Baurecht

Kein Anspruch auf vorläufige Einstellung von Bauarbeiten an einer Straße

Aktenzeichen  RO 2 E 17.872

Datum:
10.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 123 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Bei unterbrochenen Baumaßnahmen wegen der anstehenden Änderung des Bebauungsplans besteht kein Anordnungrund für eine einstweilige Anordnung auf vorläufige Einstellung der Bauarbeiten, wenn nicht dargelegt wird, dass die Baumaßnahmen wieder aufgegriffen worden sind oder ihre Fortführung jedenfalls unmittelbar bevorsteht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Einstellung von Bauarbeiten an einer E. Straße.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19.05.2017 – eingegangen bei Gericht am 23.05.2017 – stellten die Antragsteller Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin. Zur Begründung wurde im Wesentlichen dargelegt, die Antragsgegnerin lasse derzeit eine E. Straße im Geltungsbereich des neuen Bebauungsplans „F* …“ errichten. Die Antragsteller seien im nördlichen Bereich des Plangebiets angrenzende Eigentümer eines bebauten Grundstücks. Es ergebe sich eine gravierende Höhendifferenz zwischen dem tieferliegenden antragstellerischen Grundstück und dem Straßengrundstück. Die Straße werde zu hoch zu Lasten der Antragsteller angelegt, wobei ihr Grundstück durch die Hängigkeit des Geländes von erheblichen Wasserzuflüssen betroffen wäre. In einem derzeit laufenden Wasserrechtsverfahren, das die Entwässerungssituation im Plangebiet klären solle, sei noch keine Erlaubnis oder sonstige wasserrechtliche Zulassungsentscheidung erfolgt. Die Errichtung der Straße erfolge daher nur aufgrund des Bebauungsplans und der allgemeinen straßenrechtlichen Rechtsgrundlage. Da ein wasserrechtlicher Erlaubnisbescheid am Ende des derzeit noch laufenden Wasserrechtsverfahrens in den nachbarrechtsrelevanten Fragen Klarheit bringen könne, sei ein Anhalten der Straßenbauarbeiten unerlässlich. In letzter Zeit sei der Straßenbau angehalten worden, was nach unbestätigter Auskunft gegenüber den Antragstellern aber wohl an einer Abstandsflächenthematik liege.
Mit Schreiben vom 25.05.2017 teilten die Bevollmächtigten der Antragsteller mit, das zuständige Landratsamt R* … werde derzeit noch nicht tätig, da noch keine Baugenehmigungen bzw. -freigaben erteilt worden seien. Vielmehr sei der streitgegenständliche Bebauungsplan hinsichtlich der Abstandsflächen noch abzuändern, was wohl derzeit erfolge. Ein aufsichtliches Tätigwerden scheide derzeit aus, da der derzeitige Bau der E. Straße ausschließlich in die gemeindeeigene Zuständigkeit falle. Mit weiterem Schriftsatz der Antragstellerbevollmächtigten vom 16.06.2017 wurde vorgetragen, es werde am 21.06.2017 ein Gespräch zwischen den Antragstellern und dem von der Antragsgegnerin beauftragten bauausführenden Unternehmen stattfinden. Danach würden weitere antragstellerische Ausführungen erfolgen. Es werde Akteneinsicht beantragt.
Die Antragsteller beantragen,
der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO aufzugeben, es bei Meidung eines Ordnungsgeldes die derzeit im Gange befindlichen Bauarbeiten am sog. „neuen F* …“, der E. Straße im Geltungsbereich des Bebauungsplans „F* …“, vorläufig einzustellen bzw. bis auf Weiteres, jedenfalls bis zum Abschluss eines derzeit laufenden wasserrechtlichen Verfahrens oder der Änderung des o.a. Bebauungsplans zu unterlassen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin legte die Bebauungsplanakten vor und lässt durch ihre Bevollmächtigten vortragen, ein Eilbedürfnis sei weder schlüssig dargetan noch glaubhaft gemacht. Der gerügte Bebauungsplans sei einer eigenen Anfechtung zugänglich. Wäre diese erfolgreich, wären die darauf beruhenden Baumaßnahmen rückgängig zu machen. Es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass der bei Fortsetzung der Bautätigkeit womöglich vorübergehend eintretende Zustand Rechtsnachteile für die Antragsteller bewirken könnte, die im Rahmen einer Folgenabwägung derartig schwer wiegen würden, dass sie das dem Bebauungsplan als Rechtsnorm innewohnende Vollzugsinteresse überwiegen könnten. Andererseits entstünde der Antragsgegnerin erheblicher Schaden, wenn sie ihre Tätigkeit unbestimmte Zeit einstellen müsste. Die Antragsteller hätten offen gelassen, worin ein Nachteil bestehen soll, dass die Straße zu “hoch“ errichtet werde. Angesichts der Beschwerden der Anlieger sei mit dem Erschließungsträger ohnehin eine Reduzierung des Höhenniveaus um 25 cm vereinbart worden. Soweit es die Entwässerung angehe, sei ein Wasserrechtsverfahren anhängig und die Betroffenen könnten dabei Einwendungen erheben. Soweit der Antragsgegnerin bekannt sei, seien innerhalb der abgelaufenen Einwendungsfrist jedoch keine Einwendungen erhoben worden.
Mit Schriftsatz vom 03.07.2017 bat das Gericht die Antragstellerseite um Mitteilung bis 14.07.2017, ob das Verfahren fortgeführt werden soll. Am 04.07.2017 nahm der Bevollmächtigte der Antragsteller Einsicht in die Behördenakten beim Verwaltungsgericht Regensburg. Die Anfrage vom 4.7.2017 blieb unbeantwortet, auch eine weitere Äußerung der Bevollmächtigten der Antragsteller ging nicht mehr ein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist jedenfalls unbegründet, weil ein Anordnungsgrund nicht dargetan ist. Wer eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO beantragt, muss gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn die begehrte Regelung erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Ein Anordnungsgrund besteht somit dann, wenn die Eilbedürftigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes zu bejahen ist, weil eine vorläufige Entscheidung im Hinblick auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich erscheint.
Einen Anordnungsgrund in diesem Sinne haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Bereits im Antragsschriftsatz vom 19.05.2017 ist dargelegt, dass die Baumaßnahmen jedenfalls zunächst unterbrochen worden seien. Es sei eine Änderung des Bebauungsplans veranlasst. Im weiteren Verlauf wurde weder vorgetragen noch dargelegt, dass die Baumaßnahmen nunmehr wieder aufgegriffen worden seien oder ihre Fortführung jedenfalls unmittelbar bevorstünde. Darüber hinaus haben die Bevollmächtigten der Antragsteller mit Schreiben vom 25.05.2017 nochmals dargelegt, dass das Landratsamt R* … derzeit noch nicht tätig werde, da noch keine Baugenehmigungen bzw. -freigaben erteilt worden seien. Vielmehr sei der streitgegenständliche Bebauungsplan hinsichtlich der Abstandsflächen noch abzuändern, was derzeit wohl erfolge. Mit Schreiben vom 16.06.2017 schließlich wurde darauf hingewiesen, dass am 21.06.2017 ein Gespräch zwischen den Antragstellern und der bauausführenden Firma stattfinden sollte. Weitere antragstellerische Ausführungen wurden für die Zeit danach angekündigt. Da diese nicht erfolgten, forderte das Verwaltungsgericht die Bevollmächtigten der Antragsteller mit Schreiben vom 03.07.2017 ausdrücklich auf, bis 14.07.2017 mitzuteilen, ob das Verfahren fortgeführt werden soll. Am 04.07.2017 nahmen die Bevollmächtigten der Antragsteller Akteneinsicht. Weder innerhalb der mit Schreiben vom 03.07.2017 gesetzten Frist noch in der Zeit danach erfolgte eine weitere Reaktion der Antragstellerseite. Auch nach erfolgter Akteneinsicht wurde trotz ganz erheblichen Zuwartens seitens des Gerichts nicht dargelegt, ob das Verfahren nunmehr fortgeführt werden soll, wie der Stand der Bauarbeiten und der verschiedenen Verwaltungsverfahren derzeit ist und ob eine Verständigung oder Einigung bei dem angekündigten Gespräch erzielt werden konnte. Unabhängig davon, dass im Hinblick auf dieses Verhalten der Antragstellerseite das Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag bereits zu bezweifeln ist, liegt auf der Hand, dass in Anbetracht der Einlassungen und Ankündigungen der Bevollmächtigten der Antragsteller sowie dem veranlassten, aber unterlassenen weiteren Betreiben des Verfahrens eine Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich, geschweige denn glaubhaft gemacht ist. Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei zu berücksichtigen war, dass sich die Antragsteller im Kern gegen die Festsetzungen eines Bebauungsplans und deren Vollzug wenden. Der für ein Hauptsacheverfahren anzusetzende Streitwert war für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


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