Baurecht

(Keine) relevante Überlastung eines Verkehrsknotenpunkts in der Nachbargemeinde, Lärmkontingente, Landesplanerisches Anbindungsgebot

Aktenzeichen  2 N 21.184

Datum:
29.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8532
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB §§ 1 Abs. 4, 2 Abs. 2
BauNVO § 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird auf 60.000 € festgesetzt
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Nachbargemeinde gegen den am 11. November 2020 bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. … „Gewerbegebiet K.“ der Antragsgegnerin.
Das Plangebiet befindet sich süd(öst) lich des an das Gemeindegebiet der Antragstellerin angrenzenden Ortsteils K. im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin. Es schließt nordöstlich an die K* H. Straße und nordwestlich an die Bundesstraße … an, die im nördlichen Verlauf in einer Entfernung von ca. 1,3 km in die Bundesstraße … einmündet. Dieser Verkehrsknotenpunkt liegt im Gemeindegebiet der Antragstellerin. Gegenstand der Planung ist die Festsetzung eines Gewerbegebiets.
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2021 stellte die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan der Antragsgegnerin. Sie beruft sich auf eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots nach § 2 Abs. 2 BauGB, weil die verkehrlichen Auswirkungen der Gewerbegebietsausweisung zu einer deutlichen Verschlechterung der Leistungsfähigkeit des sich im Gemeindegebiet der Antragstellerin befindlichen Verkehrsknotenpunkts B 471/B 304 führten und damit auch gravierende Auswirkungen auf das gesamte Gemeindegebiet der Antragstellerin hätten. Dies ergebe sich aus den von der Antragstellerin selbst in Auftrag gegebenen Untersuchungen. So würde es sogar zu bestimmten Tageszeiten zu einer Überlastung des Verkehrsknotenpunkts kommen. Für eine ordnungsgemäße Verkehrsabwicklung wäre eine Ertüchtigung des Verkehrsknotenpunkts durch zusätzliche bauliche Maßnahmen Voraussetzung. Insoweit sei die dem Bebauungsplan zu Grunde liegende Untersuchung der Antragsgegnerin unzutreffend. Darüber hinaus sei der Bebauungsplan unwirksam, da die vorgenommene Festsetzung von Lärmkontingentierungen nicht auf § 1 Abs. 4 BauNVO gestützt werden könne und er gegen das Anbindungsgebot nach § 1 Abs. 4 BauGB verstoße. Schließlich liege ein Verstoß gegen denkmalschutzrechtliche Vorschriften vor.
Die Antragstellerin beantragt,
den Bebauungsplan Nr. … „Gewerbegebiet K.“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 11. November 2020, für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat den gleichzeitig gestellten Antrag, den fraglichen Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug zu setzen, mit Beschluss vom 18. März 2021 abgelehnt. Am 10. März 2022 wurden die Beteiligten von der Absicht des Senats, nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden, in Kenntnis gesetzt. Sie verzichteten auf Einräumung einer weiteren Schriftsatzfrist.
II.
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Über den Antrag kann gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden werden. Eines Einverständnisses der Beteiligten bedarf es hierzu nicht. Eine Verpflichtung, über den Normenkontrollantrag aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, lässt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 EMRK herleiten. Denn die Antragstellerin macht keine Eigentumsverletzung, sondern eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots als Ausfluss ihrer gemeindlichen Planungshoheit (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, BauGB § 2 Rn. 97) geltend; diese gehört nicht zu den „civil rights“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK (vgl. BVerwG, U.v. 16.1.2003 – 4 CN 8/01 – NVwZ 2003, 730; BayVGH, B.v. 18.2.2008 – 2 N 05.3358 – juris). Gleiches gilt, soweit § 2 Abs. 2 BauGB im verfahrensrechtlichen Sinne einen Unterfall der Behördenbeteiligung darstellt.
2. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu bejahen. Gemäß dieser Vorschrift ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Es darf lediglich nicht von vornherein ausgeschlossen sein, dass der geltend gemachte mögliche Fehler im Abwägungsvorgang nicht zu Unwirksamkeit des Bebauungsplans geführt hat. Eine Nachbargemeinde kann eine ihre Belange berührende Verletzung des zwischengemeindlichen Abstimmungsgebots (§ 2 Abs. 2 BauGB) geltend machen, wenn die Planung einen abwägungserheblichen Belang der Nachbargemeinde berührt und hinreichend substantiiert aufgezeigt wird, dass dieser Belang bei der Abwägung möglicherweise zu kurz gekommen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, U.v. 26.2.1999 – 4 CN 6/98 – NVwZ 2000, 197). Allerdings vermittelt das interkommunale Abstimmungsgebot ein Abwehrrecht nur gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art (vgl. BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25). Nach diesen Maßstäben ist die Antragstellerin antragsbefugt, weil es nach ihrem Vorbringen möglich erscheint, dass die Antragsgegnerin die nachbargemeindlichen Belange der Antragstellerin bei der Abwägung nicht berücksichtigt hat (§ 2 Abs. 2, § 1 Abs. 7 BauGB). Insoweit hat sie hinreichend substantiiert dargelegt, möglicherweise durch den angegriffenen Bebauungsplan von unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art betroffen zu sein. Denn nach der von ihr vorgelegten Verkehrsgutachten vom 9. November 2017 samt der ergänzenden Leistungsfähigkeitsberechnung vom 2. Dezember 2020 ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der im Gemeindegebiet der Antragstellerin liegende Verkehrsknotenpunkt B471/B304 von den verkehrlichen Auswirkungen der Gewerbegebietsausweisung deutlich betroffen ist.
Der Antragstellerin steht auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis zur Seite. Es fehlt zwar dann, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der begehrten Entscheidung nicht verbessern kann. Ist der Bebauungsplan oder die mit dem Antrag bekämpfte einzelne Festsetzung durch genehmigte oder genehmigungsfreie Maßnahmen vollständig verwirklicht, so wird der Antragsteller in der Regel seine Rechtsstellung durch einen erfolgreichen Angriff auf den Bebauungsplan nicht mehr aktuell verbessern können (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – NVwZ 2002, 1126). Jedoch ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats weder ersichtlich, dass bereits für alle im Rahmen des streitgegenständlichen Bebauungsplans zur Verfügung stehenden Flächen jeweils eine Baugenehmigung erteilt wäre, noch dass die bereits erteilte(n) Baugenehmigung(en) vollständig umgesetzt wäre(n).
3. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans.
a) Der Senat vermag keine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots (§ 2 Abs. 2 BauGB) zu erkennen. Demnach sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit § 1 Abs. 7 BauGB. Das interkommunale Abstimmungsgebot stellt eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots dar. Befinden sich benachbarte Gemeinden objektiv in einer Konkurrenzsituation, so darf keine von ihrer Planungshoheit rücksichtslos zum Nachteil der anderen Gebrauch machen. § 2 Abs. 2 BauGB verleiht dem Interesse der Nachbargemeinde, vor Nachteilen bewahrt zu werden, besonderes Gewicht. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen den benachbarten Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Selbst wenn eine Gemeinde keine planerischen Absichten für ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, kann sie sich gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf ihr Gebiet zur Wehr setzen. Eine Planung, die durch Auswirkungen gewichtiger Art gekennzeichnet ist, verstößt allerdings nicht allein deshalb gegen § 2 Abs. 2 BauGB. Auch hier gilt, dass selbst gewichtige Belange im Wege der Abwägung überwunden werden dürfen, wenn noch gewichtigere ihnen im Rang vorgehen. Dabei unterliegt eine Gemeinde, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen auf die Nachbargemeinde durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht zur formellen und materiellen Abstimmung (vgl. BVerwG, U. v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25; B.v. 14.4.2010 – 4 B 78.09 – DVBl 2010, 839 Rn. 45).
Die Antragstellerin meint, die streitgegenständliche Gewerbegebietsausweisung führe zu einer verkehrlichen Überlastung des in ihrem Gemeindegebiets gelegenen Verkehrsknotenpunkts B471/B304, sodass eine inhaltliche Abstimmung zu Ertüchtigung dieses Knotens durch zusätzliche bauliche Maßnahmen hätte stattfinden müssen. Die von ihr vorgelegten Verkehrsuntersuchungen vom 9. November 2017 bzw. vom 2. Dezember 2020 hätten ergeben, dass die der Untersuchung im Bebauungsplanverfahren zu Grunde liegenden Ansätze nicht richtig seien. Vielmehr sei festzustellen, dass die Leistungsfähigkeit des maßgeblichen Knotens, über den das Gewerbegebiet letztendlich angebunden sei, hinsichtlich der Leistungsfähigkeit deutlich verschlechtert werde. Zu bestimmten Tageszeiten komme es sogar zu einer Überlastung dieses Verkehrsknotenpunkts. Dies habe gravierende Auswirkungen auf das gesamte Gemeindegebiet der Antragstellerin.
Tatsächlich hat die Antragsgegnerin die möglichen Auswirkungen des zu erwartenden planungsbedingten Verkehrs auf das Gebiet der Antragstellerin ordnungsgemäß ermittelt und bewertet. Die von ihr in Auftrag gegebene Verkehrsuntersuchung vom September 2020 beschäftigt sich in der dortigen Nummer 8 in einem eigenen Abschnitt mit den verkehrlichen Auswirkungen auf das umgebende Straßennetz. Danach besteht bereits jetzt eine Überlastung des fraglichen Verkehrsknotenpunkts (Qualitätsstufe F: Die Wartezeiten sind für die jeweils betroffenen Verkehrsteilnehmer sehr lang/Auf dem betrachteten Fahrstreifen wird die Kapazität im Kfz-Verkehr überschritten/Der Rückstau wächst stetig. Die Kraftfahrzeuge müssen bis zur Weiterfahrt mehrfach vorrücken). Ein Ausbaubedarf besteht damit bereits unabhängig von der streitgegenständlichen Planung. Diese wirkt sich aufgrund der mit ihr verbundenen Erhöhung von maximal 15 Kfz pro Stunde pro Verkehrsstrom nicht relevant auf den Knotenpunkt aus. Soweit die von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Untersuchungen von einer höheren Zusatzbelastung ausgehen, ist dies nicht nachvollziehbar. Als Datengrundlage werden in der Untersuchung vom 9. November 2017 Ergebnisse einer Verkehrszählung vom November 2016 sowie die Verkehrsuntersuchung einschließlich der Verkehrsprognose der Antragsgegnerin genannt. Es bleibt offen, warum im Unterschied zur letzteren eine höhere Zusatzbelastung resultieren sollte, als von der Antragsgegnerin angenommen wurde. Gleiches gilt für die ergänzende Leistungsfähigkeitsberechnung vom 2. Dezember 2020. Vor diesem Hintergrund sind die von der Antragsgegnerin getroffenen Annahmen hierdurch nicht infrage gestellt, nachdem beide Untersuchungen, die die Antragstellerin in Auftrag gegeben hat, die Anforderungen der Rechtsprechung, wonach Prognosen auf realistische Annahmen zu stützen sind, eine geeignete fachspezifische Methode gewählt werden und das Ergebnis einleuchtend begründet werden muss (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2013 – 9 B 30.12 – juris), nicht erfüllen. Eine Zusatzbelastung aber von 15 Kfz pro Verkehrsstrom pro Stunde für den bereits ohnehin überlasteten Verkehrsknotenpunkt, bei dem unabhängig von der geplanten Maßnahme Ausbaubedarf besteht, kann nicht als Auswirkung gewichtiger Art auf das Gemeindegebiet der Antragstellerin angesehen werden.
b) Entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift ist die im geplanten Gewerbegebiet vorgenommene Lärmkontingentierung zulässig. Sie erfasst das gesamte Gebiet und wurde in der Form vorgenommen, dass die zulässigen Emissionskontingente in den insoweit festgesetzten zwei Teilgebieten LEK 65 dB(A) tags und 50 db(A) nachts bzw. 65 dB(A) tags und 52 db(A) nachts betragen. Diese Vorgehensweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich durch § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO gedeckt, weil einzelne Teilgebiete (hier zwei) mit verschieden hohen Emissionskontingenten vorgesehen wurden (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7/16 – juris). Maßgeblich ist daher, ob die Emissionskontingente bei typisierender Betrachtung ausreichend hoch sind, um die nach § 8 BauNVO zulässigen Nutzungen zu verwirklichen. Der zulässige Störgrad wird maßgeblich durch § 8 Abs. 1 BauNVO bestimmt, wonach das Gewerbegebiet vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben dient. Damit ist zugleich der Störgrad bestimmt, den die sonstigen nach § 8 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungen hinzunehmen haben und selbst nicht überschreiten dürfen. Es müssen daher auf einer hinreichend großen Fläche Lärmemissionskontingente festgesetzt sein, die auch für das im Gewerbegebiet typische produzierende und verarbeitende Gewerbe und das Handwerk ausreichend sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 8 BauNVO Rn. 8, 11). Die Gemeinde darf also die interne Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht nutzen, um das Gewerbegebiet etwa auf mischgebietstypische Gewerbebetriebe zu beschränken (vgl. OVG Münster, U.v. 11.10.2018 – 7 D 99/17.NE – juris). Die Emissionskontingente müssen aber nicht so hoch sein, dass sie für jeden denkbaren Gewerbebetrieb ausreichen, der „gerade noch“ in einem Gewerbegebiet zulässig erscheinen mag (vgl. BVerwG, U.v. 29.06.2021 – 4 CN 8/19 – juris).
Welche Kontingente erforderlich sind, ist eine Tatsachenfrage, deren Beantwortung den Tatsachengerichten obliegt (vgl. BVerwG, U.v. 29.06.2021 – 4 CN 8/19 – juris). In Literatur und Rechtsprechung wird als Anhaltspunkt für die Bestimmung eines solchen Emissionskontingents die Regelung in Nr. 5.2.3 der DIN 18005-1 erwogen (vgl. Kuchler, jurisPR-UmwR 2018, 5 f.; OVG NW, U.v. 29.10.2018 – 10 A 1403/16 – juris Rn. 65 ff.; VGH BW, U.v. 6.6.2019 – 3 S 2350/15 – juris Rn. 94 m.w.N.; BayVGH, U.v. 12.08.2019 – 9 N 17.1046 – juris). Diese sieht dann, wenn die Art der in einem ohne Emissionsbegrenzung geplanten Gewerbegebiet künftig betriebenen Anlagen nicht bekannt ist, für die Berechnung der in seiner Umgebung zu erwartenden Lärmimmissionen den Ansatz einer Flächenschallquelle mit flächenbezogenen Schallleistungspegeln von 60 dB(A) tags und nachts vor. Für die Tagzeit hält der Senat dies für angemessen. Für die Nachtzeit dagegen ist im hier zu entscheidenden Fall ein gleich hoher Schallleistungspegel nicht erforderlich. In Gewerbegebieten wird zwar teilweise auch zur Nachtzeit gearbeitet. Das heißt aber nicht, dass dies in gleicher Lautstärke wie am Tag geschehen darf. Zwar soll nachts in Gewerbegebieten grundsätzlich nicht gewohnt werden (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 43/89 – BVerwGE 90, 140/145). Von den nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässigen Gewerbebetrieben aller Art sind indes auch Beherbergungsbetriebe umfasst, sofern den Gästen – etwa bei größeren Hotels mit regelmäßig kurzer Verweildauer oder anderen kerngebietstypischen Beherbergungsstätten – die typischen Belästigungen eines Gewerbegebiets zugemutet werden können (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1992 – 4 C 43/89 – BVerwGE 90, 140, 146). Das setzt voraus, dass im Gewerbegebiet nachts typischerweise weniger Lärm verursacht wird als tags. Auch außerhalb des § 8 BauNVO sehen verschiedene Regelwerke unterschiedlicher Rechtsnatur für Nutzungen im Gewerbegebiet nachts geringere Lärmimmissionswerte vor (vgl. etwa Nr. 6.1 Buchst. b) der TA Lärm, § 2 Abs. 1 Nr. 4 der 16. BImSchV, § 2 Abs. 2 Nr. 1 der 18. BImSchV oder Nr. 1.1 Beiblatt 1 zur DIN 18005-1). Nicht mit § 8 BauNVO vereinbar wären nur Lärmkontingente, die so niedrig bemessen sind, dass ein Nachtbetrieb nicht ermöglicht würde (vgl. ebenso OVG Münster, U.v. 2.3.2020 – 10 A 1136/18 – juris Rn. 65; BayVGH, U.v. 12.08.2019 – 9 N 17.1046 – juris Rn. 28).
Emissionskontingente, die – wie hier im zweiten Teilgebiet – nachts 52 dB(A) betragen, dürften vor dem Hintergrund, dass auch ein an sich zu lauter Betrieb bei entsprechenden aktiven Schallschutzmaßnahmen und gegebenenfalls unter Beachtung gewisser organisatorischer Maßnahmen diese einhalten kann (vgl. Vietmeier, BauR 2018, 766), grundsätzlich keinen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb ausschließen.
§ 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO ermöglicht neben der eben erörterten internen auch eine externe Gliederung: Gliederungen nach der Eigenschaft von Anlagen können auch für mehrere Gewerbegebiete im Verhältnis zueinander getroffen werden. Auch eine solche baugebietsübergreifende Gliederung setzt voraus, dass neben dem emissionskontingentierten Gewerbegebiet noch (mindestens) ein Gewerbegebiet als Ergänzungsgebiet vorhanden ist, in den nur solche Emissionsbeschränkungen gelten, dass grundsätzlich alle im Rahmen von § 8 Abs. 1 BauNVO zulässigen Gewerbebetriebe ermöglicht werden (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26/14 – BauR 2015, 943/944). Der gebietsübergreifenden Gliederung muss auch ein darauf gerichteter planerischer Wille der Gemeinde zugrunde liegen (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7/16 – juris). Die Antragsgegnerin hat in der Begründung des Bebauungsplans Nr. … einen insoweit ausreichenden Bezug unter anderem zum Bebauungsplan Nr. 10 hergestellt und damit ihren auf die Gliederung gerichteten planerischen Willen dokumentiert (vergleiche Begründung des Bebauungsplans Nr. …, Nr. 8d). Der Bebauungsplan Nr. 10 enthält zwar flächenbezogene Schallleistungspegel. Diese sind mit 66 dB(A) tags und 61 dB(A) nachts bzw. 66 dB(A) tags und 58 dB(A) nachts nach den vorstehenden Ausführungen in jedem Fall ausreichend hoch bestimmt, sodass dort nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe jedenfalls grundsätzlich zulässig sind. So wird im hier zu entscheidenden Fall auch bei Anwendung des § 1 Abs. 4 BauNVO die allgemeine Zweckbestimmung des Gewerbegebietes gewahrt (vgl. BVerwG, B.v. 6.5.1996 – 4 NB 16/96 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 22 S. 7)
c) Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB vor. Nach dieser Vorschrift, dem sogenannten Anpassungsgebot, sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Nach Nr. 3.3. Abs. 2 BayLEP 2013 in der Fassung der Verordnung vom 3.12.2019 (GVBl. S. 751) soll die Zersiedelung der Landschaft verhindert und Neubauflächen sollen möglichst in Anbindung an geeignete Siedlungseinheiten ausgewiesen werden. Hierbei handelt es sich nicht nur um einen bei der Abwägung zu berücksichtigenden Grundsatz der Raumordnung, sondern dem ausdrücklichen Willen des Normgebers entsprechend um ein verbindliches Ziel im Sinn von § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG bzw. Art. 2 Nr. 2 BayLPlG, das gemäß § 1 Abs. 4 BauGB bei der Bauleitplanung zu beachten ist. Nach gefestigter Rechtsprechung sind landesplanerische Planaussagen, die als „Soll-Ziele“ formuliert sind, nur dann verbindlich, wenn der Plangeber mit hinreichender Bestimmtheit selbst festgelegt hat, welche Ausnahmen gelten (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 – BVerwGE 138, 201; BayVGH, U.v. 25.5.2011 – 15 N 10.1568 – juris). Insoweit ist nicht nur der Wortlaut der Zielbestimmung, sondern auch deren Begründung heranzuziehen. Die Begründung für das Zersiedelungsverbot bzw. Anbindungsgebot lässt den Umfang der möglichen Ausnahmen ausreichend deutlich erkennen (vgl. BayVGH, B.v. 3.1.2013 – 1 NE 12.2151 – juris).
Entgegen der Meinung der Antragstellerin handelt es sich bei dem vorhandenen Siedlungsareal K., an das das geplante Gewerbegebiet südlich bis südöstlich – getrennt durch die Bundesstraße … – angrenzen soll, um eine zur Anbindung geeignete Siedlungseinheit im Sinne des Landesplanungsrechts. Die Ungeeignetheit ergibt sich entgegen der Antragsschrift weder daraus, dass in einer Teilfläche des Siedlungsareals K. keine Hochbauten vorhanden seien, noch daraus, dass es sich insgesamt um einen Siedlungssplitter im Außenbereich handeln würde. Tatsächlich beurteilt sich die Geeignetheit einer vorhandenen Siedlungseinheit zur Anbindung weiterer Siedlungsflächen nicht unbedingt nach den Kriterien des Bauplanungsrechts. Landesplanerisch steht vielmehr der Gesichtspunkt im Vordergrund, dass durch die Anbindung an vorhandene Siedlungsflächen eine weitere Zersiedelung der Landschaft verhindert werden soll. Unter Siedlungsfläche ist dabei eine solche zu verstehen, die mindestens zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dient (vgl. Begründung zu 3.3. (B) in BayLEP 2013). Das vorhandene Siedlungsareal K. besteht unter anderem aus Wohnhäusern und Gewerbebauten und dient damit dem vorübergehenden Aufenthalt von Menschen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der dort vorhandene westliche Teilbereich mit einer großen Sportanlage (ca. 4 ha Fläche) – nur insoweit sind keine Hochbauten vorhanden – derzeit ungenutzt ist. Mit einer Fläche von weiteren 4 ha ist der Ostteil von K. auch von solcher Größe, dass landesplanungsrechtlich nicht von einer völlig untergeordneten Siedlungsfläche, an die angebunden wird, gesprochen werden kann. Mit einer Fläche von 4,8 ha ist das geplante Gewerbegebiet nicht wesentlich größer als diejenige Fläche, an die angebunden werden soll. Dementsprechend hat die zuständige höhere Landesplanungsbehörde in ihren fachlichen Stellungnahmen im Verfahren auch dargelegt, dass die Planung das landesplanerische Anbindegebot wahrt.
Der Umstand, dass das geplante Gewerbegebiet südlich bzw. südöstlich im Verhältnis zur Siedlungsfläche, an die angebunden werden soll, durch die Bundesstraße … getrennt ist, führt nicht dazu, dass nicht mehr von einer Anbindung im Sinne der Landesplanung gesprochen werden könne. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund der Breite der Verkehrsfläche auf eine trennende Wirkung abstellt, handelt es sich um ein bauplanerisches Kriterium, das hier nicht einschlägig ist. Das Anbindungsgebot der Landesplanung soll unter anderem den Neubau von Erschließungseinrichtungen wie öffentlichen Straßen vermeiden, da diesen ebenfalls zersiedelnder Charakter zukommt. Wenn wie hier durch die Anbindung an eine vorhandene Siedlungsfläche gleichzeitig die Anbindung an eine vorhandene verkehrliche Erschließung sichergestellt wird, kann es nicht darauf ankommen, ob die neue Siedlungsfläche im selben Verhältnis an die verkehrliche Erschließungsanlage angrenzt, wie dies bei der vorhandenen Siedlungsfläche der Fall ist.
d) Schließlich wurden auch denkmalschutzrechtliche Belange ausreichend berücksichtigt. Die Antragstellerin behauptet insoweit ohne weitere Ausdifferenzierung, dass mit der Bauleitplanung gegen die Maßgaben des Denkmalschutzgesetzes im Hinblick auf die im Bereich des Gutes K. existierenden Denkmäler verstoßen werde. Tatsächlich sind hier zwei Baudenkmäler vorhanden. Die Antragsgegnerin hat sich jedoch ausführlich mit der insoweit abgegebenen Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege befasst und ist im Ergebnis von einer Verträglichkeit der Planung mit dem historischen Siedlungskern des Ortsteils K. mit den vorhandenen Baudenkmälern ausgegangen. Sie hat umfassend begründet, warum sie sich insoweit dafür entschieden hat, dem gewerblichen Entwicklungsbedarf höheres Gewicht einzuräumen als der Beibehaltung des vorhandenen Zustands im Denkmalumgriff. Hiergegen ist aus Sicht des Senats unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Vorbelastung der Denkmäler durch die umstehenden Baulichkeiten sowie der Tatsache, dass es zu keiner wesentlichen Einschränkung von noch vorhandenen Sichtachsen und der Wahrnehmbarkeit der Baudenkmäler insgesamt kommt, nichts zu erinnern.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
6. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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