Baurecht

Herstellungsbeitrag für Wasserversorgungs- und Entwässerungsanlage – Nur bei Außenbereichsgrundstück Beschränkung auf tatsächliche Bebauung samt angemessenem Umgriff

Aktenzeichen  Au 6 K 18.638

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26205
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 1
KAG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Liegt ein Grundstück im unbeplanten Außenbereich, bestimmt sich der angemessene Umgriff im Hinblick auf die vorhandene Bebauung unter anderem nach den erforderlichen Abstandsflächen und den befestigten Flächen. (Rn. 28) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Liegt ein Grundstück hingegen im unbeplanten Innenbereich als sog. Baulücke, kann es im Umfang seiner tatsächlichen Größe beitragspflichtig sein, wenn und soweit es nach der aufeinander folgenden Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die betreffende Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 6984). (Rn. 29) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Die Einstufung des Grundstücks durch das Finanzamt und die Geltung einer Landschaftsschutzgebietsverordnung stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. (Rn. 33) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kosten der Verfahren hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über welche auf Grund des Verzichts der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet, da die beiden angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2017 über den Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage und für die Entwässerungsanlage in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 10. März 2018 nicht rechtswidrig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 VwGO zulässig.
Klagegegenstand sind die beiden vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 11. Dezember 2017 über den Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage und für die Entwässerungsanlage in der Fassung des als „Widerspruchsbescheid“ bezeichneten Nichtabhilfebescheids der Beklagten vom 10. März 2018, soweit die Beitragsfestsetzung darin einen Teilbetrag zur Wasserversorgung von 2.459,46 Euro und zur Entwässerung von 8.668,06 Euro übersteigt. Dies ergibt sich trotz der anfänglich unbeschränkt formulierten Antragstellung aus der gleichzeitig vorgelegten Klagebegründung und konnte daher nachträglich noch richtig gestellt werden (§ 88 VwGO). Es handelt sich insoweit nicht um eine nachträgliche Teilrücknahme der Klage, sondern um ihre sachdienliche Präzisierung.
Soweit die Beklagte meint, sie lege den Umgriff der beitragspflichtigen Grundstücksfläche fest und daher sei keine Teilanfechtung der Bescheide statthaft, widerspricht dies der prozessualen Dispositionsbefugnis des Klägers. Zudem hat die Beklagte hier nicht ausdrücklich durch Benennung oder zeichnerisch durch Planzeichnung einen Umgriff festgelegt, sondern schlicht die gesamte Grundstücksfläche ohne nähere Erläuterung herangezogen.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da die angefochtene Beitragserhebung nicht rechtswidrig ist, insbesondere die Beklagte zu Recht auf das Buchgrundstück als Maßstab für die anzusetzende Grundstücksfläche abgestellt hat.
1. Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig; Verstöße gegen Regelungen über Zuständigkeit, Form und Verfahren sind weder geltend gemacht noch erkennbar.
2. Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig; die hiergegen erhobenen Rügen des Klägers greifen nicht durch.
a) Die Beitragserhebung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I) zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. März 2016 (GVBl S. 36) sowie in den Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung (BGS-WAS vom 21.12.1999) und der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS-EWS vom 21.12.1999) der Beklagten, in deren § 5 Abs. 1 insoweit gleichlautend jeweils auf die Grundstücksfläche sowie auf die Geschossfläche der vorhandenen Bebauung als Beitragsmaßstab abgestellt wird.
Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Hierzu zählen die von der Beklagten betriebene öffentliche Wasserversorgungs- und Entwässerungsanlage (vgl. § 1 Abs. 1 der Wasserabgabesatzung der Beklagten – Wasserabgabesatzung – vom 1.1.1982 i.d.F. vom 15.9.1998, im Folgenden: WAS; § 1 Abs. 1 der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Beklagten – Entwässerungssatzung – vom 31.5.1999, im Folgenden: EWS). Die Beiträge werden nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 KAG aufgrund einer besonderen Beitragssatzung erhoben. Von der vorgenannten Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabensatzung sowie zur Entwässerungssatzung Gebrauch gemacht und damit wirksames Satzungsrecht für das Entstehen einer Beitragspflicht geschaffen.
Einwände gegen die Gültigkeit des Satzungsrechts wurden nicht erhoben, sondern lediglich gegen die konkrete Anwendung.
b) Die konkrete Beitragserhebung unter Heranziehung der Gesamtfläche des Buchgrundstücks Fl.Nr…. der Gemarkung … ist nicht zu beanstanden, da diese Beitragsbemessung § 5 Abs. 1 BGS-WAS und § 5 Abs. 1 BGS-EWS der Beklagten entspricht.
Liegt ein Grundstück im unbeplanten Außenbereich, kann es nur im Umfang seiner tatsächlichen Bebauung (und eines angemessenen Umgriffs) als bebaubar angesehen werden, soweit es tatsächlich mit Bauwerken bebaut ist, die an die öffentliche Einrichtung angeschlossen sind oder eines solchen Anschlusses entsprechend der baurechtlich genehmigten oder tatsächlich gefestigten Nutzung bedürfen; im Übrigen gelten solche Grundstücke als weiterhin nicht bebaubar (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2002 – 23 C 02.1640 – juris Rn. 33 f.). Der angemessene Umgriff bestimmt sich im Hinblick auf vorhandene Bebauung unter anderem nach den erforderlichen Abstandsflächen und den befestigten Flächen.
Liegt ein Grundstück hingegen im unbeplanten Innenbereich als sog. Baulücke, kann es im Umfang seiner tatsächlichen Größe beitragspflichtig sein, wenn und soweit es nach der aufeinander folgenden Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die betreffende Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 6 ZB 17.2402 – juris Rn. 4). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2018 – 6 ZB 17.2402 – juris Rn. 4 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 m.w.N.).
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers ist hier nicht nur der tatsächlich bebaute Grundstücksteil mit einem Umgriff, sondern das gesamte Buchgrundstück beitragspflichtig, denn es handelt sich nicht um ein Außenbereichsgrundstück, sondern um ein Innenbereichsgrundstück:
Dies ergibt sich zum Einen aus der Tatsache, dass das Grundstück mit einer nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierten Wohnbebauung bebaut werden durfte, was im Außenbereich rechtlich unzulässig wäre. Grundlage der Bebaubarkeit des Grundstücks war nicht die Annahme eines Außenbereichsgrundstücks, sondern eines Innenbereichs mit einer durch umliegende Bebauung bereits vorgeprägten Baulücke. War das Grundstück aber bereits als Innenbereich einzustufen, so erlangte es seine Bebaubarkeit nicht erst durch die tatsächlich verwirklichte Bebauung. Es kann daher auch kein – im Außenbereich erforderlicher – Umgriff gebildet werden, sondern das Grundstück ist dann als Ganzes dem Innenbereich zuzuordnen. Ob allerdings weitere als die bereits verwirklichte Bebauung sich nach Art und Maß noch in die vorhandene Bebauung nach § 34 Abs. 1 BauGB einfügen würde, ist dabei nicht entscheidungserheblich.
Dies ergibt sich zum Anderen aus der bauplanungsrechtlichen Bewertung der Unteren Baubehörde im Bauvorbescheid vom 20. Februar 2013 und anschließend im Baugenehmigungsbescheid vom 28. Juni 2013 (Behördenakte der Beklagten Bl. 72 ff., 31 ff.), wonach das Grundstück bauplanungsrechtlich als Innenbereich nach § 34 BauGB behandelt wurde und zumindest der nordöstliche Teil des Grundstücks als Innenbereich einzustufen sei. Hierauf wurde eine die wesentliche Teilflächen des Grundstücks einnehmende und prägende Bebauung verwirklicht; die südwestliche unbebaute restliche Teilfläche fällt demgegenüber nicht mehr erheblich ins Gewicht.
Die klägerseitig angeführte Einstufung durch das Finanzamt (Bescheid zum 20.2.2013) und die Geltung der Landschaftsschutzgebietsverordnung stehen diesem Ergebnis nicht entgegen. Erstere hat beitragsrechtlich keine Verbindlichkeit und legt nicht näher dar, auf welche konkreten Einschätzungen des Bauamts der Beklagten sich das Finanzamt stützte. Letztere stand schon der Bebauung im bebauten Grundstücksteil nicht entgegen und kann daher auch der Bebaubarkeit der restlichen Grundstücksfläche nicht von vornherein entgegen gehalten werden.
bb) Das Grundstück des Klägers Fl.Nr…. der Gemarkung … gehört beitragsrechtlich noch als Ganzes dem Innenbereich an.
In Anwendung des o.g. Maßstabs ist das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass hier das gesamte Grundstück beitragsrechtlich noch dem Innenbereich zuzurechnen ist. Dies ergibt sich in der Gesamtwürdigung der vorgelegten Pläne, der in Bayern-Atlas hinterlegten Luftbilder und amtlichen Karten unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten:
Das klägerische Grundstück gehörte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2017 – 6 ZB 17.1011 – juris Rn. 13 m.w.N.) nicht nur mit seinem an der …Straße gelegenen Teil dem Bebauungszusammenhang an, der sich im Zeitpunkt der Bebauung des klägerischen Grundstücks bereits nordwestlich und südöstlich beiderseits des Grundstücks entlang der …Straße in einer Bauzeile erstreckte. Das ergibt sich ohne weiteren Klärungsbedarf aus den in den Akten befindlichen Unterlagen, insbesondere den allen Beteiligten bekannten Baugenehmigungsunterlagen. Zwar ragt das klägerische Gebäude diagonal mit Versatz über das nordwestlich auf dem Grundstück Fl.Nrn. … und … vorhandene Gebäude hinaus Richtung des im Südwesten gelegenen unbebauten Außenbereichs. Gleichwohl wird es im Südosten baulich durch das noch weiter nach Südwesten in den Außenbereich hinausragende südöstlich auf dem Grundstück Fl.Nr. … gelegene Gebäude baulich eingerahmt, so dass dessen Bebauungsschwerpunkt noch weiter südwestlich liegt als auf dem klägerischen Grundstück. Dieses Grundstück Fl.Nr. … ist vom Zuschnitt her fast ebenso groß wie das klägerische Grundstück, legt die tatsächliche Baulinie aber noch weiter nach Südwesten und vermittelt daher noch einen entsprechend weiter nach Südwesten verlagerten Bebauungszusammenhang.
Dass das klägerische Gebäude auf der nordöstlichen Hälfte des klägerische Grundstücks liegt, rückt den Bebauungsschwerpunkt auf diesem Grundstück Fl.Nr. … zwar räumlich in den Bereich an der …Straße, während hingegen der übergreifende Bebauungszusammengang durch das südöstlich auf dem Grundstück Fl.Nr. … gelegene Gebäude baulich in den Südwesten hinaus auch in den südwestlichen Teil des klägerischen Grundstücks hinein vermittelt wird. Da die Bebauung mit einem Wohnhaus mit zwei Wohneinheiten das klägerische Grundstück Fl.Nr. … prägt, eine Nutzung des südwestlichen Grundstücksteils als Garten untergeordnet auch der Wohnnutzung dient und eine eigenständige bauliche Nutzung des verbleibenden südwestlichen Grundstücksteils von gewissem Gewicht wohl nicht mehr in Betracht kommt, vermittelt es nach der aufeinander folgenden Bebauung und der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit einschließlich des unbebauten Teils.
Für die Beitragspflichtigkeit des Grundstücks in ganzer Größe spricht auch die von der Beklagten in § 5 Abs. 1 BGS-WAS und § 5 Abs. 1 BGS-EWS enthaltene Begrenzung für übergroße Grundstücke im unbeplanten Bereich auf 1.500 m², weil das streitbefangene Grundstück 1.329,00 m² groß ist und im unbeplanten Bereich liegt. Dort gelegene Grundstücke werden also bis zu dieser Grenze herangezogen, was der gleichmäßigen Heranziehung der Beitragspflichtigen dient und ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Satzungsbezogene Einwände gegen diese Begrenzungsregelung wurden vorliegend klägerseitig auch nicht erhoben. Die Beklagte hat insoweit keinen Umgriff für das Grundstück festgelegt, sondern in Anwendung ihrer Satzungen das gesamte Grundstück zum Beitrag herangezogen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben