Baurecht

Herstellungsbeitrag für Wasserversorgungseinrichtung

Aktenzeichen  20 BV 15.817

Datum:
19.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 749, § 918 Abs. 2 S. 2, § 1010
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BayKAG BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Möglichkeit des Anschlusses eines Hinterliegergrundstücks an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung über ein im Miteigentum u.a. des Eigentümers des Hinterliegergrundstücks stehendes Grundstück ist rechtlich nicht dauerhaft gesichert, wenn der dauerhafte Ausschluss des Rechts, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, nicht im Grundbuch eingetragen ist.

Verfahrensgang

RO 8 K 14.122 2015-02-23 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23. Februar 2015 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Sie führt zur Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und zur Abweisung der Klage insgesamt. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Beitragspflicht für das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. 174 der Gemarkung … ist im vorliegenden Fall nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Satz 1 BGS-WAS, § 4 WAS mit der Möglichkeit des Anschlusses an die Wasserversorgungseinrichtung entstanden (hierzu 1.), sondern erst nach § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Satz 2 Alt. 1 BGS-WAS mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung (hierzu 2.). Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses war daher noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten (hierzu 3.).
Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung des Beklagten vom 10. Oktober 2001 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 9. Dezember 2008 (BGS-WAS). Rechtliche Bedenken gegen das Zustandekommen und den Inhalt der Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
1. Nach § 1 BGS-WAS erhebt der Beklagte zur Deckung seines Aufwands für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung einen Beitrag. Dieser Beitrag wird nach § 2 Satz 1 BGS-WAS u.a. für bebaute oder bebaubare Grundstücke erhoben, wenn für sie nach § 4 WAS ein Recht zum Anschluss an die Wasserversorgungseinrichtung besteht. Nach § 4 Abs. 2 WAS besteht dieses Recht zum Anschluss an die Wasserversorgungseinrichtung für Grundstücke, die durch eine Versorgungsleitung erschlossen sind.
Bei dem im … verlegten Versorgungsstrang handelt es sich um einen Teil der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seinem Urteil (dort S. 11) verwiesen. Im Berufungsverfahren war dies zwischen den Beteiligten nicht streitig und auch der Senat hat daran keinen Zweifel.
Erschlossen ist ein Grundstück, wenn die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung gegeben ist. Das ist anzunehmen, wenn der in der öffentlichen Straße verlegte Versorgungsstrang bis zur Höhe der Grundstücksgrenze an dieses heranreicht (BayVGH, B.v. 19.12.2005 – 23 CS 05.3210 – BeckRS 2005, 39663). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall, da das Grundstück ein sogenanntes Hinterliegergrundstück ist, das nicht an die öffentliche Straße heranreicht.
Außerdem ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein Grundstück erschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, nach Durchquerung eines Zwischengrundstücks einen Anschluss herzustellen und dieser rechtlich und auf Dauer gesichert ist (BayVGH, B.v. 27.6.2000 – 23 ZB 00.1626 – juris Rn. 13 u.V.a. BayVGH, U.v. 15.11.1990 – 23 B 88.03688 – NVwZ-RR 1991, 584). Diese Anschlussmöglichkeit eines Hinterliegergrundstücks ist jedenfalls dann als auf Dauer gesichert zu betrachten, wenn das Leitungsführungsrecht durch die Einräumung einer grundbuchrechtlich abgesicherten Dienstbarkeit zu Gunsten des herrschenden Hinterliegergrundstücks gewährleistet ist (BayVGH, U.v. 30.5.2001 – 23 B 01.470 – juris). Haben das Vorder- und das Hinterliegergrundstück den gleichen Eigentümer, so differenziert der Senat zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken (vgl. Kraheberger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, 52. Ergänzungslieferung März 2015, Teil III § 8, Rn. 752). Bei unbebauten Grundstücken liegt eine Erschließung des Grundstücks nur vor, wenn eine dingliche Sicherung im Grundbuch eingetragen ist, bei bebauten Grundstücken reicht zur Sicherung der Erschließung auch das Notwegerecht nach § 918 Abs. 2 BGB (BayVGH, U.v. 15.11.1990 – 23 B 88.03688 – NVwZ-RR 1991, 584, 585). Ein potentielles Notwegerecht nach § 917 BGB reicht zur Sicherung der Erschließung nicht aus, wenn das Hinterliegergrundstück im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht tatsächlich bebaut ist (BayVGH, B.v. 27.6.2000 – 23 ZB 00.1626 – juris Rn. 13 a.E.).
a) Nach diesen Grundsätzen bestand keine rechtlich gesicherte Anschlussmöglichkeit des streitgegenständlichen Grundstücks an die Wasserversorgung der Beklagten über das Grundstück FlNr. 174/2, an dem der Kläger Miteigentümer ist. Ein dinglich gesichertes Leitungsführungsrecht ist insoweit im Grundbuch nicht eingetragen. Einer der Fälle, in denen auch ein Notleitungsrecht nach § 918 Abs. 2 BGB für ausreichend erachtet wird, liegt bereits aus dem Grunde nicht vor, als hier keine vollständige Eigentümeridentität besteht, da das Grundstück FlNr. 174/2 im Miteigentum mehrerer Personen steht.
Entgegen der vom Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (und in Anlehnung daran vom Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil) vertretenen Auffassung kann die Erschließung hier auch nicht wegen einer zwischen den Miteigentümern getroffenen Vereinbarung, das Grundstück als Wegegrundstück zu nutzen, als gesichert in diesem Sinne angesehen werden. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:
Steht ein Grundstück im Miteigentum mehrerer Personen, so liegt ein Fall des Miteigentums nach Bruchteilen vor, das einen Unterfall einer Bruchteilsgemeinschaft im Sinne von § 741 ff. BGB darstellt (Palandt-Bassenge, 75. Aufl. 2016, § 1008 Rn. 1). Nach § 749 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich jeder Teilhaber jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen. Wie sich aus § 749 Abs. 2 BGB ergibt, kann dieses Recht, die Aufhebung zu verlangen zwar durch Vereinbarung für immer oder auf Zeit ausgeschlossen werden. Ein solcher Ausschluss des Rechts auf Aufhebung kann sich auch aus der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Gegenstands ergeben (vgl. Palandt-Bassenge a.a.O. Rn. 5 m.w.N.). Für das Miteigentum an einem Grundstück trifft § 1010 BGB jedoch eine Sonderregelung: Danach wirkt ein etwaiger Ausschluss des Rechts, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, gegen den Sondernachfolger eines Miteigentümers nur dann, wenn sie als Belastung des Anteils im Grundbuch eingetragen ist. Eine derartige Eintragung im Grundbuch ist hier aber ausweislich des in den Akten des Verwaltungsgerichts befindlichen Grundbuchauszugs (Bl. 36 ff.) nicht erfolgt. Auch wenn die Miteigentümer des Grundstücks FlNr. 174/2 sich darauf geeinigt hätten, dass das Recht auf Aufhebung ihrer Gemeinschaft dauerhaft ausgeschlossen wäre, so wäre dies nach § 1010 Abs. 1 BGB gegenüber einem Sondernachfolger nicht wirksam. Bei der Veräußerung des Miteigentumsanteils eines Miteigentümers könnte also der Erwerber von den anderen Miteigentümern die Aufhebung der Gemeinschaft verlangen.
Insoweit unterscheidet sich auch der vorliegende Sachverhalt von dem der Entscheidung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 7. August 1991 (23 CS 91.591 – juris, Rn. 1), die der Senat zur Begründung seiner Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblich herangezogen hat. Denn dort hatten die Miteigentümer bereits im notariellen Kaufvertrag das Recht, die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen, für immer ausgeschlossen, und dies war im Grundbuch durch Eintragung einer Dienstbarkeit gesichert. Eben an dieser Absicherung im Grundbuch fehlt es hier, so dass auch nicht weiter aufzuklären war, ob die Miteigentümer im vorliegenden Fall eventuell in einem notariellen Vertrag oder mündlich eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben.
b) Auch über das im Alleineigentum des Klägers stehende Vorderliegergrundstück FlNr. 174/1 ist eine Erschließung des streitgegenständlichen Grundstücks nicht gesichert. Ein Fall der wirtschaftlichen Einheit beider Grundstücke liegt mangels des hierfür notwendigen verknüpfenden Kriteriums nicht vor. Ein solches würde etwa bei einer grenzüberschreitenden zugelassenen einheitlichen gewerblichen Nutzung, bei einer grenzüberschreitenden nicht unbedeutenden Bebauung, einem wirtschaftlichen Zusammenhang oder einer nur im Zusammenhang beider Grundstücke möglichen Nutzung (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2008 – 20 CS 08.861 – juris, Rn. 15; Thimet in: Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, 43. Aufl. April 2009, Teil III Frage 2, S. 4f m.w.N.) vorliegen. Ebenso wenig existiert hier eine dingliche Sicherung eines Leitungsführungsrechts über die FlNr. 174/1. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht auf ein Notleitungsrecht nach § 918 Abs. 2 Satz 1, 2 BGB berufen. Auch wenn er das Grundstück FlNr. 174/1 veräußern würde, würde ein Notleitungsrecht nach § 918 Abs. 2 BGB nämlich aus dem Grunde nicht entstehen, da eine Leitungsführung über das Grundstück FlNr. 174/2, an dem er einen Miteigentumsanteil hat, noch möglich wäre. Denn auch bei § 918 Abs. 2 Satz 2 BGB ist Tatbestandsvoraussetzung für die Entstehung des (räumlich nach § 918 Abs. 2 Satz 2 BGB begrenzten) Notwegerechts, dass eine notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt (Lorenz in Erman BGB, Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 918 Rn. 1, 4, § 917 Rn. 2). Nach § 743 Abs. 2 BGB ist aber jeder Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstandes insoweit befugt, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird. Im vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verlegung einer Hausanschlussleitung für das Grundstück FlNr. 174 eine wesentliche Beeinträchtigung des Mitgebrauchs der übrigen Miteigentümer des Flurstücks 174/2 darstellen würde, zumal diese nach dem bisherigen Vortrag des Klägers sich ja intern darauf geeinigt haben, dieses Flurstück als Wegefläche und als Fläche für notwendige Leitungen zu verwenden (vgl. auch BayVGH, U.v. 29.8.1985 – 23 B 84 A.321, S. 9). Ein Notleitungsrecht nach § 918 Abs. 2 Satz 2 BGB würde nur bei einem bebauten oder gewerblich genutzten Hinterliegergrundstück, das seine wegemäßige Erschließung ausschließlich über das Vorderliegergrundstück erfährt, entstehen (BayVGH, B.v. 6.2.2008 – 20 ZB 07.3082 – juris Rn. 7). Dies ist hier aber nicht der Fall.
2. Dementsprechend konnte der Beitragstatbestand hier nur nach § 3 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Satz 2, 1. Alt. BGS-WAS mit dem tatsächlichen Anschluss des streitgegenständlichen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten entstehen.
Wann dieser tatsächliche Anschluss erfolgt ist, geht aus den vorliegenden Behördenakten nicht klar hervor. Der Kläger gab auf die diesbezügliche Frage des Senats in der mündlichen Verhandlung an, dass seiner Erinnerung nach der Anschluss im Jahr 2007 nach Abschluss der Baumaßnahmen am Wohngrundstück FlNr. 174/1 erfolgt sei. Letztendlich kann dieser Aspekt aber auch dahingestellt bleiben, da nach der Rechtsprechung des Senats (U.v. 15.7.2008 – 20 B 08.1990 – juris Rn. 30/31) ein tatsächlicher Anschluss im Sinne der BGS-WAS nur angenommen werden kann, wenn er unter Berücksichtigung des einschlägigen Satzungsrechts erfolgt ist. Dass im Jahr 2007 ein den Anforderungen nach §§ 9, 10 und 11 WAS entsprechender Grundstücksanschluss für das streitgegenständliche Grundstück noch nicht erstellt wurde, liegt auf der Hand. Ein satzungsgerechter Anschluss ist daher erst in dem Zeitpunkt anzunehmen, indem der Beklagte von dem vorhandenen Anschluss erfahren und er diesen gebilligt hat (BayVGH, a.a.O., Rn. 31). Von dem tatsächlichen Anschluss erfahren hat der Beklagte anlässlich des in den Akten dokumentierten Gesprächs mit dem Kläger am 5. November 2010. Eine Billigung des Anschlusses lässt sich daraus jedoch noch nicht ableiten. Für den Abschluss einer Sondervereinbarung i.S.v. § 8 WAS im Anschluss an diese Mitteilung gibt es entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 21. Mai 2014 keine Hinweise. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte für eine Billigung des tatsächlichen Anschlusses kann hierfür allein auf den Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Beitragsbescheides, mithin auf den 10. Dezember 2013 abgestellt werden.
3. Damit ist die Beitragsschuld nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BGS-WAS erst am 10. Dezember 2013 entstanden. Eine Festsetzungsverjährung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4b), bb), cc) KAG in Verbindung mit §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO ist daher nicht eingetreten.
Nachdem der Bescheid vom 10. Dezember 2013 auch hinsichtlich der Höhe des festgesetzten Herstellungsbeitrag nicht zu beanstanden ist (vgl. die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im B.v. 21.5.2014, S. 13), ist die Berufung in vollem Umfang begründet. Das verwaltungsgerichtliche Urteil ist zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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