Baurecht

Keine Baugenehmigung für eine Stützmauer mit Sockelwirkung, wenn der Bebauungsplan entgegensteht

Aktenzeichen  AN 17 K 19.02293

Datum:
27.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40012
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 29 Abs. 1, § 30, § 31 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Kommt einer Stützmauer Sockelwirkung für den Stabgitterzaun zu, so kann sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Mauer allenfalls aus einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, nicht aber schon aus den Regelungen des Bebauungsplans selbst ergeben, wenn der maßgebliche Bebauungsplan Sockel im Bereich von Einfriedungen für unzulässig erklärt. Eine mögliche Zulässigkeit von Mauern und Einfriedungen an den inneren Grundstücksgrenzen der überplanten Baugrundstücke ergibt sich dann auch nicht aus einer “passiven Regelung” des Bebauungsplans, nämlich daraus, dass der Bebauungsplan sie nicht explizit verbietet. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ergibt sich aus den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans, dass Sockel nicht zulässig sind, ist daraus zu entnehmen, dass Einfriedungen grundsätzlich nicht in Form (größerer) gemauerter Anlagen hergestellt werden dürfen und Ausnahmen hiervon vom Plangeber auch nicht vorgesehen waren. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; der Klägerin steht kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Das Gericht nimmt auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug und macht sich die zutreffenden Ausführungen in den Bescheidsgründen zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist noch auszuführen:
1. Das Bauvorhaben der Klägerin bedarf einer Baugenehmigung, denn es ist als vom Wohnhaus der Klägerin insbesondere in zeitlicher Hinsicht selbständiges Bauvorhaben weder verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) oder Abs. 2 Nr. 5 BayBO i.V.m. den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 „…“ noch genehmigungsfreigestellt nach Art. 58 BayBO.
Hinsichtlich der Frage der Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 BayBO kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich bei der Winkelstützmauer mit aufgesetztem Stabgitterzaun um eine Einfriedung im Sinne des Bauordnungsrechts handelt, denn diese Norm erfasst sowohl Stützmauern als auch Einfriedungen gleichermaßen. Die Gesamthöhe des insoweit einheitlich aus Mauer plus Stabgitterzaun zu betrachtenden Bauvorhabens überschreitet jedoch die in Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO genannte 2-Meter-Marke für verfahrensfreie Mauern und Einfriedungen, wobei es diesbezüglich aus Sicht der Kammer auf das tatsächliche Höhenniveau auf dem Grundstück der Klägerin im Bereich des beantragten Bauvorhabens ankommt (vgl. auch: Simon/Busse/Lechner/Busse, 138. EL September 2020, BayBO Art. 57 Rn. 216).
Das Bauvorhaben entspricht auch nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 „…“ im Sinne des Art. 57 Abs. 2 BayBO. Das ergibt sich schon daraus, dass der Bebauungsplan in seinem zeichnerischen Teil im Bereich der hier in den Blick zu nehmenden Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks keine Regelungen über die Zulässigkeit und den Standort einer Mauer bzw. baulicher Nebenanlagen ebendort trifft.
Eine solche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens kann die Kammer aber auch nicht aus der zusätzlichen Betrachtung der textlichen Festsetzungen, insbesondere den Ziffern 5. und 6. der Regelungen entnehmen.
Nach Ziffer 5.1 der textlichen Festsetzungen ist die Errichtung baulicher Anlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen grundsätzlich ausgeschlossen, was auch für bauliche Nebenanlagen im Sinne des § 23 Abs. 5 BauNVO gilt. Eine Ausnahme hiervon sieht Ziffer 5.2 der Festsetzungen nur für Gartengerätehäuschen vor. Das Bauvorhaben der Klägerin soll außerhalb von im zeichnerischen Planteil festgesetzter Baugrenzen errichtet werden und fällt ersichtlich nicht unter den Ausnahmetatbestand der Ziffer 5.2.
Ziffer 6.1 trifft Regelungen zu Einfriedungen zum öffentlichen Raum, was vorliegend nicht einschlägig ist. Darüber hinaus sieht Ziffer 6.2 weiter vor, dass Sockel nicht zulässig sind. Das Bauvorhaben der Klägerin soll – ungeachtet der Frage, ob es sich lediglich um eine Einfriedung oder zumindest auch um eine bauliche Anlage nach § 23 Abs. 5 BauNVO handelt – nicht zu einem öffentlichen Weg hin errichtet werden, sondern in erster Linie zum nachbarlichen Grundstück, so dass das Vorhaben nicht an Ziffer 6.1 zu messen ist. Soweit die Klägerseite nunmehr im Umkehrschluss daraus die Ansicht vertritt, dass gerade deswegen die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu Einfriedungen dem Bauvorhaben nicht entgegenstehen, folgt hieraus jedoch nicht schon die Verfahrensfreiheit des Bauvorhabens aus Art. 57 Abs. 2 Nr. 5 BayBO. Verfahrensfreiheit nach dieser Vorschrift liegt vielmehr nur vor, wenn der Bebauungsplan eine aktive, konkrete Regelung zur Zulässigkeit, zum Standort und zur Größe von Mauern und Einfriedungen trifft. Daran fehlt es hier. Eine mögliche Zulässigkeit von Mauern und Einfriedungen an den inneren Grundstücksgrenzen der überplanten Baugrundstücke ergibt sich auch nach der Rechtsansicht der Klägerseite nur aus einer passiven Regelung des Bebauungsplans, nämlich daraus, dass der Bebauungsplan sie nicht explizit verbietet und unter der zusätzlichen Prämisse, dass nicht zugleich auch Ziffer 5.1 der textlichen Festsetzung einschlägig ist, was zwischen den Parteien gerade streitig ist. Zwar ist die Verfahrensfreiheit gemäß Art. 57 Abs. 2 BayBO nach Sinn und Zweck der Vorschrift bezogen auf den jeweiligen Tatbestand der Nr. 1 bis 9 auszulegen, sodass es sein kann, dass hinsichtlich einer bestimmten Anlage keine (expliziten) Regelungen zur Zulässigkeit, Standort und Größe erforderlich sind (BeckOK BauordnungsR Bayern/Weinmann, 16. Ed. 1.6.2020, BayBO Art. 57 Rn. 237). Nach Ansicht der Kammer kann dies für die streitgegenständliche Mauer im hier maßgeblichen Bebauungsplan nicht angenommen werden. Dies folgt nach Ansicht der Kammer bereits aus Ziffer 6.2 der textlichen Festsetzungen, der aufgrund seines Wortlauts und seiner systematischen Stellung nicht nur als Annexregelung zu Ziffer 6.1 auszulegen ist, sondern insoweit für alle Einfriedungen Geltung beansprucht, auch solchen an inneren Grundstücksgrenzen, sowie auch aus der Zusammenschau mit der vom Plangeber restriktiv gehandhabten Regelungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen einschließlich der Zulässigkeit und des Standorts auch von baulichen Nebenanlagen. Ziffer 6.2 entspricht das Vorhaben nicht. Bei Sockeln handelt es sich nach allgemeinem Begriffsverständnis in der Bautechnik um einen blockartigen Unterbau mit Öffnung zur Aufstellung eines Bauteils (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Sockel), also etwa zur standsicheren Aufnahme von Zaunelementen im Sinne der Ziffer 6.1 der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 „…“. Dem entspricht jedoch auch die Stützmauer des streitgegenständlichen Bauvorhabens, die als Unterbau für den aufgesetzten Stabgitterzaun dient. Ihr kommt mithin Sockelwirkung für den Stabgitterzaun zu, so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Mauer allenfalls aus einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans, nicht aber schon aus den Regelungen des Bebauungsplans selbst ergeben kann. Damit scheidet eine Verfahrensfreiheit für das streitgegenständliche Bauvorhaben aus und war die Klägerin auf den Weg des Baugenehmigungsverfahrens zu verweisen.
2. Der Beklagte hat die Baugenehmigung zu Recht versagt, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (Art. 59 BayBO) zu prüfen waren, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Das Bauvorhaben erweist sich bereits unter dem Aspekt des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 a) BayBO i.V.m. §§ 29 Abs. 1, 30 Abs. 1 BauGB) als unzulässig, denn es widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1 „…“ im Hinblick auf die zulässige überbaubare Grundstücksfläche und das Sockelverbot bei Einfriedungen. Die Kammer lässt daher im Ergebnis die Frage der Konformität des Bauvorhabens mit Bauordnungsrecht dahingestellt.
a) Die Versagung der Baugenehmigung scheitert nicht schon an einem fehlenden Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO.
Zutreffend hat der Beklagte darauf verwiesen, dass durch die Klägerin mit der Einreichung ihres Bauantrages kein Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans gestellt worden war. Bei den Bauvorlagen befindet sich nur ein Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Art. 63 BayBO. Dieser Antrag kann hier nicht zugleich in einen Antrag auf Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB umgedeutet werden, denn Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO sieht dazu einen gesonderten schriftlichen Antrag mit Begründung vor. Der Wortlaut dieser Vorschrift steht zunächst der Möglichkeit einer konkludenten Mitbeantragung per se entgegen und diese Möglichkeit wollte der Landesgesetzgeber auch mit der Neufassung des Art. 63 Abs. 2 BayBO ausdrücklich ausschließen (Simon/Busse/Dhom/Simon, 138. EL September 2020, BayBO Art. 63 Rn. 48). Darüber hinaus verbietet sich eine Umdeutung bzw. Auslegung des von der Klägerin mit ihren Bauvorlagen eingereichten Antrags auf Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften in einen Antrag auf Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans, weil diesbezüglich unterschiedliche Begründungsanforderungen bestehen und überdies im Falle des § 31 Abs. 2 BauGB Belange der plangebenden Gemeinde berührt sind. Gleichwohl scheitert die Erteilung der Baugenehmigung nicht an diesem fehlenden Antrag. Die plangebende Gemeinde wurde im Verfahren beteiligt und hat ihre Zustimmung auch nach erneuter Vorlage des Bauvorhabens durch den Beklagten erteilt. Der Beklagte wiederum hat trotz der von ihm erkannten Unvollständigkeit der Bauvorlagen nicht das dafür vorgesehene Verfahren nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO durchgeführt, sondern den Bauantrag in der Sache negativ verbeschieden. Die Wirkung des Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist damit vorliegend nicht eingetreten und dem Gericht eine Sachprüfung eröffnet.
b) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans im Hinblick auf die festgesetzte überbaubare Grundstücksfläche zu, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB insoweit nicht erfüllt sind (dazu nachfolgend (2)) und der Bebauungsplan selbst Ausnahmen im Sinne des § 31 Abs. 1 BauGB, die dem Bauvorhaben zur Zulässigkeit im Plangebiet verhelfen könnten, nicht vorsieht. Ob ein Anspruch auf Erteilung einer Befreiung vom Sockelverbot der Ziffer 6.2 besteht, kann dahinstehen, da es sich bei dem klägerischen Bauvorhaben nicht um eine bloße Einfriedung handelt, die allein an den Maßgaben des Bebauungsplans über Einfriedungen zu messen wäre (dazu nachfolgend (1)).
(1) Eine dem Bebauungsplan immanente Ausnahme für die Festsetzung zu überbaubaren Grundstücksflächen sowie Einfriedungen an inneren Grundstücksgrenzen ist vorliegend nicht ersichtlich.
Einfriedungen sind dabei nach gängiger Definition Anlagen mit dem Zweck (Funktion), ein – unbebautes oder bebautes – Grundstück oder Grundstücksteile nach außen zur Sicherung gegen unbefugtes Betreten oder Verlassen, unerwünschte Einsicht (Sicht) oder gegen Witterungs- oder Immissionseinflüsse (z. B. Lärm oder Wind, Straßenschmutz) abzuschließen und von Verkehrsflächen oder Nachbargrundstücken abzugrenzen (Simon/Busse/Lechner/Busse, 138. EL September 2020, BayBO Art. 57 Rn. 217 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dem gegenüber zu stellen sind Stützmauern, die ihrer Intention nach das Abrutschen von Erdreich, Steinen u.ä. verhindern sollen (Simon/Busse, a.a.O.). Dabei können Stützmauern grundsätzlich auch die Funktion von Einfriedungen mit übernehmen, jedoch ist dies nicht ihr vordringlichster Zweck. Eine Differenzierung zwischen diesen unterschiedlichen Arten von Anlagen wird letztlich auch dadurch deutlich, dass der Landesgesetzgeber in Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 a) BayBO beide Anlagen nebeneinander aufgeführt hat.
Im Fall des Bauvorhabens der Klägerin hat die Kammer keine Zweifel, dass dieses nicht allein die Funktion einer Einfriedung übernehmen soll, sondern auch eine statische Funktion im Sinne einer Stützmauer erfüllt. Das wird bereits durch die so gewählte Bezeichnung im Bauantrag („Errichtung einer Stützwand zum Nachbargrundstück“) deutlich und auch durch den der Anlage von der Klägerin beigemessenen Zweck. Sowohl durch die historische Rückschau auf das gegenüber der Klägerin im Jahr 2000 durchgeführte bauordnungsrechtliche Verfahren und auch ihren Vortrag in dem von ihr angestrengten Verfahren auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nachbarin im Jahr 2016, sowie auch aufgrund der klaren Äußerung der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung zum hiesigen Klageverfahren steht fest, dass es der Klägerin jedenfalls auch um ein Auffüllen ihrer Böschung zur besseren Nutzbarkeit ihres eigenen Grundstücks geht, was aufgrund des Gefälles zum nachbarlichen Grundstück letztlich nur mittels einer Stützmauer an der Grundstücksgrenze zur Nachbarin realisiert werden kann. Der stützende Charakter des beantragten Bauvorhabens steht zumindest gleichrangig zum Zweck des auch gegebenen einfriedenden Charakters. Damit erweist sich das Bauvorhaben der Klägerin nicht allein am Maßstab der Ziffer 6. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans messend zulässig, sondern es handelt sich zumindest auch um eine bauliche Nebenanlage im Sinne der Ziffer 5. der textlichen Planregelungen.
Darüber hinaus bekräftigt Ziffer 6.2 der textlichen Festsetzungen, dass Sockel nicht zulässig sind, woraus die Kammer entnimmt, dass Einfriedungen grundsätzlich nicht in Form (größerer) gemauerter Anlagen hergestellt werden dürfen und Ausnahmen hiervon vom Plangeber auch nicht vorgesehen waren. Dieses Sockelverbot wird durch das beantragte Bauvorhaben aber offenkundig nicht eingehalten.
Ob die Voraussetzungen für eine Nebenanlage in Sinne der Ziffer 5. hinsichtlich der Stützmauer mit aufgesetztem Stabgitterzaun im Einzelnen erfüllt sind, kann dahinstehen. Denn jedenfalls liegt ansonsten eine selbständige bauliche Anlage vor, die sich wiederum aufgrund ihrer Dimension und Kubatur an den übrigen Voraussetzungen des Bebauungsplans, insbesondere der Festsetzung über die überbaubare Grundstücksfläche messen lassen muss. Im Ergebnis bedarf es daher für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des beantragten Bauvorhabens in jedem Fall einer Befreiung von den Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans.
(2) Auf eine solche Befreiung hat die Klägerin in der Gesamtschau der vorgetragenen und der aktenkundigen Umstände jedenfalls in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche keinen Rechtsanspruch.
Dahingestellt bleiben kann, ob – wie der Beklagte in seinem Bescheid als tragende Erwägungen herangezogen hat – eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für das Bauvorhaben unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Denn das Bauvorhaben berührt bereits die Grundzüge der Planung im Sinne des § 31 Abs. 2 BauGB.
Mit dem Begriff der Grundzüge der Planung umschreibt der Gesetzgeber die planerische Grundkonzeption, die den Bebauungsplanfestsetzungen zugrunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Maßgeblich ist also die jeweilige Planungssituation (BayVGH, U.v. 24.3.2011 – 2 B 11.59 – IBRRS 2011, 4046). Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Bauvorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, sind auch die Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung in den Blick zu nehmen (BayVGH, B.v. 10.9.2020 – 9 ZB 18.2199 – BeckRS 2020, 24827). Allgemein gilt, dass je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher der Schluss naheliegt, dass eine Änderung der Planungskonzeption gegeben ist, der nur im Wege einer Planänderung nachgekommen werden darf (BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 2 B 16.1574 – NVwZ-RR 2017, 483). Eine Abweichung vom planerischen Grundkonzept liegt zudem nicht erst dann vor, wenn die Befreiung zu einer gänzlich anderen Prägung des Plangebiets oder zur Funktionslosigkeit einzelner Festsetzungen führt (VGH Mannheim, U.v. 7.7.2017 – 3 S 381/17 – VBlBW 2018, 34). Wenn der Plangeber „angesichts des Falles“ bewusst eine Festsetzung getroffen hat, die einem Vorhaben entgegensteht, scheidet eine Befreiung in aller Regel aus (Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, 14. Aufl. 2019, BauGB § 31 Rn. 29).
Unter Beachtung dieses Maßstabes greift das Bauvorhaben in eine wesentliche Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 1 „…“ ein, indem es außerhalb der festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden soll. Die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche mittels Baugrenzen betrifft ausnahmslos alle planangehörigen Grundstücke und stellt somit ein das Baugebiet prägendes Element der städtebaulichen Gestaltungswirkung des Bebauungsplans dar. Es kam dem Plangeber dabei auch bewusst darauf an, eine auf die vorhandene Geländeformation und zwischenzeitlich gewachsene, schützenswerte Flora abgestimmte Entwicklung der Bebauung herzustellen. Insbesondere das Maß der Bebauung erachtete der Plangeber unter entsprechender Heranziehung der Begründung zum Bebauungsplan (siehe dazu: Ziffer 1. „Anlaß und Ziel für die Aufstellung“ sowie Ziffer 4.2 „Bauliche Entwicklung“) als wesentlich für die Herstellung eines homogenen, auf vorhandenen, benachbarten Wohnbestand Rücksicht nehmenden Ortsbildes in Randlage. Dem dienen auch die zeichnerisch festgesetzten Baugrenzen. Hinzu tritt der Gedanke des ökologischen Schutzes insbesondere in den als öffentliche Grünfläche ausgewiesenen Bereichen des Plangebiets. Der Plangeber hat insgesamt recht dezidierte Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, zur Bauweise, zur Gestaltung der Baukörper und letztlich auch zu Nebengebäuden (insbesondere zur Lage von Garagen) und Nebenanlagen einschließlich der Gestaltung von Außenanlagen getroffen. Dem Plangeber kam es nach Ansicht der Kammer gerade darauf an, die für Bebauung nutzbaren Flächen zu beschränken. Außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen gilt ein Pflanzgebot, das sich nicht auf die öffentlichen Grünflächen beschränkt (Ziffern 7.1 und 7.2 der textlichen Festsetzungen). Hinzu tritt der Aspekt, dass Geländemodellierungen grundsätzlich nur soweit als Festsetzung vorgesehen sind, wie sie für die wegemäßige Erschließung im Bereich der Stellplätze und Hauseingänge unter Berücksichtigung der spezifischen Höhenlagen des Geländes unabdingbar sind.
Eine darüberhinausgehende „Planierung“ der gesamten überplanten Fläche ist nicht nur nicht zwingend, sondern nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die planerischen Ziele nicht gewünscht. Konkrete Höhenfestsetzungen im Bebauungsplan finden sich allein an den Hauseingängen der Hauptgebäude, was sich unter dem Aspekt einer gesicherten wegemäßigen Erschließung der Baugrundstücke auch begründen lässt, nicht aber darüberhinausgehend als Festsetzung eines einheitlichen Geländeniveaus für alle Bereiche der Baugrundstücke. Eine einheitliche Höhenfestsetzung für die gesamte Grundstücksfläche des klägerischen Grundstücks auf das Niveau, das der hier maßgebliche Bebauungsplan in seinem ergänzenden Höhenplan für den Bereich des Hauseingangs des klägerischen Wohnhauses als Festsetzung („Zu schaffende Höheneinstellung des Geländes im Bereich der Hauseingänge, z.B. 421,00 m ü. NN“) vorsieht, kann die Kammer weder dem zeichnerischen Planteil noch den textlichen Festsetzungen in Zusammenschau mit der Begründung des Bebauungsplans entnehmen. Die im zeichnerischen Planteil insoweit wiedergegebenen Höhenlinien sind ausweislich der Zeichenerklärung nur als Hinweis und nachrichtliche Übernahme zu verstehen. Darüber hinaus ist das klägerische Grundstück gerade in seinem hier für die Realisierung des beantragten Bauvorhabens maßgeblichen Bereich durch eine schon zum Zeitpunkt der Planaufstellung vorhandene Böschung zum nachbarlichen Grundstück hin geprägt. Die entsprechende Böschungssituation ist ebenfalls als Hinweis im zeichnerischen Planteil aufgenommen, wobei aber dieser Grundstücksbereich ausweislich der eindeutigen Festsetzungen im Bebauungsplan zu den Baugrenzen/überbaubaren Grundstücksflächen, Nebenanlagen und Bebauungsvorschlägen sowie als Bestand vermerkte Nebengebäude grundsätzlich nicht bebaubar ist. Das Plangebiet war bereits historisch dadurch gekennzeichnet, dass es als ehemaliger Sportplatz aufgeschüttet worden und insbesondere zum nördlichen Bereich hin abgeböscht war. Die Böschung im nördlichen Plangebiet war im Zeitpunkt der Planaufstellung aus Sicht des Plangebers auch schützens- und erhaltenswert, denn dort hatte sich ausweislich Ziffer 1. der Begründung zum Bebauungsplan „im Lauf der Jahre z.T. wertvoller Pflanzenbewuchs angesiedelt, auf den die Entwicklung der Bebauung abzustimmen ist“. Folglich wurde dieser nördliche Böschungsbereich auch als öffentliche Grünfläche festgesetzt. Das gilt zwar nicht im selben Maße für die hier gegenständliche Böschung auf dem klägerischen Grundstück zum Nachbargrundstück hin. Es besteht aber diesbezüglich eine Grenzsituation zwischen geschützter Böschung und „privater“ Böschung. Die Kammer kann aus der Gesamtschau der Festsetzungen, Hinweise und der gegebenen Begründung keine Anhaltspunkte dafür vorfinden, dass das überplante Gebiet erheblichen Geländemodellierungen in Form von gleichmäßigen Aufschüttungen auf allen Baugrundstücken bzw. flächig auf den Baugrundstücken außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen beabsichtigt war. Insoweit ergibt die Auslegung des Bebauungsplans durch die Kammer keine Anhaltspunkte, dass gerade auch der als Bestand vermerkte Böschungsbereich auf dem Grundstück der Klägerin zwingend aufzufüllen sei.
Das streitgegenständliche Bauvorhaben greift in die Grundkonzeption des Plangebers massiv ein und würde im Hinblick auch auf die Dimensionierung der Stützmauer mit aufgesetztem Stabgitterzaun einen Präzedenzfall in dem nicht sehr ausgedehnten Plangebiet schaffen (vgl. zur Grundkonzeption im Hinblick auf Baugrenzen auch: BayVGH, U.v. 1.12.2011 – 1 B 11.224 – BeckRS 2012, 52571; B.v. 31.7.2008 – 9 ZB 05.1476 – BeckRS 2009, 39992).
Dass hier der Plangeber für die durch Böschungen berührten Baugrundstücke bezüglich Stützmauern aus Gründen der Gefahrenabwehr oder auch zur Stabilisierung der Böschungsbereiche zu deren Erhalt etwas Abweichendes geregelt, wenigstens aber mitbedacht hat, ist dem Bebauungsplan nicht explizit zu entnehmen. Ohnehin ist aber festzuhalten, dass die Klägerin auf die Errichtung des beantragten Bauvorhabens aus statischen bzw. gefahrenabwehrenden Gründen nicht angewiesen ist, wie die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung bekundete und sich dies für die Kammer auch aus den vorgelegten Farbfotos zur aktuellen Gestaltungssituation des Böschungsbereichs zum nachbarlichen Grundstück vermittelte, wobei die in der mündlichen Verhandlung eingesehenen Farbfotos bereits Teil der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sind. Insofern bedarf diese Frage auch keiner vertieften Erörterung.
Im Ergebnis muss der Klage daher der Erfolg versagt bleiben und war sie abzuweisen.
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenfolge und zur Abwendungsbefugnis folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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