Aktenzeichen 15 ZB 16.1306
Leitsatz
1 Eine auf das Plangebiet bezogene nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist regelmäßig nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen. Denn nur durch diese Festsetzungen wird ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Festsetzung über die Grundflächenzahl betrifft aber nicht die Art, sondern das Maß der baulichen Nutzung (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1, § 19 BauNVO). Festsetzungen im Bebauungsplan über das Maß der baulichen Nutzung haben grundsätzlich keine automatische nachbarschützende Funktion. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 5 K 14.1865 2016-05-19 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger wenden sich als Eigentümer eines benachbarten Grundstücks (FlNr. …, Gemarkung G …) gegen einen Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2014, mit der der Beigeladenen unter Abweichungen von den Abstandsflächen, einer Befreiung von der im einschlägigen Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl sowie unter Zulassung einer Nebenanlage (Garage) außerhalb der Baugrenzen eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Umbau und energetische Sanierung Wohnhaus“ auf FlNr. … (Baugrundstück) genehmigt wurde.
Das Wohnhaus der Kläger grenzt ohne Abstand an das Gebäude auf dem Baugrundstück. Ursprünglich wurden beide Gebäude im 19. Jahrhundert als Zweifamilienhaus errichtet, erst Mitte des 20. Jahrhunderts erfolgte im Zuge einer Grundstücksteilung die Aufspaltung in zwei rechtlich getrennte Doppelhaushälften. U.a. befürchten die Kläger im Falle der Umsetzung der Baugenehmigung aufgrund statischer Aspekte sowie aufgrund verbundener Leitungen und einer Gastherme im Bereich der gemeinsamen trennenden Wand Schäden an der Bausubstanz ihres Gebäudeteils. Ihre Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 19. Mai 2016 ab; der Genehmigungsbescheid vom 2. Dezember 2014 verletze sie nicht in subjektiven Rechten.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die Rechtssache weist hinsichtlich des von den Klägern allein geltend gemachten Zulassungsgrunds des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, auf den sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO), keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt. (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 u.a. – juris Rn. 63 m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2016, § 124 Rn. 28 m.w.N.). Es bedarf hinsichtlich der Darlegung am Maßstab von § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO einer substanziellen Auseinandersetzung mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil und einer konkreten Bezeichnung der Tatsachen- und Rechtsfragen, hinsichtlich derer sich solche Schwierigkeiten stellen, sowie des Aufzeigens, worin diese Schwierigkeiten bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 a.a.O. Rn. 63 m.w.N.).
1. Hinreichend dargelegte Schwierigkeiten solcher Art weist der Rechtsstreit nicht auf, soweit es um die Beurteilung der vom Verwaltungsgericht verneinten nachbarschützenden Wirkung der im Bebauungsplan Nr. … „W … Straße, …“ festgesetzten Grundflächenzahl geht, von der in dem angefochtenen Genehmigungsbescheid befreit wurde. Die entscheidenden Fragen zur Reichweite des Nachbarschutzes aus solchen Festsetzungen sind in der Rechtsprechung geklärt. Es sind zudem weder tatsächliche Umstände noch Rechtsfragen vorgetragen worden, die speziell im vorliegenden Fall die Rechtsanwendung außergewöhnlich schwierig machen könnten.
Eine auf das Plangebiet bezogene nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist regelmäßig nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 12 ff.; B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3 m.w.N.). Denn nur durch diese Festsetzungen wird ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. Die von den Klägern thematisierte Festsetzung über die Grundflächenzahl betrifft hingegen nicht die Art, sondern das Maß der baulichen Nutzung (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1, § 19 BauNVO). Festsetzungen im Bebauungsplan über das Maß der baulichen Nutzung haben grundsätzlich keine automatische nachbarschützende Funktion. Solche Festsetzungen vermitteln ausnahmsweise Drittschutz nur dann, wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215.95 – NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24; B.v. 1.8.2016 – 15 CS 16.1106 – juris Rn. 17). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln. Ein entsprechender Wille muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben. Maßgebend ist, ob die Festsetzung auf Basis einer wertenden Beurteilung des Fest-setzungszusammenhangs nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (zum Ganzen z.B. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 34 m.w.N.).
Eine entscheidungserhebliche, konkrete ungewöhnliche Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art des vorliegenden Falls und insbesondere die Möglichkeit einer insofern rechtlichen Falschbeurteilung durch das Verwaltungsgericht wurde mit der Zulassungsbegründung nicht aufgezeigt. Soweit die Kläger vorbringen, dass der den Bestand überplanende Bebauungsplan den Zweck habe, die künftige städtebauliche Entwicklung und Gestaltung zu ordnen, und sich ein Bauvorhaben hieran messen lassen müsse, spricht dies eher für eine rein städtebauliche Zielsetzung im ausschließlich öffentlichen Interesse. Sofern die Kläger darauf abstellen, dass das mit dem streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Vorhaben zu einer Verdichtung führe, die einer Umstrukturierung des gesamten Wohngebietes gleichkomme, vermag dies allein nach den oben dargestellten Grundsätzen keine subjektive Rechtsverletzung zu begründen. Denn die Kläger argumentieren – unabhängig davon, dass es sich bei einer solchen Verdichtung um eine typische Folge einer Befreiung von einer festgesetzten Grundflächenzahl handelt – insofern ausschließlich anhand faktischer Auswirkungen, ohne den (auszulegenden) Inhalt und die Reichweite der Festsetzung selbst in den Blick zu nehmen. Inwiefern es – ggf. unter Heranziehung der Planungsakten, der Abwägungsgrundlagen o.ä. – tatsächlich oder rechtlich schwierig sein könnte, die Festsetzung hinsichtlich der Frage einer (ausnahmsweisen) drittschützenden oder einer (im Regelfall anzunehmenden) nicht-drittschützenden Funktion auszulegen, wird von den Klägern in der Zulassungsbegründung nicht substanziiert erörtert. Die von ihnen in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 13.7.1999 – 4 TG 1322/99) kommt im Übrigen gerade nicht zu der Annahme eines nachbarschützenden Charakters der dortigen planerischen Festsetzungen, sondern findet die Lösung über das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. juris Rn. 10 ff.). Die Kläger tragen aber weder vor noch begründen sie substanziiert, warum die Beurteilung der Sach- und Rechtslage speziell in Bezug auf eine verdichtete Bebauung am Maßstab des über § 31 Abs. 2 BauGB anzuwendenden Rücksichtnahmegebots besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bereiten könnte.
2. Auch soweit die Kläger die Frage der nachbarschützenden Wirkung der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenze thematisieren und die diesbezüglich ablehnende Haltung des Verwaltungsgerichts in Frage stellen, sind besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung gerade im vorliegenden Fall konkret bestehen könnten, nicht aufgezeigt worden.
Hinsichtlich des „Ob“ des Nachbarschutzes aus Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche – wie hier hinsichtlich der festgesetzten Baugrenze (§ 23 Abs. 1, Abs. 3 BauNVO), von der im Genehmigungsbescheid hinsichtlich der Garage eine Ausnahme gem. § 23 Abs. 5 BauNVO zugelassen wurde – gilt dasselbe wie bei Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (s.o.). Drittschutz kommt auch diesbezüglich nur dann in Betracht, wenn die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin eine drittresp. nachbarschützende Funktion haben soll und wenn sich ein entsprechender Wille nach Maßgabe einer vorzunehmenden Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24; B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 13). Ein auf den nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses gerichteter, nachbarschützender Zweck kann etwa angenommen werden, wenn der Plangeber auf faktisch einzuhaltende Grenzabstände abzielt und dabei denselben nachbarschützenden Zweck verfolgt wie die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO (vgl. BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 25; B.v. 22.2.2017 a.a.O.). Die Kläger werden insofern schon nicht im Ansatz den Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung eines Zulassungsgrundes gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO gerecht. Weder findet in der Zulassungsbegründung eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil in rechtlicher Hinsicht statt noch wird in tatsächlicher Hinsicht erläutert, weshalb der Sachverhalt besonders unübersichtlich ist bzw. schwierig zu ermitteln ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 68, 71).
3. Hinsichtlich des Vortrags, die bauordnungsrechtliche Abweichung von den Abstandsflächen verletze die Kläger in eigenen Rechten, weil ihre Belange hinsichtlich Belichtung, Belüftung und Besonnung beeinträchtigt würden, bleibt es in der Zulassungsbegründung bei einer bloßen Behauptung. Worin gerade fallbezogen die besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten hinsichtlich der Rechtsanwendung der (hier gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO zum Prüfprogramm des Genehmigungsverfahrens gehörenden) Regelungen gem. Art. 6, Art. 63 Abs. 1 BayBO liegen könnten, wird jedenfalls hinsichtlich der genannten (grundsätzlich nachbarschützenden) Belange „Belichtung, Belüftung und Besonnung“ nicht konkret ausgeführt. Auch insofern genügen die Kläger den formalen Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung eines Zulassungsgrundes nicht.
4. Dasselbe gilt, soweit die Kläger die rechtliche Subsumtion des Verwaltungsgerichtsgerichts zu Art. 68 Abs. 4 BayBO in Bezug auf beeinträchtigte (privatrechtlich geregelte) Leitungsrechte auf dem Baugrundstück anzweifeln. In der Zulassungsbegründung findet sich hierzu nur der Satz: „Auch hinsichtlich der privatrechtlich geregelten Leitungsrechte dürfen die Kläger nicht auf den Zivilrechtsweg verwiesen werden, weil die angegriffene Baugenehmigung die Durchbrechung der beurkundeten Leitungsrechte unbeschadet der Regelung des Artikel 68 Absatz 4 BayBO legalisiert.“ Unabhängig von der fraglichen Richtigkeit dieser Aussage (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 19 m.w.N.; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 50; Molodovsky in Molodovski/Famers, Bayerische Bauordnung, Stand: November 2016, Art. 68 Rn. 63) unterlassen die Kläger in der Zulassungsbegründung auch diesbezüglich eine substanziierte Auseinandersetzung mit den Fragen, worin der konkrete Fehler in der Argumentationslinie des Verwaltungsgericht liegen soll und worin genau die rechtliche bzw. tatsächliche Schwierigkeit der diesbezüglichen Rechtsanwendung zu sehen ist.
5. Keine entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache sind ferner ersichtlich, soweit die Kläger eine Gefährdung des Bestands ihres Gebäudeeigentums geltend machen.
Die Kläger tragen insofern vor, dass statische Bedenken hinsichtlich der Bauausführung zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führten, weil die Bauaufsichtsbehörde sehenden Auges eine statisch unmögliche Ausführung eines Bauvorhabens gestatte. Sie dürften nicht darauf verwiesen werden, eine Rissbildung in ihrem Bestandsgebäude abzuwarten, bevor die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Überwachung durch eine Baueinstellung tätig werde. Jedenfalls sei das Rücksichtnahmegebot hinsichtlich dieser statischen Bedenken verletzt, zumal auch der Statiker der Bauaufsichtsbehörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausdrücklich eine Einsturzgefahr am Gebäudeteil der Kläger konstatiert habe, der nur durch aufwändige technische Maßnahmen im Verantwortungsbereich der Beigeladenen zu begegnen sei. Eine „Havariegefahr“ gehe ferner von den beide Grundstücke durchlaufenden Abwasser- und Gasversorgungsleitungen sowie von der Gastherme aus.
a) Soweit die Kläger eine Gefährdung ihres Anwesens unter statischen Gesichtspunkten sowie unter den Gesichtspunkten einer Explosionsgefahr aufgrund von Bauarbeiten (also während der Phase von Abriss- und Wiedererrichtung) geltend machen, ist dies – auch wenn sich das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen unter Verwertung der Ausführungen des Baustatikers in der mündlichen Verhandlung mit der Substanzgefährdung in der Sache beschäftigt hat – schon mangels Entscheidungserheblichkeit offensichtlich irrelevant: Unabhängig von der Einschlägigkeit des umfassenden oder vereinfachten Genehmigungsverfahrens (Art. 59, Art. 60 BayBO) und unabhängig von den Unterschieden in der Prüfdichte in diesen Verfahren ist Gegenstand der Prüfung in einem Genehmigungsverfahren laut Art. 55 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ausschließlich die zur Genehmigung gestellte „Errichtung“ bzw. (Nutzungs-) „Änderung“ des „Bauvorhabens“, nicht aber der Errichtungsvorgang als solcher (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2011 – 2 CS 11.1218 – juris Rn. 9; B.v. 8.7.2013 – 2 CS 13.807 – juris Rn. 14; B.v. 21.4.2016 – 15 ZB 14.2572 – juris Rn. 23; B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 20; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2016, Art. 9 Rn. 9; zur vergleichbaren Rechtslage im Saarland: OVG Saarl., B.v. 5.12.2016 – 2 B 298/16 – juris Rn. 10). Wie die Ausführung des Vorhabens technisch im Einzelnen vor sich gehen soll und ob dies mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, ist nicht Prüfgegenstand der Baugenehmigung (speziell zur Standsicherheit vgl. Nolte in Simon/Busse, BayBO, Stand: August 2016, Art. 10 Rn. 20).
Da mithin Standsicherheitsfragen hinsichtlich des Nachbargebäudes im Zusammenhang mit dem Errichtungsvorgang des Bauvorhabens im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft werden, trifft die Unbedenklichkeitsfeststellung einer Baugenehmigung diesbezüglich keine Aussage und kann folglich keine subjektiven Nachbarrechte der Kläger verletzen.
b) Soweit die Zulassungsbegründung dahin gehend zu verstehen sein sollte, dass die Kläger die Standsicherheit ihres eigenen Gebäudes auch durch das genehmigte Bauvorhaben als solches – also durch den nach Vollendung der Bauarbeiten und nach Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung bestehenden Zustand – gefährdet sehen, ist weder eine Verletzung des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots denkbar noch kann eine Nachbarrechtsverletzung wegen eines Verstoßes gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften vorliegen. Auch insofern bestehen weder tatsächlich noch rechtliche Schwierigkeiten i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
Die von den Klägern befürchtete mögliche Beeinträchtigung der Standsicherheit ihres Gebäudes ist schon kein im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu prüfender Belang (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2582 – juris Rn. 2; B.v. 24.11.2016 – 1 CS 16.2009 – juris Rn. 5). Das Rücksichtnahmegebot stellt keine allgemeine Härteklausel dar, die über den Vorschriften des öffentlichen Baurechts steht, sondern ist Bestandteil einzelner bauplanungsrechtlicher Vorschriften des Baurechts (vgl. auch BVerwG, U.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 1999, 879 = juris Rn. 6). Ein städtebaulicher resp. bauplanungsrechtlicher Bezug, der insofern über das hier gem. § 30 BauGB, § 15 BauNVO bzw. § 31 Abs. 2 BauGB geltende Gebot der Rücksichtnahmegebot zum Tragen kommen könnte, ist weder ersichtlich noch von den Klägern substanziiert geltend gemacht worden.
Werden Explosionsgefahren und hieraus resultierende Beeinträchtigungen für das Nachbargrundstück, die von einer genehmigten errichteten oder geänderten Anlage ausgehen, als Bestandteil des Rücksichtnahmegebots angesehen (vgl. insoweit OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 1.8.2011 – 2 M 84/11 – NVwZ 2012, 119 = juris Rn. 24 ff.; VG Gelsenkirchen, U.v. 29.4.2016 – 9 K 4716/14 – juris Rn. 69), ergeben sich hieraus für den vorliegenden Fall ebenfalls keine (entscheidungserheblichen) besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache i.S. von § 124 Abs. 2 Nr., 2 VwGO. Nach dem vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Sachverhalt, der von den Klägern im Zulassungsverfahren insofern nicht in Zweifel gezogen wurde, befinden sich die Gasleitungen, die der Versorgung des Anwesens der Kläger dienen, ausschließlich in deren Gebäude. Hinsichtlich der Gastherme der Kläger, die laut ihren Ausführungen nach Maßgabe zivilrechtlicher Regelungen in das Gebäudeteil auf dem Baugrundstück hineinrage, sehen sie ein Problem darin, dass diese im Zuge des Abrisses „in der Luft hänge“ (vgl. im Detail Seite 4 der Klageschrift vom 12.3.2015). Insofern kann es sich vornherein nur um eine Gefährdung handeln, die nicht von dem genehmigten Vorhaben selbst, sondern allenfalls von den hierauf bezogenen Bauarbeiten ausgeht. Aufgrund der Erwägungen zu a) kann es daher hierbei nicht um eine für den vorliegenden Nachbarrechtsstreit entscheidungserhebliche Sach- und Rechtsfrage gehen. Auch soweit die Kläger Gefahren für ihr Gebäude in Bezug auf die Beschädigung von Abwasserleitungen gelten machen, ist nicht ersichtlich bzw. substanziiert dargelegt worden, inwiefern diese Gefahren nicht nur während der (für den Nachbarschutz irrelevanten) Bauphase, sondern auch nach Umsetzung des Bauvorhabens bestehen könnten.
c) Soweit der Zustand nach vollständiger Umsetzung des genehmigten Vorhabens aufgrund einer von den Klägern behaupteten Gefährdung ihres Gebäudes materiell gegen Art. 10 Satz 3 BayBO oder (als Auffangvorschrift) gegen Art. 3 Abs. 1 BayBO verstoßen sollte, ist der diesbezügliche Vortrag der Kläger ebenfalls nicht geeignet, die Berufung aufgrund § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Aus Art. 59 Satz 1 BayBO, dessen Einschlägigkeit von den Klägern nicht in Zweifel gezogen wird, ergibt sich – wie auch das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat – eindeutig, dass im sog. vereinfachten Verfahren die Anforderungen des Bauordnungsrechts außerhalb beantragter Abweichungen (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) nicht vom Prüfumfang umfasst sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.11.2016 – 1 CS 16.2009 – juris Rn. 3). Die streitgegenständliche Baugenehmigung trifft daher keine Feststellung, dass die bauliche Anlage die in Art. 3, Art. 10 BayBO enthaltenen Anforderungen erfüllt; eine Rechtsverletzung der Kläger durch die Baugenehmigung scheidet daher unabhängig davon aus, ob die von ihnen geäußerten Bedenken gegen die Standsicherheit zutreffen oder nicht (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2012 – 1 ZB 10.1883 – juris Rn. 2).
Betroffene Nachbarn sind im Falle eines tatsächlichen, materiellen Verstoßes eines Vorhabens gegen entsprechende sicherheitsbezogene Anforderungen der BayBO nicht rechtsschutzlos, weil sie – ggf. neben Ansprüchen auf bauordnungsrechtliches Einschreiten oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber (vgl. Art. 54 Abs. 2, Art. 75 BayBO) – auch zivilrechtlichen Nachbarschutz geltend machen können (etwa unter Berufung auf eine Eigentumsverletzung, § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BauGB oder unter Berufung auf den sog. quasinegatorischen Abwehranspruch analog § 1004 i.V. mit § 823 Abs. 2 BGB, vgl. Seidel, NVwZ 2004, 139 ff.).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts. Der Anregung der Kläger, den Streitwert zu verdoppeln, folgt der Senat nicht. Die streitgegenständliche Baugenehmigung betrifft lediglich eine bauliche Änderung eines Wohnhauses in herkömmlicher Größe. Eine Streitwertfestsetzung im unteren Bereich des Rahmens der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs erscheint daher gerechtfertigt.
7. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).