Baurecht

Innenbereich, Drittschutz, Rücksichtnahmegebot, Maß der baulichen Nutzung, Überbaubare Grundstücksfläche

Aktenzeichen  9 ZB 19.2168

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 918
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 und 2
BauNVO. § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 4 K 17.1240 2019-07-09 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich als Eigentümerin eines benachbarten Grundstücks gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses.
Das Verwaltungsgericht hat ihre entsprechende Klage abgewiesen. Das nach § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben verletze keine Rechte der Klägerin. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem allgemeinen Wohngebiet, in dem Wohngebäude allgemein zulässig seien (§ 34 Abs. 1 und 2 BauGB, § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Ob sich das Vorhaben auch nach dem Maß der baulichen Nutzung, nach der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche – insbesondere in Bezug auf eine faktische hintere Baugrenze – einfüge, könne offengelassen werden. Die jeweiligen Regelungen seien nicht drittschützend. Das Gebot der Rücksichtnahme (§ 34 Abs. 2 BauGB, § 15 Abs. 1 BauNVO) sei ebenfalls nicht verletzt, weil die Klägerin nicht unzumutbar beeinträchtigt werde. Schließlich stehe für das Gericht aufgrund des Augenscheins fest, dass das Vorhaben auch aufgrund seiner Dimensionierung keine bodenrechtlichen Spannungen erzeuge, nicht zuletzt aufgrund der heterogenen Situation vor Ort.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichungen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie Verfahrensmängel geltend. Der Drittschutz könne hier aus der Schicksalsgemeinschaft der Anwohner und dem nachbarlichen Austauschverhältnis hergeleitet werden. Die vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Grundsätze zur nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in einem Bebauungsplan seien entsprechend heranziehbar. Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile; der Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
a) Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in diesem Sinn bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 13.5.2020 – 1 BvR 1521/17 – juris Rn. 10; B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36; BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 8 ZB 21.23 – juris Rn. 8). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich Dritte – wie hier die Klägerin als Nachbarin – nur dann im Wege einer Anfechtungsklage mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen können, wenn diese nicht nur rechtswidrig ist, sondern die Rechtswidrigkeit auch auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz der betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (sog. Schutznormtheorie, vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris). Es hat eine Rechtsverletzung nachvollziehbar verneint und vor allem einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot – unter Verweis auf die im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Ortskenntnisse – abgelehnt. Auf Basis des Vortrags im Zulassungsverfahren ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung wegen Verletzung einer dritt- bzw. nachbarschützenden Norm rechtswidrig sein und subjektive Rechte der Klägerin verletzen könnte, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Soweit die Klägerin einwendet, die sich aus der vorhandenen Bebauung der Grundstücke in der näheren Umgebung ergebenden Anforderungen an das Maß der baulichen Nutzung, an die Bauweise und an die überbaubare Grundstücksfläche, insbesondere die faktische rückwärtige Baugrenze, seien ebenso wie entsprechende Festsetzungen in einem Bebauungsplan drittschützend, überzeugt dies nicht.
aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 34 Abs. 1 BauGB keine generell drittschützende Wirkung entfaltet. Es reicht daher nicht aus, dass sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB). Der Nachbarschutz richtet sich vielmehr nach dem im Merkmal des Einfügens enthaltenen (eigentlich objektivrechtlichen) Gebot der Rücksichtnahme, das wiederum nur dann nachbarschützenden Charakter hat, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (OVG LSA, B.v. 15.2.2021 – 2 M 121/20 – juris Rn. 18 m.w.N.; vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 26 ff.). Eine solche Rechtsverletzung hat das Verwaltungsgericht – mangels unzumutbarer Beeinträchtigungen der Klägerin – auch in Bezug auf die Dimensionierung des Vorhabens nachvollziehbar verneint (vgl. dazu BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – juris Rn. 17; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2021, § 15 BauNVO Rn. 18 m.w.N.), was im Zulassungsverfahren nicht in Abrede gestellt wird.
bb) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zur uneingeschränkt nachbarschützenden Wirkung des § 34 Abs. 2 BauGB in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung (grundlegend BVerwG, U.v. 19.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 12) berufen. Dieser liegt die Annahme zugrunde, dass die Festsetzung von Baugebieten durch Bebauungspläne kraft Bundesrechts grundsätzlich nachbarschützend ist. Aus der Gleichstellung von geplanten und faktischen Baugebieten (im Sinne der BauNVO) in § 34 Abs. 2 BauGB schließt das Bundesverwaltungsgericht, dass in diesem Umfang auch im unbeplanten Innenbereich ein identischer Nachbarschutz bestehen müsse (vgl. Rieger in Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 34 Rn. 134; Söfker a.a.O., § 34 BauGB Rn. 50a, jew. m.w.N.). Das geplante Mehrfamilienhaus fügt sich hier jedoch nach der Art der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO in die nähere Umgebung, die einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, ein.
cc) Eine Erweiterung dieser Grundsätze zur uneingeschränkt nachbarschützenden Wirkung des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der BauNVO auf das Maß baulicher Nutzung, die Bauweise oder die überbaubare Grundstücksfläche kommt – entgegen dem Zulassungsvorbringen – nicht in Betracht (VGH BW, B.v. 19.11.1994 – 8 S 2937/94 – juris Rn. 3). In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung durch Bebauungspläne – anders als die Festsetzung von Baugebieten (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – juris Rn. 12) – kraft Bundesrechts grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion haben (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3 f.; Gatz, jM 2019, 30). Ob sie drittschützend sind, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris Rn. 3; B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris LS 1 u. Rn. 14) und ist durch entsprechende Auslegung zu ermitteln (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – juris Rn. 23 mit Anm. Wolnicki, jurisPR-ÖffBauR 11/2020 Anm. 1, jew. m.w.N.). Grund dafür ist, dass die Planbetroffenen durch die Maßfestsetzungen eines Bebauungsplans nicht in gleicher Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden werden, wie das für die Festsetzung der Art der Nutzung vom Bundesverwaltungsgericht angenommen wurde. Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung lassen regelmäßig den Gebietscharakter unberührt und haben nur Auswirkungen auf das Baugrundstück sowie die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke. Daher sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung insofern das drittschützende Rücksichtnahmegebot als zum Schutz der Nachbarschaft ausreichend an und verneint einen darüberhinausgehenden, von einer realen Beeinträchtigung unabhängigen Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3 f.; vgl. auch Gatz, jM 2019, 30). Hinzu kommt, dass die Schaffung eines nachbarlichen Ausgleichsverhältnisses bei Maßfestsetzungen nicht schon in der Ermächtigungsgrundlage angelegt ist (OVG Berlin-Bbg, B.v. 9.7.2020 – OVG 10 S 15/20 – juris Rn. 41; Söfker a.a.O., § 34 BauGB Rn. 50a). Entsprechendes gilt für die Festsetzung von überbaubaren Grundstücksflächen (vgl. BVerwG, B.v., 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5; SächsOVG, B.v. 20.10.2005 – 1 BS 251/05 – juris Rn. 5; Grigoleit/Otto in: Grigoleit/Otto, BauNVO, 7. Aufl. 2018, § 23 Rn. 70 m.w.N.).
Aus der im Zulassungsverfahren zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris; vgl. auch OVG Berlin-Bbg, U.v. 30.6.2017 – OVG 10 B 10.15 – juris) ergibt sich nichts Anderes. Dort wird vielmehr klargestellt, dass die Frage, ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, vom Willen der Gemeinde als Plangeber abhängt. Es kommt maßgeblich darauf an, ob diese nach dem von ihr verfolgten Konzept die Planbetroffenen mit den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis einbinden wollte. Nur dann sind entsprechende Festsetzungen nachbarschützend. Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen geltend macht, diese Grundsätze seien unmittelbar auf den nicht überplanten Innenbereich zu übertragen, überzeugt dies nicht. Der dort geltende baurechtliche Nachbarschutz muss nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht denselben Grundsätzen folgen wie im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – juris LS 1 u. Rn. 3). Wenn aber eine Gemeinde als Plangeber regelmäßig selbst entscheiden darf, ob eine solche bauplanerische Festsetzung jedenfalls auch dem Schutz Dritter dient oder nicht, und wenn sich danach die drittschützende Wirkung richtet (BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5), liegt darin ein wesentlicher Unterschied. Im nicht überplanten Innenbereich fehlt es gerade an der Konzeption eines nachbarlichen Austauschverhältnisses und an einer entsprechenden Zweckbestimmung durch den Planungsträger (vgl. SächsOVG, B.v. 20.10.2005 – 1 BS 251/05 – juris Rn. 5), auf die es laut Bundesverwaltungsgericht entscheidend ankommt (vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 15 f.; Gatz, jM 2019, 30). Entgegen dem Vorbringen im Zulassungsverfahren trifft es dagegen nicht zu, dass insofern nicht mehr auf die Zielsetzung des Plans und damit des Plangebers abgestellt werden müsste (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris Rn. 14 f. und OVG Berlin-Bbg, U.v. 30.6.2017 – OVG 10 B 10.15 – juris Rn. 51) und dass allein aus einem Zusammenspiel von Festsetzungen eine drittschützende Wirkung abgeleitet werden kann. Unter welchen Voraussetzungen sich ein solches Konzept unmittelbar aus einem Bebauungsplan entnehmen lässt, kann hier dahinstehen. Mangels Plans lässt sich im nicht überplanten Innenbereich weder ein planerischer Wille noch ein derartiges Planungskonzept durch Auslegung ermitteln.
Darauf, ob eine faktische hintere Baugrenze besteht (vgl. zur Maßstabsbildung BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – Rn. 12), kommt es nicht an. Das Verwaltungsgericht hat die nachbarschützende Wirkung insofern ausdrücklich abgelehnt, sodass die Klage bereits aus diesem Grund keinen Erfolg hat.
b) Die Berufung ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 4.8.2017 – 6 B 34.17 – juris Rn. 3 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Es fehlt bereits an der Formulierung einer konkreten, noch nicht geklärten Rechts- oder Tatsachenfrage. Soweit im Zulassungsvorbringen auf einen Gleichlauf beim Drittschutz zwischen beplantem und unbeplantem Bereich abgestellt wird, lassen sich die im Hintergrund stehenden Rechtsfragen anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wie oben dargelegt (vgl. a)), ohne Weiteres beantworten.
c) Der gerügte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargetan. Voraussetzung wäre, dass der Rechtsmittelführer einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem von einem anderen in der Vorschrift genannten Gericht aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Dabei müssen die divergierenden Rechtssätze einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden (vgl. BVerwG, B.v. 22.10.2014 – 8 B 2.14 – juris Rn. 21 ff.; B.v. 20.4.2017 – 8 B 56.16 – juris Rn. 5).
Dem wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Die Klägerin benennt keinen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz. Soweit sie sich auf die bereits zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts und die dort aufgezeigten Grundsätze zum Drittschutz beruft (U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris), kann eine Divergenz auch deshalb nicht in Betracht kommen, weil diese eine andere Fallgestaltung betrifft (vgl. oben a)). Entsprechendes gilt für das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (OVG Berlin-Bbg, U.v. 30.6.2017 – OVG 10 B 10.15 – juris), auf das im Zulassungsverfahren ebenfalls Bezug genommen wird. Im Übrigen handelt es sich insoweit nicht um das im Instanzenzug übergeordnete Berufungsgericht, weshalb auch aus diesem Grund eine Divergenz nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht in Betracht kommt (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.1994 – 2 BvR 211/94 – juris; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 162 m.w.N.).
d) Eine Zulassung der Berufung hat nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu erfolgen. Es liegt vor allem kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz und gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) vor. Deren Umfang bestimmt sich allein anhand der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass das Gericht Ermittlungen anstellt, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt, wobei die Entscheidungserheblichkeit selbst dann vom materiell-rechtlichen Standpunkt der Vorinstanz aus zu beurteilen ist, wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 2.16 D – juris Rn. 11 m.w.N.; OVG NRW, B.v. 26.1.2017 – 19 A 2099/15 – NVwZ-RR 2017, 391 = juris Rn. 37).
Nach diesen Maßstäben liegt kein Verfahrensmangel vor, vor allem nicht bei der Ermittlung der faktischen hinteren Baugrenze. Nach dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts kommt es – mangels nachbarschützender Wirkung – auf deren Vorliegen nicht entscheidungserheblich an. Im Urteil wird selbständig tragend darauf abgestellt, dass auch insofern keine Verletzung subjektiver Rechte der Klägerin gegeben ist. Gleiches gilt für mögliche Defizite bei der Prüfung, ob das Vorhaben das Maß der baulichen Nutzung überschreitet. Auch auf diese Fragen kam es bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht entscheidungserheblich an. Dem entsprechend wird auch in der Zulassungsbegründung ausgeführt, dass das Verwaltungsgericht auf die Sachverhaltsfeststellung zutreffend verzichtet habe, wenn ein von der Umgebungsbebauung abweichendes Maß der baulichen Nutzung durch das Vorhaben grundsätzlich keine Nachbarrechte verletze. Dass insofern – entgegen dem klägerischen Vortrag – keine drittschützenden Wirkungen bestehen, wurde bereits dargelegt (vgl. oben a)).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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