Baurecht

Keine Sperrzeitverkürzung bei ausnahmslos geregelter Betriebszeitenregelung in Baugenehmigung

Aktenzeichen  AN 4 K 15.02408

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GastG GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 18
GastV § 11

 

Leitsatz

Bei einer in der Baugenehmigung verbindlich und ausnahmslos festgesetzten Betriebszeitenregelung besteht kein Raum mehr für eine gaststättenrechtliche Sperrzeitverkürzung. Betriebszeiten bestimmen über § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GastG den Inhalt einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis hinsichtlich des Vorliegens schädlicher Umwelteinwirkungen und haben gegenüber der Sperrzeitenregelung vorrangige Bedeutung (vgl. VGH München Urt .v. 19.8.1991 – Az. 22 BB 88.3570). (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 4 K 15.02408
Im Namen des Volkes
Urteil
24. Februar 2016
der 4. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 0423
Hauptpunkte: keine Sperrzeitverkürzung bei ausnahmslos geregelter Betriebszeitenregelung in Baugenehmigung; Ermessensausübung bei Sperrzeitverkürzungsbescheiden;
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Klägerin –
bevollmächtigt: …
gegen
… Rechtsamt
vertreten durch den Oberbürgermeister …
– Beklagte –
beigeladen: …
bevollmächtigt: …
wegen Gaststättenrechts
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 4. Kammer, durch … und durch den ehrenamtlichen Richter … den ehrenamtlichen Richter … ohne mündliche Verhandlung am 24. Februar 2016 folgendes
Urteil:
I.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Stadt … vom 6. Oktober 2015, soweit er angefochten war, rechtswidrig war.
II.
Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 von Hundert des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klage richtet sich gegen die dem Beigeladenen gewährte Gestattung und die dadurch zu erwartenden Lärmeinwirkungen anlässlich der von ihr veranstalteten Weihnachtsfeier für die Messe …am 04./05. Dezember 2015 in der Zeit von 22.00 Uhr bis 3.00 Uhr sowie die Weihnachtsfeier für … am 11./12. Dezember 2015 in der Zeit von 22.00 Uhr bis 3.00 Uhr im Stadtgebiet der Beklagten.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausanwesens in der …
Die Beigeladene betreibt die Nutzung der … Halle und bietet sie insbesondere als „Eventlocation“ für Veranstaltungen an. Im Internetauftritt wird eine Kapazität von bis zu 1.000 Personen in der Zentralfläche angegeben.
Die … Halle wurde ursprünglich als Dreifachturnhalle errichtet und genutzt. Aufgrund einer Baugenehmigung vom 7. Juli 2003 erfolgte der Umbau zur Markthalle mit einer gewerblichen Nutzfläche von 1.209 m². Für die Nutzung als Markthalle wurde ein Stellplatzbedarf für 21 Kraftfahrzeuge vorgesehen (Auflage A466). In der Betriebsbeschreibung zur Baugenehmigung vom 7. Juli 2003 waren keine Veranstaltungen vorgesehen. Die Genehmigung ordnet an, dass die Öffnungszeiten so zu wählen sind, dass der Parkplatz bis spätestens 22.00 Uhr geleert ist (Auflage A008).
Mit Schreiben vom 3. November 2003 beantragt der damalige Eigentümer die Änderung der Betriebsbeschreibung für die Halle, so dass Veranstaltungen von der Nutzung erfasst werden. Das Antragsschreiben führt aus: „Generell ist angedacht die Halle für verschiedene Zwecke multifunktional und saisonbedingt für Veranstaltungen zu nutzen. Darunter fallen z. B. Events wie Spargelschäl-Wettbewerb, Erntedankfest, Weinprobe, Weihnachts- oder Ostermarkt, Kinderfasching oder ein Sommerfest, Schminkkurs oder Fitnesskurs. Die Aufführung von Konzerten und Theaterstücken ist ebenfalls möglich. Es wird von einer Besucherzahl von ca. 300 Personen ausgegangen“. Im Baugenehmigungsverfahren wurde ein Schallgutachten vorgelegt, das die Auswirkungen der Schallimmissionen der Halle auf die Nachbarschaft untersucht. Dabei geht das Gutachten von einer Nutzung der Halle, auch für Musikveranstaltungen am Wochenende, bei der die Musik um 21.30 Uhr endet, aus. Die Betriebszeit wurde auf die Zeit zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr festgesetzt. Dieses Konzept wurde baulich mit Änderungsbescheid vom 1. März 2004 genehmigt.
Die … Halle und das Anwesen der Klägerin befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … der Beklagten. Die Grüne Halle befindet sich am Rand des Südstadtparks in …, der im Bebauungsplan als Mischgebiet (MI) ausgewiesen wird. Für den Bereich, in der das Anwesen der Klägerin liegt, ist ein Allgemeines Wohngebiet (WA) festgesetzt. Es liegen keine weiteren Gewerbebetriebe in der näheren Nachbarschaft. Laut dem im Genehmigungsverfahren vorgelegtem Schallschutzgutachten existieren in der Nähe der Halle etwa 50 verfügbare Parkplätze der Halle, der Musikschule sowie öffentliche Stellplätze.
Die Beigeladene betreibt in der … Halle das „…“ mit einer gaststättenrechtlichen Genehmigung vom 29. Dezember 2006, geändert mit Bescheid vom 3. Dezember 2009. Das Weinkontor wird im Bescheid als „Imbissbetrieb mit Sitzgelegenheit“ beschrieben. Die Genehmigung umfasst räumlich einen Gastbereich im Weingeschäft, eine Freischankfläche und einen Gastbereich im 1. Obergeschoss nebst einer Freischankfläche auf dem Balkon.
In der Zeit seit März 2004 fanden Veranstaltungen auch über 22.00 Uhr hinaus statt. Deswegen ist es wiederholt zu Beschwerden von Bürgern gekommen. Gegenstand der Beschwerden waren insbesondere die Musiklautstärke, die Geräusche durch nächtliche Lade- und Reinigungsarbeiten in und an der Halle, die Lautstärke der Gäste im Außenbereich, die wild parkenden Kraftfahrzeuge der Besucher der … Halle sowie der durch die abreisenden Besucher verursachte Lärm. In ihrer bisherigen Vollzugspraxis gestattete die Beklagte Veranstaltungen über 22.00 Uhr hinaus mit Einzelfallgenehmigungen. Dabei ging sie auf Grundlage der Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) von einem Kontingent von 18 Veranstaltungen im Jahr aus, bei denen als „seltene Ereignisse“ eine Überschreitung der Lärmgrenzen möglich sei.
Mit Bescheid vom 6. Oktober 2015 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen eine Sperrzeitverkürzung nach § 18 GastG i. V. m. § 11 GastV für fünf einzeln bezeichnete Veranstaltungen in der Grünen Halle. Es wurden folgende Sperrzeitenverkürzungen geregelt:
a) Für die Abschlussfeier der …am 8./9.10.2015 ab 2.00 Uhr,
b) für eine Hochzeitsfeier am 10.10.2015 ab 24.00 Uhr,
c) für eine Hochzeitsfeier am 17.10.2015 ab 24.00 Uhr, sowie
d) für die Weihnachtsfeier der …am 4./5.12.2015 ab 3.00 Uhr und
e) für die Weihnachtsfeier der … am 11./12.12.2015 ab 3.00 Uhr.
In den Auflagen zu dem Bescheid ordnete die Beklagte zum Schutz der Nachbarschaft insbesondere an:
– Es darf nur die in der Halle installierte und eingepegelte Verstärkeranlage einschließlich der zugehörigen Lautsprecher verwendet werden.
– Die Lüftungslamellen und Türen sind während der Veranstaltung geschlossen zu halten.
– Durch Beschilderung, Abflatterung und den Einsatz von Ordnern ist sicherzustellen, dass die Türen an der Westseite der Halle ab 20.00 Uhr, außer im Notfall, nicht mehr genutzt werden.
– Durch organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Besucher der Halle nach 20.00 Uhr nach dem Verlassen der Halle entlang der Nordseite der Halle in die …straße gelangen.
– Ladetätigkeiten im Zusammenhang mit den Veranstaltungen waren an Werktagen nur in der Zeit von 07.00 Uhr bis 20.00 Uhr zulässig.
– Es sind eine ausreichende Zahl an Ordnern, welche als solche für jedermann erkennbar sind, zur Sicherung der Einhaltung der Auflagen bereitzustellen.
-Ab 20.00 Uhr darf die Halle während und nach der Veranstaltung nur über die Türen an der Ostseite (mit Schallschleuse) betreten oder verlassen werden.
Zugleich wurde die sofortige Vollziehung des Bescheids nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet. Zur Begründung führt der Bescheid aus, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten, da die Veranstaltungen demnächst stattfinden würden.
Die Klägerin erhebt mit Schriftsatz vom 30. November 2015, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Klage gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2015.
In der … Halle fänden seit Jahren regelmäßig Veranstaltungen statt, die bis in die Nacht dauern würden. Musikveranstaltungen, die bis 22.00 Uhr angesetzt seien, lösten durch abströmenden Besucherverkehr regelmäßig Lärm bis ca. 23.00 Uhr aus. Aufgrund der wenigen Parkflächen vor der grünen Halle würden Besucher teilweise im Bereich des …parks auf unversiegelten Flächen parken. Neben den Musikveranstaltungen käme es seit ca. 12 Monaten vermehrt zu Veranstaltungen, die bis 24.00 Uhr, bis 1.00 Uhr oder bis 2.00 Uhr Nachts dauern würden und nach diesem Zeitpunkt noch Lärm durch abströmenden Besucherverkehr sowie durch Aufräum- und Putzarbeiten verursachten, die sich mitunter bis 5.00 Uhr hinzögen. Während der Veranstaltungen fände eine kontinuierliche Lärmbelastung der Anwohner statt, da die … Halle zu den angrenzenden Reihenhäusern eine Glasfront aufweise, die den Lärm nicht ausreichend dämpfe. Auf der Westseite der Grünen Halle, also nur durch die …straße vom Anwesen der Antragstellerin getrennt, befinde sich ein Aufenthaltsbereich, der im Sommer mit Sonnenschirmen und ganzjährig mit Sitzgelegenheiten ausgestattet sei. In diesem Bereich hielten sich fast ununterbrochen Raucher auf, konsumierten Getränke und unterhielten sich in einer Lautstärke, dass der Inhalt der Gespräche vom Anwesen der Klägerin aus vernommen werden könne.
Auf Beschwerde der Anwohner hin hätte die Beklagte bei der am 23. Mai 2015 zwischen 19.00 Uhr und 1.00 Uhr stattgefundenen Hochzeitsfeier eine Lärmmessung durchgeführt. Dabei sei in der vom Anwesen der Klägerin benachbarten …ein Überschreiten der zulässigen Höchstwerte um 7 dB(A) und mit 74 dB(A) ein Überschreiten des zulässigen Spitzenpegels von 14 dB(A) gemessen worden. Die Beklagte stelle sich auf den Standpunkt, dass für den Betrieb der Halle die Sportanlagenlärmschutzverordnung einschlägig sei. Dem Betreiber stünden daher an 18 Tagen des Jahres „seltene Ereignisse“ zu, bei denen die Lärmgrenzwerte überschritten werden dürften. Auf Rückfrage habe die Beklagte im August 2015 mitgeteilt, dass 2015 wohl bereits 18 Veranstaltungen mit einem Veranstaltungsende nach 22.00 Uhr stattgefunden hätten und keine weiteren Veranstaltungen mehr vorgesehen werden dürften. In einer Mail-Nachricht am 4. September hätte die Beklagte mitgeteilt, dass für das Jahr bereits 21 Veranstaltungen zu verzeichnen seien, sie aber dennoch eine weitere Ausnahme für eine Hochzeit am 19. September 2015 plane.
Mit streitgegenständlichem Bescheid hätte die Beklagte weitere fünf Ausnahmen erteilt. Von dem Bescheid hätte die Klägerin durch einen Abdruck eines Schreibens der Beklagten an den anwaltlichen Vertreter der Beigeladenen erfahren, in dem ein Auszug aus dem Bescheid wiedergegeben worden sei. Die Beklagte hätte der Beigeladenen gleichzeitig empfohlen, das Veranstaltungsende auf 22.00 Uhr vorzuverlegen und für den Fall der Nichtverlegung das Erstellen eines Lärmminderungskonzepts gefordert. Mit Mailnachricht vom 18. November 2015 sei die Klägerin über die Antwort der Beigeladenen informiert worden.
Die angekündigten Maßnahmen seien nicht geeignet, dass die Anwohner eine einigermaßen ungestörte Nachtruhe haben könnten. Der Abtransport der Gäste mit Bussen bedeute, dass dauerhaft mit Bussen mit laufenden Motoren vor dem Anwesen der Klägerin zu rechnen sei. Ferner sei mit dem Sammeln von Gästen in Gruppen zu rechnen, die sich laut unterhalten und rufen würden. Aufgrund der Parksituation könne nicht damit gerechnet werden, dass eingesetzte Kleinbusse Gäste auf der Ostseite der Halle abholen können. Auch die geplante Nutzung eines etwa 200 m entfernten Parkplatzes scheitere, da dieser regelmäßig belegt sei.
Die Messungen hätten ergeben, dass die Lärmrichtwerte der TA-Lärm für ein allgemeines Wohngebiet sowie auch die zulässigen Spitzenpegel deutlich überschritten seien. Auch eine Zulässigkeit als seltenes Ereignis käme nicht in Betracht, da die entsprechenden Höchstzahlen überschritten seien und man bei einer Weihnachtsfeier auch nicht von einem „seltenem Ereignis im Sinne der Sportanlagenlärmschutzverordnung“ sprechen könne. Die Beklagte hätte bei ihrer Sperrzeitverkürzungsanordnung die Belange der Klägerin außer Acht gelassen und das ihr zustehende Ermessen damit fehlerhaft ausgeübt. Die Beklagte hätte sich bei der Sperrzeitverkürzung von Zielen leiten lassen, die dem wirtschaftlichen Wohlergehen der Beigeladenen zuzuordnen seien. Dies könnten aber nicht mit einem solchen Gewicht in das Ermessen eingestellt werden, dass dadurch das Interesse der Anwohner an dem lebensnotwendigen ungestörten Schlaf aufgewogen werden könne.
Der Kläger lässt seinen Vortrag mit Schriftsätzen vom 7. Januar 2016 und vom 18. Februar 2016 ergänzen. Ein seltenes Ereignis sei nur dann gegeben, wenn die Immissionsrichtwerte von Anlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, nicht eingehalten werden könnten und andernfalls der Zweck des Anlagenbetriebs nicht erreicht werden könnte. Könne der Zweck bei einer bestimmten Betriebsweise ohne Überschreitung der Immissionsrichtwerte, jedoch mit höheren Kosten, erreicht werden, so seien die Voraussetzungen der Nr. 7.2 TA-Lärm nicht gegeben. Hinzu käme, dass im vergangenen Jahr bereits deutlich mehr als zehn Veranstaltungen länger als 22.00 Uhr gedauert hätten.
Die streitgegenständlichen Veranstaltungen hätten sich durch Zeitablauf erledigt. Allerdings sei aufgrund des beabsichtigten Weiterbetriebs der Halle absehbar, dass zukünftig von Seiten der Beigeladenen ähnliche Veranstaltungen stattfinden sollen. Die Klägerin habe daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids. Die Klägerin verfolge darüber hinaus das Ziel, dass die Beklagte baurechtlich ordnungsgemäße Zustände schafft. In Bezug auf das Grundstück, auf dem die streitgegenständliche Halle errichtet ist, sei ein Mischgebiet definiert. Mischgebiete dienten dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlichen stören, § 6 Abs. 1 BauNVO. Das Mischgebiet schließe direkt an ein Allgemeines Wohngebiet an, in welchem das selbstgenutzte Anwesen der Klägerin gelegen sei. Es liege keine Gemengelage i. S. d. Nr. 6.7 TA-Lärm vor, da diese ein gewerblich, industriell oder in der Geräuschentwicklung vergleichbar genutztes Gebiet voraussetze. Ein solches sei mit dem Mischgebiet nicht gegeben. Der Nutzungskonflikt zwischen der Halle und der angrenzenden Wohnbebauung wäre bei der Bauleitplanung zu lösen gewesen. Jedenfalls nicht gelöst sei die Problematik der Stellplätze für Veranstaltungen in der Halle. Es sei nicht ausreichend Platz zum Abstellen von Fahrzeugen vorhanden. Innerhalb eines Mischgebiets seien nur Nutzungen zulässig, die das Wohnen nicht wesentlichen stören würden. Genehmigt sei die Halle lediglich als Versammlungsstätte und daneben eine Gaststättennutzung, die sich nach Kenntnis der Klägerin auf die Nutzung des Cafés am …park beziehe. Jegliche davon abweichende Nutzung sei nicht gebietsverträglich.
Die Klägerin beantragt zuletzt:
Es wird festgestellt, dass der Bescheid vom 6. Oktober 2015 bezüglich der Sperrzeitverkürzung gem. § 18 GastG i. V. m. § 11 GastV im Hinblick auf die am 4. und 11. Dezember 2015 geplanten Veranstaltungen in der … Halle, …, rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das von der Beigeladenen beauftragte Schallschutzgutachten hätte gezeigt, dass ein nächtlicher Betrieb der … Halle allenfalls unter dem Gesichtspunkt sogenannter seltener Ereignisse zugelassen werden könne und wenn zugleich weitere Auflagen eingehalten werden würden. Auf Basis der in Bayern für Freizeitanlagen heranzuziehenden Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) sei der Beigeladenen die Durchführungen von Veranstaltungen in der … Halle an maximal 18 Tagen im Jahr auch zur Nachtzeit ermöglicht worden. Diese Praxis hätte sich nach gewissen Anlaufschwierigkeiten in der Wahrnehmung der Beklagten in den folgenden Jahren bewährt. Insbesondere seien nennenswerte Nachbarbeschwerden bis Anfang 2015 nicht mehr zu verzeichnen gewesen. Infolge der vermehrten Anwohnerbeschwerden ab Anfang 2015 hätte die Beklagte insbesondere Lärmmessungen bei verschiedenen Beschwerdeführern durchgeführt. Diese Messungen hätten gezeigt, dass an den Anwesen …, beide innerhalb des festgesetzten Allgemeinen Wohngebiets liegend, mit Beurteilungspegeln in der Ruhezeit von 47 und 50 dB(A) der maßgebliche Immissionsrichtwert der 18. BImSchV von 50 dB(A) eingehalten würden. Der Immissionswert für seltene Ereignisse in der Nachtzeit (50 dB(A)) werde mit 51 dB(A) knapp überschritten. Bei beiden Messungen seien darüber hinaus Überschreitungen des Spitzenwerts (60 dB(A)) von 14 und 9 dB(A) festgestellt worden.
Aufgrund unangemeldeter Kontrollen in der Folgezeit sowie aufgrund des Auswertens der Mitteilungen der Anwohnerschaft sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auflagen nur ungenügend umgesetzt würden und dass zum Teil ungenehmigte Veranstaltungen mit einem Veranstaltungsende nach 22.00 Uhr stattfänden. Nach Auseinandersetzen mit der Beigeladenen hätte die Beklagte unter Abwägung der Interessen der Anwohnerschaft und dem Interesse der Beigeladenen an einem weiteren wirtschaftlichen Betrieb der … Halle ausnahmsweise den streitgegenständlichen Bescheid erlassen. Die Beigeladene hätte im Vorfeld für das weitere Betriebskonzept der … Halle erklärt, zukünftig auf Hochzeiten verzichten und sich stattdessen auf Betriebsfeiern konzentrieren zu wollen.
Die im Bescheid festgesetzten Auflagen sollten die Anwohner vor schädlichen Umwelteinwirkungen schützen und zugleich einen störungsfreien Abzug der Gäste der jeweiligen Veranstaltung ermöglichen. Die bekannten Beschwerde führenden Anwohner, darunter auch die Klägerin, seien mit Mailnachricht vom 6. Oktober 2015 über den Bescheid informiert worden. Perspektivisch hätte die Beklagte von der Beigeladenen für weitere Veranstaltungen im kommenden Jahr die Vorlage eines Lärmminderungskonzepts verlangt. Dies sei von der anwaltlichen Vertretung der Beigeladenen am 1. Dezember 2015 vorgelegt worden und bilde nach Auffassung der Beklagten eine Grundlage, auf welcher das Einhalten der oben genannten Auflagen sichergestellt werden könne.
Die Beklagte ergänzt ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 12. Januar 2016. Die Beklagte hätte die Einhaltung der behördlichen Auflagen für die Veranstaltungen am 4. und 11. Dezember 2015 wie versprochen durch eigenes Personal überwacht und Lärmmessungen durchgeführt. Verstöße gegen die formulierten Auflagen seien nicht festgestellt worden. Im Außenbereich hätte Sicherheitspersonal für einen reibungslosen Ablauf gesorgt und bei kleineren Lärmereignissen regulierend eingegriffen. Fenster, Türen und Lüftungslamellen der … seien geschlossen geblieben. Nach 20.00 Uhr sei der Publikumsverkehr nur noch über den Hallenzugang an der Ostseite erfolgt. Der Parkplatz der … Halle sei kaum belegt gewesen, im …park selbst hätten keine Fahrzeuge geparkt. Die rauchenden Gäste hätten sich lediglich am Raucherpavillon an der Ostseite der Halle aufgehalten. Der Abzug der Gäste wäre zumeist über Shuttlebusse und Taxen abgewickelt worden, die entsprechend der Einweisung der Sicherheitskräfte mit Schrittgeschwindigkeit entlang der Nordseite der Halle gefahren seien. Die wenigen Gäste, die die Veranstaltungen in kleinen Gruppen zu Fuß verlassen hätten, seien zwar vergleichsweise ruhig, aber bemerkbar gewesen. Die Einfahrt in den …park sei ferner durch Absperrmaßnahmen verhindert worden. Die An- und Abfahrt der Gäste hätte sich nach den Feststellungen des Straßenverkehrsamtes diszipliniert und ruhig gestaltet, das Publikum hätte sich unauffällig verhalten.
Diese Beobachtungen würden auch durch die begleitenden Lärmmessungen bestätigt werden. Die Auswertung der Lärmmessungen sei entsprechend der bisherigen Praxis auf Grundlage der 18. BImSchV erfolgt. Demnach seien die zulässigen Immissionsrichtwerte für die Tagzeit eingehalten worden. Lediglich in der Nachtzeit sei der zulässige Immissionsrichtwert für 40 DB(A) mit 45 dB(A) am 4. Dezember 2015 und 46 dB(A) am 11. Dezember 2015 überschritten worden. Der erhöhte Immissionsrichtwert für seltene Ereignisse sei jedoch eingehalten worden.
Die Beklagte verkenne nicht, dass die Beigeladene sich wohl nicht immer im erforderlichen Ausmaß um die Einhaltung der behördlich festgesetzten Auflagen gehalten und auch Überschreitungen hinsichtlich der Zahl der vereinbarten Veranstaltungen zumindest billigend in Kauf genommen habe. Die Messungen hätten jedoch deutlich gezeigt, dass bei konsequenter Einhaltung von Auflagen die Durchführung von Veranstaltungen in der … Halle aus immissionsschutzrechtlicher Sicht, zumindest im Rahmen seltener Ereignisse, nicht zu beanstanden sei.
Die Beklagte müsse einräumen, dass aufgrund der Zahl der durchgeführten Veranstaltungen mit einem Veranstaltungsende nach 22.00 Uhr im Grunde kein Raum mehr für die Genehmigung weiterer seltener Ereignisse bestanden hätte. Auf Basis der Äußerung der Beigeladenen hätte die Versagung der Veranstaltung womöglich einen weiteren Betrieb der … Halle ernstlich gefährden können. Die Beklagte hätte nach reiflicher Überlegung dieses Risiko nicht eingehen wollen. Insbesondere im Hinblick auf eine ab 2016 beabsichtigte, auf der TA-Lärm beruhende und damit deutlich restriktivere, Zulassungspraxis erschiene die Erteilung von Sperrzeitverkürzungen für die beiden streitgegenständlichen Veranstaltungen gerade noch als akzeptabel.
Die Beklagte sei sich bewusst, dass die bisherige Beurteilung der Lärmsituation aufgrund der stark gastronomischen Prägung dieser Veranstaltungen nicht mehr auf Grundlage der 18. BImSchV möglich sei. Die schalltechnische Beurteilung aufgrund der TA-Lärm räume nach Nr. 7.2 die Möglichkeit ein, seltene Ereignisse, für die wegen voraussehbarer Besonderheiten bei dem Betrieb einer Anlage Überschreitungen der Immissionsrichtwerte an bis zu zehn Tagen oder Nächten eines Kalenderjahres auftreten, zuzulassen.
Bereits die Lärmmessungen der Beklagten im Rahmen der Veranstaltungen am 23. Mai und am 26. Juni 2015 hätten gezeigt, dass die Immissionsrichtwerte für seltene Ereignisse in der Nachtzeit bereits bislang weitgehend sicher hätten eingehalten werden können. Über die bestehenden technischen bzw. organisatorischen Lärmminderungsmaßnahmen hinaus sehe die Beklagte keine weitere Möglichkeiten, beim Hallenbetrieb über 22.00 Uhr hinaus die Emissionen zugunsten der Anwohner zu reduzieren, und auch die Klägerin hätte nichts dementsprechend vorgetragen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte habe über Jahre hinweg Veranstaltungen genehmigt, deren Dauer über die festgesetzte Betriebszeit hinausgegangen sei. Mit Schreiben vom 10. Februar 2012 hätte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen erklärt, ihr bliebe es überlassen, innerhalb eines Kontingents von 18 Tagen, aufgrund der Regelung der 18. BImSchV, Veranstaltungen über 22.00 Uhr hinaus durchzuführen. Ferner habe die Beklagte in demselben Schreiben angemerkt, dass über 22.00 Uhr hinausgehende Veranstaltungen einer Sperrzeitverkürzung bedürften, nachdem der Beginn der Sperrzeit auf 22.00 Uhr festgelegt worden sei. Eine solche Entscheidung nach § 18 GastG i. V. m. § 11 GastV sei eine Ermessensentscheidung der Beklagten. Dieses hätte die Beklagte fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere hätte die Beklagte auch die Belange der Anwohnerschaft berücksichtigt. Das zeigten schon die festgesetzten Auflagen für die Veranstaltungen. Die Messungen der Beklagten hätten gezeigt, dass die maßgeblichen Lärmschutzwerte tagsüber und nachts die Lärmschutzwerte für seltene Ereignisse eingehalten werden würden. Die bauliche Gestaltung der … Halle sei besonders schallschonend. Insbesondere hätte die Beigeladene zahlreiche bauliche Veränderungen zum Schutz der Nachbarschaft ausgeführt. Dazu gehörten etwa eine Schallschleuse am westlichen Haupteingang, die Reduzierung der Kompressoren der Kühlaggregate auf der Nordseite der Halle und der Einbau eines verplombten Pegelbegrenzers in der hauseigenen Beschallungsanlage.
Ergänzend lässt die Beigeladene mit Schriftsatz vom 14. Januar 2016 ausführen: Die Klägerin sei keiner unzumutbaren Lärmbelästigung ausgesetzt gewesen. Die Richtwerte für sogenannte seltene Ereignisse gemäß Ziffer 7.2 der TA-Lärm würden ohne weiteres eingehalten werden. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang aber auch, dass es sich bei den besagten Messwerten um das vorhandene Gesamtgeräusch handele, so dass eine eindeutige Zuordnung zum Betrieb der Beigeladenen insoweit überhaupt nicht möglich sei. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang weiterhin, dass vorliegend die Richtwerte der TA-Lärm nicht schematisch Anwendung finden können, da sich das Grundstück der Klägerin unmittelbar im Grenzbereich zum vorliegenden Mischgebiet befinde, so dass sie grundsätzlich auch eine weniger schutzwürdige Position in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht hätte. In diesem Zusammenhang sei im Übrigen unerheblich, inwieweit im abgelaufenen Jahr 2015 einzelne Veranstaltungen länger als 22.00 Uhr gedauert hätten, nachdem insbesondere keine belastbaren Erkenntnisse dahingehend vorlägen, das sich derartige Veranstaltungen im Einzelfall gegenüber der Klägerin als rücksichtslos erwiesen hätten. Dies gelte umso mehr, als etwaige Immissionen aus dem verfahrensgegenständlichen Mischgebiet (Park) nicht dem Betrieb der Beigeladenen zugeordnet werden könnten, nachdem insbesondere auch durch die Nutzung des Parks im Allgemeinen, sowie die im Park gelegene Musikschule und die ebenfalls dort befindliche Universität, regelmäßig Immissionen verursacht würden, die mit dem Betrieb der Beigeladenen rein gar nichts zu tun hätten. Es sei auch nicht ersichtlich, worin eine „baurechtlich unzulässige Nutzung“ liegen solle. Insoweit sei nochmals darauf hinzuweisen, dass der für das verfahrensgegenständliche Grundstück maßgebliche Bebauungsplan der Stadt … rechtswirksam sei und für das betreffende Grundstück eine Festsetzung MI ausweise, so dass selbstverständlich eine gewerbliche Nutzung wie vorliegend ohne weiteres zulässig sei. Überdies müsse auch die Klägerin gewärtigen, dass der Betrieb der Beigeladenen seit 2004 bestandskräftig genehmigt sei. Ihre hiergegen gerichteten Argumente seien somit nicht entscheidungserheblich. Die Beigeladene hielte sich mit ihren Veranstaltungen an den bestandskräftig genehmigten Umfang. Dies gelte insbesondere auch für die Gaststättennutzung. Die Außenbestuhlung für das Tagescafé im Außenbereich vor der Halle (Westseite) sei ausdrücklich vom Genehmigungsumfang erfasst. Im Übrigen veranstalte die Beigeladene keine Diskotheken oder ähnliches.
Das Verfahren über den mit der Klage gleichzeitig verfolgten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 eingestellt, da die Parteien den Streit insoweit für erledigt erklärt hatten. Die Klage wurde ursprünglich als Anfechtungsklage erhoben. Nach Durchführung der Veranstaltung wurde die Klage mit Schriftsatz vom 7. Januar 2016 auf den jetzigen Feststellungsantrag umgestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da alle Beteiligten im Erörterungstermin am 20. Januar 2016 den Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Oktober 2016 war in den Buchstaben d) und e) rechtswidrig, soweit die Sperrzeit über 22.00 Uhr hinaus verkürzt wurde, er hat die Klägerin auch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Die Beklagte konnte die Betriebszeiten für die am 4. und am 11. Dezember von der Beigeladenen in der …Halle durchgeführten Veranstaltungen nicht mit dem streitgegenständlichen Sperrzeitverkürzungsbescheid über 22.00 Uhr hinaus erweitern. Dem stand bereits die verbindliche Betriebszeitenregelung bis 22.00 Uhr in der Baugenehmigung entgegen. Mit der Betriebszeit ist eine Begrenzung von schädlichen Umwelteinwirkungen bezweckt, vor denen auch die Klägerin als Nachbarin geschützt werden soll.
1. Die Klage ist zulässig.
Die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage war zulässig. Die Klägerin kann sich auf die mögliche Verletzung eines nachbarschützenden Rechts berufen, da in direkter Nachbarschaft zu ihren Anwesen eine Veranstaltung stattfinden sollte und stattfand, durch deren Verlauf Lärm und damit evtl. schädliche Umwelteinwirkungen verursacht wurden. Die drittschützende Wirkung des § 18 Abs. 1 des Gaststättengesetzes (GastG), auf dessen Grundlage die angegriffene Sperrzeitverkürzung verbeschieden wurde, ist insoweit anerkannt (BVerwG U.v. 7.5.1996, Az. 1 C 10/95).
Die Klägerin kann mit der Wiederholungsgefahr ein berechtigtes Interesse an der Fortsetzungsfeststellung nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geltend machen. Die Beklagte hat nicht erklärt, zukünftig auf Bescheide der gleichen Art mit Blick auf eine Regelung von Veranstaltungen in der … Halle nach 22.00 Uhr verzichten zu wollen. Das gilt unabhängig davon, dass die Beklagte nunmehr von einem jährlichen Kontingent von zehn Veranstaltungen ausgeht. Die Beklagte fühlte sich auch im vorliegenden Fall nicht durch das ursprünglich angenommene jährliche Kontingent von 18 seltenen Ereignissen an eine Höchstzahl gebunden. Da der Beigeladene für 2016 wieder entsprechende Veranstaltungen plant, ist mit einer hinreichend konkreten Gefahr der Wiederholung zu rechnen.
2. Der Bescheid der Stadt … vom 6. Oktober 2015 zur Verkürzung der Sperrzeit in den Nächten vom 4. auf den 5. Dezember 2015 über 22.00 Uhr hinaus auf 3.00 Uhr und vom 11. auf den 12. Dezember 2015 über 22.00 Uhr hinaus auf 3.00 Uhr war rechtswidrig und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid wird von der Beklagten gestützt auf § 18 Gaststättengesetz (GastG) und auf den hierzu ergangenen § 11 der bayerischen Verordnung zur Ausführung des Gaststättengesetzes (Gaststättenverordnung – GastV). Demnach kann für einzelne Betriebe bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses die Sperrzeit befristet oder aufgehoben werden.
a) Es lag kein öffentliches Bedürfnis für eine Sperrzeitverkürzung vor. Sie widersprach der baurechtlich festgelegten Betriebszeit bis 22.00 Uhr und löste darüber hinaus im konkreten Fall schädliche Umwelteinwirkungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG aus.
Für das Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses müssen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Leistungen des in Rede stehenden Betriebs während der allgemeinen Sperrzeit in erheblichem Maß in Anspruch genommen werden. Es muss aus Sicht der Allgemeinheit – nicht aus der des an der Verkürzung interessierten Gewerbetreibenden oder Veranstalters – eine Bedarfslücke bestehen. An der erstrebten individuellen Verkürzung der allgemeinen Sperrzeit muss ein öffentliches Interesse bestehen. Es müssen hinreichende Gründe vorliegen, die ein Abweichen von der Regel im Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen. Ein öffentliches Bedürfnis für eine Verkürzung der Sperrzeit liegt daher unter anderem dann nicht vor, wenn zwar tatsächlich ein Bedarf vorhanden ist, seine Befriedigung aber nicht im Einklang mit der Rechtsordnung oder anderen von der Verwaltung zu wahrenden öffentlichen Belangen stünde, also dem Gemeinwohl zuwiderliefe (BVerwG U.v. 7.5.1996, Az. 1 C 10/95 – juris Rn. 26).
Aus diesem Grund ist bei der Frage des Vorliegens eines öffentlichen Bedürfnisses auch zu berücksichtigen, ob die Sperrzeitverkürzung zu schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes führt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG wäre eine gaststättenrechtliche Erlaubnis zu versagen, wenn „der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lässt“. Diese Vorschrift ist bei der Beurteilung eines öffentlichen Bedürfnisses im Rahmen des § 18 Abs. 1 GastG zu berücksichtigen (BVerwG U.v. 7.5.1996, Az. 1 C 10/95 – juris Rn. 27).
(1) Hinsichtlich der schädlichen Umwelteinwirkungen hat die baurechtliche Betriebszeitenregelung eine verbindliche Entscheidung für die Nutzung getroffen, die auch durch eine Einzelfallregelung nur überwunden werden kann, wenn die baurechtliche Betriebszeitenregelung eine Ausnahme eröffnet. Zwar sind Bau- und Gaststättenrecht grundsätzlich unterschiedliche Regelungsbereiche. Diese überschneiden sich jedoch teilweise, insoweit das Gaststättenrecht die baurechtliche Situation mit umfasst. Dann ist die gaststättenrechtliche Entscheidung durch die Baurechtslage vorgegeben.
Eine Sperrzeitverkürzung kommt vorliegend bereits deshalb nicht in Betracht, da die geltende Baugenehmigung vom 1. März 2004 in Auflage A260 ein Betriebszeitende um 22.00 Uhr vorsieht. Bei einer in der Baugenehmigung verbindlich und ausnahmslos festgesetzten Betriebszeitenregelung besteht kein Raum mehr für eine gaststättenrechtliche Sperrzeitverkürzung. Betriebszeiten bestimmen über § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG den Inhalt einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis hinsichtlich des Vorliegens schädlicher Umwelteinwirkungen und haben gegenüber der Sperrzeitenregelung vorrangige Bedeutung (VGH München U.v. 19.8.1991, Az. 22 BB 88.3570).
(2) Letztendlich nicht streitentscheidend ist, dass auch im konkreten Fall schädliche Umwelteinwirkungen vorlagen. Bei sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der TA-Lärm wären die maßgeblichen Lärmgrenzwerte nicht eigenhalten worden. Dies ergibt sich auf Grundlage der von der Beklagten durchgeführten Messungen für die streitgegenständlichen Veranstaltungen. Auf Grundlage dieser Messungen kann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Vergangenheit mit Grenzwertüberschreitungen gerechnet werden, weshalb für den 4. und 11. Dezember auch nicht mit einer Ausnahme als seltenes Ereignis argumentiert werden kann.
Die weiter bestehenden baurechtlichen Fragestellungen können im konkreten Verfahren offenbleiben. Für die … Halle besteht grundsätzlich eine bestandskräftige Baugenehmigung. Es stellt sich aber die Frage, welche Nutzung, insbesondere hinsichtlich Art und Ausmaß, mit dem landesrechtlich geprägten Begriff der Versammlungsstätte überhaupt genehmigt wurde.
b) Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel, ob ein gaststättenrechtlicher Betrieb im Sinne der Vorschrift vorliegt. Aufgrund des fehlenden öffentlichen Bedürfnisses an einer Sperrzeitverkürzung kann diese Frage im Ergebnis offenbleiben.
Gaststättenrechtliche Betriebe im Sinne des § 11 GastV sind Schank- und Speisewirtschaften sowie öffentliche Vergnügungsstätten, da die Verordnung auf Grundlage des § 18 GastG erlassen wurde. Anknüpfungspunkt der Vorschrift ist die Sperrzeit. Damit kommt es auf die gaststättenrechtliche Erlaubnispflicht des Betriebes nach § 2 GastG nicht an.
Die im Erörterungstermin am 20. Januar 2016 vorgelegte gaststättenrechtliche Genehmigung für das Weinkontor kann nicht als Betrieb, dessen Sperrzeit verkürzt werden soll, herangezogen werden. Ausweislich des gaststättenrechtlichen Genehmigungsbescheids vom 29. Dezember 2006, ergänzt durch Bescheid vom 3. Dezember 2009, betreibt das Weinkontor einen gaststättenrechtlichen Betrieb in seinem Geschäftslokal im Erdgeschoss, in dem in einem Gastbereich auch Weinausschank stattfindet, sowie in einem Gastraum im 1. Obergeschoss nebst Freischankfläche im 1. Obergeschoss. Der genehmigte Betrieb wird im Bescheid als „Imbissbetrieb mit Sitzgelegenheit“ bezeichnet. Adressat der gaststättenrechtlichen Genehmigung sowie des streitgegenständlichen Bescheids sind jeweils der Beigeladene. Es lässt sich aber ohne weiteres erkennen, dass das Vorhaben der Vermarktung als Eventlocation für mehrere Hundert Personen etwas qualitativ anderes ist als der Betrieb eines „Imbissbetriebs mit Sitzgelegenheiten“, so dass dieser nicht als Betrieb gesehen werden kann, dessen Sperrzeit verkürzt werden sollte. Ferner haben die Veranstaltungen, allein schon mit Angebot der Zentralfläche für bis zu 1.000 Personen im Innenbereich, ein anderes Raumprogramm als das Wein…
Ob vorliegend ein Betrieb im Sinne des § 11 GastV in der Variante einer öffentlichen Vergnügungsstätte angenommen werden kann, ist zweifelhaft. Eine Vergnügungsstätte ist dann öffentlich, wenn sie an einem jedermann oder einem bestimmten Personenkreis zugänglichem Ort betrieben wird (VGH Baden-Württemberg U.v. 24.9.1999, Az. 14 S 1197/99). Welcher Personenkreis in der streitgegenständlichen Grüne Halle jeweils zugelassen ist, bestimmt sich je nach der konkreten Veranstaltung. Dieses Ausschlussrecht im Einzelfall ist aber gerade das Merkmal einer privaten Einrichtung. Im Ergebnis kann dieser Punkt aber offenbleiben, da er nicht streiterheblich ist.
c) Der streitgegenständliche Bescheid vom 6. Oktober 2015 ist schließlich auch ermessensfehlerhaft. Der Bescheid selbst enthält weder eine Begründung noch eine Ermessensausübung (Ermessensausfall).
Nach § 11 GastV kann die Behörde für einzelne Betriebe bei Vorliegen eines öffentlichen Bedürfnisses die Sperrzeit befristen oder aufheben. Die Anordnung steht damit im Ermessen der Behörde. Ermessensentscheidungen sind vom Gericht nur eingeschränkt hinsichtlich des Einhaltens der gesetzlichen Grenzen des Ermessens nachprüfbar, § 114 Satz 1 VwGO.
Der Sperrzeitverkürzungsbescheid enthält keine Aussagen zur Ausübung des Ermessens. Unter Gründe werden zunächst nur Zuständigkeitsfragen angesprochen. Weiter findet sich eine Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit. Auch die von der Behörde festgesetzten Auflagen stellen keine Ermessensausübung dar. Auflagen stellen nicht selbst eine Ermessensausübung dar, sondern können das Ergebnis einer Ermessensausübung sein. Ohne weitere Ausführungen im Bescheid und Anhaltspunkte in den Akten kann aber aus der Tatsache, dass Auflagen angeordnet wurden, noch nicht geschlossen werden, dass das Ermessen ausgeübt worden ist, zumal sie allgemein für jede Genehmigung (vor-) formuliert sind. Es liegt damit ein Ermessensausfall vor.
Nach § 114 Satz 2 VwGO können Ermessensgründe später, auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, ergänzt werden. Dies ist aber nur solange möglich, bis sich der Bescheid erledigt hat (Stuhlfauth in: Bade /Funke-Kaiser /Stuhlfauth, Verwaltungsgerichtsordnung 6. Auflage 2014, § 114, Rn. 50). Ein Ergänzen von Gründen ist ferner nur dann möglich, wenn sich überhaupt ein Hinweis auf bereits ausgeübtes Ermessen erkennen lässt. Ein nachträglich erstmaliges Ausüben des Ermessens ist kein Anwendungsfall des § 114 Satz 2 VwGO (Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung 29. EL Oktober 2015, § 114 VwGO, Rn. 12e).
Unabhängig davon wären auch die nachträglichen behördlichen Aussagen nicht geeignet gewesen, Grundlage einer fehlerfreien Ermessensentscheidung zu werden. Das Ermessen ist nach Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben. Mit dem Verknüpfen des wirtschaftlichen Interesses der Beigeladenen mit dem Interesse der Bürger insgesamt am Fortbestand der … Halle hat die Beklagte auf gesetzesfremde Erwägung abgestellt, denn bei dem für § 18 Abs. 1 GastG vorausgesetzten öffentlichen Interesse geht es um das Interesse der Bürger an der Dienstleistung während der Sperrzeit (Erbs /Kohlhaas /Ambs, Kommentar zu § 18 GastG, Rn. 8). Darüber hinaus hatte die Beklagte kein stimmiges, jedenfalls kein wirksames, Gesamtkonzept für die Nutzung der Grünen Halle. Der Sperrzeitverkürzungsbescheid wurde erlassen, obwohl das bisherige Konzept für die Hallennutzung von einer jährlichen Höchstanzahl von 18 Veranstaltungen über 22.00 Uhr ausgegangen ist und dieses Kontingent für 2015 bereits erschöpft war. Das von der Beklagten angenommene und bereits ausgeschöpfte Kontingent um eine weitere Ausnahme zu erweitern, obwohl die bisher angenommene Rechtslage mit jährlich 18 Ausnahmeregelungen über 22.00 Uhr hinaus von der Beklagten nunmehr als unzutreffend angenommen wird und ab 2016 nur noch von zehn Ausnahmen ausgegangen wird, ist nicht nachvollziehbar. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Beigeladene auf das Kontingent hätte einstellen müssen, so dass sie gar nicht erst in die wirtschaftlich potenziell belastende Situation einer Veranstaltungsabsage hätte kommen müssen. Für ernstliche Zweifel am wirtschaftlichen Fortbestand der … Halle hat die Behörde weiter keine Feststellungen getroffen.
d) Die Klägerin wurde durch den rechtswidrigen Sperrzeitverkürzungsbescheid in ihren Rechten verletzt. Dem § 18 Abs. 1 GastG kommt hinsichtlich der Berücksichtigung schädlicher Umwelteinwirkung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG drittschützende Wirkung zu (BVerwG U.v. 7.5.1996, Az. 1 C 10/95). Der streitgegenständliche Bescheid war gerade mit Blick auf das Verursachen schädlicher Umwelteinwirkungen rechtswidrig.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 VwGO i. V. m. § 100 ZPO.
4. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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