eilverfahren wird vorliegend nicht in vorrangiger Weise durch sonstige zu Gunsten der Antragstellerin eingreifende Kriterien überlagert, vielmehr ist es so, dass wegen prognostischer Erfolglosigkeit der Klage der Antragstellerin das Interesse der Beigeladenen an sofortiger Bauausführung überwiegt.
Nach alledem bleibt der Eilantrag ohne Erfolg.
3. Als Unterlegene trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens, §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Antragstellerin trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, denn die Beigeladene hat sich mit eigenem Antrag und zudem qualifiziertem Sachvortrag am Prozessrisiko beteiligt, so dass es der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten der verlierenden Antragstellerseite aufzuerlegen nach § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung zum Streitwert beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 19.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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