Baurecht

III ZR 142/19

Aktenzeichen  III ZR 142/19

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:291020BIIIZR142.19.0
Normen:
§ 812 BGB
§ 818 BGB
Spruchkörper:
3. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 11. September 2019, Az: 12 U 45/19vorgehend LG Magdeburg, 21. Februar 2019, Az: 11 O 1250/18

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11. September 2019 zugelassen.
Das vorgenannte Urteil wird gemäß § 544 Abs. 9 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 68.933,77 €

Gründe

I.
1
Die Klägerin begehrt Ersatz ihrer Aufwendungen für Planungsarbeiten und Erschließungsmaßnahmen bezüglich eines Grundstücks der Beklagten.
2
Die Beklagten hatten der Klägerin durch notarielle Urkunde vom 15. Juli 2015 den Kauf dieses Grundstücks (6.150 m² einschließlich 1.642 m² für Verkehrsflächen) zu einem Preis von 200.000 € angeboten; die Annahmefrist endete am 31. März 2016. Die Klägerin sollte gegen Zahlung eines Kaufpreisteilbetrags von 50.000 € berechtigt sein, auf eigene Kosten bereits vor der Annahme des Angebots mit der Erschließung des Grundstücks zu beginnen. In dem Angebot war weiter vorgesehen, dass die Klägerin berechtigt sein sollte, “mehrere Personen als Käufer zu benennen sowie einzelne Teilflächen … an noch zu benennende Dritte zu veräußern”. Diese Dritten sollten mit notarieller Annahme des Angebots einen unmittelbaren Anspruch gegen die Beklagten “aus dieser Vereinbarung” erhalten. Auf dieser Grundlage benannte die Klägerin einen Herrn K.    als “Optionsberechtigten/Käufer”, der die “Optionsberechtigung” bzgl. eines 758 m² großen Grundstücks durch notarielle Erklärung vom 18. August 2015 annahm. Er verpflichtete sich, an die Beklagten 33.632,46 € zu zahlen, und beauftragte zugleich die Klägerin mit der Erschließung des Grundstücks zu einem Preis von 16.637,54 €. Weitere Dritte benannte die Klägerin (zunächst) nicht.
3
Die Klägerin nahm das Kaufangebot der Beklagten nicht an und leistete auch keine Zahlung an die Beklagten. Am 1. Mai 2016 begann sie mit der Erschließung des Grundstücks (sowie zweier angrenzender Grundstücke). Die Beklagten veräußerten den ihnen nach dem Verkauf der Teilfläche an Herrn K.   verbliebenen Grundstücksteil für 220.000 € an einen Investor.
4
Mit der Klage hat die Klägerin aus § 683 Satz 1, § 670 BGB Ersatz ihrer Aufwendungen für die Planung und Erschließung des klägerischen Grundstücks verlangt, die sie auf 68.933,77 € beziffert. Die Erschließung sei objektiv im Interesse der Beklagten gewesen und habe auch deren tatsächlichen Willen entsprochen. Das Grundstück habe in unerschlossenem Zustand einen Wert von 18 €/m² gehabt und sei nun 150 €/m² wert.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Es hat im Wesentlichen ausgeführt:
6
Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag stehe der Klägerin nicht zu, da sie einen Fremdgeschäftsführungswillen nicht dargelegt habe. Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB auf Erstattung des – die geltend gemachten Aufwendungen übersteigenden – Wertzuwachses des Grundstücks. Ein solcher Anspruch stehe demjenigen zu, der auf einem fremden Grundstück in der Erwartung späteren Eigentumserwerbs Aufwendungen getätigt habe, wenn es zu dem Erwerb des Eigentums nicht komme. Die Parteien hätten die Vorstellung geteilt, dass die Klägerin die Planungs- und Erschließungsarbeiten in der Erwartung durchführe, sie bzw. von ihr geworbene Bauherren würden das Grundstück erwerben. Die Bereicherung sei nicht aufgedrängt. Vielmehr hätten die Beklagten den Wertzuwachs gewinnbringend realisiert; sie hätten insgesamt 253.632,46 € aus dem Verkauf des Grundstücks erlöst. Daraus folge eine Bereicherung jedenfalls in Höhe der geltend gemachten Summe von 68.933,77 €, die allein auf die Restfläche entfalle, die nicht von Herrn K.     erworben worden sei. Die Klägerin habe unwidersprochen einen Preis von 12,75 €/m² für Bauerwartungsland vorgetragen, so dass die Restfläche von 5.392 m² ursprünglich einen Wert von 68.748 € gehabt habe. Angesichts des Veräußerungserlöses von 220.000 € übersteige der Wertzuwachs den geltend gemachten Betrag. Der Anspruch sei nicht nach § 815 BGB ausgeschlossen, weil der bezweckte Erfolg weder von Anfang an unmöglich gewesen sei noch die Klägerin den Eintritt des Erfolgs wider Treu und Glauben verhindert habe.
II.
7
Die Nichtzulassungsbeschwerde führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
8
1.a) Artikel 103 Abs. 1 GG vermittelt allen an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten einen Anspruch darauf, sich zu dem in Rede stehenden Sachverhalt sowie zur Rechtslage zu äußern sowie Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Äußerungsrecht ist zudem eng verknüpft mit dem Recht auf Information. Die genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass die Verfahrensbeteiligten zu erkennen vermögen, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Den Gerichten obliegt in diesem Zusammenhang die Pflicht, von sich aus den Beteiligten alles für das Verfahren Wesentliche mitzuteilen. Artikel 103 Abs. 1 GG normiert andererseits aber auch keine umfassende Frage-, Aufklärungs- und Informationspflicht des Gerichts. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen bleiben muss und nicht schon jeder Verstoß gegen die einfachgesetzlichen Hinweispflichten eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG darstellt. Verfassungsfest ist an den Hinweispflichten der Verfahrensordnungen vielmehr nur ein engerer Kern. Nur sofern gegen ihn verstoßen wird, liegt eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG vor. Ein solcher Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt bei einer verbotenen Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht einen Sachverhalt oder ein Vorbringen in einer Weise würdigt, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem vorherigen Verfahrensverlauf nicht rechnen konnte (vgl. BVerfG, NJW 2017, 3218 Rn. 47 ff mwN).
9
b) Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör vor. Zwar mussten sie damit rechnen, dass das Berufungsgericht auch einen Bereicherungsanspruch der Klägerin prüfen würde, nachdem auch das Landgericht auf einen solchen Anspruch eingegangen war. Sie mussten aber nicht davon ausgehen, dass das Berufungsgericht einen solchen Anspruch auch der Höhe nach als schlüssig dargelegt ansehen und Berechnungen zum Wertzuwachs auf der Grundlage der von der Klägerin vorgetragenen Wertangaben anstellen würde. Das Berufungsgericht hätte daher hierauf gemäß § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO hinweisen und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.
10
2. Auf dieser Gehörsverletzung beruht das angefochtene Urteil.
11
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Bereicherungsanspruch gegen die Beklagten zusteht. Dies lässt sich zwar nicht auf die vom Berufungsgericht herangezogenen Entscheidungen stützen, denn diesen lag zugrunde, dass ein berechtigter Besitzer auf fremdem Grund Bauarbeiten in der Erwartung künftigen Eigentumserwerbs vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteile vom 22. März 2013 – V ZR 28/12, BGHZ 197, 110 und vom 19. Juli 2013 – V ZR 93/12, NJW 2013, 3364). So lag es hier nicht. Die Klägerin war weder berechtigte Besitzerin noch hatte sie die Erwartung, Eigentümerin des Grundstücks zu werden; zudem begehrt sie Ausgleich nicht lediglich für Bauarbeiten. Es ist aber anerkannt, dass derjenige, der ohne Rechtsgrund Verwendungen auf eine fremde Sache macht, hierfür Wertersatz verlangen kann, wenn mit dem Eigentümer die gemeinsame Erwartung bestand, dass dieser Wertzuwachs dem Verwendenden zugutekommen sollte, diese Erwartung aufgrund später eintretender Umstände aber nicht mehr erfüllt werden kann (vgl. MüKoBGB/Schwab, 8. Auflage, § 812 Rn. 355 ff; Erman/Buck-Heeb, BGB, 16. Aufl., § 812 Rn. 54).
12
Diese Voraussetzungen sind nach den rechtsfehlerfrei vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen erfüllt. Es hat ausgeführt, dass es die gemeinsame Vorstellung gewesen sei, dass die Grundstücke durch von der Klägerin geworbene Bauherren erworben würden. Da diese – wie bereits zuvor im Einvernehmen mit den Beklagten der Erwerber K.    – die Klägerin entgeltlich mit den Erschließungsarbeiten beauftragen konnten, sollten die Aufwendungen im wirtschaftlichen Ergebnis der Klägerin zugutekommen.
13
b) Ohne Erfolg machen die Beklagten auch geltend, der Bereicherungsanspruch sei nach § 815 BGB ausgeschlossen. Da die Aufwendungen zu einem Zeitpunkt erfolgt sind, zu dem das Kaufangebot der Beklagten erloschen war und daher nicht mehr von der Klägerin angenommen werden konnte, kommt es nicht darauf an, warum die Annahme des Angebots gescheitert ist. Zudem liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, dass die Parteien die Erwartung geteilt hätten, die Grundstücke würden durch von der Klägerin geworbene Bauherren erworben, keine aufgedrängte Bereicherung vor.
14
c) Soweit das Berufungsgericht indes angenommen hat, es liege ein die geltend gemachten Aufwendungen übersteigender Wertzuwachs des Grundstücks vor, kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Berücksichtigung des ergänzenden Vortrags der Beklagten zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Die Beklagten konnten zulässigerweise die von der – insoweit beweisbelasteten (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1959 – VIII ZR 91/58, WM 1959, 538, 541) – Klägerin behaupteten Grundstückswerte bestreiten. Zudem hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres auf den Wert von Bauerwartungsland abstellen dürfen, sondern prüfen müssen, ob eine anderweitige Nutzung des Grundstücks (inzwischen) absehbar war (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 1 ImmoWertV) oder gar bereits Rohbauland im Sinne von § 5 Abs. 3 ImmoWertV vorlag. Schließlich hätte sich das Berufungsgericht damit auseinandersetzen müssen, dass die Klägerin in den Verhandlungen mit der Beklagten von einem Wert der bebaubaren Flächen des nicht erschlossenen Grundstücks (4.508 m²) von 44,37 €/m² ausgegangen war.
Tombrink     
        
Remmert     
        
Arend 
        
Böttcher     
        
Kessen     
        


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