Baurecht

Herstellungsbeitrag für Wasserversorgungsanlage für die Errichtung eines Wintergartens

Aktenzeichen  Au 6 K 18.375

Datum:
29.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25579
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WVG § 28 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4, § 31 Abs. 1
BayKAG Art. 5

 

Leitsatz

1 Die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag für die Errichtung eines Wintergartens an einem Wohngebäude setzt voraus, dass sich durch den Anbau die Geschossfläche des Gebäudes vergrößert. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Wintergarten hat eine andere beitragsrechtliche Aufenthaltsqualität als eine Terrasse. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Erweiterung der beitragspflichtigen Wohnfläche liegt auch vor, wenn der Wintergarten selbst über keinen Wasseranschluss verfügt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässig erhobene Klage ist nicht begründet, da der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 1. März 2018 über den Herstellungsbeitrag nicht rechtswidrig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Klage ist nach § 42 VwGO als Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. März 2018 zulässig.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 1. März 2018 über den Herstellungsbeitrag nicht rechtswidrig ist, weil er den Anbau des Wintergartens zutreffend als Erweiterung der Geschossfläche eingestuft hat.
1. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig; Verstöße gegen Regelungen über Zuständigkeit, Form und Verfahren sind weder geltend gemacht noch erkennbar.
2. Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig; die hiergegen erhobenen Rügen der Kläger greifen nicht durch.
a) Der Beklagte ist nach § 31 Abs. 1 WVG i.V.m. § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WBVS zur Erhebung von Beiträgen wie dem hier streitgegenständlichen Herstellungsbeitrag befugt.
Die Kläger sind mit ihrem Grundstück unstreitig Mitglieder des Beklagten nach § 22 WVG i.V.m. § 2 Abs. 1 WBVS und daher grundsätzlich zur Beitragsleistung nach § 42 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 WBVS verpflichtet.
b) Der Beklagte hat den Beitrag nach § 31 Abs. 1 WVG i.V.m. § 47 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Abs. 4 WBVS zutreffend festgesetzt, denn der Wintergarten der Kläger stellt als Geschossflächenerweiterung eine nachträgliche Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nach § 45 Abs. 1 und § 47 Abs. 4 WBVS dar.
Als Beitragsmaßstab ist nach § 47 Abs. 1 und Abs. 2 WBVS die Geschossfläche des vorhandenen Gebäudes der Kläger auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … anzusetzen. Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Anbau des „Kaltwintergartens“ die Geschossfläche ihres Gebäudes vergrößert.
aa) Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 WBVS ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude an allen Geschossen zu ermitteln. Dies trifft auf den Wintergarten zu, welcher durch eine allseitige Umhüllung der Terrasse die Außenmaße des Gebäudes und damit dessen Geschossfläche erweitert. Die Erweiterung der Außenmaße ergibt sich bereits durch die allseitige Raumbildung, weil der Wintergarten mit seiner Rückseite an das Wohnhaus der Kläger unmittelbar anschließt, seinen festen Boden auf dem Terrassenbelag findet und allseitig sowie nach oben gegen Witterung abgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2001 – 23 ZB 01.212 – juris Rn. 4). Es handelt sich um einen umschlossenen Raum im Anschluss an das Gebäude, mithin eine Erweiterung seiner Geschossfläche.
bb) Die Ausnahme des § 47 Abs. 2 Satz 5 WBVS, wonach Gebäude oder selbständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung haben, oder die nicht angeschlossen werden dürfen, nicht zum Geschoßflächenbeitrag herangezogen werden, greift vorliegend nicht ein. Der Wintergarten ist – anders als z.B. ein freistehender Gartenpavillon aus vergleichbar umschließender Glaskonstruktion – kein eigenes Gebäude oder selbständiger Gebäudeteil, denn er schließt unmittelbar an das Wohnhaus an.
cc) Die Ausnahme des § 47 Abs. 2 Satz 6 WBVS, wonach Balkone, Loggien und Terrassen außer Ansatz bleiben, wenn und soweit sie über die Gebäudefluchtlinie hinausragen, greift vorliegend ebenfalls nicht ein. Der Wintergarten hat nach seiner Gesamtgestaltung den vormals als bloße Terrasse und daher beitragsfrei einzustufenden Freisitz, welcher vor der Gebäudefluchtlinie lag, in einen Teil des Gebäudes umgewandelt und daher die Gebäudefluchtlinie an seine vordere Außenseite hin verschoben. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Wintergarten stellt als umschlossener Raum einen Teil des Erdgeschosses des Wohnhauses der Kläger dar. Als „Geschoss“ im beitragsrechtlichen Sinn wird hierbei die Ebene bezeichnet, in der sich die Räume eines Gebäudes befinden, wobei geringe Unterschiede von wenigen Ausgleichsstufen oder entsprechenden Rampen unerheblich sind (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.1999 – 23 ZB 99.96 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 4.1.2000 – 23 ZB 99.2938 – juris Rn. 7 m.w.N.). Dies ist beim hier streitgegenständlichen Wintergarten der Fall, der nahezu ebenerdig an den großflächig verglasten und zu öffnenden Zugang zum Gebäude an seiner Rückseite anschließt. Damit ist die Gebäudefluchtlinie durch den Wintergarten nach außen verschoben, ohne dass es darauf ankommt, ob diese Verschiebung bauplanungs- oder bauordnungsrechtlich genehmigungsbedürftig und genehmigt ist (für eine Genehmigungsbedürftigkeit Thimet in Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Loseblatt, Stand: September 2017, Teil IVa, Frage 26 Nr. 5). Anderenfalls würden genehmigungsfreie oder genehmigungsbedürftig ungenehmigte Erweiterungen der Geschossfläche beitragsfrei gestellt, ordnungsgemäß genehmigte Erweiterungen hingegen beitragspflichtig behandelt, was wegen des gleichwertigen Vorteils sonst dem Prinzip der Rechtsanwendungsgleichheit im Beitragsrecht zuwiderliefe. Die Kläger haben nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung nachträglich eine Genehmigung beantragt und erhalten.
dd) Die Ausnahme des § 47 Abs. 2 Satz 6 WBVS u.a. für Terrassen greift nicht ein, weil ein Wintergarten eine andere beitragsrechtliche Aufenthaltsqualität als eine Terrasse hat.
Hierzu hat das Verwaltungsgericht Regensburg ausgeführt (VG Regensburg, U.v. 22.11.2000 – RN 3 K 99.2316 – juris Rn. 46): „Bei Wintergärten handelt es sich um Räume, die nach der Art eines Gewächshauses zur Aufstellung von Zimmerpflanzen bestimmt sind, in der Regel mit der Wohnung verbunden, nach außen durch große Fenster oder eine Verglasung abgeschlossen sind und zu den Aufenthaltsräumen im Sinne des Bauordnungsrechts zählen. Die Sonderregelung für Balkone, Loggien und Terrassen sind hier nicht anwendbar […] Der Satzungsgeber hat bei der Gestaltung seiner Satzung einen gewissen Gestaltungsspielraum. Er ist nicht verpflichtet, Wintergärten gleich zu behandeln wie Balkone, Loggien und Terrassen. Denn Wintergärten sind typischerweise überdacht und sind nach außen durch große Fenster oder eine Verglasung abgeschlossen. Sie können Sommer wie Winter wie Wohnräume benutzt werden. Sie haben deshalb die gleichen Vorteile von der Entwässerungs- bzw. Wasserversorgungseinrichtung wie Wohnräume. Dies rechtfertigt eine im Vergleich zu Balkonen, Loggien und Terrassen differenzierte Regelung in der Satzung.“ So ist es hier.
Soweit die Kläger einwenden, die Verglasung ihres Wintergartens sei nicht isoliert, zwischen den verschiebbaren Glaselementen klafften fingerdicke Spalte und im Sommer sei es zum Aufenthalt zu heiß, im Winter zu kalt, sie hätten daher nur Gartenmöbel und künstliche Pflanzen aufgestellt, ist dies unerheblich. Für die Beitragspflichtigkeit kommt es auf den objektiven Vorteil der möglichen Benutzung an, nicht auf die subjektive tatsächliche Benutzung, so dass es beitragsrechtlich unerheblich ist, wie ein Wintergarten im Einzelnen genutzt wird, in welcher Weise er möbliert ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2001 – 23 ZB 01.212 – juris Rn. 4) und ob er beheizt werden kann (vgl. Thimet in Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Loseblatt, Stand: September 2017, Teil IVa, Frage 26 Nr. 5). Maßgeblich ist die Benutzbarkeit als solche. Es mag sein, dass die Aufenthaltsqualität des streitgegenständlichen Wintergartens bei starker Sonneneinstrahlung im Sommer oder bei tiefem Frost im Winter nicht zum Aufenthalt einlädt. Doch gerade die Konstruktion mit verschiebbaren Glaselementen zeigt, dass die Kläger die Benutzbarkeit des Wintergartens durch teilweises oder völliges Öffnen der Verglasung jahreszeitlich wesentlich über die Benutzbarkeit der vormalig vorhandenen Terrasse hinaus erweitern und temperaturmäßig auch regulieren können. Der Vorteil des Wintergartens als jahreszeitlich deutliche Erweiterung der Aufenthaltsmöglichkeit im Übergangsbereich zum Freien liegt daher auf der Hand.
Entgegen der Auffassung der Kläger liegt ein Vorteil des Wintergartens als Erweiterung der beitragspflichtigen Wohnfläche auch vor, selbst wenn dieser selbst über keinen Wasseranschluss verfügt. Unstreitig sind die bisherigen Räume im Wohnhaus der Kläger als beitragspflichtige Geschossfläche anzusehen unabhängig davon, ob alle Räume einen konkreten Anschlussbedarf haben, der z.B. für Wohn- und Schlafzimmer eher zu verneinen, für Bad und Küche aber zu bejahen wäre. Insoweit kommt es vielmehr auf eine typisierende Gesamtbetrachtung an: Für die Beurteilung des Wasserversorgungsbedarfs entsprechend der baurechtlich maßgeblichen Nutzung einer baulichen Anlage kann es nicht auf eine konkret im Einzelfall gewählte Funktionsaufteilung ankommen, sondern nur auf den objektiven Versorgungsbedarf, der bestimmend ist für den möglichen Vorteil, den eine vorhandene Bebauung aus einer Wasserversorgung ziehen kann (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2000 – 23 ZB 99.2938 – juris Rn. 9 m.w.N.). Da das Wohnhaus der Kläger, an welches sich der Wintergarten anschließt, bauplanungsrechtlich Räume enthält, die zum Aufenthalt von Menschen bestimmt und geeignet sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2000 -23 ZB 99.2938 – juris Rn. 8 m.w.N.), ist die Beitragspflichtigkeit der Geschossfläche des Wohnhauses unstrittig. Da der Anbau des Wintergartens eine Erweiterung der Geschossfläche des Wohnhauses bedeutet (vgl. oben), bezieht er diesen ebenfalls abstrakt in die beitragspflichtige Geschossfläche ein ungeachtet dessen, dass er selbst konkret keinen Wasseranschluss hat (wie hier zur Entwässerung BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 20 ZB 11.1146 – juris Rn. 4).
3. Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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