Baurecht

Keine Verfestigung einer Splittersiedlung durch Ersatzbau

Aktenzeichen  RN 6 K 14.1422

Datum:
21.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 132516
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7

 

Leitsatz

Handelt es sich bei einem geplanten Bauvorhaben um den atypischen Fall eines Ersatzbaus für ein Bestandsgebäude sowie um ein Vorhaben in einer Baulücke, das sich – auch hinsichtlich der Dimensionen – der umliegenden Bebauung unterordnet, so führt es nicht zu einer Zersiedelung und lässt deshalb die Verfestigung einer Splittersiedlung nicht befürchten. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts … vom 1.8.2014 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.
II. Der Beklagte, die Beigeladene zu 1) und der Beigeladene zu 2) tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst und die übrigen Kosten des Verfahrens zu jeweils einem Drittel.
III. Das Urteil ist in Ziff. II gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 1.8.2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zur Neuerrichtung des bestehenden Wohnhauses.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind; die Bauaufsichtsbehörde darf den Bauantrag auch ablehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 BayBO (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) und andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO). Nach diesen Maßstäben ist das Vorhaben des Klägers genehmigungsfähig.
1. Das Vorhaben des Klägers ist planungsrechtlich im Außenbereich zulässig (§ 35 Abs. 2 BauGB).
1.1 Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass das Vorhaben des Klägers nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, also im Außenbereich i.S.v. § 35 BauGB verwirklicht werden soll, da es sich beim Weiler 12 … um eine Splittersiedlung handelt, die nicht das für die Annahme eines Ortsteils notwendige Gewicht besitzt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
1.2 Beim Vorhaben des Klägers handelt es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB, das im Außenbereich unter erleichterten Voraussetzungen zulässig wäre.
1.3 Das Vorhaben ist jedoch als „sonstiges Vorhaben“ gemäß § 35 Abs. 2 BauGB zulässig, weil öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden und die Erschließung gesichert ist.
Öffentliche Belange werden weder durch eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB (dazu unten 1.3.1) noch durch die Befürchtung der Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB (1.3.2) oder durch einen Widerspruch zu Darstellungen des Flächennutzungsplans gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB (1.3.3) beeinträchtigt. Auch sind keine schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu befürchten (1.3.4), die Erschließung ist gesichert (1.3.5).
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Berücksichtigung der genannten Belange des § 35 Abs. 3 BauGB nicht bereits im Hinblick auf die in § 35 Abs. 4 Satz 2 BauGB i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB getroffene Regelung ausscheidet.
Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB können nämlich der Nutzungsänderung eines Gebäudes die oben genannten Belange nicht entgegengehalten werden, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz dient (a), die äußere Gestalt des Gebäudes im Wesentlichen gewahrt bleibt (b), das Gebäude vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden ist (d) und im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes steht (e).
Die Rechtsfolge dieser Regelung wird durch § 35 Abs. 4 Satz 2 BauGB in begründeten Einzelfällen auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinn des Absatzes 1 Nr. 1 angewandt, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist. Vorliegend mag die Anwendung dieser Vorschrift fraglich sein, weil sich nicht mehr zweifelsfrei klären lässt, ob es sich bei dem bestehenden Gebäude um eine ehemalige Hofstelle eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes handelt, wofür der Kläger beweispflichtig wäre.
Auch ohne Anwendung der genannten Normen fehlt es jedoch vorliegend an einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB.
1.3.1 Das Vorhaben des Klägers beeinträchtigt nicht die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Dies wäre vor allem dann der Fall, wenn ein Vorhaben der naturgemäßen Nutzungsweise der Landschaft widerspräche und deshalb an diesem Standort wesensfremd wäre (Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, § 35 Rn. 213). Zwar ist im Außenbereich insbesondere die der Landschaft entsprechende Bodennutzung sowie die der Allgemeinheit zugängliche Erholungsmöglichkeit maßgeblich, jedoch darf der Belang nicht schematisch allen nur denkbaren Außenbereichsvorhaben entgegengehalten werden, erforderlich ist vielmehr stets eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung, in welchem Umfang die jeweilige Landschaft der beschriebenen natürlichen Funktion noch gerecht wird (Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiß, a.a.O., Rn. 214). Dementsprechend liegt eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart dann nicht vor, wenn sich das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1996 – 4 B 120.96 – juris). Eine solche Vorbelastung der Landschaft mit Bauten kann zur Folge haben, dass durch zusätzliche Vorhaben keine Beeinträchtigung eintritt (VGH Mannheim, U.v. 16.8.1990 – 8 S 994.90 – juris). Vorliegend ist das klägerische Grundstück zum einen bereits seit vielen Jahrzehnten durch die vorhandene Bebauung vorgeprägt, so dass weder die Möglichkeit einer Nutzung für Erholungszwecke noch eine anderweitige besondere Schutzwürdigkeit besteht. Zum anderen handelt es sich aber auch gar nicht um eine zusätzliche Bebauung, so dass nicht von einer Verschlechterung für die natürliche Eigenart der Landschaft auszugehen ist, weil letztlich nur ein baufälliges Gebäude durch einen Neubau ersetzt wird.
1.3.2 Das Vorhaben des Klägers lässt auch nicht die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). Da vorliegend eine Splittersiedlung bereits besteht und das Grundstück des Klägers eine Bebauung aufweist, kommt hier allein das Merkmal der Verfestigung einer Splittersiedlung in Betracht. Eine solche unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung ist vorliegend nicht anzunehmen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass auch die Nutzungsänderung eines Gebäudes in ein Wohnhaus oder die Intensivierung einer Wohnnutzung, die die Merkmale einer Nutzungsänderung aufweist, die Verfestigung einer Splittersiedlung darstellen können (BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 35.81 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher die entscheidende Kammer folgt, liegt aber eine Vorbildwirkung, die eine Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lässt, erst dann vor, wenn sich das Vorhaben und weitere nicht zu verhindernde Vorhaben zusammen der Splittersiedlung nicht unterordnen, sondern diese erheblich verstärken würden (BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 13.97 – juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Vorhaben im Zusammenhang mit einer Splittersiedlung nicht schlechthin als Beeinträchtigung öffentlicher Belange zu werten sind, sondern, wie sich aus dem Wortlaut „zu befürchten“ ergibt, nur dann, wenn mit dem Vorhaben ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet oder gar schon vollzogen ist (BVerwG, U.v. 3.6.1977 – 4 C 29.75 – juris; OVG NRW, U.v. 27.2.1996 – 11 A 1897/94 – juris, Rn. 18). Während insbesondere bei der Entstehung oder der Erweiterung einer Splittersiedlung eine starke Vermutung dafür spricht, dass eine solche Zersiedelung eingeleitet wird (OVG NRW, U.v. 27.2.1996, a.a.O., Rn 24), bedarf diese Frage beim Merkmal der Verfestigung einer Splittersiedlung einer besonders eingehenden Prüfung. So rechtfertigt sich die Annahme, dass eine Verfestigung einer vorhandenen Splittersiedlung unerwünscht ist, in der Regel nicht aus sich, sondern bedarf jeweils einer konkreten Begründung, etwa, weil das hinzutretende Vorhaben mit Ansprüchen verbunden ist, deren Befriedigung in der unmittelbaren Umgebung nicht möglich ist oder weil es eine weitreichende oder nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt, die dazu führt, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden (OVG NRW, U.v. 27.2.1996, a.a.O., Rn. 27). Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht Regensburg im Verfahren RN 6 K 88.1057 in seinem Urteil vom 30.1.1990 abgestellt und dazu Folgendes ausgeführt:
„Im vorliegenden Fall ist nach Auffassung des Gerichts von Bedeutung, dass die vorhandene Splittersiedlung sich nicht auf die südöstliche Seite der Zufahrtstraße beschränkt; wäre sie dies, so wäre die Vorbildwirkung verlässlich eingegrenzt, nämlich auf die Bebauung des Grundstücks der (damaligen) Klägerin beschränkt. Wegen des jenseits der Straße vorhandenen Bestandes endet die Vorbildwirkung nicht an der Zufahrtsstraße, sondern setzt sich jenseits dieser in nicht eingrenzbarer Weise fort. Deshalb teilt die Kammer die Auffassung der Behörden, dass die Zulassung eines oder zwei weiterer Häuser die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten ließe.“
Dieser Auffassung schließt sich die entscheidende Kammer an. Sie bedeutet aber in ihrer Konsequenz, dass die Vorbildwirkung durch die mit Bescheid vom 11.8.2005 erfolgte Baugenehmigung eines Wohngebäudes durch den Beklagten auf der jetzigen Fl.Nr. 9 … der Gemarkung … ausgeschöpft ist. Denn weitere Vorhaben auf der nordwestlichen Seite der Zufahrtsstraße werden sich nunmehr wesentlich eher auf die durch den Bescheid vom 11.8.2005 geschaffene Vorbildwirkung berufen als auf den Sonderfall des klägerischen Vorhabens, bei dem noch dazu ein bereits bestehendes baufälliges Gebäude durch einen Neubau ersetzt wird. Hinzu kommt, dass eine Vorbildwirkung im Hinblick auf die bestehende Bebauung auf dem klägerischen Grundstück ohnehin verlässlich eingegrenzt ist. Denn jedem Vorhaben auf einem bislang nicht bebauten Grundstück im Ortsteil 12 … kann – anders als dem klägerischen Vorhaben – entgegengehalten werden, dass es die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt, da etwa auf der nordwestlichen Seite der Zufahrtsstraße die Landschaft ihre Schutzwürdigkeit noch nicht durch Eingriffe eingebüßt hat. Lediglich beim klägerischen Grundstück, das als einziges eine Bebauung aufweist, lässt sich einem Vorhaben dieser Belang nicht entgegenhalten, weil dieses Grundstück – wie unter a) ausgeführt – durch das dort bestehende Gebäude nicht mehr schutzwürdig ist. Aus denselben Gründen teilt das Gericht auch nicht die Befürchtung der Beigeladenen zu 1), auf dem klägerischen Grundstück könnten bis zu drei weitere Bauvorhaben entstehen. Denn einer solchen Entwicklung könnte ebenfalls der Belang der Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft entgegengehalten werden.
Zwar kann – schon im Hinblick darauf, dass aus dem Gleichheitssatz kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht abgeleitet werden kann – nicht die Bezugsfallwirkung für sich allein genommen zum maßgeblichen Kriterium für die Entscheidung der Frage genommen werden, ob eine Außenbereichsbebauung unter dem Gesichtspunkt der Splittersiedlung öffentliche Belange beeinträchtigt (Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, § 35 Rn. 232). Andererseits ist aber eine Prüfung im Einzelfall, ob ein Vorgang der Zersiedelung im konkreten Fall eingeleitet wird, schon deshalb notwendig, weil eine andere Handhabung des § 35 Abs. 2 BauGB letztlich zu einem generellen Bauverbot für „sonstige Vorhaben“ führen würde (OVG NRW, U.v. 27.2.1996, a.a.O., Rn. 18).
Eine solche Einzelfallprüfung führt im vorliegenden Fall nach der Überzeugung der Kammer dazu, dass das Vorhaben des Klägers nicht zu einer Zersiedelung führt. Ausschlaggebend hierfür ist, dass es sich zum einen um den atypischen Fall eines Ersatzbaus für ein Bestandsgebäude, zum anderen um ein Vorhaben in einer Baulücke handelt, das sich – auch hinsichtlich der Dimensionen – der umliegenden Bebauung unterordnet. Nicht zuletzt führt auch die bisherige langjährige und nicht an den rechtlichen Vorgaben orientierte Genehmigungspraxis des Beklagten, zu der im Übrigen die Beigeladene zu 1) durch die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens mit beigetragen hat, dazu, dass eine vom Regelfall deutlich abweichende Konstellation vorliegt.
1.3.3 Das Vorhaben des Klägers steht nicht im Widerspruch zu Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Zwar ist in dem am 23.2.1999 vom Landratsamt … genehmigten „Flächennutzungsplan …“ das Grundstück des Klägers gelb eingefärbt und damit als landwirtschaftliche Nutzfläche dargestellt. Diese Darstellung stand und steht aber nicht in Einklang mit den tatsächlichen Verhältnissen. Vielmehr befindet sich auf dem Grundstück das im Flächennutzungsplan eingezeichnete nicht bewohnbare Haus des Klägers, eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks fand und findet nicht statt. Zwar können Darstellungen eines Flächennutzungsplans auch dann widersprechende öffentliche Belange sein, wenn sie mit der gegenwärtigen tatsächlichen Situation nicht übereinstimmen (BVerwG, B.v. 1.4.1997 – 4 B 11.97 – juris). Jedoch kommt der Darstellung „Flächen für die Landwirtschaft“ auch für die Beurteilung von sonstigen Vorhaben nicht ohne Weiteres eine Bedeutung zu, da diese Darstellungen in bestimmten Fallgestaltungen lediglich zum Ausdruck bringen sollen, dass insoweit die Gemeinde eine bauliche oder sonstige städtebauliche Entwicklung nicht beabsichtigt (Vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1980 – 4 C 79.77 – juris). Zu berücksichtigen ist in diesen Fällen, dass Darstellungen mit einer gewissen „Auffangfunktion“, wie Darstellungen von Flächen für die Landwirtschaft – insbesondere in Gebieten, in denen sich eine Streubebauung oder Splittersiedlung mit überwiegend Wohnzwecken dienenden Gebäuden befindet und eine Beseitigung dieser Gebäude nicht beabsichtigt ist, – nicht auf unmittelbare oder in absehbarer Zeit zu erfolgende Verwirklichung angelegt sind (Söfker: in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 79). Dies gilt insbesondere, wenn, wie hier, für eine bestehende Splittersiedlung nachträglich ein Flächennutzungsplan aufgestellt wird. Im Hinblick auf das zwangsläufig grobe Raster eines Flächennutzungsplans hat es das Bundesverwaltungsgericht in einer derartigen Konstellation für erforderlich gehalten, dass eine Gemeinde mit der Einbeziehung einer Splittersiedlung in die „Fläche für Landwirtschaft“ strikt jegliche Bebauung einschließlich der Schließung eindeutig baulich vorgeprägter Lücken habe verhindern wollen (BVerwG, U.v. 29.10.1982 – 4 C 31/78 – juris, Rn. 7). Sei ein solcher Wille hingegen nicht klar erkennbar, könne jedenfalls einem eine Lücke füllenden Vorhaben die Darstellung als Fläche für die Landwirtschaft nicht als öffentlicher Belang entgegengehalten werden. Gegen eine konkrete Bedeutung der Darstellung für die Landwirtschaft in einer solchen Konstellation spricht zudem, dass häufig auf den solche Lücken innerhalb von Splittersiedlungen darstellenden Flächen sinnvollerweise Landwirtschaft gar nicht mehr betrieben werden kann (Jäde in: Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB, § 35 Rn. 195). So liegt der Fall auch hier. Eine sinnvolle landwirtschaftliche Nutzung des klägerischen Grundstücks scheidet vorliegend sowohl im Hinblick auf die bestehende Bebauung als auch aufgrund der Lage und Größe des Grundstücks aus. Gegen einen im Flächennutzungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen spricht zudem, dass auch alle anderen, in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabengrundstücks befindlichen, bebauten und nicht landwirtschaftlich genutzten Grundstücke einheitlich als landwirtschaftliche Nutzfläche dargestellt sind. Dies gilt sowohl für das südlich des klägerischen Grundstücks gelegene, mit einem (derzeit nicht genutzten) Gasthaus bebauten Grundstück Fl.Nr. 6 …, als auch für die nördlich des klägerischen Grundstücks gelegenen und mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke Fl.Nrn. 2 … und 4 … sowie für weitere bebaute Grundstücke in der Umgebung. Dieses Ergebnis wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass auch dem am 11.8.2005 vom Landratsamt … genehmigten Wohnhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf Fl.Nr. 9 … nicht die Darstellung des Flächennutzungsplans als landwirtschaftliche Fläche entgegengehalten wurde. Schließlich ändert es auch nichts, dass die Beigeladene zu 1) im Erläuterungsbericht unter Ziff. 8.5.10 aufgenommen hat, dass die Ortsteile 13 …, 12 …, 14 … und 15 … derzeit die Merkmale einer Ortschaft im Sinne des § 34 nicht erfüllen und deshalb dort keine Baufläche bzw. kein Dorfgebiet im baurechtlichen Sinne ausgewiesen werden solle. Denn diese Formulierung deutet – entsprechend dem groben Raster eines Flächennutzungsplans – lediglich darauf hin, dass seitens der Gemeinde eine planerische Entwicklung der genannten Ortsteile nicht beabsichtigt ist, über die Zulässigkeit von Einzelvorhaben sagt sie dagegen gerade nichts aus.
Ein anderes Ergebnis lässt sich schon deshalb nicht durch die Darstellung des Grundstücks im Regionalplan als landschaftliches Vorbehaltsgebiet begründen, da die Abgrenzung landschaftlicher Vorbehaltsgebiete im Regionalplan lediglich gebiets- und nicht parzellenscharf erfolgt. Auch insoweit liegt also ein zu grobes Raster vor, um unmittelbare Auswirkungen auf Einzelbauvorhaben begründen zu können.
1.3.4 Das Vorhaben führt auch nicht zu einer Verletzung von nachbarschützenden Rechten, die im baurechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen wären. Insbesondere ist nicht anzunehmen, dass durch das Vorhaben das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme deshalb verletzt sein könnte, weil es gemäß § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Hinweise hierauf ergeben sich auch nicht aus der vom Beigeladenen zu 2) vorgetragenen Frage der Oberflächen- bzw. Niederschlagswasserbeseitigung. Insoweit ist nämlich nicht ersichtlich, weshalb das Vorhaben überhaupt zu einer wesentlichen Änderung der bestehenden Situation beitragen könnte. Denn zum einen ist, wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, eine Überprüfung des Niederschlagswassers erst ab einer bebauten Fläche von 1.000 m² erforderlich, während das vom Kläger beabsichtigte Vorhaben einschließlich der vorgesehenen Garagen lediglich eine Fläche von 189 m² überbaut. Zum anderen ergibt sich schon deshalb keine wesentliche Änderung, da es sich um einen Ersatzbau handelt und das Grundstück bereits jetzt auf einer annähernd ebenso großen Fläche überbaut ist. Da von der Beigeladenen zu 2) nicht dargetan wurde, weshalb trotz einer derart geringfügigen Erhöhung der überbauten Fläche das Bauvorhaben des Klägers zu einer Beeinträchtigung seines Grundstücks führen könnte, war auch der diesbezügliche Beweisantrag der Beigeladenen zu 2) abzulehnen.
1.3.5 Es bestehen keinerlei Hinweise, dass die Erschließung des klägerischen Vorhabens nicht gesichert wäre. Dies gilt insbesondere für die Frage der Abwasserbeseitigung. Denn insoweit kann sich der Kläger auf die ihm durch das Landratsamt … mit Bescheid vom 9.1.2007 erteilte stets widerrufliche beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zum Einleiten des gereinigten Hausabwassers von vier Einwohnerwerten in den Untergrund berufen. Diese ist nach wie vor wirksam und auch die Beklagtenseite hat in der mündlichen Verhandlung keine Zweifel hinsichtlich einer gesicherten Erschließung des klägerischen Vorhabens vorgetragen.
2. Sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften, die im Rahmen des Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 BayBO zu prüfen wären, sind ebenfalls nicht ersichtlich, so dass dem Kläger ein Anspruch auf die beantragte Baugenehmigung zusteht.
II.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Den Beigeladenen zu 1) und 2) waren gemäß § 154 Abs. 3 VwGO Kosten aufzuerlegen, da sie Anträge gestellt haben.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
IV.
Die Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, weil die Voraussetzungen der unerwünschten Verfestigung einer Splittersiedlung in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt sind. Zudem betrifft die Entscheidung einen atypisch gelagerten Einzelfall, so dass eine grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht erkennbar ist.


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