Baurecht

Kein funktioneller Zusammenhang zwischen Stützmauer und Straße, wenn die Mauer dazu dient, eine Gartenfläche entstehen zu lassen

Aktenzeichen  RN 12 S 16.1372

Datum:
6.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130314
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 54 Abs. 2 und 4
Art. 9 Abs. 1 Satz 2, 2 Nr. 1 a BayStrWG

 

Leitsatz

1 Aus der Tatsache, dass der Wortlaut des Art. 2 Nr. 1 a BayStrWG keine Einschränkung enthält, dass es für die Frage, ob eine Stützmauer zum Straßenkörper gehört, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Errichtung ankommt, legt nahe, dass allein der funktionale Zusammenhang maßgeblich ist. (Rn. 32) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Dient eine Stützmauer dazu, dass auf einem Grundstück eine ebene und als Garten nutzbare Fläche entsteht, so ist von einem funktionalen Zusammenhang zwischen Stützmauer und Straße nicht auszugehen; die Stützmauer ist dann technisch nicht zum Straßenkörper zu rechnen und damit nicht von der Straßenbaulast miterfasst. (Rn. 33) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer durch den Antragsgegner verfügten Verpflichtung zur Sanierung einer Stützmauer.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. …1 der Gemarkung 2 … (Anwesen 3 …str.). An dieses Grundstück grenzt im Westen und Norden die als Staats Straße (St 2 … …8) gewidmete 3 …str. an (Grundstücke Fl.Nrn. …1/ …8 und …1/ …6 sowie …9/ …2). Diese Grundstücke liegen deutlich tiefer als das Grundstück der Antragstellerin. Entlang der Grundstücksgrenze befindet sich eine Stützmauer, welche im östlichen Bereich eine Höhe von ca. 1,75 m aufweist und nach Westen bis zu einer Höhe von 3,70 m zuzüglich einer ca. 1,1 m hohen Brüstung aufsteigt.
Aufgrund einer Mitteilung des Marktes 2 … vom 1.4.2015, wonach die Stützmauer brüchig sei und die Antragstellerin trotz Aufforderungen nichts hiergegen unternommen habe, fand am 7.4.2015 ein Ortstermin statt, in dessen Folge das Landratsamt 1 … die Antragstellerin mit Schreiben vom 9.4.2015 darauf hinwies, dass die auf ihrem Grundstück befindliche Stützmauer gravierende Schäden aufweise. Sie sei nach Meinung des Baukontrolleurs durchfeuchtet und habe starke Risse, so dass sie einsturzgefährdet sei. Gleichzeitig forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, unverzüglich Maßnahmen zur Behebung der sicherheitsgefährdenden Mängel einzuleiten.
Mit Schreiben vom 21.4.2015 führte die Antragstellerin aus, dass sie bereits beim Bürgermeister des Markts 2 … die Erneuerung der Mauer angemahnt habe. Sie habe eindringlich um Hilfe gebeten, weil der Schwerlastverkehr eklatant zugenommen habe. Zu den Schäden könne beigetragen haben, dass sich in diesem Bereich eine Wasserzuleitung befinde, die möglicherweise durch Gemeinde oder Wasserwerk oder sonstige zuständige Institutionen hätte kontrolliert werden müssen. Sie bitte um Kostenübernahme, weil eine Entfernung der Mauer der Verkehrssicherheit dienlich wäre.
Nach einer E-Mail des Landratsamts 1 … an den Sohn der Antragstellerin sei bei einem Abbruch der Wand im Gefahrenbereich auf Straßenniveau mit Anböschung des Geländes und wasserführendem Graben mit Kosten von ca. 7.000,- € bis 10.000,- € zu rechnen. Die Kosten für die Straßensperrung würden nach Aussage des Staatlichen Bauamts ca. 600,- € betragen.
In der Folge legte die Antragstellerin ein Gutachten des Ingenieurbüros B … vor, welches unter Ziff. 3 zu folgendem Ergebnis hinsichtlich der Standsicherheit der Stützmauer kam:
„Die Wand weist in den nicht im Verband gemauerten Bereichen vertikale Risse auf, eine horizontale Bewehrung fehlt. Durch die nach außen gerichtete generelle Bogenform der Wand ist davon auszugehen, dass diese bereits durch kleinere Bewegungen, z.B. infolge von Temperatureinwirkung aufgetreten sind. Größere Schiefstellungen/Verkippungen der Wand sind nicht erkennbar. Eine unmittelbare Einsturzgefahr der gesamten Wand besteht für unbelastetes Gelände nach derzeitiger Einschätzung voraussichtlich nicht.“
In der Empfehlung zum weiteren Vorgehen heißt es unter Ziff. 4: „Hinter der Stützwand sollte zunächst ein lastfreier Streifen von 1 m Breite eingehalten werden. Der Wandkopf im Bereich der bereits erkennbar gerissenen Hohlblocksteine sollte auf lose Teile hin überprüft werden, ebenso der derzeit durch Bewuchs nicht zugängliche Bereich (B bis C). Lose Teile sind dann zu entfernen und durch eine Absturzsicherung zu ersetzen.
Zur Erkundung der Wanddicke und der Gründungssituation empfiehlt sich das Anlegen eines Baggerschurfs hinter der Wand, z.B. im Bereich relativ geringer Höhe D bis E.
Die Standsicherheit der bestehenden Wand kann dann anhand der Erkenntnisse über den anstehenden Boden, die Wasserverhältnisse, Wanddicke und Gründungssituation rechnerisch untersucht werden.
Um die dauerhafte Standsicherheit der Stützwand zu gewährleisten sind bauliche Maßnahmen an der Stützwand erforderlich.
Die erforderlichen Maßnahmen sind in einer eigenen Planung festzulegen und statisch nachzuweisen.“
Mit Schreiben vom 10.6.2015 setzte das Landratsamt 1 … der Antragstellerin eine Frist bis zum 30.6.2015, die im Gutachten unter Ziffer 4 aufgeführten Schritte in die Wege zu leiten.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 30.9.2015 ließ die Antragstellerin mitteilen, dass aus ihrer Sicht die Kommune für die Erhaltung der Stützmauer zuständig sei. Dies habe der Bürgermeister des Marktes 2 … in einem persönlichen Gespräch bestätigt. Die Antragstellerin sei nicht bereit, irgendwelche Kosten zu tragen. Eine vollständige Entfernung der Stützmauer könne nicht in Betracht kommen, da hiermit die Standsicherheit auch der auf dem Grundstück stehenden Gebäude gefährdet wäre und die entstehende Böschung erst recht zu Problemen auch für den Gehweg bzw. die Straße führen würde.
Bei einer weiteren Ortseinsicht am 13.10.2015 wurde von Seiten des Landratsamts 1 … festgestellt, dass sich der Zustand der Mauer gegenüber den letzten Feststellungen erheblich verschlechtert habe. Aufgrund des Zustands der Mauer veranlasste die Straßenverkehrsbehörde eine Sperrung des Gehwegs und eine halbseitige Sperrung der Staats Straße St 2 … 8.
Auf Anfrage des Bevollmächtigten der Antragstellerin teilte das Staatliche Bauamt 1 … mit, dass sich die Stützmauer ausschließlich auf dem Grundstück der Antragstellerin befinde, so dass diese als Eigentümerin für die Instandhaltung vollumfänglich verantwortlich sei. Soweit dem Staatlichen Bauamt bekannt, sei die Mauer auch vom vorherigen Eigentümer errichtet worden. Eine Veranlassung durch das Staatliche Bauamt 1 … habe nach den dort vorliegenden Unterlagen nicht stattgefunden. Eine Zuständigkeit auf fremdem Eigentum könne nicht bestehen. Die Mauer sei auch nicht nur zur Sicherung der St 2 … 8 erfolgt, sondern diene vielmehr der Sicherung der hinterliegenden Auffüllung des Grundstücks, welches sich zuvor in Hanglage befunden habe. Zudem stelle die Mauer einen Sichtschutz zur vorhandenen Straße dar.
Mit weiterem Schreiben vom 16.12.2015 teilte das Staatliche Bauamt 1 … mit, dass keine Unterlagen vorlägen, dass auf privatem Grundstück von staatlichen Stellen eine Mauer errichtet worden wäre.
Mit Bescheid vom 28.12.2015 gab das Landratsamt 1 … der Antragstellerin auf, der Bauaufsicht des Landkreises 1 … bis spätestens 15.2.2016 ein detailliertes, statisches Gutachten vorzulegen, aus dem hervorgehe, ob die Standsicherheit der das Grundstück der Antragstellerin zur Staats Straße 2 … 8 hin umgebenden Stützmauer und ihrer Nebenanlagen (Absturzsicherung) dauerhaft gesichert sei oder nicht.
Dieser Bescheid, gegen den die Antragstellerin am 25.1.2016 unter dem Az. RN 6 K 16.130 Klage erhoben hatte, wurde durch das Landratsamt 1 … in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Regensburg am 26.4.2016 aufgehoben.
Mit Bescheid vom 22.7.2016 gab das Landratsamt 1 … der Antragstellerin auf, die das Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung 2 …, zur Staats Straße 2 … 8 hin umgebende Stützmauer und ihre Nebenanlagen (Absturzsicherung) so zu sanieren, dass der ordnungsgemäße baulich technische Zustand und die Standsicherheit der genannten baulichen Anlagen auf Dauer gesichert sei (Nr. 1). Gleichzeitig ordnete es die sofortige Vollziehbarkeit an (Nr. 2) und drohte der Antragstellerin für den Fall der Nichtbeachtung bis spätestens drei Wochen nach Unanfechtbarkeit des Bescheids ein Zwangsgeld von 3.000 € an (Nr. 3).
Das Landratsamt 1 … stützte die Anordnung in Nr. 1 auf Art. 77 Abs. 1 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Der schlechte bauliche und statische Zustand der Mauer sei allein schon aufgrund der großen Wandhöhe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Mauer befinde sich zur Gänze auf dem Grundstück der Antragstellerin und stehe in deren Eigentum. Die Anordnung entspreche dem Grundsatz pflichtgemäßen Ermessens. Die Verpflichtung der Antragstellerin zur Sanierung sei verhältnismäßig. Die halbseitige Straßensperrung und die Sperrung des Gehwegs reichten alleine nicht aus. Möglicherweise herabfallende Teile der Mauer stellten eine permanente Gefahr für Passanten und den Straßenverkehr dar. Die Kosten der Sanierung stünden nicht erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stützte das Landratsamt darauf, dass ein längeres Zuwarten zur Folge hätte, dass Passanten auf dem Gehweg und der Verkehr auf der Straße Schaden an Gesundheit und Leben erlitten. Die Androhung der Zwangsgelder stützte das Landratsamt 1 … auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG).
Gegen diesen Bescheid, welcher dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 27.7.2016 zugestellt wurde, hat diese am 29.8.2016 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben (Az. RN 12 K 16.1373). Gleichzeitig hat sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt Die Antragstellerin trägt vor, dass sich die Stützmauer – zumindest teilweise – nicht auf ihrem Grundstück Fl.Nr. …1 befinde, sondern auf dem Straßengrundstück, welches im Eigentum des Antragsgegners stehe. Außerdem sei die Antragstellerin der Ansicht, dass die Stützmauer im Zuge der Errichtung der Straße errichtet worden sei, um deren Bau oder zumindest den Bau des direkt an der Stützmauer befindlichen Gehwegs zu ermöglichen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass zwei der Grundstücke, die das Gehweggrundstück bildeten, die Fl.Nrn. …1/ …6 und …1/ …8 trügen und daher offensichtlich in früherer Zeit aus dem Grundstück Fl.Nr. …1 herausgemessen worden seien. Dies könne nur im Rahmen der Errichtung der Straße bzw. des Gehwegs erfolgt sein. Weiterhin sei die Antragstellerin der Ansicht, dass sich aus der Topographie des Grundstücks, des Straßenverlaufs und der umliegenden Grundstücke zwangsläufig ergebe, dass die Stützmauer ausschließlich nur deshalb errichtet werden musste, um die Straße bauen oder ausbauen zu können. Aus Fotoaufnahmen aus den 80iger Jahren ergebe sich, dass die Mauer bereits in diesem Zeitraum ca. 30 Jahre alt gewesen sei und damit zu einer Zeit errichtet worden sein müsse, als die Straße errichtet worden sei. Es sei ungewöhnlich und wenig glaubhaft, dass die beteiligten Behörden bzw. der Markt 2 … behaupteten, es lägen keinerlei Unterlagen hinsichtlich der Stützmauer vor. Dies gelte umso mehr, als der 1. Bürgermeister nach Erinnerung der Antragstellerin dieser mitgeteilt habe, es gebe eine straßenrechtliche Widmung für Straße und Stützmauer. Tatsächlich sei die Stützmauer vormals an der Grundstücksgrenze nur deshalb errichtet worden, um die 3 …str., die heutige St 2 … 8, erweitern und im heute bestehenden Umfang errichten zu können. Die Antragstellerin habe die Behauptung, dass die Stützmauer akut einsturzgefährdet sei, durch Vorlage eines Gutachtens zur Standsicherheit vom 6.6.2015 widerlegt. Es sei bemerkenswert, dass der Antragsgegner nunmehr meine, auf einer Luftaufnahme aus dem Jahr 1945 eine Stützmauer erkennen zu können. Dass dies so sei, werde aber bestritten, es sei lediglich ein Schattenwurf erkennbar. Im Übrigen könne es sich schon nicht um die Stützmauer handeln, weil diese heute einen wesentlich weiteren Bogen beschreibe. Merkwürdig sei, dass bei den beteiligten Behörden keine Unterlagen oder Pläne vorhanden seien. Der Bau des Gehwegs entlang der 3 …str. sei nur deshalb möglich gewesen, weil der auf dem heutigen Antragstellergrundstück gelegene Abhang abgegraben und mit einer Stützmauer gesichert worden sei. Gehweg und Stützmauer seien wohl zusammen vom Markt 2 … errichtet worden. Eine Errichtung der Mauer vor 1945 komme schon wegen der damals noch nicht existierenden verbauten Materialien nicht in Frage. Der Antragsgegner sei selbst als Straßenbaulastträger für den Straßenkörper oder der Markt 2 … als Baulastträger hinsichtlich des Gehwegs verantwortlich. Der Antragsgegner habe den falschen Störer in Anspruch genommen. Die Mauer sei aufgrund der Widmung, jedenfalls aber aufgrund der Errichtung als Teil der Straße anzusehen. Erhebliche Gefahren für Leib oder Leben lägen nach der Sperrung des Gehwegs und der halbseitigen Sperrung der Staats Straße nicht vor. Im Übrigen sei das aufschiebend bedingt festgesetzte Zwangsgeld unverhältnismäßig hoch.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Landratsamts 1 … vom 22.7.2016 wiederherzustellen Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt vor, dass sich die Stützmauer (Grundstückseinfriedung) auf dem Grundstück der Antragstellerin befinde. Dies habe auch die vom Vermessungsamt 1 … am 20.5.2016 durchgeführte Vermessung ergeben. Die Antragstellerin sei gemäß Art. 3 Abs. 1 BayBO verpflichtet, ihre bauliche Anlage so instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben und Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährden würden. Nach Auffassung des Landratsamts 1 … stelle der derzeit technische Zustand der Mauer eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Das von der Antragstellerin vorgelegte „Gutachten“ vom 6.6.2015 sei lediglich eine Stellungnahme als Ergebnis einer oberflächlichen Inaugenscheinnahme. Der Verfasser empfehle selbst abschließend weitergehende Maßnahmen. Das Landratsamt sei der Ansicht, dass die Mauer seit ihrer Herstellung nur als Abstützung der hinterliegend gefertigten Auffüllung zur Begradigung des ehemaligen Hanggrundstücks diene. Weder beim Markt 2 … noch beim Landratsamt 1 … noch beim Bayerischen Staatsarchiv seien Unterlagen vorhanden. Die 3 …str. sei eine Kreisstraße des ehemaligen Landkreises 4 … gewesen, dessen Teil der Markt 2 … bis zur Gebietsreform 1972 gewesen sei. Gerade weil erhebliche Gefahren für Leib und Leben von der offensichtlich nicht gegebenen Standsicherheit der Mauer für die Allgemeinheit ausgegangen seien, habe der Gehweg ganz und die Straße halbseitig gesperrt werden müssen. Entscheidend sei, dass sich die Mauer jetzt auf dem Grundstück der Antragstellerin befinde, jetzt offensichtlich instabil sei und jetzt von der Eigentümerin saniert werden müsse. Die Höhe des Zwangsgelds entspreche der Bedeutung der Angelegenheit.
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Behördenakten und die wechselseitigen Schriftsätze in diesem und im Verfahren der Hauptsache unter dem Az. RN 12 K 16.1373 sowie auf die Akten in den vorangegangenen Verfahren zwischen den Beteiligten unter den Az. RN 6 K 16.130 sowie RN 6 S 16.129.
II.
I. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung unter anderem in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wird. Ein solcher Fall liegt hier hinsichtlich der Nutzungsuntersagung vor, weil das Landratsamt 1 … in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids die sofortige Vollziehung der Anordnung der Sanierung der streitgegenständlichen Stützmauer angeordnet hat. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung außerdem in den durch Landesgesetz vorgesehenen Fällen. Ein solcher Fall liegt hier hinsichtlich Nr. 3 des angefochtenen Bescheids gemäß Art. 21 a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) vor, wonach Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Fall des Absatzes 2 Nr. 4 die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. gemäß Art. 21 a Abs. 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO im Fall des Abs. 2 Nr. 3 die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen hat. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Überprüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
2. Nach diesen Grundsätzen war vorliegend der Antrag abzulehnen, da bei summarischer Prüfung anzunehmen ist, dass die Klage der Antragstellerin voraussichtlich erfolglos bleiben wird.
Im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden allein möglichen summarischen Überprüfung ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von Art. 77 Abs. 1 i.V.m. Art. 54 Abs. 2 Satz 2, 1. Halbs. und Art. 54 Abs. 4 BayBO vorliegen. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Bauüberwachung die erforderlichen Maßnahmen treffen und in diesem Zusammenhang auch bei bestandsgeschützten Anlagen Anforderungen stellen, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit nötig ist.
2.1 Vorliegend bestehen durch den maroden Bauzustand der Stützmauer erhebliche Gefahren für Leben oder Gesundheit von Menschen. Wie sowohl die in den Akten befindlichen Lichtbilder, die im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durchgeführten Ortstermine am 7.4.2015 und am 13.10.2015 als auch die Beweisaufnahme durch den Berichterstatter am 20.4.2015 im Verfahren RN 6 K 16.130 gezeigt haben, weist die Stützmauer erhebliche Risse und Schäden auf, die Zweifel an ihrer Standsicherheit begründen. Dieses Ergebnis wird auch vom Bericht des Ingenieurbüros B …, 5 … vom 6.6.2015 bestätigt, der die Risse und schadhaften Stellen an der Mauer dokumentiert und zum Ergebnis kommt, dass, um die dauerhafte Standsicherheit der Stützwand zu gewährleisten, bauliche Maßnahmen an der Stützwand erforderlich seien. Dass die fehlende Standsicherheit erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen begründet, ergibt sich bereits aus der mit bis zu 3,70 m über das Niveau von Straße bzw. Gehweg aufragenden erheblichen Höhe der Stützwand.
2.2 Die Antragstellerin ist richtige Adressatin der Sanierungsanordnung.
2.2.1 Als Grundstückseigentümerin ist die Antragstellerin grundsätzlich für den Zustand der auf ihrem Grundstück befindlichen baulichen Anlagen verantwortlich. Bei summarischer Prüfung bestehen auch keine ernstlichen Zweifel, dass sich die Stützmauer insgesamt auf dem im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung 2 … befindet. Hierfür sprechen zum einen die im Rahmen der Beweisaufnahme dokumentierten Vermessungspunkte. Zum anderen stellt auch das Gutachten des Ingenieurbüros B … die Stützmauer vollständig auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 dar. Die insoweit von der Klägerseite geäußerten Zweifel, ob sich die Stützmauer tatsächlich auf diesem Grundstück befinde, sind demgegenüber nicht substantiiert belegt.
2.2.2 Ein anderes Ergebnis folgt nach der Überzeugung des entscheidenden Gerichts auch nicht daraus, dass der Freistaat Bayern gemäß Art. 41 S. 1 Nr. 1, S. 2., 42 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz – BayStrWG – Träger der Straßenbaulast für die westlich und nördlich am Grundstück der Antragstellerin vorbeiführende Ortsdurchfahrt der Staat Straße St 2 … 8 ist. Zwar haben nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG die Träger der Straßenbaulast die Straßen in einem dem gewöhnlichen Verkehrsbedürfnis und den Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung genügenden Zustand zu bauen und zu unterhalten. Die Stützmauer ist aber im vorliegenden Fall kein Bestandteil der Straße. Dies wäre nämlich nur dann der Fall, wenn ein funktionaler Zusammenhang dergestalt bestünde, dass die Stützmauer verhindern sollte, dass oberhalb der Straße gelegenes natürliches Gelände auf die Straße abrutscht (Vgl. Prandl / Gillessen / Geyer / Edhofer / Willmitzer, BayStrWG, Art. 2 Rn. 57). Dabei wird die Frage, ob für den funktionalen Zusammenhang auf den Zeitpunkt der Errichtung der Stützmauer (so OVG NRW, B.v. 14.2.2003 – 7 B 19995/02 – juris) oder auf die heutigen erkennbaren örtlichen Verhältnisse (so VGH Baden-Württemberg, U.v.16.1.1996 – 3 S 769/95 – juris; Hess VGH, B.v. 27.11.2015 – 2 A 2073/14.Z) – juris, Rn. 19 ff.) abzustellen ist, in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet. Die entscheidende Kammer schließt sich insoweit der letztgenannten Auffassung an. Wie der VGH Baden-Württemberg zu dem mit Art. 2 Nr. 1 a BayStrWG nahezu identischen und gleich strukturierten § 2 Abs. 2 Nr. 1 a Straßengesetz für Baden-Württemberg – StrG überzeugend darlegt, legt die Tatsache, dass der Wortlaut keine Einschränkung dahin enthält, dass es für die Frage, ob eine Stützmauer zum Straßenkörper gehört, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Errichtung ankommt, nahe, dass allein der funktionale Zusammenhang maßgeblich ist (VGH Baden-Württemberg, U.v. 16.1.1996 – a.a.O., Rn. 23). Hierfür spricht auch die Tatsache, dass sich – wie gerade der vorliegende Fall zeigt – die Aufklärung, welche Zwecke zum Zeitpunkt der Errichtung einer Stützmauer verfolgt wurden, oft schwierig gestaltet.
Geht man von den heutigen Verhältnissen aus, ist für die entscheidende Kammer nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Stützmauer jedenfalls heute dazu dient, den wesentlich höher liegenden Garten des klägerischen Grundstücks gegen die Gefahr des Abrutschens abzusichern. Dafür spricht, dass, um ein Abrutschen von oberhalb der Straße gelegener Erde auf die Straße zu verhindern, auch eine Hangböschung ausreichend wäre. Umgekehrt führt die Stützmauer dazu, dass auf dem Grundstück der Antragstellerin eine ebene und als Garten nutzbare Fläche entsteht, so dass die Mauer insoweit ihrem Interesse dient. In einer derartigen Konstellation ist nicht von einem funktionalen Zusammenhang zwischen Stützmauer und Straße auszugehen, so dass vorliegend die Stützmauer technisch nicht zum Straßenkörper zu rechnen ist und nicht von der Straßenbaulast miterfasst wird.
2.3 Die Anordnung, die streitgegenständliche Mauer zu sanieren, war auch nicht ermessensfehlerhaft. So gab es für den Antragsgegner kein milderes Mittel, die im Sinne von Art. 54 Abs. 4 BayBO bestehenden erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit abzuwenden. Insbesondere stellt sich die nunmehr seit vielen Monaten bestehende Sperrung des unter der Stützwand entlang führenden Gehwegs bzw. die halbseitige Sperrung der Staats Straße nicht als Alternative dar. Denn zum einen kann die Antragstellerin nicht verlangen, dass der Antragsgegner die Benutzung einer gewidmeten öffentlichen Straße beschränkt, um Gefahren zu verhindern, zum anderen ist auch trotz dieser Maßnahmen nicht gänzlich ausgeschlossen, dass sich trotz der Sperrung beispielsweise Fußgänger unterhalb der streitgegenständlichen Stützwand aufhalten.
2.4 In Anbetracht der für höchstrangige Rechtsgüter drohenden Gefahren war es auch ermessensgerecht, nach § 80 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Bescheids anzuordnen. Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar.
2.5 Das Gericht hat im Gegensatz zum Vorbringen des Bevollmächtigten der Antragstellerin auch im Hinblick auf die Höhe des in Ziff. 3 des Bescheids angedrohten Zwangsgeld von 3.000,- € keine rechtlichen Bedenken. Schon in Anbetracht der für höchstrangige Rechtsgüter drohenden Gefahren steht die Höhe des Zwangsgelds nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache.
3. Im Übrigen wäre der Antrag auch bei Annahme offener Erfolgsaussichten abzulehnen gewesen. Denn insoweit wäre es der Antragstellerin zuzumuten, die Sanierung einer auf ihrem Grundstück befindlichen Mauer zunächst durchzuführen und im Hauptsacheverfahren eine etwaige Kostenerstattung durchzusetzen.
II. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben