Baurecht

Kein Verstoß gegen das Rücksichtsnahmegebot durch Baumbepflanzung entlang einer öffentlichen Straße

Aktenzeichen  4 ZB 18.215

Datum:
12.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 493
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
BayStrWG Art. 2 Nr. 3, Art. 30 S. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 25 lit. a
AGBGB Art. 47, Art. 48, Art. 50 Abs. 1 S. 2
BGB § 910

 

Leitsatz

1. Das Anpflanzen von Bäumen entlang einer öffentlichen Straße verstößt nicht schon dann gegen das Rücksichtnahmegebot, wenn damit zu rechnen ist, dass die Äste und Wurzeln sich im Laufe der Zeit auf ein Nachbargrundstück hin ausdehnen werden. (Rn. 15 – 17)
2. Ist dagegen von Anfang an mit hinreichender Sicherheit absehbar, dass die Wurzeln an einem benachbarten Bauwerk oder einer sonstigen Anlage erhebliche Schäden anrichten werden, so ist die Anpflanzung für den Nachbarn unzumutbar und muss auch nicht zeitweise hingenommen werden. (Rn. 18)

Verfahrensgang

AN 9 K 16.1056 2017-11-29 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses für beide Instanzen auf jeweils 10.521,82 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich dagegen, dass auf einem an ihr Grundstück angrenzenden Grünstreifen von der beklagten Gemeinde vier Hainbuchen angepflanzt worden sind.
Das von den Klägern 2002 erworbene Grundstück ist mit einem 1990 bauaufsichtlich genehmigten Wohnhaus bebaut. An der südlichen Grundstücksgrenze befinden sich eine Garage mit gepflasterter Einfahrt sowie ein Swimmingpool. Das Grundstück liegt ebenso wie das südlich anschließende Grundstück der Beklagten, auf dem die streitgegenständlichen Bäume stehen, im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mit integriertem Grünordnungsplan. Dieser sieht für das Grundstück der Beklagten in dem an das klägerische Grundstück angrenzenden Bereich einen neben einem öffentlichen Fußweg verlaufenden ca. 1,5 m breiten Grünstreifen als öffentliches Begleitgrün mit einem Pflanzgebot nach § 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. a BauGB für vier Bäume vor, wobei neben der Hainbuche weitere Baumarten zur Auswahl stehen.
Nachdem auf dem Grünstreifen zunächst vier Bäume der Gattung Rotdorn gestanden hatten, nahm die Beklagte im Herbst 2014 eine Ersatzpflanzung mit Hainbuchen vor. Sie erklärte dazu in einem an die Kläger gerichteten Schreiben, auf deren Antrag hin seien die alten, unansehnlich gewordenen Bäume entfernt worden. Nach dem Grünordnungsplan müsse eine Ersatzpflanzung erfolgen; dabei sei aufgrund entsprechender Hinweise der Kläger in deren Interesse mit den Hainbuchen eine nicht windblütige Baumsorte (gering allergen) gewählt worden.
In der Folgezeit wandten sich die Kläger an die Beklagte mit der Aufforderung, die vier Hainbuchen an einen anderen Standort zu versetzen, da ihr Grundstück durch die mittlerweile erreichte Größe der Bäume und die zu erwartenden erheblichen Belästigungen durch Verschattungswirkung, überhängende Äste und Wurzeleintrag zunehmend beeinträchtigt werde.
Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, erhoben die Kläger beim Verwaltungsgericht Klage mit den Anträgen, die Beklagte zur Entfernung der Hainbuchen zu verurteilen, ihre Verpflichtung festzustellen, den Klägern sämtliche aus der Pflanzung der Bäume künftig entstehenden Schäden und Mehraufwendungen zu ersetzen und die Kosten der außergerichtlichen Interessenvertretung in Höhe von 521,82 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen. Die Festsetzung im Bebauungsplan sei unwirksam, da es gegenüber den Bauwerbern abwägungsfehlerhaft sei, die Bepflanzung an der Grundstücksgrenze zuzulassen. Jedenfalls sei die konkret gewählte Bepflanzung mit Hainbuchen wegen des geringen Abstands von lediglich 0,8 bis 0,9 m zum klägerischen Grundstück und zur dort vorhandenen Bebauung rücksichtslos. Es sei anerkannt, dass Pflanzungen im Einzelfall unabhängig von der hier nicht anwendbaren Norm des Art. 47 AGBGB öffentlich-rechtlich unzulässig sein könnten, wenn sie die Nutzung benachbarter Grundstücke unzumutbar beeinträchtigten. Dies sei hier der Fall, da wegen des flach verlaufenden Wurzelgeflechts von Hainbuchen innerhalb kürzester Zeit damit zu rechnen sei, dass auf dem klägerischen Grundstück durch eindringende Wurzeln an den grenznahen baulichen Anlagen (Garage, Hofbepflasterung, Sockelbereich der Grenzbepflanzung und Swimmingpool) Schäden auftreten würden. Da die Bäume nach knapp einem Jahr eine Höhe von über 5 m erreicht hätten, ihre zu erwartende endgültige Höhe ca. 10 m betrage, die Kronenausdehnung bis zu 5 m betragen könne und der Wurzelkörper einen Durchmesser von bis zu 5 m erreichen werde, sei sicher, dass in Zukunft entsprechende Schäden auftreten würden. Auch werde es zu hinüberragenden Ästen und einer Verschattung des klägerischen Grundstücks kommen.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung und trug vor, die Kläger seien zur Duldung verpflichtet. Der Bebauungsplan begründe das Pflanzgebot an der besagten Stelle. Auch mangele es an einer relevanten Beeinträchtigung; die von den Klägern vorgelegten Lichtbilder zeigten noch relativ junge und ortsübliche Hainbuchen.
Mit Urteil vom 29. November 2017 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab. Die für einen Folgenbeseitigungsanspruch erforderliche Verletzung einer subjektiven Rechtsposition der Kläger könne nicht festgestellt werden. Durch das Pflanzen der Hainbuchen sei kein rechtswidriger Zustand geschaffen worden, da die Pflanzung durch den Bebauungsplan und den darin enthaltenen Grünstreifen mit Pflanzgebot legitimiert sei. Die Erstpflanzungsfestsetzung enthalte auch die Pflicht, Ersatzpflanzungen vorzunehmen, wenn die erste Anpflanzung erfolglos bleibe oder später ausfalle. Der Bebauungsplan sei wirksam; der gerügte Abwägungsmangel sei nach der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens geltenden Vorschrift des § 215 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BauGB a.F. nicht mehr überprüfbar. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Festsetzung des 1,5 m breiten Grünstreifens und die dafür festgeschriebenen Bepflanzungsvorgaben an einem schwerwiegenden und offensichtlichen Abwägungsmangel litten. Bei dem Grünstreifen handle es sich um Zubehör (Art. 2 Nr. 3 BayStrWG) des gewidmeten Fußwegs und damit um eine Anpflanzung im öffentlichen Verkehrsraum, die nach Art. 50 Abs. 1 Satz 2 AGBGB den Bindungen des Art. 47 AGBGB nicht unterliege. Es sei auch nicht ersichtlich, dass ein Grünstreifen mit einer Breite von „nur“ 1,5 m schlechterdings für jeden der in der Pflanzliste enthaltenen Bäume unzureichend wäre und die Beklagte damit das Entstehen unzumutbarer Beeinträchtigungen für die Anlieger sehenden Auges in Kauf genommen habe. Bei der Entscheidung, von den zur Auswahl stehenden Baumarten gerade Hainbuchen zu wählen, habe die Beklagte auch die schutzwürdigen Interessen der unmittelbaren Anlieger berücksichtigt und folglich aus der Liste eine Baumart gewählt, die für die Kläger mit möglichst wenigen Einwirkungen verbunden sei. Im Hinblick auf das Begehren der Kläger, einen Überhang von Ästen, den damit einhergehenden Laubfall und eine Beschattung ihres Grundstücks zu verhindern sowie das Eindringen von Wurzelwerk in ihre baulichen Anlagen zu vermeiden, sei für das Gericht nicht erkennbar, dass andere in der Pflanzliste aufgeführte Baumarten für eine Bepflanzung des Grünstreifens wesentlich geeigneter wären. Eine Ausnahmesituation, in der mit Blick auf Art. 14 GG die Duldungspflicht der Anlieger ende, könne zwar bejaht werden, wenn die Bepflanzung aufgrund natürlichen Wuchses einen Umfang erreicht habe, der zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden an baulichen Anlagen führe bzw. solche Schäden hinreichend konkret befürchten lasse oder die Grundstücksnutzung in einem nicht mehr zumutbaren Maße beeinträchtige. Diese Voraussetzungen seien vorliegend jedoch nicht erfüllt. Die im Herbst 2014 gepflanzten Bäume seien nach dem vorgelegten Bildmaterial noch relativ klein. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass es im Bereich um die Bäume herum zu Bodenerhebungen durch Wurzeleintrag gekommen sei; Derartiges sei auch nicht vorgetragen. Konkrete und gesicherte Anhaltspunkte dafür, dass Schäden in naher Zukunft zu erwarten seien, lägen insofern nicht vor. Auch in einer von den Klägern vorgelegten Stellungnahme erfolge keine Auseinandersetzung mit der Beschaffenheit des in der Umgebung der Hainbuchen vorhandenen Erdbodens und der auf dem klägerischen Grundstück befindlichen baulichen Anlagen. Die Verdichtung des Bodens sowie dessen Sauerstoff- und Feuchtigkeitsgehalt hätten aber maßgeblichen Einfluss auf die Ausbreitungsrichtung von Wurzeln; auch hänge die Schadensanfälligkeit baulicher Anlagen vom jeweiligen Baumaterial ab. Nach Überzeugung des Gerichts schädigten Wurzeln von Hainbuchen jedenfalls nicht zwangsläufig die in ihrer Nähe befindlichen baulichen Anlagen. Dies werde durch die Planungsdatenbank „Gehölze für urbane Räume“ der TU Dresden bestätigt, die über die Eigenschaft bestimmter Gehölze informiere und aus der hervorgehe, dass bei der Pflanzung von Hainbuchen in der Regel keine Schäden durch Wurzeleintrag zu erwarten seien. Zum jetzigen Zeitpunkt ließen sich daher keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer nicht mehr zumutbaren Beeinträchtigung bzw. einer konkret zu befürchtenden Gefährdung des klägerischen Grundstücks feststellen.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der fristgerecht gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der von den Klägern allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt.
An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel. Solche Zweifel sind nur gegeben, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Kläger tragen vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass ihre schutzwürdigen Interessen bei der Wahl der konkreten Baumart ausreichend berücksichtigt worden seien. Auf ihr Grundstück müsse bei der konkreten Ausgestaltung der Anpflanzung Rücksichtnahme genommen werden; insbesondere dürfe die Nutzung des Grundstücks (künftig) nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Anwendbar seien auch die Bestimmungen des § 910 BGB und nicht, wie das Verwaltungsgericht annehme, ausschließlich Art. 14 GG. Unter den Hainbuchen gebe es eine Vielzahl von Einzelarten mit unterschiedlichen Baumauskronungen, unterschiedlichem Endhöhenwuchs sowie unterschiedlicher Wurzelausbreitung. Das Horizontalwurzelwerk der Hainbuche könne laut einer vorgelegten wissenschaftlichen Untersuchung bis zu 4,5 m lang werden, hier bei einem Grenzabstand von nur rund 0,7 m. Auch die zu befürchtende Kronenausbreitung werde vom Verwaltungsgericht erkennbar unterschätzt; sie könne je nach Mehrstämmigkeit bis zu 8 m betragen. Beim Gebot der Rücksichtnahme sei nicht auf den derzeitigen Pflanzenwuchs abzustellen, sondern auf eine im Regelfall zu erwartende Entwicklung. Die Kläger müssten in Zukunft mit erheblichen Beeinträchtigungen aufgrund eindringenden Wurzelwerks, damit verbundener Beschädigungen von baulichen Anlagen und einer erheblichen Verschattung ihres Grundstücks rechnen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Kläger gegenüber der Beklagten weder einen Anspruch auf Entfernung der Hainbuchen noch auf Feststellung künftiger Ersatzansprüche oder auf Ersatz ihrer Rechtsverfolgungskosten haben. Durch das Anpflanzen der streitgegenständlichen Hainbuchen in dem nach Art. 2 Nr. 3 BayStrWG zum öffentlichen Straßengrund gehörenden Grünstreifen wurde kein gegenwärtig rechtswidriger Zustand geschaffen; es ist auch nicht hinreichend konkret absehbar, dass ein solcher Zustand in Zukunft eintreten könnte.
a) Mit der Entscheidung, in dem genannten Bereich vier Bäume anzupflanzen, ist die Beklagte, die nach Art. 30 Satz 1 BayStrWG für die Bepflanzung des Straßenkörpers als Straßenbaulastträger zuständig ist, einer Verpflichtung nachgekommen, die sich aus dem Grünordnungsplan zum Bebauungsplan vom 13. November 1989 ergibt. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Pflanzgebot (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 Buchst. a BauGB), zu dessen Erfüllung neben der Hainbuche auch alle Obstbaumarten sowie die Kastanie, Schwarzerle, Winterlinde, Bergahorn, Rotbuche, Traubeneiche und Esche zugelassen sind (Nr. 1.9.3 der textlichen Festsetzungen), stellt für die Eigentümer der Nachbargrundstücke eine zulässige Eigentumsinhaltsbestimmung (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar mit der Folge, dass sie das Anpflanzen der vorgeschriebenen Anzahl und Art von Bäumen auf dem öffentlich gewidmeten Grünstreifen grundsätzlich zu dulden haben (vgl. Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 8. Aufl. 2016, S. 228; Lüke in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl. 2013, Rn. 410 ff.; Sauthoff, Straße und Anlieger, 2003, Rn. 1684). Bei derartigen Bepflanzungen „längs einer öffentlichen Straße“ finden nach Art. 50 Abs. 1 Satz 2 AGBGB die für das private Nachbarrecht geltenden Mindestabstände nach Art. 47, 48 AGBGB keine Anwendung (Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 30 Rn. 12; Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, 16. Aufl. 2018, Art. 30 Anm. 1); insofern müssen die Anlieger im öffentlichen Interesse eine gewisse Minderung ihrer Rechte hinnehmen (Grziwotz/ Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl. 2015, E Rn. 140; allgemein BVerwG, U.v. 29.5.1981 – 4 C 19.78 – NVwZ 1982, 112).
Die Eigentümer der Nachbargrundstücke können allerdings, wie das Verwaltungsgericht der Sache nach zutreffend angenommen hat, von dem Straßenbaulastträger verlangen, dass bei der Erfüllung des bauplanungsrechtlichen Pflanzgebots das Gebot der Rücksichtnahme eingehalten und die Nutzung der Anliegergrundstücke nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird (vgl. Grziwotz/Saller, a.a.O., Rn. 142; Edhofer/Willmitzer, a.a.O.). Die regelmäßig mit einer Bepflanzung einhergehenden Nachteile, etwa in Gestalt von Laubfall oder Schattenwurf, müssen dabei außer Betracht bleiben (Stadler, a.a.O.; Sauthoff, a.a.O.); rücksichtslos ist eine Bepflanzung vielmehr erst dann, wenn die nachbarlichen Belange in schwerwiegender Weise missachtet werden.
Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Dass die Beklagte sich in der konkreten Situation bei der Auswahl der anzupflanzenden Bäume für die Hainbuche entschieden hat, lag im Rahmen ihres Organisations- und Planungsermessens und führte für die Kläger nicht zu unzumutbaren Einschränkungen der Grundstücksnutzung. Zwar muss bei Hainbuchen – wie wohl bei allen in Betracht kommenden Baumarten – damit gerechnet werden, dass ihre Äste und ihr Wurzelwerk sich im Laufe der Zeit über den nur 1,50 m breiten Grünstreifen hinaus auf das Nachbargrundstück hin ausdehnen werden. Dies allein bedeutet aber noch nicht, dass in dem Anpflanzen solcher Bäume in Grenznähe ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot läge. Wie sich aus der im privaten Nachbarrecht geltenden und hier entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 910 BGB ergibt, kann sich ein Nachbar gegen das Eindringen von Zweigen oder Wurzeln nichts schon vorbeugend, sondern erst dann zur Wehr setzen, wenn dadurch die Nutzung seines Grundstücks tatsächlich beeinträchtigt wird. Diese Voraussetzung liegt hier auch nach dem Sachvortrag der Kläger jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor.
b) Ob die Baumkronen der Hainbuchen bei ungehindertem Wachstum künftig eine solche Breite entwickeln werden, dass die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks über das im Grünordnungsplan vorgesehene, im Nachbarschaftsverhältnis hinzunehmende Maß hinaus beeinträchtigt werden könnte, bedarf keiner näheren Prüfung. Denn selbst wenn dies in Anbetracht der örtlichen Verhältnisse grundsätzlich möglich wäre, ließe dies die von der Beklagten getroffene Auswahl- und Standortentscheidung noch nicht als rücksichtslos erscheinen. Ob sich aus einer Bepflanzung entlang öffentlicher Verkehrsflächen im Laufe der Zeit für die Nachbargrundstücke unzumutbare Belastungen ergeben, hängt nämlich entscheidend davon ab, inwieweit der dafür zuständige Straßenbaulastträger seiner Unterhaltungs- und Verkehrssicherungspflicht nachkommt. Sollten die Kronen der vor vier Jahren gepflanzten Hainbuchen tatsächlich so weit in das klägerische Grundstück hineinwachsen, dass sich dort Gefahren (etwa durch morsche Äste) oder sonstige gravierende Eigentumsbeeinträchtigungen ergeben können, so muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagte die Bäume im gebotenen Umfang zurückschneidet. Die bloße Befürchtung, sie könnte dies in Zukunft pflichtwidrig unterlassen, begründet ihr gegenüber jedenfalls noch keinen Anspruch auf Entfernung der Bäume.
Soweit es um ein künftiges Eindringen von Wurzeln in die Nachbargrundstücke geht, ist freilich zu berücksichtigen, dass sich entsprechende unterirdische Schäden an Bauwerken, Pflasterungen oder Kanalleitungen auch durch regelmäßig stattfindende Kontrollen oder Baumpflegemaßnahmen nicht in jedem Fall verhindern lassen. Insoweit muss daher grundsätzlich schon bei der Auswahl der konkreten Baumart und des Pflanzorts auch den nachbarlichen Schutzinteressen Rechnung getragen werden. Eine Anpflanzung, bei der von Anfang an mit hinreichender Sicherheit absehbar ist, dass ihre Wurzeln in näherer Zukunft an benachbarten Bauwerken oder sonstigen Anlagen erhebliche Schäden anrichten werden, ist für den Nachbarn unzumutbar und muss auch nicht zeitweise hingenommen werden.
Eine solche (Ausnahme-)Situation ist hier aber nicht gegeben. In der vom Verwaltungsgericht angeführten Planungsdatenbank „Gehölze für urbane Räume“ der TU Dresden, die u.a. über Gefährdungen und Beeinträchtigungen durch die jeweiligen Baumarten informiert, wird die Frage nach möglichen Schäden durch Wurzeln der Hainbuche eindeutig verneint (https://citree.ddns.net/db-names.php, Suchwort: Hainbuche). Dass an dieser wissenschaftlichen Aussage Zweifel bestehen könnten, ist nicht ersichtlich und wird auch von den Klägern nicht substantiiert behauptet. Ihre allgemeine Bezugnahme auf die in dem Aufsatz „Das Wurzelwerk der Hainbuche“ von H.-J. Gulder beschriebene beträchtliche Horizontalausdehnung der Wurzeln von Hainbuchen besagt nichts dazu, ob diese in der Lage sind, auch in Mauerwerk, verdichtete Bodenschichten oder noch intakte Leitungsrohre einzudringen. Die Behauptung, auf dem klägerischen Grundstück müsse in Zukunft mit erheblichen wurzelbedingten Schäden gerechnet werden, beruht demnach nicht auf nachprüfbaren konkreten Erkenntnissen, sondern stellt lediglich eine subjektive Befürchtung dar, für die keine hinreichende Plausibilität spricht. In Anbetracht dessen musste die Beklagte nicht aus Gründen der nachbarlichen Rücksichtnahme von vornherein auf die Anpflanzung von Hainbuchen an den gewählten Standorten verzichten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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