Baurecht

Herstellungsbeitrag für öffentliche Wasserversorgung nach Vergrößerung der Geschossfläche

Aktenzeichen  M 10 K 16.80

Datum:
14.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
AO AO § 169 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ein zusätzlicher Herstellungsbeitrag für eine Wasserversorgungsanlage entsteht mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, insbesondere im Fall einer Geschossflächenvergrößerung jeweils für die zusätzlichen Flächen, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei überdachten “Liegehallen” für Pferde handelt es sich um Gebäude im baurechtlichen Sinne, auch wenn sie nicht an allen vier Seiten Wände haben oder jeweils an einer Seite ein stets offener Eingangsbereich vorhanden ist. (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Stallgebäude hat unter dem Gesichtspunkt der typisierenden Betrachtungsweise immer einen Anschlussbedarf an die öffentliche Wasserversorgungsanlage, weil das in dem Stall untergebrachte Vieh getränkt werden muss; dass hierzu kein Wasser mit Trinkwasserqualität erforderlich ist, ändert nichts an dem grundsätzlichen Anschlussbedarf. (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages für eine Wasserversorgungsanlage ist es nicht von Bedeutung, dass Tiere sich nicht nur in den Stallgebäuden, sondern auch auf einer Freifläche frei bewegen und selbst entscheiden können, ob oder welches Stallgebäude sie betreten oder auch wie häufig sie diese frequentieren. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der angefochtene Nacherhebungsbescheid vom 2. Juli 2013, der für die Errichtung der Liegehallen bzw. die Umnutzung als Liegehallen für Pferde einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage in Höhe von 2.194,86 Euro festsetzt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a. Nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG) können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte Gebrauch gemacht durch den Erlass seiner Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS) vom 16. Dezember 2009. Die Regelungen im Beitragsteil der BGS-WAS sind nicht zu beanstanden. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sowie gegen die materiellrechtliche Wirksamkeit der entscheidungserheblichen Satzungsregelungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b. Die BGS-WAS vom 16. Dezember 2009 wurde in dem angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 2013, der einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage festsetzt, auch richtig vollzogen.
Die Errichtung der Liegehallen bzw. die Umnutzung der vormaligen Silos nun als Liegehallen hat einen zusätzlichen Geschossflächenbeitrag ausgelöst.
Gemäß § 5 Abs. 5 BGS-WAS entsteht die Beitragspflicht nach Maßgabe des § 5 Abs. 1 Satz 2 BGS-WAS auch, wenn das Grundstück vergrößert wird und für diese Fläche noch kein Beitrag geleistet wurde. Gleiches gilt für alle sonstigen Veränderungen, die nach § 5 Abs. 2 BGS-WAS für die Beitragsbemessung von Bedeutung sind. Ein zusätzlicher Beitrag entsteht damit mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, insbesondere im Fall einer Geschossflächenvergrößerung jeweils für die zusätzlichen Flächen, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht.
Durch den Bau der Liegehallen 1 und 4 und die Umnutzung der vormaligen Silos als Liegeställe wurde die auf dem streitgegenständlichen Grundstücke vorhandene Geschossfläche vergrößert; entgegen des klägerischen Vortrags handelt es sich bei den „Liegehallen“ um Gebäude. Nach der baurechtlichen Definition in Art. 2 Abs. 2 BayBO sind Gebäude benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können; dieser baurechtliche Begriff ist auch für den Vollzug von Beitrags- und Gebührensatzungen maßgeblich (vgl. schon BayVGH, U.v. 8.8.1986 – 23 B 85 A.1358 – juris). Die überdachten Liegeställe stellen hier solche Anlagen dar, auch wenn sie nicht an allen vier Seiten Wände haben oder jeweils an einer Seite ein stets offener Eingangsbereich vorhanden ist.
Durch diese zusätzlich geschaffene Geschossfläche wurde auch der durch die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungsanlage vermittelte Vorteil erhöht. Denn es handelt sich bei den hier streitgegenständlichen Liegehallen um Gebäude, die nach der Art ihrer Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslösen (vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG, § 5 Abs. 2 Satz 6 BGS-WAS).
Zur Klärung der Frage, ob ein Gebäude nach der Art seiner bestimmungsgemäßen Nutzung einen Bedarf nach einem Anschluss an die Wasserversorgung auslöst, ist auf objektive Gesichtspunkte und auf eine typisierende Betrachtung abzustellen (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 31).
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den Liegehallen jeweils nicht nur um einen überdachten Teil der Freifläche im Laufstall der Pferde oder der Weide, sondern um einen Pferdestall, der dem Aufenthalt und der Unterbringung von Pferden dient.
Ein Stallgebäude hat nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 22.8.2006 – 23 ZB 06.1544 – juris Rn. 11 m. w. N.) unter dem Gesichtspunkt der typisierenden Betrachtungsweise einen Anschlussbedarf an die öffentliche Wasserversorgungsanlage, weil das in dem Stall untergebrachte Vieh getränkt werden muss. Dass hierzu kein Wasser mit Trinkwasserqualität erforderlich ist, ändert nichts an dem grundsätzlichen Anschlussbedarf. Dies gilt auch für die Errichtung eines Boxenlaufstalles, eines Stalles, in dem sich das Vieh frei bewegen (laufen) kann und nicht mehr angebunden ist, in dem die Tiere selbst entscheiden können, in welchem Liegeplatz (Boxen) sie ruhen oder wann und wo sie fressen (vgl. VG Ansbach, U.v. 13.11.2007 – AN 1 K 06.02902 – juris Rn. 29).
Für Stallgebäude, die in eine Offenlaufstallhaltung eingebunden sind, kann nichts anderes gelten. Maßgeblich ist allein, dass es sich jeweils um Stallgebäude, die für die Haltung der Pferde errichtet wurden, handelt. Nach Ausführungen der Klägerin dienen die Liegehallen dazu, den Pferden Schutz vor Hitze und Kälte oder sonstigen Witterungseinflüssen zu bieten. Die Pferde würden sich dort auch zum Schlafen hinlegen oder ausruhen. Daher haben die Liegehallen nach objektiv typisierender Betrachtungsweise Anschlussbedarf an die Wasserversorgung; auf die tatsächliche Nutzung im konkreten Fall oder die Vorstellungen der Klägerin kommt es dagegen nicht an (vgl. BayVGH, U.v. 12.5.2004 – 23 B 03.2416 – beckonline; Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand: Dezember 2011, Art. 5 KAG, Frage 12, 3.1.). Daher ist es für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages nicht von Bedeutung, dass die Pferde sich nicht nur in den Stallgebäuden, sondern auch auf einer Freifläche von ca. 85.000 m² frei bewegen und selbst entscheiden können, ob oder welches Stallgebäude sie betreten oder auch wie häufig sie diese frequentieren. Gleiches gilt, soweit die Klägerin darauf verweist, dass ein tatsächlicher Wasseranschluss an die Wasserversorgungsanlage in den jeweiligen Liegehallen nicht besteht (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2006 – 23 ZB 06.1544 – juris Rn. 11; VG Ansbach, U.v. 13.11.2007 – AN 1 K 06.02902 – juris Rn. 29).
c. Auch die Höhe der beitragspflichtigen Geschossfläche von 509 m² hat der Beklagte richtig berechnet. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-WAS wird der Beitrag nach der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude berechnet. Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen zu ermitteln (§ 5 Abs. 2 Satz 1 BGS-WAS). Die Vorteilslage ist zum Zeitpunkt der Errichtung der Liegehallen bzw. mit der Umnutzung der vormaligen Güllesilos als Pferdställe entstanden, so dass es unerheblich ist, dass eines der beiden vormaligen Silos mittlerweile abgerissen worden ist. Dass beide Silos zum Pferdestall umgenutzt wurden, steht für das Gericht fest aufgrund des Aktenvermerkes zur Ortsbesichtigung des Beklagten vom 10. Februar 2011 (vgl. Bl. 2-13 der Behördenakte). Dort werden die vorhandenen Gebäude – unter anderem die beiden Güllesilos – einzeln aufgelistet und beschrieben.
d. Auch eine Festsetzungsverjährung war zum Zeitpunkt des Erlass des Bescheides noch nicht eingetreten. Erst durch die Ortsbesichtigung im Februar 2011 hat der Beklagte Kenntnis von der Existenz der Liegehallen erlangt, so dass erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsrist zu laufen begonnen hat (vgl. Abs. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb, § 169 Abs. 2 AO). Der Bescheid vom 2. Juli 2013 ist damit innerhalb der Frist ergangen.
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 2.194,86 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben