Baurecht

Keine Abweichung von festgesetzten Baugrenzen bei Überschreitung durch zwei gesamte Gebäudewände und Terrasse

Aktenzeichen  1 ZB 15.2215

Datum:
8.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 103806
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO § 14, § 20 Abs. 4, § 23 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 BauNVO kommen nicht in Betracht, wenn die gesamte Süd- und Ostwand des Gebäudes die Baugrenzen überschreitet und damit von einem geringfügigen Ausmaß der Überschreitung nicht die Rede sein kann. Auf eine dem Gebäude zugeordnete – ebenfalls außerhalb der Braugenze liegende – Terrasse findet § 23 Abs. 5 S. 1 BauNVO keine Anwendung, weil sie nicht zu den Nebenanlagen nach § 14 BauNVO gehört, sondern als Bestandteil des Gebäudes anzusehen ist (§ 20 Abs. 4 BauNVO). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 14.4980 2015-07-14 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil keine ernstlichen Zweifel an der angegriffenen Entscheidung bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Kläger anstelle des genehmigten Wiederaufbaus einer abgebrannten Lagerhalle errichtete „Eventstadel“, in dem Partys und andere Veranstaltungen stattfanden, nicht genehmigungsfähig (1) und auch die Anordnung des Landratsamts, Teile des Gebäudes zu beseitigen, nicht zu beanstanden ist (2).
1. Das nach dem Bauantrag für gewerbliche Veranstaltungen vorgesehene Gebäude, in dessen Dachgeschoss Wohnungen für Betriebsangehörige untergebracht werden sollen, verstößt gegen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 17, der ein Sondergebiet für den Garten- und Landschaftsbaubetrieb des Klägers mit Flächen für die Kompostieranlagen und die gartenbauliche Nutzung ausweist und dessen Gültigkeit der Senat nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens bis auf eine für den vorliegenden Fall nicht interessierende Teilregelung mit rechtskräftigem Urteil vom 30. Juli 2013 – 1 N 11.2538 – bestätigt hat. Das Bauvorhaben des Klägers überschreitet im Süden und Osten die Baugrenzen des Bebauungsplans. Zudem verstößt die Wohnnutzung im Dachgeschoss gegen Nr. 2.3 der textlichen Festsetzungen, weil das Gebäude in einem Bereich liegt, in dem ausschließlich Betriebsanlagen, nicht aber Wohnungen und Bürogebäude zulässig sind.
Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans kommen nicht in Betracht. § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO kommt dem Kläger nicht zugute, da die gesamte Süd- und Ostwand des Gebäudes die Baugrenzen überschreitet und damit von einem geringfügigen Ausmaß der Überschreitung nicht die Rede sein kann. Auf die dem Gebäude zugeordnete Terrasse, die ebenfalls außerhalb der Baugrenzen liegt, findet § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO keine Anwendung, weil die Terrasse, wie § 20 Abs. 4 BauNVO zu entnehmen ist, nicht zu den Nebenanlagen nach § 14 BauNVO gehört, sondern als Bestandteil des Gebäudes anzusehen ist. Die vom Kläger begehrten Befreiungen scheitern bereits daran, dass die Abweichungen Grundzüge der Planung nach § 31 Abs. 2 BauGB berühren. Denn Ziel des Bebauungsplans ist es nach Nr. A.1 und 5 seiner Begründung, sowohl dem Vordringen der gewerblichen als auch der landwirtschaftlichen Nutzung im Interesse des Naturschutzes entgegenzuwirken und bauliche Anlagen außerhalb der Bauflächen auszuschließen, ohne dass es darauf ankommt, ob es um den Neubau oder die Erweiterung baulicher Anlagen geht. Da der Bebauungsplan darüber hinaus ausdrücklich Flächen für Wohn- und Bürogebäude festsetzt, scheidet eine Wohnnutzung auf den der Produktion vorbehaltenen Flächen von vornherein aus.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Anordnung, die Teile der baulichen Anlage zu beseitigen, die außerhalb der im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen liegen, hinreichend bestimmt. Denn die im Bebauungsplan vermaßten Baugrenzen können der jedermann zugänglichen Satzung entnommen werden. Da nach der vom Kläger nicht bestrittenen Auffassung des Landratsamts ein teilweiser Rückbau technisch möglich ist, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung unverhältnismäßig ist. Weder lässt sich dies mit dem Verhältnis von Grundstücksgröße und der außerhalb der Baugrenzen liegenden überbauten Flächen noch damit begründen, dass nachbarliche Interessen durch die Überschreitung der Baugrenzen nicht berührt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit dem Kläger die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil sie sich substantiiert mit dem Vortrag des Klägers auseinandergesetzt hat. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3, § 39 Abs. 1 GKG.
Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dhom Widmann Dr. Volckens


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