Baurecht

Keine Vorauszahlung auf den Straßenbaubeitrag ohne gültige Ausbaubeitragssatzung

Aktenzeichen  W 3 K 16.1020

Datum:
20.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154246
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5
BayStrWG Art. 46
ABS § 7 Abs. 2, § 13 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 167
ZPO § 708 Nr. 11, § 711

 

Leitsatz

1 Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe fordert ihre Festsetzung das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung (Anschluss an BayVGH BeckRS 2012, 48959).  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Satzungsgeber hat in der Ausbaubeitragssatzung darüber zu entscheiden, wie hoch der Eigentümeranteil und wie hoch der Gemeindeanteil am beitragsfähigen Aufwand sein soll. Dies ist – direkt oder indirekt – als bestimmter Prozentsatz zu bezeichnen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Dabei ist ein besonderer Anteilssatz für die Abrechnung von Grünstreifen als eigene Teileinrichtung von Straßen erforderlich, ebenso wie eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich der Vorteile für die Anlieger und für die Allgemeinheit bei Gehwegen, Radwegen und gemeinsamen Geh- und Radwegen sowie bei den Teileinrichtungen Entwässerung und Beleuchtung. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4 Auf dieser Grundlage hat der Satzungsgeber die entsprechenden Straßenkategorien zu bestimmen und ihnen – differenzierend nach Teileinrichtungen – eine angemessene Eigenbeteiligung der Gemeinde, orientiert an der Inanspruchnahme der Einrichtung durch die Allgemeinheit, zuzuordnen. Hierbei ist dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, für den das Vorteilsprinzip allerdings eine Ober- und eine Untergrenze vorgibt. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamts Aschaffenburg vom 15. September 2016 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 15. September 2016, mit welchem die Beklagte den Kläger als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …1 der Gemarkung Geiselbach zu einer Vorauszahlung auf den Beitrag in Höhe von 5.851,65 EUR für den Ausbau der R* …straße heranzieht.
Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil er sich auf keine wirksame Rechtsgrundlage in Form einer gültigen Ausbaubeitragssatzung stützen kann.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetz (KAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl. S. 264), zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. März 2016 (GVBl. S. 36), können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und den Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch Gemeindestraßen im Sinne des Art. 46 BayStrWG i.d.F. der Bekanntmachung vom 5. Oktober 1981 (BayRS 91-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Mai 2015 (GVBl. S. 154).
Für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen sollen gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG solche Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind.
Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Vorauszahlung ist Art. 5 Abs. 5 KAG, ohne dass es einer ortsrechtlichen Umsetzung durch die gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG erhebungsberechtigte Körperschaft bedürfte. Danach dürfen Vorauszahlungen auf einen Beitrag verlangt werden, wenn – wie hier – mit der Ausführung der Maßnahmen begonnenen worden ist, für die der Beitrag erhoben werden soll.
Aus dem Wesen der Vorauszahlung als einer Zahlung vor Entstehung einer Beitragspflicht und aus der darin begründeten Abhängigkeit von einer künftigen Beitragsschuld nach Grund und Höhe fordert ihre Festsetzung jedoch das Vorhandensein einer gültigen Beitragsregelung in Gestalt einer Abgabesatzung nach Art. 2 Abs. 1 KAG, weil nur so die rechtlichen Voraussetzungen für die spätere Begründung einer Beitragspflicht geschaffen werden können (BayVGH, st. Rspr.; vgl. z.B. U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – BayVBl. 2012, 206 m.w.N.; Ecker, Kommunalabgaben in Bayern, Stand Januar 2014, Nr. 2.7.11.3).
Eine solche Regelung hat die Beklagte mit ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung von Straßen, Wegen, Plätzen, Parkplätzen, Grünanlagen und Kinderspielplätzen vom 4. November 2002, zuletzt geändert mit Satzung vom 24. November 2014, (ABS) geschaffen. Allerdings hält diese einer inhaltlichen Überprüfung nicht stand und erweist sich deshalb als unwirksam, so dass sie keine tragfähige Grundlage für den streitgegenständlichen Bescheid bilden kann. Dies ergibt sich daraus, dass die Ausbaubeitragssatzung hinsichtlich der in ihrem § 7 Abs. 2 festgelegten Gemeindeanteile fehlerhaft ist.
Für die Beteiligung der Gemeinde am Aufwand für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung unter anderem von Straßen schreibt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG vor, dass in der Abgabesatzung eine solche vorzusehen ist, wenn die Einrichtung neben den Beitragspflichtigen nicht nur unbedeutend auch der Allgemeinheit zugutekommt. Nach Art. 5 Abs. 3 Satz 2 KAG muss die Eigenbeteiligung die Vorteile für die Allgemeinheit angemessen berücksichtigen. Satzungen nach Abs. 1 Satz 3 – also solche für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen – haben eine vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen.
Dies bedeutet, dass der beitragsfähige Aufwand ausschließlich auf die Gruppe der Eigentümer und Erbbauberechtigten der an der Anlage gelegenen Grundstücke einerseits und auf die Gemeinde als „Repräsentantin“ der Allgemeinheit andererseits aufzuteilen ist. Denn es liegt auf der Hand, dass eine jede öffentliche Straße nicht nur unbedeutend im Sinn von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 KAG der Allgemeinheit zugutekommt. (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121). Dies bedeutet, dass Eigentümeranteil und Gemeindeanteil zusammengezählt den beitragsfähigen Aufwand ausmachen müssen.
Auf der Grundlage dieser zwingend in der Ausbaubeitragssatzung umzusetzenden Vorschrift hat der Satzungsgeber darüber zu entscheiden, wie hoch der Eigentümeranteil und wie hoch der Gemeindeanteil sein soll. Dies ist – direkt oder indirekt – als bestimmter Prozentsatz zu bezeichnen (Driehaus, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 6). Auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG ist einziges Kriterium für die Aufteilung des beitragsfähigen Aufwandes auf die Grundstückseigentümer und die Gemeinde der „Vorteil für die Allgemeinheit“; dieser muss „angemessen“ berücksichtigt werden. Der Begriff „Vorteil“ meint in diesem Zusammenhang den wirtschaftlichen Vorteil (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.). Dies bedeutet, dass bei der Entscheidung des Satzungsgebers über die Eigenbeteiligung der Gemeinde und damit über die Belastung der Eigentümer der anliegenden Grundstücke „kein Raum für die Beachtung etwa von sozial- oder finanzpolitischen Erwägungen“ (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 4 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, U.v. 29.10.1984 – 6 B 82A.2893 – VGH n.F. 37, 142, 143; U.v. 9.11.2016, 6 B 15.2732 – juris Rn. 45) ist. In diesem Zusammenhang spielt auch die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG eine Rolle, wonach für die Verbesserung und Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden „sollen“. Hiernach ist der Satzungsgeber in der Regel dazu verpflichtet, derartige Beiträge von den Eigentümern und Erbbauberechtigten der bevorteilten Grundstücke zu erheben. Dies gilt zunächst – wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 9. November 2016 (6 B 15.2732 – juris) entschieden hat – für die Frage, ob überhaupt Beiträge für den Ausbau von gemeindlichen Straßen erhoben werden. Die Verpflichtung zur Erhebung von Beiträgen muss jedoch auch in gleichem Maße Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage haben, welcher Anteil des beitragsfähigen Aufwands auf die Grundstückseigentümer und welcher Anteil auf die Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit umzulegen ist. Ist es nämlich dem Satzungsgeber verwehrt, auf der Grundlage etwa sozialpolitischer oder finanzwirtschaftlicher Überlegungen zugunsten der Eigentümer und Erbbauberechtigten der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zur Gänze zu verzichten mit der Folge, dass die in Rede stehenden Mittel von anderen aufgebracht werden müssen oder zur Erfüllung anderer gemeindlicher Aufgaben fehlen (so BayVGH, U.v. 9.11.2016 – 6 B 15.2732 – juris LS 4), muss dies auch für die Bestimmung der Höhe des Anteils der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit gelten. Eine diesbezüglich fehlerhafte Bestimmung dieses Anteils zu Gunsten der Eigentümer der anliegenden Grundstücke kann einem Teil-Verzicht der Gemeinde auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gleich kommen; in diesem Fall ist sie auf der Grundlage des vorgenannten Urteils des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs unzulässig (vgl. hierzu auch Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage, 2012, § 34 Rn. 9 m.w.N.).
Für die Bestimmung der Höhe des Vorteils der von der beitragsfähigen Straßenbaumaßnahme bevorteilten Grundstücke einerseits und der Allgemeinheit, repräsentiert durch die Gemeinde, andererseits unter Berücksichtigung der Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KAG hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 23. Oktober 1984 (6 B 82A.2893 – VGH n.F. 37, 142) Mindestvorgaben gemacht, die insbesondere die in Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG vorgeschriebene „vorteilsgerecht abgestufte“ Eigenbeteiligung in den Blick nehmen. Hiernach hat der Satzungsgeber bei seiner Wertung zu berücksichtigen, ob und inwieweit den Anliegern durch ihre räumliche Beziehung zu der Straße und deren Inanspruchnahme ein Vorteil zuwächst und in welchem Umfang der Vorteil der Allgemeinheit sich hierdurch gegebenenfalls verringert. Entscheidendes Kriterium ist dabei das Maß der zu erwartenden Inanspruchnahme der ausgebauten Straße durch die Anlieger einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits (vgl. auch Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 8). Um dem gerecht zu werden, hat der Satzungsgeber eine sachgerechte Typisierung der Gemeindestraßen vorzunehmen, um deren Verkehrsbedeutung insbesondere für die Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen. Denn die Verkehrsbedeutung ist bei der Abgrenzung zwischen dem individuellen Vorteil des Anliegers und dem Vorteil der Allgemeinheit und bei deren Abwägung gegeneinander das wichtigste Kriterium. In diesem Zusammenhang sieht es der Bayer. Verwaltungsgerichtshof als notwendig an, zumindest drei Straßenkategorien entsprechend der Verkehrsfunktion aufzustellen, nämlich Wohnstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr und Durchgangsstraßen (BayVGH, U.v. 29.10.1984, a.a.O.). Denn die unterschiedliche Verkehrsfunktion der gemeindlichen Straßen bietet einen greifbaren Anhaltspunkt, den Vorteil der Allgemeinheit einzugrenzen. Zumindest bei den drei Grundtypen Anliegerstraße, innerörtliche Erschließungsstraße und Durchgangsstraße (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11: nunmehr in der Regel als Anliegerstraße, Haupterschließungsstraße und Hauptverkehrsstraße bezeichnet) ist, so der Bayer. Verwaltungsgerichtshof (U.v. 29.10.1984 – a.a.O.), die Beurteilung der Verkehrsbedeutung ohne offenkundige Schwierigkeiten zu vollziehen, wobei für die konkrete Einordnung die in der Satzung notwendigerweise enthaltene Beschreibung des jeweiligen Straßentyps heranzuziehen ist. In diesem vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen System ist notwendigerweise eine auf den Grundsätzen der Praktikabilität und der Typengerechtigkeit beruhende gewisse Pauschalierung mit der Tendenz zur Nichtberücksichtigung individueller Besonderheiten enthalten (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 11).
Zu beachten ist weiterhin, dass zusätzlich zwischen den einzelnen Teileinrichtungen zu differenzieren ist (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11; BayVGH, U.v. 29.10.1984 – VGH n.F. 37, 142; U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris). Diese Notwendigkeit ergibt sich aus dem Differenzierungsgebot nach Straßenkategorien gewissermaßen als dessen Kehrseite (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 16). Wie oben ausgeführt, orientiert sich die Vorgabe des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs, zumindest nach den drei Grundtypen von Straßen zu differenzieren, im Kern nur an der Nutzung der Teileinrichtung Fahrbahn. Allerdings sind die unterschiedlichen Teileinrichtungen einer Straße zumindest zum Teil unterschiedlichen Nutzergruppen zugeordnet. Nimmt man beispielsweise Fahrbahn und Gehweg vergleichend in den Blick, werden sich bei Anliegerstraßen bei typisierender Betrachtung keine augenfälligen Unterschiede in der Verkehrsfunktion beider Teileinrichtungen feststellen lassen. Sowohl bei Fußgängern als auch bei Kraftfahrzeugen beherrscht der Ziel- und Quellverkehr das Bild. Stellt man dem die Hauptverkehrsstraße gegenüber, wird deutlich, dass die Funktionen beider Teileinrichtungen auseinanderfallen. Der Durchgangsverkehr wickelt sich mit Kraftfahrzeugen auf der Fahrbahn ab. Dagegen bewegen sich Fernwanderer gewöhnlich nicht auf Gehwegen von Ortsstraßen (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – a.a.O. Rn. 18). Aus diesen Feststellungen folgt, dass im Spannungsfeld zwischen dem Vorteil der Allgemeinheit und dem Vorteil der Anlieger die für die Fahrbahn maßgebenden Abstufungskriterien sich nicht ohne weiteres auf andere Teileinrichtungen übertragen lassen, unterschiedliche Fahrbahnfunktionen die Zweckbestimmung anderer Teileinrichtungen also nicht in vergleichbarer Weise umformen. Vielmehr ist insbesondere bei Gehwegen eine generell, d.h. unabhängig von der Straßenkategorie, vom Anliegerverkehr geprägte Nutzung zu beobachten, die dazu nötigt, Teileinrichtungen von Ortsstraßen, die auf ihrer Fahrbahn vorwiegend örtlichen oder überörtlichen Kraftfahrzeug-Durchgangsverkehr aufnehmen, beitragsrechtlich differenzierend zu betrachten. Damit wird deutlich, dass es beim Differenzierungsgebot nach Teileinrichtungen um den Abgleich derjenigen Vorteilsverschiebungen geht, die die notwendige Abstufung nach der Verkehrsbedeutung der Fahrbahn bewirken, also darum, ob die jeweilige Teil-Einrichtung an der Vorteilsverschiebung teil hat oder ob sie trotz Durchgangsverkehrs auf der Fahrbahn vorwiegend dem Ziel- und Quellverkehr dient (BayVGH, U.v. 16.8.2001, a.a.O. Rn. 19 und Rn. 21).
Dies bedeutet, dass auch ein besonderer Anteilssatz für die Abrechnung von Grünstreifen als eigene Teileinrichtung von Straßen erforderlich ist, ebenso wie eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich der Vorteile für die Anlieger und für die Allgemeinheit bei Gehwegen, Radwegen und gemeinsamen Geh- und Radwegen sowie bei den Teileinrichtungen Entwässerung und Beleuchtung (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 34 Rn. 13; vgl. zur gesamten Problematik auch § 34 Rn. 6 ff., insbesondere Rn. 10).
Auf dieser Grundlage hat der Satzungsgeber die entsprechenden Straßenkategorien zu bestimmen und ihnen – differenzierend nach Teileinrichtungen – eine angemessene Eigenbeteiligung der Gemeinde, orientiert an der Inanspruchnahme der Einrichtung durch die Allgemeinheit, zuzuordnen. Allerdings entziehen sich die aus Straßenbaumaßnahmen erwachsenden Vorteile einer rechnerisch exakten Bemessung von vornherein, sodass nur nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab vorgegangen werden kann (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 14), zumal die Bestimmung des Vorteils der jeweiligen Straßenkategorie gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG die vorteilsgerecht abgestufte Eigenbeteiligung „einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet vorzusehen“ hat.
Damit ist dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen, für den das Vorteilsprinzip allerdings Grenzen, sowohl eine Oberwie auch eine Untergrenze, vorgibt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 8).
Für die entsprechende Vorteilsabwägung hat der Satzungsgeber das Maß der schätzungsweise zur erwartenden Nutzung der Gesamtheit der Straßen der entsprechenden Straßenkategorie im Gemeindegebiet (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KAG) durch die Grundstückseigentümer einerseits und durch die Allgemeinheit andererseits gegenüber zu stellen und auf dieser Grundlage die jeweiligen Anteilssätze zu bestimmen (Driehaus, Erschließungs- und Straßenausbaubeitragsrecht in Aufsätzen, 2. Auflage 2009, Der Gemeindeanteil im Straßenausbaubeitragsrecht, S. 341 ff., 344).
In dieser Hinsicht ist – zunächst bezogen auf die Teil-Einrichtung Fahrbahn – zu beachten, dass der Ziel- und Quellverkehr der angrenzenden Grundstücke das kennzeichnende Moment für den Anliegerverkehr bildet. Demgegenüber dienen Hauptverkehrsstraßen ganz überwiegend dem Durchgangsverkehr, so dass dieser für die Bestimmung des diesbezüglichen gemeindlichen Anteils maßgeblich ist. Damit drängt sich auf, dass sich bei Haupterschließungsstraßen Anlieger- und Durchgangsverkehr in etwa als gleichwertig erweisen (BayVGH, U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 18; U.v. 21.1.1993 – 6 B 90.510 – juris, Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 32). Dabei geht es nicht um rechnerisch exakte Größenordnungen, sondern, wie es dem Grundsatz der Typengerechtigkeit entspricht, um einen Schwerpunkt der Straßennutzung. Allgemein in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Anliegerverkehr im Sinne der genannten Vorschriften nicht allein derjenige Verkehr ist, der von und zu den direkt an der ausgebauten Straße anliegenden Grundstücken fließt; vielmehr ist auf den kleinräumigen Ziel- und Quellverkehr aus dem betreffenden Bauquartier abzustellen. Bei diesem Verkehr aus dem kleinräumigen Umfeld handelt es sich nicht um „durchgehenden innerörtlichen Verkehr“, wie er zur Einstufung als Haupterschließungsstraße oder Hauptverkehrsstraße erforderlich wäre. Er ist vielmehr dem Anliegerverkehr zuzuordnen. Denn in der durch das Gesetz vorgeschriebenen Abstufung der Straßenkategorien ist eine an einem Grobraster orientierte, die Verkehrsunterschiede betonende und daher an die Merkmale kleinräumig, innerörtlich durchgehend und überörtlich durchführend anknüpfende Aufteilung angelegt, die durch eine starr auf die einzelne Einrichtung bezogene Beurteilung verwischt wird (vgl. BayVGH, U.v. 9.2.2012 – 6 B 10.865 – juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 27.7.2012 – 6 ZB 12.796 – juris Rn. 11).
Innerhalb dieses Rahmens schließt der schon oben genannte dem Satzungsgeber zustehende Beurteilungsspielraum nach der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. U.v. 9.9.2015 – 6 A 10447/15 – KStZ 2016, 74, 75) eine geringe Bandbreite (+/- 5 v.H.) mehrerer vertretbarer Vorteilssätze ein, die einen Ausgleich für die insbesondere tatsächliche Unsicherheit bieten soll, welche mit der Bewertung der Anteile des Anliegersowie des Durchgangsverkehrs zwangsläufig verbunden ist.
Die Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages (Thimet, Kommunalabgaben- und Ortsrecht in Bayern, Stand: September 2016, Teil VI Ziff. 2.16) definiert als Anliegerstraßen die Straßen, die ganz überwiegend der Erschließung der Grundstücke dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 1); für diese ist ein für alle Teileinrichtungen einheitlicher Gemeindeanteil in Höhe von 20 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.1). Haupterschließungsstraßen sind definiert als Straßen, die der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienen und nicht Hauptverkehrsstraßen sind (§ 6 Abs. 3 Nr. 2); für diese ist bezüglich der Fahrbahn ein Gemeindeanteil von 50 v.H., für die anderen Teileinrichtungen ein solcher in Höhe von 35 v.H. vorgesehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.2). Hauptverkehrsstraßen sind definiert als Straßen, die ganz überwiegend dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Durchgangsverkehr dienen (§ 6 Abs. 3 Nr. 3); für sie ist ein Gemeindeanteil in Höhe von 70 v.H. (Fahrbahn) bzw. 45 v.H. (sonstige Teileinrichtungen) bestimmt (§ 6 Abs. 2 Nr. 1.3).
Die hierzu vorhandene Rechtsprechung billigt in der Regel – unter anderem auch abhängig von der Definition der einzelnen Straßenkategorien in der konkreten Satzung – bezogen auf die Fahrbahn (anders zum Teil bei den weiteren Teileinrichtungen) bei Anliegerstraßen Gemeindeanteile in Höhe von 20 v.H. bis 40 v.H., bei Haupterschließungsstraßen von etwa 40 v.H. bis 60 v.H. und bei Hauptverkehrsstraßen von 70 v.H. bis 80 v.H. (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Rn. 2121; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 34 Rn. 17; BayVGH, U.v. 4.2.2005 – 6 ZB 02.319 – juris Rn. 21; VG Ansbach, U.v. 14.11.2005 – AN 18 K 04.740 – BeckRS 2005.3411; VG Würzburg, U.v. 23.10.2014 – W 3 K 13.692 – juris). Allerdings wird durchgängig verlangt, dass bei Anliegerstraßen der Anliegeranteil den Gemeindeanteil deutlich übersteigt (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 11 und Rn. 17).
Will der Satzungsgeber signifikant von den Durchschnittswerten abweichen, bewegt sich seine Entscheidung nur dann noch im durch das Vorteilsprinzip vorgesehenen (Bewertungs-)Rahmen, wenn er aufgrund valider Daten ermittelt hat, dass eine Abweichung gerechtfertigt ist (vgl. Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 17).
Die Festsetzung des Gemeindeanteils durch den Satzungsgeber ist ein Akt der gemeindlichen Rechtssetzung. Sie kann deshalb wie jeder andere Gesetzgebungsakt gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob die Gemeinde den durch das Vorteilsprinzip des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KAG gesteckten Rahmen überschritten hat; es handelt sich um eine „ortgesetzgeberische Ermessens- und Gestaltungsentscheidung“ (Driehaus, a.a.O., § 34 Rn. 7 m.w.N.). Dies beruht darauf, dass mangels exakter Berechenbarkeit nur von einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen werden kann, aus dem heraus dem Satzungsgeber ein Bewertungsspielraum zuzubilligen ist, der nicht voll der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die Ermächtigung des Satzungsgebers, einen Spielraum auszuschöpfen, findet ihre rechtliche Grenze erst in den allgemeinen abgaberechtlichen Grundsätzen des Prinzips, dass der Beitrag einen Ausgleich für den Vorteil darstellen muss, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots (BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 10.6.1981 – 8 C 15.81 – BVerwGE 62, 300, 302; vgl. zu Bewertungsspielräumen der Verwaltung allgemein auch Rennert in Eyermann, VwGO, Kommentar 14. Auflage 2014, § 114 Rn. 51 ff.).
Auf dieser rechtlichen Grundlage und innerhalb des dem Gericht zustehenden Überprüfungsrahmens ergibt sich, dass die Beklagte mit ihrer Ausbaubeitragssatzung den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat.
Die Beklagte hat in § 7 Abs. 3 ABS insgesamt fünf verschiedene Straßenkategorien festgelegt und ihnen in § 7 Abs. 2 ABS bestimmte Eigenbeteiligungen der Gemeinde zugeordnet. Die Definition der Straßenkategorien entspricht insoweit dem oben zitierten Wortlaut der Mustersatzung des Bayer. Gemeindetages.
§ 7 Abs. 2 ABS enthält u.a. folgende Eigenbeteiligungen:
1.1 Anliegerstraßen
a) Fahrbahn 40 v.H.
b) Radwege 40 v.H.
c) Gehwege 30 v.H.
d) gemeinsame Geh- und Radwege 30 v.H.
e) unselbständige Parkplätze 30 v.H.
f) Mehrzweckstreifen 30 v.H.
g) Beleuchtung und Entwässerung 40 v.H.
h) unselbständige Grünanlagen 50 v.H.
1.2 Haupterschließungsstraßen
a) Fahrbahn 60 v.H.
b) Radwege 60 v.H.
c) Gehwege 40 v.H.
d) gemeinsame Geh- und Radwege 40 v.H.
e) unselbständige Parkplätze 40 v.H.
f) Mehrzweckstreifen 40 v.H.
g) Beleuchtung und Entwässerung 60 v.H.
h) unselbständige Grünanlagen 50 v.H.
1.3 Hauptverkehrsstraßen
a) Fahrbahn 80 v.H.
b) Radwege 80 v.H.
c) Gehwege 50 v.H.
d) gemeinsame Geh- und Radwege 50 v.H.
e) unselbständige Parkplätze 50 v.H.
f) Mehrzweckstreifen 50 v.H.
g) Beleuchtung und Entwässerung 70 v.H.
h) unselbständige Grünanlagen 50 v.H.
Unabhängig von der Frage nach der Überschreitung des dem Satzungsgeber durch das Vorteilsprinzip vorgegebenen Rahmens durch die vorgenommene Differenzierung hinsichtlich der Teileinrichtungen erscheint es fraglich, ob allein schon diese Eigenbeteiligungen an sich den gesetzgeberischen Rahmen überschreiten. Das vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof festgelegte System definiert – orientiert an der Teileinrichtung Fahrbahn – Anliegerstraßen als „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken, Hauptverkehrsstraßen als „ganz überwiegend“ dem durchgehenden innerörtlichen und/oder überörtlichen Verkehr und Haupterschließungsstraßen als der Erschließung von Grundstücken und gleichzeitig dem durchgehenden innerörtlichen Verkehr dienend. Damit drängt es sich auf, den Begriff „ganz überwiegend“ hinsichtlich Anliegerstraßen und Hauptverkehrsstraßen identisch zu verstehen. Wird aber für eine „ganz überwiegend“ der Erschließung von Grundstücken dienende Anliegerstraße (jeweils bezogen auf die Teileinrichtung Fahrbahn) zu 60 v.H. von den Anliegern finanziert und zu 40 v.H. von der Gemeinde, demgegenüber eine „ganz überwiegend“ dem Durchgangsverkehr dienende Hauptverkehrsstraße aber nicht „spiegelbildlich“ zu 40 v.H. von den Anliegern und zu 60 v.H. von der Gemeinde, sondern zu 20 v.H. von den Anliegern und zu 80 v.H. von der Gemeinde, erscheint es zweifelhaft, ob hierin noch ein willkürfreies Vorgehen erkennbar ist.
Ob allerdings diese „Schieflage“ des Systems zu Gunsten der Grundstückseigentümer und zu Lasten der Gemeinde als Repräsentantin der Allgemeinheit für sich genommen schon dem von Art. 5 Abs. 3 KAG vorgegebenen Vorteilsprinzip widerspricht, kann offenbleiben; denn im vorliegenden Fall führt die fehlerhafte Differenzierung zwischen den Teileinrichtungen zur Nichtigkeit der Ausbaubeitragssatzung.
Die Eigenbeteiligung des Beklagten bei der Teileinrichtung Unselbständige Grünanlagen beträgt sowohl im Rahmen von Anliegerstraßen als auch von Haupterschließungsstraßen und von Hauptverkehrsstraßen durchgängig 50 v.H. Dies stellt einen Verstoß gegen das oben dargestellte Differenzierungsgebot dar; denn auch die Teileinrichtung Selbständige Grünanlagen bietet der Allgemeinheit unterschiedliche Vorteile je nachdem, in welchem Maß diese die Anlage bzw. deren Teileinrichtungen nutzt.
Hinsichtlich der Teileinrichtung Unselbständige Grünanlagen – um eine solche handelt es sich, wenn der Pflanzung nach Umfang und Intensität eine selbständige Bedeutung zukommt (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 33 Rn. 21) – kommt es nicht darauf an, ob durch die Begrünungsmaßnahme in verkehrstechnischer Hinsicht eine Verbesserung erzielt wird. Denn die Bedeutung einer Straße erschöpft sich nicht allein in ihrer Verkehrsfunktion für den Kraftfahrzeugverkehr. Vielmehr haben Straßen darüber hinaus auch noch eine Aufenthalts-, Kommunikations- und Erholungsfunktion für Fußgänger und Radfahrer. So gesehen bewirken die Anlegung von Grünzonen sowie Busch- und Baumpflanzungen für die Straßenbenutzer erhebliche Verbesserungen z.B. durch bessere Straßenraumgestaltung, Verbesserung des Kleinklimas, durch Schutz vor Überhitzung und Austrocknung, durch Sauerstoffproduktion und durch Staub- und Geräuschminderung (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: Januar 2016, Nr: 2045 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 24.4.1989 – KStZ 90, 92).
Dient aber die Teileinrichtung Unselbständige Grünanlage allen Nutzern der gesamten Anlage, muss hinsichtlich der Eigenbeteiligung der Gemeinde zwingend hinsichtlich der Verkehrsbedeutung differenziert werden. Dies ist vorliegend nicht der Fall und dies führt zunächst zur Teilnichtigkeit der Ausbaubeitragssatzung hinsichtlich § 7 Abs. 2 Ziffer 1.1 Buchst. h), Ziffer 1.2 Buchst. h) und Ziffer 1.3 Buchst. h).
Fehlerhaft auf der Grundlage des Differenzierungsgebots sind auch die Regelungen zur Eigenbeteiligung der Gemeinde an den Teileinrichtungen Radweg, Gehweg und gemeinsamer Geh- und Radweg, die wie folgt gestaltet sind:
Teileinrichtung
Anliegerstraße
Haupterschließungsstraße
Hauptverkehrsstraße
Radweg
40 v.H.
60 v.H.
80 v.H.
Gehweg
30 v.H.
40 v.H.
50 v.H.
gemeinsame Geh- und Radwege
30 v.H.
40 v.H.
50 v.H.
Während die Eigenbeteiligung bei der Teileinrichtung Radweg also derjenigen bei der Teileinrichtung Fahrbahn gleichgestellt ist, weicht die Eigenbeteiligung bei der Teileinrichtung Gehweg hiervon signifikant nach unten ab. Hiermit bringt der Satzungsgeber zum Ausdruck, dass seiner Einschätzung nach auf den Straßen der Beklagten der Radverkehr prozentual einen höheren Durchgangsanteil aufweist als der Fußgängerverkehr. Werden beide Verkehre auf einer gemeinsamen Teileinrichtung – dem gemeinsamen Geh- und Radweg – vereint, ist es zwingend, nochmals zu differenzieren und hinsichtlich des Gemeindeanteils beide Verkehrsarten entsprechend zu berücksichtigen. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt; denn die Anliegeranteile für die Teileinrichtung gemeinsamer Geh- und Radweg sind identisch mit denen für die Teileinrichtung Gehweg. Der nach Ansicht des Satzungsgebers höhere Anteil am Durchgangsverkehr bei Radfahrern wurde hier nicht berücksichtigt.
Hierdurch wird das Differenzierungsgebot verletzt, denn die Höhe des Anteilssatzes für jede Straßenart und Teileinrichtung muss sich in das System der für die anderen Straßenarten bzw. Teileinrichtungen gewählten Anteilssätze einfügen. Die Anteilssätze müssen vorteilsgerecht aufeinander abgestimmt sein (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 34 Rn. 14 m.w.N.).
Dieser Verstoß gegen das Differenzierungsgebot bewegt sich jenseits des der Beklagten zustehenden Beurteilungsspielraums, denn der von den einzelnen Beitragspflichtigen erhobene Beitrag stellt damit nicht mehr einen Ausgleich für den aus der (Teil-)Einrichtung wachsenden Vorteil dar und ist somit willkürlich. Dies führt zur Teilnichtigkeit von § 7 Abs. 2 Ziffer 1.1 Buchst. b), c) und d), Ziffer 1.2 Buchst. b) c) und d) sowie von Ziffer 1.3 Buchst. b), c) und d) ABS.
Fehlerhaft auf der Grundlage des Differenzierungsgebotes sind darüber hinaus auch die Regelungen zur Beleuchtung und Entwässerung. Sowohl die Teileinrichtung Beleuchtung als auch die Teileinrichtung Entwässerung dient sowohl dem Fahrverkehr auf der Fahrbahn als auch dem Fußgängerverkehr auf dem Gehweg als auch dem Radverkehr auf dem Radweg bzw. dem gemeinsamen Geh- und Radweg. Insofern haben diese Teileinrichtungen nicht an der Vorteilsverschiebung durch die unterschiedliche Verkehrsbedeutung der Fahrbahn im selben Maße teil. Dem wird die Differenzierung in § 7 Abs. 2 Ziffer 1.1 Buchst. g), Ziffer 1.2 Buchst. g), Ziffer 1.3 Buchst. g) ABS nicht gerecht. Denn im Bereich der Anliegerstraßen beträgt der Gemeindeanteil bei den Teileinrichtungen Fahrbahn und Beleuchtung/Entwässerung jeweils 40 v.H. Bei Haupterschließungsstraßen beträgt er für die genannten Teil-Einrichtungen jeweils 60 v.H., obwohl der Gemeindeanteil für die weiteren Teileinrichtungen Gehwege, gemeinsame Geh- und Radwege, unselbständige Parkplätze, Mehrzweckstreifen und Unselbständige Grünanlagen gegenüber dem Gemeindeanteil hinsichtlich der Fahrbahn abgesenkt ist. Dienen aber die Teileinrichtungen Beleuchtung und Entwässerung auch den anderen genannten Teileinrichtungen und nicht nur der Teileinrichtung Fahrbahn, muss hier entsprechend differenziert werden. Bei Hauptverkehrsstraßen liegt der Gemeindeanteil für die Fahrbahn bei 80 v.H., für die Teileinrichtungen Beleuchtung und Entwässerung bei 70 v.H., für die Teileinrichtungen Gehwege, gemeinsame Geh- und Radwege, unselbständige Parkplätze, Mehrzweckstreifen und unselbständige Grünanlagen bei 50 v.H. und damit deutlich darunter. Hieraus ergibt sich, dass hinsichtlich dieser Teileinrichtungen keine homogene Regelung vorliegt, die dem Gebot der angemessenen Differenzierung ausreichend Rechnung trägt. Dies führt zur Teilnichtigkeit von § 7 Abs. 2 Ziffer 1.1 Buchst. g), Ziffer 1.2 Buchst. g) und Ziffer 1.3 Buchst. g) ABS.
All dies führt zur Gesamtnichtigkeit der Ausbaubeitragssatzung. Die Abgrenzung, ob ein materieller Satzungsmangel zur Teilnichtigkeit oder Gesamtnichtigkeit einer Abgabesatzung führt, orientiert sich an dem auch im öffentlichen Recht, speziell im Satzungsrecht geltenden Grundsatz der „Teilnichtigkeit“ zivilrechtlicher Willenserklärungen nach § 139 BGB. Eine Abgabesatzung ist dann insgesamt nichtig, wenn die nichtige Regelung mit den übrigen Bestimmungen so verflochten ist, dass sie eine untrennbare Einheit bilden, die nicht in einzelne Bestandteile zerlegt werden kann, wenn es wegen der Teilnichtigkeit einer Regelung an einem für die ganze Satzung unerlässlichen Bestandteil fehlt oder wenn anzunehmen ist, dass bei objektiver, am Sinn und Zweck der Norm orientierter Betrachtungsweise die gesamte Regelung ohne die nichtige Teilregelung so nicht getroffen worden wäre (BayVGH, U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890 – juris Rn. 35 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Denn mit dem Wegfall der Regelungen in § 7 Abs. 2 Ziffer 1.1 Buchst. b), c), d), g) und h), Ziffer 1.2 Buchst. b), c), d), g) und h) und Ziffer 1.3 Buchst. b), c), d), g) und h) ABS ist keine Bestimmung des Eigenanteils der Beklagten mehr möglich und damit auch keine Bestimmung des Anteils der betreffenden Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten und demzufolge die Höhe der sie betreffenden Beitragspflicht. Damit führt die Teilnichtigkeit der genannten Regelungen zur Gesamtnichtigkeit dieser Satzung.
Ein Rückgriff auf die Ausbaubeitragssatzung vom 7. Oktober 1983 scheitert bereits daran, dass die Beklagte durch § 13 Abs. 2 ABS klargestellt hat, dass die Vorgängersatzung außer Kraft treten soll. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinderat dies vom wirksamen Neuerlass der Ausbaubeitragssatzung abhängig machen wollte. Die Beklagte hat durch den Neuerlass ihrer Satzung vielmehr klargestellt, dass sie kein Interesse mehr an der Gültigkeit der Vorgängersatzung aus dem Jahr 1983 hat (vgl. BayVGH, U.v. 16.8.2001 – 6 B 97.111 – BayVBl 2002, 734/736).
Liegt aber dem angegriffenen Bescheid vom 20. Januar 2016 keine wirksame Rechtsgrundlage in Gestalt einer gültigen Abgabesatzung zugrunde, erweist sich dieser Bescheid schon deshalb als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ohne dass es auf die sonstigen Einwendungen des Klägers ankäme. Der Bescheid vom 20. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Aschaffenburg vom 15. September 2016 ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO aufzuheben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben