Baurecht

Kein Vorkaufsrecht bei teils forstwirtschaftlichem Grundstück

Aktenzeichen  3 LW XV 243/16

Datum:
30.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 157225
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RSG § 4
GrdstVG § 6, § 9 Abs. 2, § 12

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich besteht ein Vorkaufsrecht nach § 4 RSG nicht, wenn in einem einheitlichen Vertrag teils landwirtschaftliche und teils forstwirtschaftliche Grundstücke verkauft werden. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nur dann möglich, wenn die mitveräußerten forstwirtschaftlichen Grundstücke den landwirtschaftlichen Grundstücken wirtschaftlich zugeordnet sind, die Gesamtfläche wirtschaftlich eine Einheit bildet und beide Flächen sinnvollerweise nicht voneinander, nicht ohne Schaden von diesen getrennt werden können. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag der Antragsteller zu 1) und 2) auf gerichtliche Entscheidung vom 02.03.2016 wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller zu 1) und 2) tragen samtverbindlich die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen; dieser, der Beteiligte zu 4), trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

Der nach §§ 10 Reichssiedlungsgesetz (RSG) i.V.m. § 22 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) gestellte Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. a)
Der Antrag der Antragsteller zu 1) und 2) ist zulässig, insbesondere nach § 10 Abs. 2 RSG i.V.m. § 22 GrdstVG fristgerecht, binnen 2 Wochen nach Zustellung der Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts beim Landwirtschaftsgericht gestellt: der entsprechende Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 15.02.2016 wurde den Antragstellern zu 1) und 2) am 18.02.2016 zugestellt, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ging per Telefax am 02.03.2016 beim Landwirtschaftsgericht ein.
b) Demgegenüber ist der für den Beigeladenen und Beteiligten zu 4) erstmals mit Schriftsatz vom 27.09.2016 (Bl. 71 ff d. Akte) gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung verfristet nach § 10 Abs. 2 RSG i.V.m. § 22 GrdstVG, da, wie nachfolgend ausgeführt werden wird, dem Beteiligten zu 4) der entsprechende Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 15.02.2016 wirksam auf dem Postweg per Einschreiben/Rückschein am 22.02.2015 zugestellt wurde (vgl. Anlage BBV 7 zu Bl. 144/152).
2. Eine Genehmigungsfiktion nach § 6 GrdstVG ist nicht eingetreten, da die Genehmigungsbehörde (Beteiligter zu 1) die Frist wirksam durch Zwischenbescheid verlängert hat: nach § 6 Abs. 1 Satz 2 kann durch Zwischenbescheid seitens der Genehmigungsbehörde innerhalb der Monatsfrist die Frist auf 2 Monate verlängert werden, unter anderem in dem Fall, in dem die Prüfung des Antrags in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden kann, bzw. gar auf 3 Monate, wenn entsprechend § 12 GrdstVG der Siedlungsbehörde vorzulegen ist.
Vorliegend (Bl. 21 d. beigezogenen Verwaltungsakte) wurde der Zwischenbescheid vom 07.01.2016 eben darauf gestützt, dass die Überprüfung des Antrags bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Regelfrist von 1 Monat nach § 6 Abs. 1 GrdstVG nicht abgeschlossen werden kann.
Im Hinblick auf die zu beteiligtenden Stellen, zur Abklärung der Frage, ob ein Vorkaufsrecht nach dem RSG besteht und vor dem Hintergrund der Weihnachtsfeiertage/des Jahreswechsel, war die Fristverlängerung durch Zwischenbescheid zweifellos zulässig (vgl. zum Ganzen auch Netz, GrdstVG, Praxiskommentar, 5. Auflage, Seite 614 bzw. 618).
Die Frage einer Genehmigungsfiktion bedarf damit keiner weiteren Diskussion.
3. Für den Vertrag besteht eine Genehmigungspflicht nach § 2 GrdstVG i.V.m. den maßgeblichen landwirtschaftlichen Ausführungsgesetzen (vgl. Netz, a.a.O. S. 312), da die veräußerten Grundstücke größer als 1 ha war und kein genehmigungsfreies Rechtsgeschäft im Sinne des § 4 GrdstVG vorlag.
4. Keine formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids:
Nach § 21 GrdstVG hatte der Beteiligte zu 1) als Genehmigungsbehörde die Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach dem RSG mitzuteilen. Der Rechtsnatur nach handelt es sich bei dieser Mitteilung um einen Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG, auch wenn hiergegen der Verwaltungsrechtsweg nicht gegeben ist (vgl. Netz a.a.O. S. 819 und BGH, BLw 13/11). Der entsprechende Bescheid war sowohl den Antragstellern zu 1) und 2), als auch dem Beteiligten zu 4), der Verkäuferin der Flächen, nach dem VwZVG zuzustellen.
Dabei ist die postalische Zustellung im Ausland gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG bzw. 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG, Art. 11 Abs. 1 Europäisches Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken und Verwaltungssachen im Ausland vom 24.11.1977 zulässig und es musste zur Wirksamkeit dem Bescheid auch keine italienische Übersendung beigegeben werden. Von der Möglichkeit eines Widerspruchs nach Art. 11 Abs. 2 S. 1 des vorgenannten Europäischen Übereinkommens hat Italien keinen Gebrauch gemacht. Soweit Italien einen Vorbehalt erklärt hat, bezog dieser sich ausschließlich auf Amtshilfeersuchen. Auch bedurfte es nicht der Beigabe einer Übersetzung: Die Amtsprache ist Deutsch, § 23 Abs. 1 VwVfg. Art. 7 Europäisches Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken bezieht sich (wie sich schon aus seiner systematischen Stellung ergibt) nur auf Art. 6 Europäisches Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücke in Verwaltungssachen im Ausland; vorliegend wurde jedoch nach Art. 11 I des entsprechenden Europäischen Übereinkommens zugestellt.
Es geht vorliegend um die rechtliche Einordnung der Mitteilung nach § 21 GrdstVG nach nationalem Recht eines Mitgliedstaats und nicht um die Auslegung Europäischen Gemeinschaftsrechts. Danach handelt es sich um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 VerwVfG, der nach Italien nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG bzw. Art. 9 Abs. 1 Nr. 1 VwVZGV i.V.m. den Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken und Verwaltungssachen im Ausland vom 24.11.1977 zuzustellen war und damit eben nicht nach der Verordnung EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.05.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Zivil- und Handelssachen (s.o.). Deshalb war eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH nach Art. 234 EGV nicht veranlasst.
Soweit der Beigeladene und Beteiligte zu 4) mit Schriftsatz vom 22.03.2017 nach Schluss der mündlichen Verhandlung bestritten hat, der Rückschein sie nicht von einer empfangsberechtigten Person unterzeichnet, ist dieser Vortrag jedenfalls verspätet.
5. a)
Das Landwirtschaftsgericht kann im Falle der Einwendungen gegen die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrecht nur insoweit sachlich entscheiden, als Einwendungen die Genehmigungsbedürftigkeit und Genehmigungsfähigkeit des Grundstücksgeschäfts nach dem GrdstVG betreffen. Es kann also insbesondere die Einwendung berücksichtigen, die darauf gründet, dass die Genehmigung nach § 9 GrdstVG nicht zu versagen wäre. Das Vorliegen des in der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts genannten Versagungsgrunds nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG – ungesunde Verteilung von Grund und Boden – kann mithin geprüft werden (vgl. Netz a.a.O. S. 970, 972).
b) Grundsätzlich besteht ein Vorkaufsrecht nach § 4 RSG nicht, wenn in einem einheitlichen Vertrag teils landwirtschaftliche und teils forstwirtschaftliche Grundstücke verkauft werden (vgl. Netz a.a.O. mit Rechtsprechungsnachweisen S. 902).
Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nur dann möglich, wenn die mitveräußerten forstwirtschaftlichen Grundstücke den landwirtschaftlichen Grundstücken wirtschaftlich zugeordnet sind, die Gesamtfläche wirtschaftlich eine Einheit bildet und beide Flächen sinnvollerweise nicht voneinander, nicht ohne Schaden von diesen getrennt werden können. Die ausnahmsweise Erstreckung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts auf angrenzende Forstflächen soll eine gewachsene landwirtschaftliche Bewirtschaftung respektieren, nicht aber eine solche Einheit erst herbeiführen bzw. fingieren (vgl. Netz a.a.O. S. 902/903).
Der Vortrag von der Beteiligten zu 2) mit Schriftsatz vom 24.11.2016 (Bl. 81 ff) wurde durch eine Überprüfung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bestätigt (vgl. Schreiben vom 17.02.2017, Bl. 135): danach werden Teilflächen der Flurnummern 374, 376 und 356, die als forstwirtschaftliche Fläche ausgewiesen sind, größtenteils als extensives Grünland genutzt, im übrigen handelt es sich – überwiegend – um ein landwirtschaftliches Anwesen mit Waldanteil. Auch hat die Erörterung anlässlich des Termins vom 01.09.2016 gezeigt, dass die forstwirtschaftlichen Grundstücke sich teils nur über die landwirtschaftlichen Flächen erreichen lassen.
Damit sind auch die forstwirtschaftlichen Flächen vom Vorkaufsrecht umfasst.
6. Zutreffend geht die Genehmigungsbehörde (Beteiligte zu 1) vom Vorliegen des Versagungsgrundes nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG aus:
Nach dem Vortrag der Antragsteller zu 1) und 2) haben diese „die konkrete in absehbarer Zeit (nach Beendigung des Pachtvertrages) zu verwirklichende Absicht zur eigenen Übernahme einer mindestens leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirtschaft“ und hätten durch Erarbeitung eines schlüssigen und umsetzbaren Konzepts dies zum Ausdruck gebracht (vgl. Bl. 29 d. Akte).
Ein solches Betriebskonzept lag weder zum Zeitpunkt der Entscheidung der Genehmigungsbehörde vor, noch wurde es im gerichtlichen Verfahren vorgelegt. Schon aus diesem Grunde kam es auf die Frage, ob die Mitarbeiterin … vom Bayer. Bauernverband, Geschäftsstelle Rosenheim, wie antragstellerseits behauptet, die rechtzeitige Vorlage eines entsprechenden Betriebskonzepts vor Entscheidung der Genehmigungsbehörde „vereitelt“ hat oder nicht, nicht an, ebensowenig auf irgendwelche positiven Äußerungen der beteiligten Stellen vor Erlass des Beschlusses. Auf die Stellungnahme der Mitarbeiterin … (Anlage 1 zum Schriftsatz des Beteiligten zu 2) vom 09.08.2016, Bl. 54 ff) sei daher nur der Vollständigkeit halber hingewiesen.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind derzeit Nichtlandwirte (zum Begriff vgl. Netz, a.a.O. S. 455).
Beim Erwerb von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken liegt die ungesunde Bodenverteilung i.d.R. in der Person des Nichtlandwirts begründet:
Bei der stattgefundenen agrarpolitischen Aufwertung der Nebenerwerbsbetriebe durch die tatsächliche Strukturentwicklung der Landwirtschaft muss der Nebenerwerbslandwirt mit seinem Erwerbsinteresse nur dann zurücktreten, wenn der Nebenerwerbslandwirt nicht leistungsfähig ist und der Inhaber eines leistungsfähigen Haupt- oder Nebenerwerbsbetriebes dringend auf den Landerwerb angewiesen ist. Eine Verschlechterung der Agrarstruktur durch die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks an einen Nebenerwerbslandwirt kommt im Hinblick auf die Gleichrangigkeit von Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben nur dann in Betracht, wenn der Nebenerwerbslandwirt nicht leistungsfähig ist und der Inhaber eines leistungsfähigen Betriebs auf den Landerwerb dringend angewiesen ist. Hingegen kommt eine Gleichstellung eines Nichtlandwirts, der sich zum leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirt hin verändern will, mit leistungsfähigen Betrieben dann in Betracht, wenn konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirklichende Absichten und Vorkehrungen zur eigenen Übernahme einer mindestens leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirtschaft gegeben sind:
Ein Nichtlandwirt, der sich auf dem Weg zu einem leistungsfähigen Haupt- oder Nebenerwerbslandwirt befindet, steht einem leistungsfähigen Haupt- oder Nebenerwerbslandwirt gleich, wenn der Nichtlandwirt konkrete und in absehbarer Zeit zu verwirklichende Vorkehrungen zur eigenen Übernahme einer mindestens leistungsfähigen Nebenerwerbslandwirtschaft getroffen und ein schlüssiges, umsetzbares Betriebskonzept erstellt hat, das Rückschlüsse auf einen leistungsfähigen Nebenerwerbsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BGH zulässt.
Eine – agrarstrukturell schutzwürdige – Verbesserung der Existenzgrundlage wird allerdings nur dann angenommen werden können, wenn der Nebenerwerbsbetrieb aufstockungswürdig ist, d.h., wenn er wenigstens durch den Zuerwerb zu einem leistungsfähigen (Nebenerwerbs-)Betrieb wird. Ein wesentliches Indiz für die Leistungsfähigkeit dürfte die Erwirtschaftung von Gewinnen sein (vgl. OLG Naumburg, Beck RS 2007, 02624).
Dabei kann jedoch von einem Nebenerwerbsbetrieb nur dann gesprochen werden, wenn die Einnahmen aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung einen nicht unerheblichen Teil des Gesamteinkommens ausmachen. Die Antragsteller wollen neben der Ausübung der Jagd ihre Bienenvölker auf 100 erhöhen und nicht benötigte Flächen verpachten. Dies spricht aus Sicht des Gerichts nicht dafür, dass wesentliche Einkünfte aus der landwirtschaftlichen Tätigkeit erzielt werden und hieraus eine zusätzliche, nachhaltige und wesentliche Sicherung der Existenz erfolgt.
Dass dem gegenüber mit dem Vollerwerbslandwirt … ein aufstockungswilliger und aufstockungsbedürftiger Landwirt vorliegt, hat sich zur Überzeugung des Gerichts anlässlich dessen Zeugeneinvernahme ergeben.
Schließlich käme bei einem Nebenerwerbslandwirt mit Spezialkultur „Imkerei“ hinzu, dass, obgleich Bienenhaltung aus landwirtschaftlicher Sicht der Förderung verdient, das Interesse eines Haupterwerbslandwirs vorrangig wäre (Netz GrdstVG 7. Auflage Rn 1893).
Nicht in die Bewertung mit einzubeziehen ist schließlich aus Sicht des Gerichts, dass die Antragsteller die Hofstelle sanieren würden, während dies dem Vollerwerbslandwirt nicht möglich sein wird: die Hofstelle steht nicht unter Denkmalschutz und ist damit nicht besonders erhaltungswürdig.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen der Härteklausel nach § 9 Abs. 7 GrdstVG vor (vgl. zum Ganzen Netz, GrdstVG 7. Auflage Rn 2439 ff): Veräußerer ist ohnehin der Beteiligte zu 4), so dass es auf Motive der Rechtsvorgängerin schon deshalb nicht mehr ankommen kann. Dagegen, dass diese auf den Erhalt der Hofstelle besonderen Wert gelegt hätte spricht, dass sie diese zu Lebzeiten bereits hat herunter kommen lassen.
Kostenentscheidung: §§ 46 LwVG, 162 Abs. 3 VwGO.


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