Baurecht

Innerörtliche Querungshilfe für einen Radweg, Anspruch auf uneingeschränkte Grundstückszufahrt (verneint), Anspruch auf Beseitigung zum Lärmschutz (verneint)

Aktenzeichen  6 K 20.723

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21483
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 17
BImSchV §§ 1, 2 16.

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlegung der Querungshilfe oder Unterbindung von Lärmbelästigungen durch den Beklagten (§ 113 Abs. 5 VwGO analog).
1. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet, da die seit ihrer Fertigstellung in der Straßenbaulast des Beklagten als Straßenbaulastträger der Kreisstraße * (vgl. Art. 9 i.V.m. Art. 41 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG, § 5 Nr. 1 der Vereinbarung zwischen dem Landkreis, der Stadt * und der Gemeinde *) liegende Querungshilfe den Kläger nicht in geschützten Rechten verletzt.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verlegung der Querungshilfe aus seinem Anliegergebrauch heraus, da dieser nicht verletzt ist.
Nach Art. 17 Abs. 1 BayStrWG steht einem Anlieger kein Anspruch darauf zu, dass eine Straße nicht geändert wird. Er hat lediglich Anspruch auf eine angemessene Erschließung und Erreichbarkeit des Grundstücks, anderenfalls auf Entschädigung, aber nicht auf Umgestaltung der Straße wie die Verlegung einer Querungshilfe.
Zugang und Zufahrt zu einem Anliegergrundstück mit einem Fahrzeug sind nur geschützt, soweit es die angemessene Nutzung des Grundeigentums unter Berücksichtigung der Rechtslage und der tatsächlichen Gegebenheiten erfordert. Der Anliegergebrauch sichert nach ständiger Rechtsprechung die Erreichbarkeit eines (Innerorts-)Grundstücks nicht uneingeschränkt, sondern nur in seinem Kern. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht nur so weit, wie eine angemessene Nutzung des Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf das Vorhandensein der Straße in spezifischer Weise angewiesen ist. Beispielsweise gehört die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück selbst mit potenziellen Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs. Der Schutz, den der Anliegergebrauch vermittelt, erstreckt sich daher in aller Regel nur auf den notwendigen Zugang. Vor Einschränkungen oder Erschwernissen bei den Zufahrtsmöglichkeiten etwa auf Grund der besonderen örtlichen Lage des Grundstücks vermag er deshalb keinen Schutz zu gewähren, solange die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Danach kann mithin aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs kein Anspruch auf eine optimale Zufahrt zu einem Stellplatz- oder Garagengrundstück oder auf die Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zugangs zu einem solchen Grundstück hergeleitet werden (BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – juris Rn. 38 m.w.N.). Selbst die Notwendigkeit eines mehrmaligen Vor- und Zurücksetzens („Rangierens“) auf Grund der Straßenverhältnisse bei der Ein- und Ausfahrt von einem Grundstück kann nicht als ernsthafte Störung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs angesehen werden. Bloße Unbequemlichkeiten sind insofern ohne Belang (VG Bayreuth, U.v. 18.9.2001 – B 1 K 00.1235 – juris Rn. 17 m.w.N.). Ein Anspruch auf eine optimale Zufahrt besteht nicht (BayVGH, B.v. 1.12.2009 – 8 B 09.1980 – juris Rn. 19 m.w.N.). Gewährleistet wird grundsätzlich nur die Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt, nicht dagegen notwendig auch die Erreichbarkeit des eigenen Grundstücks mit Kraftfahrzeugen des Eigentümers oder gar jeder Anliegerverkehr (BVerwG, U.v. 8.9.1993 – 11 C 38.92 – BVerwGE 94, 136 – juris Rn. 12).
So ist es auch hier. Der Kläger hat an zwei Stellen Zugang und Zufahrt zu seinem Anliegergrundstück mit einem Fahrzeug. Konkrete und rechtserhebliche Erschwernisse hat er nicht substantiiert aufgezeigt, im Gegenteil durch Fotos (VG-Akte Bl. 83 f.) sogar selbst die Erreichbarkeit seines Grundstücks mit langen Gespannen belegt. Auf eine etwa erschwerte Heizöllieferung, die vom Beklagten ohnehin bestritten wird, kommt es wegen der Möglichkeit der Zufahrt bis auf das Grundstück und die Alternative der schlauchgebundenen Lieferung nicht an. Dass der Kläger anders als vor Errichtung des Radwegs die für die Dachrinnenreinigung benötigte Hubbühne nicht mehr seitlich parken kann, sondern eine Teilsperrung der Straße mit Sondernutzungserlaubnis benötigt, bedeutet eine Erschwernis für ihn, aber liegt auch an der Situationsgebundenheit seines Grundstücks (bis an das Hauseck heranreichende Hecke, Gefälle zur Straße hin).
b) Da Art. 17 Abs. 1 BayStrWG als lex specialis und Inhalts- und Schrankenbestimmung die Grenzen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG bestimmt, kommen hier andere eigentumsbezogene Anspruchsgrundlagen wie § 1004 BGB nicht in Betracht. Ihre Voraussetzungen wären im Übrigen mangels rechtserheblicher Eigentumsbeeinträchtigung auch nicht erfüllt (vgl. soeben).
2. Die Klage ist auch im Hilfsantrag auf Lärmminderung unbegründet, da die seit Fertigstellung der Querungshilfe nachweisbaren Lärmbeeinträchtigungen am Grundstück des Klägers nicht zugenommen haben und auch nicht unzumutbar sind.
Nach § 1 Abs. 1 16. BImSchV findet die Verkehrslärmschutzverordnung Anwendung auf den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen. Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 16. BImSchV ist eine Änderung wesentlich, wenn eine Straße um einen oder mehrere durchgehende Fahrstreifen für den Kraftfahrzeugverkehr baulich erweitert wird. Daran fehlt es hier, da die Fahrstreifenzahl der Kreisstraße gleichgeblieben ist.
Weiter findet die Verkehrslärmschutzverordnung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 16. BImSchV auf eine wesentliche Änderung Anwendung, wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird. Auch daran fehlt es hier, da vor der Errichtung des Geh- und Radwegs ein Mittelungspegel von tags 58,5 dB(A) und nachts 49,9 dB(A) am Grundstück des Klägers errechnet wurde sowie für die Verkehrssituation nach der Errichtung ein Mittelungspegel von tags 58,0 dB(A) und nachts von 49,3 dB(A), also sogar eine leichte Verringerung der Lärmbelastung und mit Differenzen von -12 dB(A) tags und -10,7 dB(A) nachts auch deutlich unter den normierten Grenzwerten. Diese Prognose ist auch aktuell, da sie mit Verkehrsdaten aus dem Jahr 2015 und damit ohne Rücksicht auf einen im Zeitpunkt der Begutachtung etwa pandemiebedingt vorübergehend zurückgegangenen Verkehr erstellt worden ist.
Der Einwand des Klägers, seine Lärmbelastung habe zugenommen, wie die von ihm geführten Lärmprotokolle belegten, greift nicht durch. Vielmehr ist die immissionsschutzfachliche Stellungnahme des Staatlichen Bauamts im Weg des Urkundsbeweises für das Verwaltungsgericht verwertbar; offen erkennbare inhaltlichen Defizite dieser Stellungnahme wie entscheidungserhebliche unzutreffende Tatsachenannahmen, unlösbare Widersprüche, sich aus den Stellungnahmen ergebende Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Umweltingenieurs, die Erforderlichkeit eines speziellen, bei letzterem nicht vorhandenen Fachwissens (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15/13 – NVwZ 2016, 308/312 Rn. 47 m.w.N.), die eine Verwertbarkeit minderten oder hinderten (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 22 ZB 16.9 – juris Rn. 16), sind nicht substantiiert aufgezeigt. Dass der Kläger die Stellungnahme für unzutreffend hält, ist kein Grund, zusätzliche Gutachten einzuholen (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 22 ZB 16.9 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Für einzelne Lärmereignisse aus Anlass oder auf Grund von Fehlverhaltens einzelner Verkehrsteilnehmer – z.B. unangepasste Geschwindigkeit oder achtloses Betreten der Fahrbahn – ist der Beklagte nicht verantwortlich.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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