Baurecht

Klage gegen eine Beseitigungsanordnung – Teilbarkeit einer baulichen Anlage

Aktenzeichen  M 11 K 20.1489

Datum:
19.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 48636
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs 1 Nr 1

 

Leitsatz

1. Ein Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften im Sinne von Art 76 S. 2 BayBO liegt vor, wenn eine Baugenehmigung notwendig ist und nicht vorliegt (formelle Illegalität) und die Anlagen nicht genehmigungsfähig sind (materielle Illegalität). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Teilbarkeit einer Anlage setzt voraus, dass eine Teilung der baulichen Anlage bautechnisch möglich und mit ihrer vom Bauherrn bestimmten Funktion zu vereinbaren ist. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soweit bei teilbaren Anlagen die Beseitigung der gesamten Anlage angeordnet wird, obwohl rechtmäßige Zustände auch durch die Beseitigung lediglich eines Teils der Anlage hergestellt werden können, so ist die Anordnung nicht erforderlich und verstößt damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Ziff. I des Bescheids des Beklagten vom 5. März 2020, Az. …, wird insoweit aufgehoben, als die Beseitigung des Laufstalls mit Heulager auf dem Dachboden sowie des Rondells im Innenhof angeordnet wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat 2/3 und der Beklagte 1/3 der Kosten zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig voll-streckbar.

Gründe

Die Klage ist in ihrem Hauptantrag erfolglos. Hinsichtlich des Hilfsantrags hat die Klage im tenorierten Umfang Erfolg, da der angegriffene Bescheid insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen bleibt die Klage erfolglos.
I.
Die im Hauptantrag gestellte Nichtigkeitsfeststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Die prozessualen Voraussetzungen für die begehrte Feststellung der Nichtigkeit der Beseitigungsanordnung vom 5. März 2020 gem. § 43 Abs. Abs. 1 Variante 3 VwGO liegen vor. Die Klage ist insbesondere nicht gegenüber einer Anfechtungsklage subsidiär. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGO gilt die grundsätzlich zu beachtende Subsidiarität einer Feststellungsklage nicht für die Nichtigkeitsfeststellungsklage. Daraus folgt, dass ein Kläger, der von der Nichtigkeit eines von ihm angegriffenen Verwaltungsakts ausgeht, die Wahl zwischen einer Anfechtungs- und einer Nichtigkeitsfeststellungsklage hat. Diese beiden Begehren können – wie vorliegend – auch in einem Eventualverhältnis (als Haupt- und als Hilfsantrag) verfolgt werden. Zudem ist das erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Ein solches „berechtigtes Interesse“ besteht bei Vorliegen eines anzuerkennenden schutzwürdigen Interesses, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, welches hinreichend gewichtig ist, um die Position des Betroffenen zu verbessern (BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 5 C 40/84 – juris Rn. 28). Die Frage, ob es im Rahmen einer Nichtigkeitsfeststellungsklage neben dem Feststellungsinteresse zudem noch einer Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO analog bedarf, kann hier offenbleiben, da diese hinsichtlich der angegriffenen Beseitigungsanordnung jedenfalls unzweifelhaft vorliegt.
2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, da die angegriffene Verfügung des Beklagten nicht nichtig ist. Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet. Dies liegt vor, wenn ein Verstoß schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung ist und die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (VGH Mannheim, U.v. 30.10.1991 – 4 S 1597/91 – juris Rn. 25). Dies ist trotz der teilweisen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids ersichtlich nicht der Fall. Insbesondere sind keine Gründe ersichtlich, welche nach Art. 44 Abs. 2 BayVwVfG die Nichtigkeit der Verfügung zur Folge hätten.
II.
Die Klage ist hinsichtlich des Hilfsantrags zulässig und teilweise begründet. Die Beseitigungsanordnung ist, soweit sie sich auf den Mutterkuhlaufstall mit Heulager auf dem Dachboden sowie das Rondell im Innenhof bezieht, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beseitigungsanordnung ist hinsichtlich der einzelnen Gebäudeteile insoweit teilbar.
1. Die Beseitigungsanordnung ist insgesamt formell rechtmäßig. Insbesondere ist entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Klägers die notwendige Anhörung erfolgt. Mit Schreiben vom 24. Januar 2020 wurde der Kläger durch das Landratsamt zu dem beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung für Gebäude auf dessen Grundstück gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG angehört. Selbst wenn diese Anhörung als nicht ausreichend erachtet würde, da der Mutterkuhstall dort nicht explizit erwähnt wurde, wäre die notwendige Anhörung zumindest gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nachgeholt worden, indem der Beklagte dem Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 Gelegenheit gegeben hat, sich ihm gegenüber außergerichtlich zu äußern. Die Nachholung der Anhörung ist gem. Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich.
2. Die Beseitigungsanordnung verstößt jedoch teilweise gegen materielles Recht. Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ein solcher Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften liegt vor, wenn eine Baugenehmigung notwendig ist und nicht vorliegt (formelle Illegalität) und die Anlagen nicht genehmigungsfähig sind (materielle Illegalität).
2.1 Die zur Beseitigung aufgegebenen Anlagen bilden keine untrennbare Gesamtanlage und wurden nicht alle ohne Genehmigung und damit formell illegal errichtet. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist keine einheitliche Gesamtanlage dergestalt entstanden, dass insbesondere der mit einer Baugenehmigung versehene Mutterkuhstall untrennbar in einer neuen Anlage aufgegangen wäre. Die Hofstelle ist vielmehr hinsichtlich des Stalls teilbar. Die Teilbarkeit einer Anlage setzt voraus, dass eine Teilung der baulichen Anlage bautechnisch möglich und mit ihrer vom Bauherrn bestimmten Funktion zu vereinbaren ist. Dies setzt voraus, dass der abtrennbare Teil räumlichgegenständlich klar abgrenzbar ist und in dem verbleibenden Teil ein sinnvoll nutzbares Vorhaben zurückbleibt (BayVGH, B.v. 13.3.2019 – 1 ZB 17.1763 – juris Rn. 3). Der bestehende Kuhstall entspricht weitgehend der im Jahr 2006 erteilten Baugenehmigung und ist nicht derart mit der Hofstelle baulich verbunden, dass diese nicht bautechnisch teilbar ist. Eine Beseitigung der Flügelgebäude, welche im Wesentlichen über den Anbau von Ecküberdachungen mit einer einfachen Holzkonstruktion mit dem Stall verbunden sind, ist möglich, ohne in die tragende Bausubstanz des Stallgebäudes einzugreifen. Der verbleibende Mutterkuhstall kann zudem weiterhin als solcher genutzt werden, da die notwendigen Futtermittel – wie bereits derzeit – im Dachgeschoss gelagert werden können. Eine Unterbringung von notwendigen Maschinen ist – jedenfalls bei einem durch Verschieben einer Wand / eines Gatters ohne weiteres möglichen Umbau – entsprechend der Baugenehmigung aus dem Jahr 2006 in dem Gebäude ebenfalls möglich. Damit bleibt das Gebäude in seiner Funktion als Stall, wenn eventuell auch mit geringerer Kapazität, weiterhin nutzbar. Damit ist insgesamt keine neue, einheitliche und nicht genehmigte Anlage entstanden.
2.1.1 Der Mutterkuhstall wurde aufgrund der bestandskräftigen Baugenehmigung aus dem Jahr 2006 damit nicht im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften erstellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese bestandskräftige Baugenehmigung rechtswidrig erteilt worden ist. Soweit der Beklagte vorträgt, dass es sich bei der genehmigten Neuerrichtung des Stalls zumindest mit den damals vorhandenen Wirtschaftsräumen im Altbestand um ein unteilbares Gesamtvorhaben handelt und auch nur als eine solche einheitliche Anlage genehmigt worden sei, wird dem nicht gefolgt. Eine Mitgenehmigung des Altbestands war ausweislich der Antragsunterlagen vom Kläger weder beantragt noch ist dieser Inhalt der erteilten Baugenehmigung geworden. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass der Altbestand und der Stall funktionell in einer Beziehung standen. Die Baugenehmigung wurde jedoch eindeutig nur für den Anbau des Mutterkuhstalls beantragt. Bereits im Wortlaut wird deutlich, dass sich der Antrag wie auch die vorgelegten Baupläne lediglich auf diesen Neubau beziehen. Insbesondere ist in den vorgelegten Bauplänen lediglich ein Querschnitt des Neubaus dargestellt. Auch ist in den Bauplänen der bereits vorhandene Baukörper deutlich als Altbestand gekennzeichnet. Im Text der Baugenehmigung findet sich zudem kein Hinweis, welcher auf den Altbestand und dessen Nutzung Bezug nimmt. Die Ausführungen gelten sinngemäß auch für den der Baugenehmigung vorangegangenen Vorbescheid. Die allein für den Stall erteilte Baugenehmigung ist auch nicht erloschen. Das Erlöschen einer Baugenehmigung kommt dann in Betracht, wenn bei der Erstellung eines Vorhabens so massiv von der erteilten Baugenehmigung abgewichen wird, dass ein sogenanntes „aliud“ erstellt und somit von der Baugenehmigung faktisch kein Gebrauch gemacht wird. Dies ist etwa der Fall, wenn sich bei der Bauausführung wesentliche Abweichungen hinsichtlich Standort, Grundfläche, Bauvolumen, Nutzung, Höhe, Dachform oder Erscheinungsbild ergeben. Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der geringfügige, kein Bedürfnis nach einer neuen baurechtlichen Prüfung auslösende Veränderungen unbeachtlich sind (BayVGH, B.v. 26.7.1991 – 20 Cs 89.1224 – juris Rn. 14 f). Nach den Feststellungen im Rahmen des Augenscheins ist der Stall weitgehend entsprechend der erteilten Genehmigung und damit nicht als „aliud“ errichtet worden. Soweit feststellbar, beschränkt sich die Abweichung darauf, dass bei der Innenaufteilung der Anlage eine in der Genehmigung vorgesehene Wand zur Abgrenzung einer Maschinenhalle zugunsten einer größeren Aufenthaltsfläche für die gehaltenen Tiere nicht errichtet wurde. Seit Errichtung des Stalls wird dieser zudem entsprechend der Genehmigung genutzt. Die Baugenehmigung ist auch nicht im Nachhinein dadurch erloschen, dass im Bereich der Hofstelle in dem Altbestand eine Wohnnutzung aufgenommen bzw. die ebenfalls streitgegenständliche Garage an den Stall angebaut wurde, da es sich – wie dargestellt – insoweit um teilbare und damit getrennt zu beurteilende Anlagen handelt. Damit kommt es hinsichtlich des Kuhstalls aufgrund der bestandskräftigen Baugenehmigung nicht mehr auf dessen materielle Rechtmäßigkeit an.
2.1.2 Das heutige Wohnhaus ist dagegen formell und materiell illegal. Eine notwendige Baugenehmigung liegt nicht vor. Die Errichtung eines Wohnhauses bzw. die Umnutzung eines landwirtschaftlichen Gebäudes zu Wohnzwecken bedarf gem. Art. 55 BayBO einer Baugenehmigung. Eine solche wurde vom Kläger am 9. Februar 2010 beantragt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 10. Juli 2010 – nach Rücknahme der Klage – bestandskräftig abgelehnt. Eine nach dem Vortrag der Bevollmächtigten des Klägers seit Langem bestehende Wohnnutzung des ehemaligen Bestandsgebäudes ist zudem nicht ersichtlich und es wurden bislang auch keine entsprechenden Nachweise vorgelegt. Aus den dem Gericht vorliegenden Lichtbildern ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine frühere Wohnnutzung des ältesten, südlichen Gebäudeteils (vgl. Blatt 38 der Vorbescheidsakte …). Auch die während des Vorbescheidverfahrens zur Errichtung des Mutterkuhstalls vorgelegten Pläne weisen in dem Altbestand lediglich landwirtschaftlich genutzte Räume und keine Wohnräume aus. Der Kläger selbst hat beim gerichtlichen Augenschein am 10. Mai 2012 erklärt, dass sich an der Stelle des heutigen Wohnraums früher ein Stall befunden habe. Selbst wenn man annimmt, dass auf dem streitgegenständlichen Grundstück in der Vergangenheit bereits Wohnnutzung stattgefunden hat, ist ein etwaiger Bestandsschutz jedenfalls erloschen, weil die Identität des Altbestandes mit dem heutigen Wohntrakt ausscheidet. Ein solcher Identitätsverlust liegt insbesondere vor, wenn Bausubstanz in erheblichem Maße ausgetauscht wird oder die Baumaßnahme sonst praktisch einer Neuerrichtung gleichkommt (OVG Münster, B.v. 09.05.2014 – 2 A 2819/13 – juris Rn. 22). Die Kammer hat bei der Einnahme eines Augenscheins am 10. Mai 2012 bereits festgestellt, dass vorhandenen Mauern neu gezogen und das Dachgebälk in wesentlichen Teilen erneuert worden ist. Ferner hat die Kammer beim erneuten Augenschein am 19. November 2020 festgestellt, dass zahlreiche neue Fenster eingebaut und insbesondere das Dachgeschoss zu Wohnzwecken vollständig neu ausgebaut wurde. Insoweit handelt es sich bei dem heute bestehenden Wohngebäude mit seinen gemauerten Wänden im Vergleich zum ursprünglichen, weitgehend aus Holzwänden bestehenden, rein wirtschaftlich genutzten Altbau um ein vollständig anderes Gebäude. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass an einer Wand des Gebäudes augenscheinlich noch Reste von ehemaligem Mauerwerk sowie vereinzelt alte Dachbalken vorhanden sind.
Eine Genehmigung des Wohnhauses ist materiellrechtlich auch nicht möglich, da öffentlichrechtliche Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind, entgegenstehen. Insbesondere dient das Wohnhaus keinem landwirtschaftlichen Betrieb und es beeinträchtigt öffentliche Belange. Zur weiteren Begründung wird auf die Urteilsbegründung im Verfahren M 11 K 20.5239 unter Ziff. I. verwiesen.
2.1.3 Auch die nordöstlich befindliche Dreifachgarage ist formell und materiell illegal. Soweit die Bevollmächtigte des Klägers vorträgt, dass diese verfahrensfrei errichtet worden sei, dringt sie damit nicht durch. Die formelle Illegalität einer Anlage kann sich bereits daraus ergeben, dass trotz einer nach Art. 57 BayBO etwaig bestehenden Verfahrensfreiheit ein Genehmigungserfordernis beispielsweise aus dem Naturschutzrecht besteht und eine entsprechende Genehmigung nicht vorliegt (Simon/Busse/Decker, 138. EL September 2020, BayBO Art. 76 Rn. 88). Da sich die Anlage im Bereich eines Landschaftsschutzgebiets und zudem in einem Abstand von weniger als 50 m vom Ufer des … befindet, wäre im vorliegenden Fall für die Garage bereits eine Erlaubnis (§ 4 der Landschaftsschutzverordnung) und eine Ausnahme (§ 61 Abs. 1 BNatschG) durch die Naturschutzbehörde notwendig gewesen, diese liegen aber unstreitig nicht vor. Ferner handelt es sich entgegen der Auffassung des Klägers auch aus baurechtlicher Sicht bei der Garage nicht um ein verfahrensfreies Vorhaben i.S.d. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) BayBO, ohne dass es an dieser Stelle entscheidungserheblich darauf ankäme, ob die Garage einem landwirtschaftlichen Betrieb dient. Denn diese wurde jedenfalls nicht nur eingeschossig errichtet. Nach den Feststellungen des Augenscheins enthält die Garage eine Zwischendecke, welche diese in ein Erdgeschoss und ein Dachgeschoss teilt. Der obere Teil des Gebäudes wird als Heulager genutzt und erfüllt insbesondere aufgrund der Höhe und Größe die Anforderungen an ein Geschoss i.S.d. Art. 2 Abs. 7 BayBO. Auf die Nutzung des Raumes kommt es für dessen Qualifizierung als Geschoss dabei nicht an, insbesondere muss es sich nicht um einen Aufenthaltsraum handeln (Simon/Busse/Dirnberger, 138. EL September 2020, BayBO Art. 2 Rn. 562).
Eine Genehmigung der Dreifachgarage ist darüber hinaus nicht möglich, da auch hier öffentlichrechtliche Vorschriften, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind, entgegenstehen. Insbesondere dient die Garage ebenfalls keinem landwirtschaftlichen Betrieb und sie beeinträchtigt öffentliche Belange. Die Ausführungen zur fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Wohnhauses gelten insoweit entsprechend.
3. Die Beseitigungsanordnung leidet im Hinblick auf den angeordneten Abbruch aller auf dem Grundstück befindlichen Anlagen teilweise an Ermessensfehlern. Die Bauaufsichtsbehörde hat zwar, wie die Ermessenserwägungen im Bescheid vom 5. März 2020 zeigen, erkannt, dass der Erlass der Beseitigungsanordnung in ihrem pflichtgemäßen Ermessen steht und dieses ausgeübt. Die Ermessensausübung ist jedoch im Hinblick auf die im Tenor aufgeführten Anlagen rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung ist die Beseitigungsanordnung insoweit teilbar. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die „teilweise oder vollständige“ Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Soweit bei teilbaren Anlagen die Beseitigung der gesamten Anlage angeordnet wird, obwohl rechtmäßige Zustände auch durch die Beseitigung lediglich eines Teils der Anlage hergestellt werden können, so ist die Anordnung nicht erforderlich und verstößt damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Bei der Verhältnismäßigkeit handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare Rechtsfrage und nicht um eine nur eingeschränkt überprüfbare Ermessensfrage (vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 29.9.2003 – 1 B 01.2425 – juris Rn. 16 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich die Beseitigungsanordnung nur als verhältnismäßig, soweit sie nicht auch den Mutterkuhstall sowie das Rondell betrifft. Die einzelnen Teilbereiche der Hofstelle und damit die Beseitigungsanordnung sind – wie oben dargestellt – insoweit teilbar. Im Rahmen der Ermessensausübung ist die Bauaufsichtsbehörde zum einen zu Unrecht davon ausgegangen, dass nur durch die Beseitigung der Gesamtanlage rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Hinsichtlich des Kuhstalls wurde dieser jedoch bereits nicht im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtet. Damit genügt der Abriss der anderen Gebäudeteile, um rechtmäßige Zustände herzustellen. Hinsichtlich der Anordnung der Beseitigung des Rondells enthält der angegriffene Bescheid keinerlei Ermessensausführungen. Das Rondell ist jedoch Teil der Zufahrt zu dem bestandsgeschützten Kuhstall. Zumindest eine gekieste Zufahrt war an der Stelle des heutigen Rondells auch Teil der Baugenehmigung des Stalls aus dem Jahr 2006. Im vorliegenden Fall bedarf es daher weiterer Ermessenserwägungen dahingehend, inwieweit bei Belassung des Mutterkuhstalls auch die Beseitigung der Zufahrt, welche abweichend von der ursprünglichen Baugenehmigung errichtet wurde, angeordnet wird.
Hinsichtlich der Beseitigungsanordnung betreffend das Wohnhaus und die Dreifach garage ist die Ermessensausübung dagegen rechtlich nicht zu beanstanden. Bei der Ermessensentscheidung, ob eine im Widerspruch zu öffentlichrechtlichen Vorschriften errichtete bauliche Anlage zu beseitigen ist, genügt es regelmäßig, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, der beanstandete Zustand müsse wegen seiner Rechtswidrigkeit beseitigt werden (BVerwG, U.v. 18.04.1996 – 4 C 22/94 – BVerwGE 101, 58/64; BayVGH, B.v. 18.05.2012 – 1 ZB 11.1210, juris Rn. 14). Bei einem Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände stehen sich nicht in dem Sinn ein „Für und Wider“ gegenüber, dass der zuständigen Behörde ohne gesetzliche Intention freigegeben wäre, zwischen dem Einschreiten und dem Nichteinschreiten zu wählen. Bei der Ermessensentscheidung über das Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände geht es vielmehr darum, dass die zuständige Behörde in die Lage versetzt werden soll, von dem an sich aus der Natur der Sache gerechtfertigten – ggf. sogar gebotenen – Einschreiten ausnahmsweise absehen zu dürfen, wenn sie dies nach den konkreten Umständen für opportun hält. Angesichts dessen braucht sie das „Für und Wider“ nur dann abwägen, wenn ganz konkrete Anhaltspunkte für die Angemessenheit einer Ausnahme, etwa die Duldung eines rechtswidrigen Zustands, bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1980 – 4 B 67.80 – BRS 36 Nr. 93 Rn. 6). Diesen Anforderungen hat der Beklagte durch die Begründung der Beseitigungsanordnung mit Blick auf das Wohnhaus und die Dreifachgarage genügt. Die Bauaufsichtsbehörde hat sich insbesondere mit der Frage einer möglichen bestehenden Duldung der Wohnnutzung des Klägers auseinandergesetzt und diese zutreffend verneint. Nach der Ablehnung der Baugenehmigung im Hinblick auf die erstrebte Wohnnutzung vom 8. Juni 2010 sowie spätestens dem Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2012 muss dem Kläger die Rechtswidrigkeit einer Wohnnutzung auf dem streitgegenständlichen Grundstück bewusst gewesen sein. Zudem ist zu beachten, dass sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2012 lediglich eine Anregung des Gerichts, die zu diesem Zeitpunkt bestehende Wohnnutzung zu dulden, ergibt. Eine zu Protokoll erklärte oder schriftlich bestätigte Duldungszusage durch die Behörde liegt dagegen nicht vor. Ohnehin war die damalige Anregung auf die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Situation beschränkt und in Abhängigkeit von der landwirtschaftlichen Tätigkeit gesetzt. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2012 war zum damaligen Zeitpunkt lediglich eine provisorische Wohnnutzung im Bereich des Erdgeschosses vorhanden. Nur diese könnte überhaupt Gegenstand einer Duldung gewesen sein. Nach den Feststellungen des gerichtlichen Augenscheins am 19. November 2020 befinden sich neben mittlerweile voll ausgestatteten Wohnräumen im Erdgeschoss nunmehr auch Wohn- und Aufenthaltsräume im Dachgeschoss des Gebäudes, welche eine gemeinsame Wohneinheit bilden. Diese Art der Wohnnutzung liegt damit deutlich außerhalb des im Jahr 2012 festgestellten Rahmens und ist damit keinesfalls durch eine etwaige bestehende Duldung gedeckt. Eine Duldung ergibt sich auch nicht aus dem Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung oder ähnlichen Umständen (vgl. VG München, U.v. 11.4.2019 – M 11 K 17.1040, juris Rn. 47 m.w.N.). Soweit sich der Kläger mit Blick auf die Dreifachgarage darauf beruft, dass er diese auf Anraten der Regierung von Oberbayern genehmigungsfrei errichtet habe, leitet sich hieraus ebenfalls keinerlei Duldung des vorliegenden rechtswidrigen Zustands ab. Zum einen liegt bereits kein schriftliches Dokument der Regierung mit dem klägerseits vorgetragenen Inhalt vor. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass der vorgetragene Vorschlag der Regierung sich auf das hier konkret verwirklichte Vorhaben mit zwei Geschossen – welches tatsächlich nicht genehmigungsfrei errichtet werden durfte – erfolgt ist.
4. Auch die Androhung des Zwangsgelds unter Ziff.II. des angegriffenen Bescheids ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die darin enthaltene Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 30.000 EUR findet ihre Rechtsgrundlage in den Art. 19 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 31 und 36 VwZVG und entspricht den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere handelt es sich bei dem Zwangsgeld vorliegend um das mildeste geeignete Zwangsmittel. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds von 30.000 EUR ist angesichts des wirtschaftlichen Interesses, welches der Kläger an dem Bestand insbesondere des Wohngebäudes hat, angemessen. Auch die zur Erfüllung gesetzte Frist von sechs Monaten ist nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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