Baurecht

Klage auf Erteilung eines Bauvorbescheides für ein Boardinghouse

Aktenzeichen  M 1 K 20.398

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39076
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 71
BauGB § 14 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BayDSchG Art. 6
BauNVO § 6, § 12 Abs. 1, § 16 Abs. 2, § 23

 

Leitsatz

1. Bei einer faktischen Baulinie muss auf einer (gedachten) Linie unmittelbar angebaut worden sein, ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen darf nur ausnahmsweise und in geringfügigem Ausmaß vorhanden sein. Eine Baulinie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie durchgehend eingehalten wird. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Boardinghaus ist in einem faktischen Mischgebiet zulässig. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Sinn und Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 2 BayDSchG sollen Denkmäler in Bayern möglichst unverändert erhalten werden. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Genehmigungsbehörde muss eine eigene denkmalschutzrechtliche Ermessensentscheidung treffen und eine Abwägung vornehmen und darf nicht ohne eigene Prüfung eine Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege übernehmen. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids vom 30. November 2017 den Vorbescheidsantrag vom 23. September 2016 hinsichtlich der Fragen Nrn. 1 bis 3 positiv zu verbescheiden. Im Übrigen wird die Klage im Hauptantrag abgewiesen und die Beklagte verpflichtet, den Vorbescheidsantrag vom 23. September 2016 hinsichtlich der Frage Nr. 4 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.  
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu 3/4, die Beklagte zu 1/4 zu tragen. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger darf die Vollstreckung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids gem. Art. 71 Satz 1, 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO hinsichtlich der Vorbescheidsfragen Nrn. 1. – 3. Die negative Beantwortung dieser Fragen ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Im Hinblick auf die Frage Nr. 4. war die Klage im Hauptantrag abzuweisen, da kein Anspruch des Klägers auf positive Beantwortung dieser Frage besteht. Jedoch hat der Kläger einen Anspruch auf Neuverbescheidung der Vorbescheidsfrage Nr. 4 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung eines Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Geklärt werden können solche Fragen, die in einer Baugenehmigung zu entscheiden sind. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einer baulichen Anlage gehört ebenso wie denkmalschutzrechtliche Aspekte im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zum Prüfungsmaßstab und sind damit auch zulässiger Gegenstand eines Vorbescheidsverfahrens (Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO, §§ 29 ff. BauGB; Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. Art. 6 BayDSchG).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 BauGB, da sich das Vorhabengrundstück innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile befindet (sog. unbeplanter Innenbereich). Zwar wurde ein Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan gefasst, dieser ist jedoch noch nicht in Kraft getreten. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf positive Beantwortung der Vorbescheidsfrage Nr. 1. Diese Frage ist nach Klarstellung durch die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung dahingehend auszulegen, dass sie sich nur auf das Einfügen des Maßes sowie der überbaubaren Grundstücksfläche der geplanten Nutzung in die nähere Umgebung bezieht.
a. Das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der Nutzung ein. Maßgeblicher Beurteilungsrahmen für das Vorhaben ist die nähere Umgebung. Berücksichtigt werden muss die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und andererseits sich diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken kann (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 m.w.N.). Wie weit diese wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist.
Als maßgebliche nähere Umgebung ist nach Auffassung der Kammer im Norden die Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 871/10 bis zum Grundstück FlNr. 871/9 heranzuziehen, sodann die westlich entlang der … Haupt straße liegende Bebauung bis hin zur FlNr. 883 und die nördlich vom … liegende Bebauung bis hin zum Einzelbaudenkmal auf FlNr. 881.
Abzustellen ist auf die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Ihre absolute Größe nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bebauung zusätzlich auch ihr Verhältnis zur Freifläche, prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des Maßes der baulichen Nutzung an (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17 m.w.N.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 34 Rn. 40). Demgegenüber müssen die anderen Maßfaktoren wie Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl zurücktreten und können nur in begrenzter Weise als Auslegungshilfen hinzugezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92 – juris Rn. 12). Das auf dem Vorhabengrundstück geplante Einfamilienhaus weist eine Grundfläche von 221,78 m² auf. Es ist mit einem Erdgeschoss, einem Obergeschoss und einem Dachgeschoss geplant. Die Wandhöhe beträgt 6,35 m, die Firsthöhe 11,49 m.
Das geplante Einfamilienhaus fügt sich hinsichtlich seiner Geschossigkeit und Höhe in die nähere Umgebung ein. So weisen die Gebäude auf den Grundstücken FlNr. 871/4 und 874 in der prägenden Umgebung ebenfalls eine Geschossigkeit von E+1+D auf. Ferner weisen mehrere Gebäude (FlNr. 882, 875/2) eine ähnliche oder höhere Firsthöhe als das geplante Bauvorhaben mit einer Firsthöhe von 11,49 m auf. Das Vorhaben fügt sich auch hinsichtlich der Grundfläche in die Umgebung ein. Betrachtet man ausschließlich die Grundfläche des geplanten Gebäudes im Vergleich zur Nachbarbebauung, so ist diese merklich kleiner als deren Grundflächen, wie z. B. auf den Grundstücken FlNr. 875/2, 882, 875/1 und 874. Ebenso fügt sich das Vorhaben im Hinblick auf die umliegenden Freiflächen ein. Die Umgebungsbebauung weist keine homogenen Grundstücksgrößen auf; vielmehr variieren die Grundstücke hinsichtlich ihrer Zuschnitte stark.
Auf die in § 16 Abs. 2 BauNVO genannten Kriterien, wie Geschoß- und Grundflächenzahl, kommt es nach oben Ausgeführtem nicht an. Auf diese Kriterien kann es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen des § 34 BauGB nur dann ankommen, wenn es z. B. um die (Neu-)Errichtung eines Gebäudes in einer Baulücke in einem in offener Bauweise bebauten Gebiet mit nach Größe und Zuschnitt gleichen Grundstücken geht, weil hier die Baudichte und damit das Verhältnis von Geschossfläche und unbebauter Fläche auf den einzelnen Baugrundstücken aus der in der Nachbarschaft vorhandenen Bebauung ohne größere Schwierigkeiten ablesbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18/92 – juris Rn. 12). Die Umgebungsbebauung und die Grundstücksgrößen der maßgeblichen näheren Umgebung erweisen sich jedoch als uneinheitlich und inhomogen, so dass die Kriterien des § 16 Abs. 2 BauNVO nicht zur Anwendung kommen.
Auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. § 23 BauNVO) fügt sich das Bauvorhaben ein. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist eine faktische Baulinie i.S.v. § 23 Abs. 2 BauNVO im Umgriff des klägerischen Grundstücks nicht erkennbar. Bei Vorliegen einer faktischen Baulinie muss entsprechend dieser Vorschrift auf einer (gedachten) Linie unmittelbar angebaut worden sein, ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen darf nur ausnahmsweise und in geringfügigem Ausmaß vorhanden sein. Eine Baulinie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie durchgehend eingehalten wird (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – BauR 1999, 233, 234). Die nähere Umgebung zum Grundstück des Klägers zeichnet sich vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den einschlägigen Katasterauszug und die beim Augenschein gewonnenen Erkenntnisse eher durch eine uneinheitliche Bauweise aus. Insbesondere besteht die von der Beklagten genannte faktische Baulinie entlang der westlichen Seite des Gebäudes auf dem Grundstück FlNr. 874 hin zu dem neu geplanten Bauvorhaben nach Auffassung des Gerichts nicht. Eine faktische Baulinie kann sich nur aus der bereits vorhandenen Bebauung ergeben. Eine gedachte Linie entlang der westlichen Seite des Gebäudes auf der FlNr. 874 besteht jedoch nicht, da nur ein einziges Gebäude bislang auf der gedachten Linie steht und sich aus einem einzigen Gebäude keine faktische Baulinie ergeben kann.
b. Die am 20. Mai 2020 beschlossene Veränderungssperre steht dem Vorhaben nicht entgegen, weil diese unwirksam ist.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre lagen bei der Entscheidung über die Satzung im Stadtrat nicht vor.
Die Veränderungssperre ist nicht aus formell-rechtlichen Gründen unwirksam. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans und der Beschluss über die Veränderungssperre in derselben Stadtratssitzung gefasst wurden (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.1989 – 4 B 236.88 – ZfBR 1989, 171 – juris Ls. 1).
Die Veränderungssperre ist jedoch materiell unwirksam. Der in Aufstellung befindliche Bebauungsplan ist nicht sicherungsfähig, weil die Planungsabsichten der Beigeladenen nicht hinreichend konkretisiert sind.
Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre beschließen, wenn ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplanes gefasst ist. Eine Veränderungssperre ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zur Sicherung der Planung nur gerechtfertigt, wenn der Planaufstellungsbeschluss ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll, das heißt, eine hinreichende Konkretisierung der Planungsabsichten vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2013 – 4 BN 7.13 – juris Rn. 3; B.v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 – BauR 2011, 481 – juris Rn. 6). Das für den Erlass einer Veränderungssperre erforderliche Mindestmaß der künftigen Planung kann anhand § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB bestimmt werden. Danach kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind. Daraus folgt, dass das Mindestmaß an Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, zugleich geeignet sein muss, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat (vgl. BVerwG, B.v. 1.10.2009 – 4 BN 34.09 – juris Rn. 9). Hierfür ist es grundsätzlich erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 bis 2a BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat (vgl. BVerwG, U.v. 30.8.2012 – 4 C 1.11 – juris Rn. 12).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die Planungsabsichten der Beklagten nicht ausreichend konkret, um sie mit einer Veränderungssperre abzusichern. Aus der Begründung zum Aufstellungsbeschluss lässt sich nicht entnehmen, was die Beklagte auf dem beplanten Gebiet verwirklichen möchte. Es wird darin zwar ausgeführt, welche Ziele aus dem erarbeiteten Rahmenplan, der am 30. Oktober 2019 einstimmig beschlossen wurde, abgeleitet werden (u.a. Sicherung des Umfelds der Kirche, Klärung und Verbesserung der Verkehrs- und Parkplatzsituation, Schaffen von Wohnmöglichkeiten) und worin die Notwendigkeit für die Aufstellung eines Bebauungsplans besteht (dringender Handlungsbedarf, um bauliche Entwicklungsabsichten zu lenken und die Ziele aus dem Rahmenplan umzusetzen), nicht aber, welche Art der baulichen Nutzung künftig im Bebauungsplangebiet zulässig sein soll. Auch die in der Behördenakte bezeichnete Anlage zum Aufstellungsbeschluss, ein Auszug aus der Zielekarte der Rahmenplanung …, führt nicht zu einer ausreichenden Konkretisierung der Planung. Aus der sog. Zielekarte ergibt sich nicht hinreichend deutlich, welche Arten von Nutzungen zulässig sein sollen. So befindet sich zwar das klägerische Grundstück wohl im Bereich „Grünfläche“. Jedoch ist nicht klar erkennbar, wo die Grenzen dieses Bereichs liegen. Ferner wurde für die umliegende Nutzung z. B. „N“, festgesetzt, das nach der Legende des Rahmenplans „Langfristige Nutzungsänderung, die der hochwertigen Lage gerecht wird“ bedeutet. Welcher Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung dies entsprechen soll, ist daraus jedoch nicht erkennbar. Ebenso kann der Zielekarte nicht entnommen werden, wo die Grenzen dieses Bereichs verlaufen. Auch führt die Kennzeichnung „Wohnnutzung vorrangig in diesem Bereich“ nicht zu einer Klärung der Frage, welche Art der baulichen Nutzung zulässig sein soll. Daraus lässt sich nach Auffassung der Kammer nicht auf die Nutzungsart eines Allgemeinen Wohngebietes schließen, das nach dem Gesetz, § 4 Abs. 1 BauNVO, vorrangig dem Wohnen dient. Vielmehr soll sich daraus wohl ergeben, dass Wohnen überwiegend im Ortskern, abgewandt von der Haupt straße gewünscht ist und weniger an der zur Straße angrenzenden Bereichen. Mit der Bezeichnung kann somit auch das Vorliegen eines reinen Wohngebiets, Mischgebiets oder urbanen Gebiets gemeint sein. Für eine hinreichende Konkretisierung hat es somit nicht genügt, lediglich auf die Ziele eines Rahmenplans zu verweisen. Vielmehr hätte die Beklagte aufbauend auf den Rahmenplan konkrete Baugebietstypen oder aber zumindest nach § 9 BauGB gewünschte Festsetzungen beschließen müssen.
2. Hinsichtlich der Frage 2 im Vorbescheidsantrag ist die Beklagte ebenfalls verpflichtet, diese dem Kläger positiv zu beantworten.
Die beantragten zehn Stellplätze fügen sich in die Umgebungsbebauung gem. § 34 Abs. 1 und 2 BauGB ein. Als maßgebliche nähere Umgebung hinsichtlich der Art der Nutzung ist die gleiche Umgebungsbebauung wie beim Maß der Nutzung heranzuziehen (vgl. unter 1.). In dem beschriebenen Umgriff sind mehrere Gewerbebetriebe, wie z. B. eine KfZ-Werkstatt und ein Whirlpool-Center sowie Wohnbebauung, eine Gaststätte, ein Beherbergungsbetrieb und ein Boardinghouse vorhanden. Aufgrund der beim Augenschein gewonnenen Erkenntnisse geht die Kammer davon aus, dass die nähere Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens ein faktisches allgemeines Mischgebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO darstellt.
Nach § 12 Abs. 1 BauNVO sind Stellplätze in allen Baugebieten zulässig. Die Stellplätze sind zudem direkt an einer öffentlichen Straße gelegen und liegen nicht in einem rückwärtigen ruhigen Gartenbereich, sodass auch kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, ersichtlich ist. Ein Einfügen liegt auch hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB vor.
Die Veränderungssperre steht den Stellplätzen nicht entgegen (vgl. Ausführungen unter 1.).
3. Auch hinsichtlich der Frage Nr. 3 im Vorbescheidsantrag ist die Beklagte verpflichtet, diese dem Kläger positiv zu beantworten.
Das Vorhaben fügt sich seiner Art nach in die nähere Umgebung ein.
Ein Boardinghaus ist in einem faktischen Mischgebiet zulässig (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO). Soweit das Boardinghaus als Wohnnutzung einzuordnen ist, ist dies in einem Mischgebiet gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig. Ordnet man es hingegen als Betrieb des Beherbergungsgewerbes ein, so wäre es in einem Mischgebiet ebenfalls gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO zulässig.
Die Veränderungssperre steht dem nicht entgegen (vgl. Ausführungen unter 1.).
4. Im Übrigen ist die Klage im Hauptantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu einer positiven Beantwortung der im Vorbescheidsantrag gestellten Frage 4.
Nach Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) entfällt die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 BayDSchG, wenn ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben vorliegt. Die denkmalschutzrechtliche Erlaubnisfähigkeit gemäß Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BayDSchG gehört dann gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO zu den im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften i.S.v. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO.
a. Die denkmalschutzrechtliche Erlaubnispflicht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG ist gegeben.
Der Erlaubnis bedarf nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG, wer in der Nähe von Baudenkmälern Anlagen errichten, verändern oder beseitigen will, wenn sich dies auf Bestand oder Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann.
Hinsichtlich der Genehmigungspflichtigkeit genügt die Möglichkeit der Auswirkung des Bauvorhabens auf das Denkmal, da die die Genehmigungspflicht auslösenden Tatbestände des Art. 6 Abs. 1 BayDSchG angesichts der Funktion des Genehmigungserfordernisses als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt weit auszulegen sind (vgl. BayVGH, U.v. 25.6.2013 – 22 B 11.701 – juris Rn. 27; U.v. 22.4.2016 – 1 B 12.2353 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Die Filialkirche … … … … auf dem Grundstück FlNr. 881 ist unstreitig ein Baudenkmal im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG. Die Errichtung eines Boardinghouses in einem Abstand von 15 m zu dem Einzeldenkmal kann sich auf das Erscheinungsbild der Kirche auswirken.
b. Gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG kann die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbilds oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Liegen solche Gründe vor, folgt daraus allerdings nicht zwingend, dass die Erlaubnis versagt werden müsste. Vielmehr bedarf es in einem solchen Fall einer Ermessensentscheidung, in deren Rahmen die für und gegen eine Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechenden Umstände unter Würdigung insbesondere auch der Belange des Denkmaleigentümers, abzuwägen sind (vgl. BayVGH, U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 21).
Nach Überzeugung der Kammer sprechen gewichtige denkmalschutzfachliche Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes. Dies ergibt sich aus den fachlichen Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen und Luftbildern sowie nicht zuletzt aus den beim gerichtlichen Augenschein gewonnenen Erkenntnissen.
Die Beeinträchtigung eines Denkmals liegt nicht nur vor, wenn ein das ästhetische Empfinden des Betrachters verletzender Zustand, also ein Unlust erregender Kontrast zwischen der benachbarten Anlage und dem Baudenkmal hervorgerufen wird, sondern auch, wenn die Wirkung des Denkmals als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element geschmälert wird. Neue Bauten müssen sich zwar weder völlig an vorhandene Baudenkmäler anpassen noch unterbleiben, wenn eine Anpassung nicht möglich ist. Aber sie müssen sich an dem vom Denkmal gesetzten Maßstab messen lassen, dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten vermissen lassen (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631 – juris Rn. 30).
Der Begriff der „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BayVGH, U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – juris Rn. 39; B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 4 m.w.N.; U.v. 11.1.2011 – 15 B 10.212 – juris Rn. 19). Insoweit kommt es auf die Sicht eines fachkundigen Betrachters an (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2018 – 1 ZB 17.813 – juris Rn. 4). Im Grundsatz ist davon auszugehen, dass bei Baudenkmälern stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes indiziert sind (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, BayDSchG, 7. Auflage 2015, Art. 6 Rn. 45). Die Erlaubnis darf nur versagt werden, wenn die Gründe, die für die (möglichst) unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, so viel Gewicht haben, dass sie die für das Vorhaben streitenden öffentlichen und privaten Belange überwiegen (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 88).
Nach der schriftlichen sowie der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege wird sowohl das Wesen, als auch die künstlerische Wirkung und das überlieferte Erscheinungsbild beeinträchtigt. Den Fachbehörden kommt hier eine Einschätzungsprärogative zu (vgl. Eberl/Martin/Spennemann, BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 43). Gewichtige Gründe sprechen demnach für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands. So führte das Landesamt für Denkmalschutz aus, die heutige Filialkirche aus dem frühen 16. Jahrhundert sei ehemals als kleine Pfarrkirche mit umgebendem Kirchhof inmitten der Felder an einer kleinen Weggabelung und gerade nicht im Zentrum des Ortes errichtet worden. Durch das Begräbnisrecht habe die Kirche bereits historisch gesehen eine besondere Bedeutung und seinen Pfarrsprengel bis in die umliegenden Dörfer gehabt. Der geplante Neubau reiche nun so nah an die Kirche heran, dass sie diesen in die umliegende Bebauung miteinbeziehen würde und das immer noch sichtbare Charakteristikum der Alleinlage verlören ginge.
Auch nach den Erkenntnissen aus dem gerichtlichen Augenschein vom 27. Oktober 2020 ist von einer optischen Beeinträchtigung der Kirche durch das geplante Bauvorhaben auszugehen. Zwar ist die Bebauung mittlerweile bereits an die Kirche herangerückt, so dass die singuläre Stellung des Denkmals nicht mehr in dem Ausmaß vorhanden ist, wie es bei Errichtung im 16. Jahrhundert ausweislich der vom Landesamt für Denkmalschutz vorgelegten Karten ersichtlich ist. Der Klagepartei ist ferner insoweit zuzustimmen, als dass das Vorhabengrundstück derzeit bereits durch die Bebauung mit einer Scheune und einem Lagerplatz das Einzelbaudenkmal optisch beeinträchtigt. Im Vergleich hierzu würde das Bauvorhaben mit einer Höhe von 11,49 m und einer Grundfläche von 221,79 m², das zudem noch weiter im Zentrum des Grundstücks errichtet werden solle, jedoch weitaus stärker in Erscheinung treten. Insbesondere bei einem Abstand von nur ca. 15 m vom Bauvorhaben zum Einzelbaudenkmal würde es zu einer erheblichen Verstärkung der Beeinträchtigung der Kirche kommen, da die beiden baulichen Anlagen zudem aus nahezu jeder Sichtachse heraus gemeinsam in Erscheinung treten würden. Das bestehende alte Scheunengebäude weist demgegenüber lediglich eine Höhe von 7 m und einen Abstand von ca. 26 m zum Einzelbaudenkmal auf.
Die Feststellung, dass gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen, rechtfertigt für sich alleine aber, wie ausgeführt, noch nicht eine Ablehnung des Vorhabens. Vielmehr verlangt Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG gerade für diesen Fall eine Ermessensentscheidung auf der Grundlage einer Abwägung der von dem Vorhaben berührten Belange. Es besteht deshalb grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis, sondern nur ein Anspruch auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids hätte somit nur zum Erfolg geführt, wenn das Ermessen zu Gunsten des Klägers auf Null reduziert gewesen wäre, d.h. die Erteilung der beantragten Erlaubnis die einzig sach- und ermessensgerechte Entscheidung dargestellt hätte. Nach dem bereits Ausgeführten besteht jedoch keine Ermessensreduzierung auf Null, da gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen und es somit keine einzige sach- und ermessensgerechte Entscheidung gibt.
5. Jedoch hat der Kläger einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über die Vorbescheidsfrage Nr. 4. Die Bedingung für den hilfsweise gestellten Klageantrag Nr. 2 trat hinsichtlich der Frage Nr. 4 ein, da die Klage diesbezüglich im Hauptantrag abgelehnt wurde.
Nach Art. 40 BayVwVfG ist das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Nach Sinn und Zweck des Erlaubnisvorbehaltes in Art. 6 Abs. 2 DSchG sollen die Denkmäler in Bayern möglichst unverändert erhalten werden. Allein das Erhaltungsinteresse kann danach, auch bei geringfügigen Eingriffen, eine Ablehnung rechtfertigen, wenn den für eine Veränderung sprechenden Belangen kein beachtliches Gewicht zukommt. Bei der Ermessensausübung ist maßgeblich die Bedeutung des Baudenkmals zu berücksichtigen und eine Abwägung mit den öffentlichen und privaten Belangen vorzunehmen. Je gravierender der Eingriff aus denkmalfachlicher Sicht ist, desto größere Bedeutung kommt danach bei der Abwägung den für einen unveränderten Erhalt sprechenden gewichtigen Gründen des Denkmalschutzes zu, was im Einzelfall auch zur Folge haben kann, dass sich das Versagungsermessen zu einer Versagungspflicht verdichtet.
Vorliegend hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen, soweit dieses nach § 114 Satz 1 VwGO verwaltungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt, nicht fehlerfrei betätigt.
In ihrer Ablehnungsentscheidung hat die Beklagte lediglich die Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege wiedergegeben. Die Genehmigungsbehörde muss jedoch eine eigene Ermessensentscheidung treffen und eine Abwägung vornehmen und nicht ohne eigene Prüfung eine Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege übernehmen. Somit ist bereits fraglich, ob die Beklagte erkannt hat, dass sie im Rahmen des Art. 6 BayDSchG eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat. Ferner erfolgte keine Auseinandersetzung mit den Belangen des Klägers. In die Abwägung wurde zudem nicht miteinbezogen, dass sich auf dem Vorhabengrundstück bereits eine Scheune und ein Lagerplatz befinden und die historische Alleinlage der Filialkirche bereits stark beeinträchtigt ist. Es liegt somit jedenfalls ein Ermessensdefizit vor, da die Beklagte nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt hat (vgl. Decker in BeckOK, VwGO Stand: 1.10.2020, § 114 Rn. 21).
6. Über den Hilfsantrag 3 war mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte trägt demnach ¾ der Kosten, der Kläger ¼, da der Kläger hinsichtlich seiner Klage auf Erteilung des Vorbescheids im Hauptantrag in einer von vier Fragen unterlag. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 30.000,- EUR festgesetzt.


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