Baurecht

Klage gegen Heranziehung zu Erschließungsbeitrag

Aktenzeichen  AN 3 S 21.00729

Datum:
26.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 13621
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5
BayKAG Art. 5a Abs. 1, Abs. 7 S. 2 lit. bb, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b lit. bb
BauGB § 127 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 S. 1, § 133 Abs. 2, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Zur inhaltlich hinreichenden Bestimmtheit eines Beitragsbescheides. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu der Frage, wie weit eine einzelne Anbaustraße im beitragsrechtlichen Sinne reicht. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein in einem Mischgebiet gelegenes Grundstück ist erschlossen, wenn die für eine Wohnnutzung ausreichende Möglichkeit gegeben ist, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an das Grundstück heranzufahren und es von dort aus zu betreten.  (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Gemeinde steht nicht nur im Hinblick auf die anlagenbezogene, sondern auch hinsichtlich der kostenbezogenen Erforderlichkeit ein weites Ermessen zu. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 3.105,23 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 12.420,93 EUR.
Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Mehrfamilienhaus mit vier Vollgeschossen bebauten Grundstückes FlNr. … der Gemarkung …, welches im Süden an den … sowie im Westen an die … angrenzt. Der qualifizierte Bebauungsplan Nr. … „…“ für das Gebiet nördlich der …, östlich der* … und südlich der* … der Antragsgegnerin vom 20. November 2001 setzt hierfür ein Mischgebiet sowie als Höchstmaß drei Vollgeschosse fest.
Am 3. März 2005 trafen der Antragsteller und die Antragsgegnerin eine Vereinbarung über den Erwerb, den Ausbau und den Unterhalt der geplanten Verkehrsflächen im Bereich des Antragstellegrundstückes (damals noch FlNr. … der Gemarkung …), welche von den im rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. … festgesetzten Verkehrsflächen abweichen. Gemäß § 2 übereignet der Antragsteller die künftigen, in der Planskizze rot markierten Verkehrsflächen (65 qm), welche für den neuen Verlauf der Grundstücksabgrenzung erforderlich sind, kosten- und lastenfrei an die Antragsgegnerin. Der Antragsteller verpflichtet sich unter § 3, die Herstellungskosten der abweichend der Bebauungsplanfestsetzungen liegenden, in dem Ausführungsplan gelb und grün markierten Verkehrsflächen in Höhe von 17.000,00 EUR zu übernehmen, sowie unter § 4, die Kosten für die Ersatzpflanzung inklusive Baumscheibe in Höhe von 4.000,00 EUR zu übernehmen, da die bestehende Baumscheibe in der … aufgrund der Verbreiterung der Zufahrt zu der Tiefgarage entfernt werden muss. Gemäß § 5 ist der Gesamtbetrag in Höhe von 21.000,00 EUR vor Beginn der Straßenbauarbeiten zu leisten; die endgültige Abrechnung erfolgt aufgrund der Kostenbelege der ausführenden Firmen, etwaige Fehlbeträge sind nachzubringen bzw. Überzahlungen ohne Verzinsung zu erstatten. Gemäß § 6 stellt die Antragsgegnerin die künftigen öffentlichen Verkehrsflächen gemäß Ausführungsplanung her und übernimmt auch deren Unterhalt. Nach § 9 wird die Vereinbarung gegenstandslos, wenn die für das geplante Bauvorhaben beantragte Baugenehmigung nicht erteilt werden sollte oder der Bauherr schriftlich erklärt, dass er das Bauvorhaben nicht realisieren wird.
Für das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … wurde der Antragsteller mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2021 für die Straßenbaumaßnahme „… – Weg südlich der Versickerungszone zwischen* … und der Orts straße beim Anwesen …“ zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 12.420,93 EUR herangezogen. Vermindert um den 10%-Anteil der Antragsgegnerin ergebe sich ein umlagefähiger Erschließungsaufwand von 538.969,22 EUR (für Fahrbahn, Bordsteine, Rinnen, Straßenentwässerung, Beleuchtung und Grunderwerb). Die Summe aller Beitragsmaßstäbe im Abrechnungsgebiet (Fläche der Grundstücke mal Nutzungsfaktor) betrage 29.379,53 m², so dass der Beitragssatz pro Quadratmeter mit 18,3450593 EUR zu beziffern sei. Für das Antragstellergrundstück wurde eine Fläche von 889,00 m² angesetzt. Unter Berücksichtigung einer Reduzierung auf 2/3 und damit 592,67 m² aufgrund mehrfacher Erschließung sowie eines Nutzungsfaktors von 1,9 für die tatsächlich vorhandenen vier Vollgeschosse ergebe dies eine Bezugsfläche von 1.126,07 m² und damit einen Erschließungsbeitrag von insgesamt 20.657,83 EUR. Aufgrund des anteiligen Eigentums des Antragstellers in Höhe von 601,27/1.000 errechne sich ein Zahlungsbetrag in Höhe von 12.420,93 EUR.
In dem Bescheid wird unter „Bemerkungen“ ausgeführt, dass von der Gesamtgrundstücksfläche des Antragstellergrundstückes in Höhe von 926 qm eine beitragsfreie Fläche in Höhe von 37 qm als festgesetzte Straßenverkehrsfläche in Abzug gebracht wurde und aufgrund der fehlenden Fertigstellung des Straßenbegleitgrüns ein Teilbescheid ergeht. Des Weiteren wird erklärt, dass in dem beitragsfähigen Aufwand die Kosten für den Ausbau insoweit nicht enthalten sind, als dieser die Festsetzungen des gültigen Bebauungsplans überschreitet.
Ausweislich des Abrechnungsgebietsplans der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2020 beginnt die in ein Wohngebiet führende streitgegenständliche Erschließungsanlage mit den Teilanlagen „verkehrsberuhigte Bereiche/Fußgängergeschäfts straße/Mischflächen, Straßenbegleitgrün, Straßenbeleuchtung und Kanal“ im Westen von der Einmündung der … in den …, dem Standort des streitgegenständlichen Eckgrundstückes, und verläuft – mit einem Verschwenk nach Südosten zwischen den Anwesen FlNrn. … und … der Gemarkung … östlich bis zu dem Anwesen FlNr. … der Gemarkung … und dem dortigen Wendehammer. Kein Kostenansatz erfolgt für den im Planblatt rot schraffierten Bereich, welcher Gegenstand der Vereinbarung vom 3. März 2005 ist.
Von der … bis zu der Verzweigung ist der … Weg beidseitig anbaubar. Aufgrund der im Bereich zwischen den südlichen und nördlichen Verbindungsarmen bauleitplanerisch festgesetzten Grünfläche ist der … in diesem circa 110 m langen Bereich lediglich einseitig anbaubar. Ausweislich der gutachterlichen Stellungnahme der Antragsgegnerin (S. 61 der Behördenakte) sei eine Kürzung des beitragsfähigen Aufwandes aufgrund einseitiger Anbaubarkeit nicht erforderlich, da der … einen Breite von 6 m nicht unterschreite und diese Breite ohnehin für die hinreichende Erschließung der Grundstücke an der anbaubaren Wegseite unerlässlich sei. Für befahrbare Verkehrsanlagen (im … ist Lieferverkehr zulässig) sei grundsätzlich eine Breiter von 6 m an der untersten Grenze dessen, was für die Erfüllung einer Erschließungsfunktion schlechthin erforderlich sei, so dass der … auf ganzer Länge und bis zu seiner vollen Breite gemäß § 2 Abs. 7 EBS beitragsfähig sei.
Für die im Abrechnungsgebiet gelegenen Grundstücke gelten die qualifizierten Bebauungspläne Nrn. …sowie … Der ursprünglich im Umgriff des Bebauungsplanes Nr. … befindliche Bereich südlich des Antragstellergrundstückes – der westliche Teil des … sowie der südliche Teil der …- liegt nunmehr im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 4642 „…“ mit Grünordnung für das Gebiet östlich der …, südlich des … Wegs und nördlich der … der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2018. Die Bebauungspläne setzen die Grundstücke des Abrechnungsgebietes als Mischgebiet, private Grünfläche/naturbelassener Bereich als Versickerungszone nutzbar, öffentliche Grünfläche/Spielplatz sowie allgemeines Wohngebiet fest.
Gemäß der Begründung zum Bebauungsplan Nr. … (S. 11) dienen die im Plangebiet vorhandenen Wege im Norden und Osten der fußläufigen und radmäßigen Erschließung, als Rettungswege sowie zwischen 7 und 20 Uhr als beschränkt nutzbare Zufahrt für Lieferverkehr bis 7,5 t. Gemäß Begründung zum Bebauungsplan Nr. 4315 (S. 3) erfolgt die innere Erschließung des westlichen Teiles des Planungsbereiches durch eine in Verlängerung der … nach Westen zur … führende 5,5 m breite Fußgängerzone. Ein Ast dieser Fußgängerzone zweigt nach Norden ab und stellt die Verbindung zur … her. Ergänzend sind mehrere Rad- und Fußwege geplant, die das Baugebiet in Nord-Süd-Richtung queren und so die Verbindung zwischen … und … herstellen.
Der inmitten stehende … einschließlich des 114 m langen Verbindungsarmes entlang der Südseite der Versickerungszone ist in dem Bestandsverzeichnis der Antragsgegnerin für beschränkt öffentliche Wege mit der Widmungsbeschränkung „Fußgängerverkehr – Fußgängerbereich“ sowie der Widmungserweiterung „Radfahrverkehr und Lieferverkehr zu bestimmten Tageszeiten“ gelistet.
Der nördlich um die Versickerungszone herumführende rund 105 m lange und weniger breite Ast des …, an welchem zahlreiche, kleinflächigere Flurstücke anliegen und von welchem wiederum Richtung Norden zur … hin der … sowie der … (jeweils gewidmet für Rad- und Fußgängerverkehr) einmünden, ist durch umlegbare Pfosten begrenzt und wurde bereits im Jahre 2006 insgesamt erstmalig hergestellt sowie abgerechnet.
Die Baumaßnahmen für die streitgegenständliche Erschließungsanlage wurden vom 23. Mai 1995 bis zum 10. Oktober 2019 ausgeführt. Der Ausspruch der Kostenspaltung im Hinblick auf die fehlende Fertigstellung des Straßenbegleitgrüns erfolgte am 12. Oktober 2020. Gegen den Bescheid vom 11. Februar 2021 legte der Antragsteller mit Schreiben vom 10. März 2021 Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass bei der Kostenfestsetzung die erfolgten Vorauszahlungen vom 10. Oktober 2005 in Höhe von 3.000,00 EUR sowie vom 24. Januar 2011 in Höhe von 18.000,00 EUR nicht berücksichtigt worden seien. Der Antragsteller fordere eine entsprechende Verrechnung seiner Vorauszahlungen sowie eine Erstattung der sich ergebenden Überzahlung in Höhe von 8.579,07 EUR.
Hinsichtlich der Vorauszahlung vom 10. Oktober 2005 wurde vorgetragen, dass der nunmehr geforderte Erschließungsbeitrag auch Arbeiten im Bereich des … umfasse, welche von dieser Vorauszahlung betroffen seien (Bordstein entlang des Grundstückes und Ersatzpflanzung inklusive Baumscheibe).
Hinsichtlich der Vorauszahlung vom 24. Januar 2011 wurde geltend gemacht, dass die Herstellung/Änderung von Verkehrsflächen des Bebauungsplanes Nr. 4449 gemäß § 3 der Vereinbarung vom 3. März 2005 bis heute, mithin 15 Jahre nach Baubeginn, immer noch nicht vollzogen sei und wahrscheinlich auch nicht mehr vollzogen werde.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 31. März 2021 erging gegenüber dem Antragsteller eine Mahnung nebst Säumniszuschlag und Mahngebühr, die den formularmäßigen Hinweis auf Vollstreckungsmaßnahmen bei nicht fristgerechter Zahlung enthielt.
Mit Schreiben vom 5. April 2021 beantragte der Antragsteller sodann die Aussetzung der Vollziehung und forderte unter Verrechnung der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 21.000,00 EUR zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 7.510,70 EUR sowie einer Rückforderung in Höhe von 4.000,00 EUR hinsichtlich der aufgrund einer geänderten Planung seit Abschluss der Vereinbarung vom 3. März 2005 nicht mehr erforderlichen Entfernung und Ersatzpflanzung der Baumscheibe eine Rückzahlung in Höhe von 20.089,77 EUR.
Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antragstellers lehnte die Antragsgegnerin ab.
Mit bei Gericht am 21. April 2021 eingegangenem Schreiben vom 17. April 2021 stellte der Antragsteller „Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO“. Zur Begründung wird unter Ergänzung der Widerspruchsbegründung im Wesentlichen vorgetragen, dass für die zu erwartenden Erschließungsbeiträge für den … bereits vor Baubeginn der Wohnanlage … im Frühjahr 2005 gegenüber der Antragsgegnerin eine Sicherheit in Form einer Vorausleistung in Höhe von insgesamt 21.000,00 EUR geleistet worden sei.
Des Weiteren sei die Vierjahresfrist nach § 133 Abs. 3 BauGB weit überschritten worden, nachdem die Fertigstellung erst im Jahre 2020 und damit nach 15 Jahren erfolgt sei. Unter diesen Umständen hätte eine Vorausleistung überhaupt nicht verlangt werden dürfen bzw. hätte diese spätestens nach vier Jahren wieder zurückerstattet werden müssen. Im Hinblick auf die nunmehr seit 16 Jahren bestehende Vorausleistung würden sich bereits Verzugszinsen mit einem Zinssatz von 2% über dem Basiszinssatz in Höhe von 7.510,70 EUR errechnen.
Im Übrigen seien die auf teilweise längst überholten Plänen beruhenden Kosten damals viel zu hoch angesetzt worden. Die unter § 4 der Vereinbarung mit der Antragsgegnerin vom 3. März 2005 vereinbarte Bedingung der Ersatzpflanzung mit Kostenübernahme sei weggefallen, da die damals vorgesehene Verbreiterung des … bedingt durch die geplante Tiefgaragenzufahrt mit Wendekreis für das damals noch unbebaute südliche Grundstück nicht zum Tragen gekommen sei, nachdem die Tiefgaragenzufahrt für das südliche Grundstück über den … mit Wendekreis infolge der neuen Wohnbebauung nicht mehr notwendig gewesen sei. Damit entfalle auch die Bedingung der Entfernung der Baumscheibe nebst Ersatzpflanzung. Die geänderte Planung sei spätestens vor zwei Jahren, mithin vor Fertigstellung der inmitten stehenden Erschließungsmaßnahme im Jahre 2020, mit der Baugenehmigung für die letzte Wohnbebauung auf dem südlichen Grundstück bekannt gewesen. Nachdem die Antragsgegnerin auf den Widerspruch und die Gegenforderungen bislang nicht reagiert habe, wird um Aussetzung der Vollziehung bis zur Klärung der Aufrechnung der Gegenforderungen gebeten.
Sinngemäß wird beantragt,
die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2021 eingelegten Widerspruchs vom 10. März 2021 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Antragsablehnung.
Zur Begründung wird unter anderem ausgeführt, dass es sich bei der von dem Antragsteller auf Grundlage der benannten Vereinbarung vom 3. März 2005 an die Antragsgegnerin geleisteten Zahlung in Höhe von 21.000,00 EUR nicht um eine (freiwillige) Vorausleistung handele. Diese Vereinbarung betreffe vielmehr den abweichend von dem Bebauungsplan Nr. 4449 hergestellten Bereich der inmitten stehenden Erschließungsanlage, für welchen eine Erhebung von Erschließungsbeiträge gerade nicht möglich sei. Diese Abweichung von dem Bebauungsplan vor dem Grundstück FlNr. 446/15 der Gemarkung … (damals noch 446/20) sei aufgrund der dort vorgesehenen und auch realisierten Wohnbebauung erforderlich gewesen. Da bereits damals klar gewesen sei, dass die Antragsgegnerin für die der Vereinbarung zugrunde liegenden Bereiche keine Erschließungsbeiträge erheben könne, habe sich der Antragsteller im Gegenzug zur Zahlung der Kosten für die planabweichende Herstellung sowie die Ersatzpflanzung des dortigen Baumes verpflichtet. Zu dem übrigen, beitragsfähigen Teil der Erschließungsanlage enthalte die Vereinbarung indes keinerlei Regelung. Insbesondere sei nicht geregelt worden, dass der Antragsteller von der Beitragspflicht zu befreien sei oder die Zahlung auf die Beitragspflicht anzurechnen sei. Dies ergäbe auch keinen Sinn, da es sich um zwei voneinander zu trennende Bereiche handele und der Antragsteller ausgleichen sollte, was der Antragsgegnerin an Beiträgen verloren gehe. Würde man die von dem Antragsteller geleistete Zahlung entgegen dem eindeutigen Sinn und Zweck der getroffenen Vereinbarung auf den Erschließungsbeitrag anrechnen, würde letztlich doch die Antragsgegnerin die von dem Antragsteller bzw. seiner Rechtsvorgängerin veranlasste Abweichung von dem Bebauungsplan zahlen müssen.
Im Übrigen sei der Vollständigkeit wegen darauf hinzuweisen, dass für die Ersatzpflanzung sowie die planabweichend hergestellten Flächen vor dem Antragstellergrundstück noch nicht alle Firmenrechnungen vorhanden seien. Gemäß § 5 der Vereinbarung erfolge die endgültige Abrechnung jedoch erst, wenn diese vollständig vorliegen. Für die Zufahrt in die Tiefgarage des Antragstellers in der … sei der dortige Baum entfernt und hierfür eine Ersatzpflanzung an der Einmündung des … vorgenommen worden., wie den beigefügten Luftbildern zu entnehmen sei. Von einer Tiefgaragenzufahrt über den … und den dortigen Baum sei unter § 4 und auch im Übrigen in der Vereinbarung nicht die Rede. Die Entwicklungspflege für diesen Baum ende mit Ende des Jahres 2022. Erst dann finde gegenüber dem Antragsteller die Verrechnung der 21.000,00 EUR mit den tatsächlich für diesen Baum sowie die planabweichend hergestellten Flächen entstandenen Kosten statt. Der in den der Vereinbarung beigefügten Plänen dargestellte Wendekreis sei nicht Gegenstand der Vereinbarung gewesen. Vielmehr habe diese ausdrücklich nur den gelb und grün markierten Bereich betroffen, welcher wie geplant ausgeführt worden sei. Es bestehe mithin kein Herausgabeanspruch hinsichtlich der bereits geleisteten 21.000,00 EUR und dementsprechend auch kein Zinsanspruch. Im Übrigen seien entgegen der Berechnung des Antragstellers die für die Ersatzpflanzung vorgesehenen 4.000,00 EUR in dem Betrag von 21.000,00 EUR bereits enthalten und nicht zusätzlich geleistet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Streitgegenstand vorliegenden Antrages ist die aufgrund Gesetzes gegebene sofortige Vollziehbarkeit des Erschließungsbeitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2021 bezüglich des Grundstückes FlNr. 446/115 der Gemarkung …
1. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 10. März 2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2021 anzuordnen, ist zulässig.
Der Antrag ist statthaft, denn gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben. Erschließungsbeiträge fallen unter diese Bestimmung (BVerwG, U.v. 12.01.1983 – 8 C 78 u. 79/81 – NVwZ 1983, 472).
Die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 VwGO ist erfüllt.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Anfechtungsklage in den Fällen des Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 durch Beschluss anordnen. In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO soll dies dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabepflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn ein Erfolg des Rechtsmittels mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Bloße Bedenken sind noch keine ernsthaften Zweifel (Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 116 zu § 80).
Im vorliegenden Fall bestehen bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage keine solch ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Beitragsbescheides der Antragsgegnerin.
Bei summarischer Prüfung ist der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin formell und materiell rechtmäßig.
Er findet, soweit sich dies im einstweiligen Rechtschutzverfahren beurteilen lässt, seine Rechtsgrundlage in Art. 5a KAG in Verbindung mit der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Antragsgegnerin vom 12. Juli 1989, zuletzt geändert durch Satzung vom 22. Juni 2020.
In einem Eilverfahren, in dem – wie bereits ausgeführt – nur eine überschlägige Prüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, ist von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, die die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zutage treten (ständige Rechtsprechung des BayVGH, z.B. B.v. 4.6.1997, 6 ZS 97.1305 – juris; B.v. 15.2.1999, 6 ZS 99.84 – juris; B.v. 6.7.1999 – 23 ZS 99.1852 – juris).
Vorliegend bestehen keine Zweifel an der Rechtswirksamkeit der Erschließungsbeitragssatzung der Antragsgegnerin.
Auch im Übrigen sind ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht erkennbar.
a) Der streitgegenständliche Bescheid ist inhaltlich hinreichend bestimmt (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 b, Nr. 4 b KAG i.V.m. mit §§ 119 Abs. 1, 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Der Bescheid der Antragsgegnerin bezeichnet die abzurechnende Erschließungsanlage, den Abgabenschuldner, die Grundstücksflurnummer, die Größe des beitragsfähigen Grundstücks sowie die Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Beitragshöhe. Aus diesen Angaben ergibt sich für den Antragsteller die Möglichkeit, den von ihm geforderten Erschließungsbeitrag nachvollziehbar zu berechnen. Im Übrigen besteht aufgrund der Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid unter „Bemerkungen“ zu den abgespaltenen Teilmaßnahmen sowie zu den bebauungsplanüberschreitenden Maßnahmen hinreichend Klarheit über die nunmehr abgerechneten Baumaßnahmen.
b) Der streitgegenständliche Bescheid ist aller Voraussicht nach dem Grunde nach nicht zu beanstanden.
aa) Die inmitten stehende Anlage stellt eine öffentliche, zum Anbau bestimmte Straße gemäß Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB dar.
Wie weit eine einzelne Anbau straße im beitragsrechtlichen Sinne reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, bestimmt sich grundsätzlich nach der sogenannten natürlichen Betrachtungsweise, mithin nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenlänge und -breite sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln. Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder die zeitliche Abfolge von Planungen und deren Ausführung sind hingegen unbeachtlich (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 1.12.2011 – 6 B 09.2893 – juris Rn. 24 m.w.N.; BayVGH, B.v. 23.9.2009 – 6 CS 09.1753 – juris; U.v. 22.4.2010 – 6 B 08.1483 – juris). Abzustellen ist letztlich darauf, ob und gegebenenfalls inwieweit sich die zu beurteilende Straße „als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt“ (BayVGH, B.v. 31.7.2014 – 6 CS 14.660 – juris Rn. 8 m.w.N.). Zugrundezulegen ist dabei der Zustand im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht, mithin nach Durchführung der Baumaßnahmen (vgl. etwa BayVGH, U.v. 12.6.2006 – 6 BV 02.2499 – juris; U.v. 1.6.2011 – 6 BV 10.2467 – juris; U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.1043 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser Betrachtungsweise spricht in dem hier zu entscheidenden Fall nach den dem Gericht vorliegenden Plänen und Luftbildern sowie infolge der eigenen Ortskenntnisse der Kammer viel dafür, dass im Hinblick auf die trichterförmige Ausweitung im Bereich der Abgabelung westlich der Versickerungszone und des dortigen Verschwenks des südlichen Astes sowie dessen Straßenbreite- und ausstattung zum einen der … in dem hier streitgegenständlichen Umfange und zum anderen der nördlich der Versickerungszone abgehende Ast mit einer Länge von über 100 m, von welchem wiederum der … sowie der …Richtung … im Norden abgehen und an welchem eine Vielzahl deutlich kleinflächigerer Flurstücke sowie Bebauungen angrenzen, zwei eigenständige Anlagen darstellen.
Dass die inmitten stehende Erschließungsanlage in dem Bereich südlich der Versickerungszone auf einer Teilstrecke von 114 m nur einseitig anbaubar ist, ist in dem hier zu entscheidenden Fall unschädlich; eine Straße ist auch dann zum Anbau bestimmt ist, wenn sie nur einseitig anbaubar ist. Die Anbaufunktion bleibt durchgängig erhalten. Eine Aufspaltung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage in zwei Erschließungsanlagen käme als Folge einer Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes nur dann in Betracht, wenn der Ausbau der Straße auf dem einseitig anbaubaren Teilstück den Umfang übersteigen würde, der für die hinreichende Erschließung der Grundstücke an der zum Anbau bestimmten Seite unerlässlich oder schlechthin unentbehrlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.1992 – 8 C 31.90 – juris Rn. 14). Davon kann vorliegend jedoch mit Blick auf die Gesamtausbaubreite, welche 6 m nicht überschreitet, und die „schlichte“ Ausstattung keine Rede sein (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.2125 – juris Rn. 25).
bb) Das Antragstellergrundstück ist durch die streitgegenständliche Anlage erschlossen und damit beitragspflichtig.
Ein – wie vorliegend das streitgegenständliche Anwesen – in einem Mischgebiet gelegenes Grundstück ist – vorbehaltlich besonderer Festsetzungen im einschlägigen Bebauungsplan – erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wenn die für eine Wohnnutzung ausreichende Möglichkeit gegeben ist, mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen an das Grundstück heranzufahren und es von dort aus zu betreten. Der ein Erschlossensein begründende Erschließungsvorteil verlangt nicht, dass die Erschließungsanlage dem Mischgebietsgrundstück eine Bebaubarkeit für alle nach § 6 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungen ermöglicht. Ein Erschließungsvorteil liegt vielmehr darin, dass auf dem Grundstück überhaupt eine der nach § 6 Abs. 2 BauNVO zulässige Nutzung genehmigt werden müsste. Unerheblich ist, welche Nutzung auf dem Grundstück tatsächlich bereits verwirklicht ist (BVerwG, U.v. 27.9.2006 – 9 C 4/05 – NVwZ 2007, 81 ff.). Aus den Festsetzungen des hier einschlägigen Bebauungsplanes Nr. … der Antragsgegnerin ergibt sich nichts dafür, dass etwa auf dem Antragstellergrundstück nicht alle möglichen Nutzungen eines Mischgebiets verwirklicht werden könnten und lediglich die nach § 6 BauNVO zulässigen gewerblichen Nutzungen möglich sein sollten, was in gewissen Grenzen möglich gewesen wäre festzusetzen. Deshalb ist es für die vorliegende Betrachtung unerheblich, welche Nutzungsart auf dem Grundstück tatsächlich bereits verwirklicht ist, denn für die Frage des Erschlossenseins ist eine normative Betrachtung geboten, die auf die abstrakte Bebaubarkeit abstellt. Da insoweit besondere Festsetzungen in dem Bebauungsplan nicht enthalten sind, kann das klägerischen Grundstück mit Wohngebäuden bebaut werden, eine Nutzungsart, die nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig ist. Damit ist für die Bebauung des Antragstellergrundstückes auch dessen Anbindung an den …, welcher in dem Bestandsverzeichnis der Antragsgegnerin als beschränkt öffentlicher Wege mit der Widmungsbeschränkung „Fußgängerverkehr – Fußgängerbereich“ sowie der Widmungserweiterung „Radfahrverkehr und Lieferverkehr zu bestimmten Tageszeiten gelistet ist, als verkehrsmäßige Erschließung bauplanungsrechtlich ausreichend. Da bauplanungsrechtlich auf die Bebauung mit Wohngebäuden abgestellt wird, hat die Antragsgegnerin deshalb auch konsequenterweise auf die Erhebung eines grundstücksbezogenen Artzuschlages in Form eines Gewerbezuschlages verzichtet und damit auch nicht auf die tatsächliche Bebauung der Grundstücke abgestellt (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 5.12.2007 – AN 18 K 06.03797 m.W.N.).
cc) Auch im Hinblick auf die voraussichtlich mit den Grundzügen der Planung vereinbare Überschreitung der bauleitplanerischen Festsetzungen im Bereich des Antragstellergrundstückes bestehen keine rechtlichen Bedenken. Führt die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans – wie vorliegend aufgrund der städtebaulichen Vereinbarung zwischen den Beteiligten vom 3. März 2005 – nicht zu einer Mehrbelastung der Erschließungsbeitragspflichtigen, ist sie also kostenneutral, so ist die planabweichende Herstellung insoweit rechtmäßig (Matloch/Wiens, Rn. 67; BayVGH, U.v. 23.4.2015 – 6 BV 14.1621 – juris Rn. 38).
dd) Nach § 133 Abs. 2 BauGB entsteht die Beitragspflicht (unter anderem) mit der endgültigen Herstellung der Anlage. Dazu müssen alle im Bauprogramm festgelegten flächenmäßigen Bestandteile auf der gesamten Länge der Anlage einen satzungsgemäßen Zustand erreicht haben.
Bis zur Durchführung der den Gegenstand des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheides bildenden, im Wege der Kostenspaltung abgerechneten Maßnahmen, wurden nach Aktenlage keine zur endgültigen Herstellung der streitgegenständlichen Anlage führenden Straßenbauarbeiten durchgeführt. Demnach ist die sachliche Beitragspflicht für die hier abgerechnete streitgegenständliche Maßnahme mit dem Ausspruch der Kostenspaltung am 12. Oktober 2020 entstanden.
An der Rechtmäßigkeit der vorliegend erfolgten Kostenspaltung aufgrund der noch ausstehenden Fertigstellung des Straßenbegleitgrüns bestehen keine Bedenken. Die als innerdienstlichen Ermessensakt der Antragsgegnerin zu wertende Entscheidung für eine Kostenspaltung muss zumindest irgendwelchen Vermerken oder den Abrechnungsunterlagen zu entnehmen sein, was vorliegend unter anderem mit dem entsprechenden Eintrag „Bemerkungen“ in dem streitgegenständlichen Bescheid und im Übrigen durch zahlreiche Erwähnungen in der vorliegenden Behördenakte gegeben ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 30.1.1970 – 4 C 131.68 – juris Rn 10; BayVGH, U.v. 12.7.2001 – 6 B 98.1298 – juris Rn. 58).
c) Der sich voraussichtlich dem Grunde nach als rechtmäßig erweisende streitgegenständliche Bescheid ist wohl auch hinsichtlich der Höhe nicht zu beanstanden.
aa) Der Gemeinde steht nicht nur im Hinblick auf die anlagenbezogene, sondern auch hinsichtlich der kostenbezogenen Erforderlichkeit ein weites Ermessen zu, welches nur dann überschritten ist, wenn die Gemeinde sich offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit hält und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind (vgl. z.B. BayVGH v. 11.12.2015, 6 BV 14.584 – juris). Dafür ist vorliegend antragstellerseits weder etwas vorgetragen noch sonst diesbezüglich etwas erkennbar.
bb) Im Hinblick auf die aufgrund des zwischen den Beteiligten geschlossenen städtebaulichen Vertrages vom 3. März 2005, welcher im Zusammenhang mit der für das Antragstellergrundstück beabsichtigten Baugenehmigung geschlossen wurde, hin geleisteten Zahlungen des Antragstellers handelt es sich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht um eine zu verrechnende Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag im Sinne des § 133 Abs. 3 BauGB, sondern im Ergebnis vielmehr um einen anderweitig gedeckten Aufwand gemäß Art. 5a Abs. 1 KAG, § 127 Abs. 1 BauGB, § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB, welcher gerade nicht umlagefähig oder zu verrechnen ist.
Das Gesetz lässt einen Beitrag nur für anderweitig nicht gedeckten Aufwand zu. Eine anderweitige Deckung kann dabei unter anderem auch in einem Anspruch der Gemeinde gegen einen Dritten auf Übernahme der Erschließungskosten bestehen, soweit seiner Durchsetzung keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen entgegenstehen, wobei an etwaige rechtliche Hindernisse der Anspruchsdurchsetzung hohe Anforderungen zu stellen sind, denn die Gemeinde ist grundsätzlich verpflichtet, einen den Erschließungsaufwand ganz oder teilweise deckenden Anspruch zu realisieren (BVerwG, U.v. 18.9.1981 – 8 C 21.81 – BeckRS 1981, 31249569). Entlässt die Gemeinde einen Dritten aus einer ihr gegenüber vertraglich begründeten Verpflichtung zur Übernahme der Erschließungskosten, ohne dass es dafür einen dies ausnahmsweise rechtfertigenden Grund gibt, so ist der Teil der Kosten, der diesem Anspruch entspricht, anderweitig gedeckt im Sinne des § 127 Abs. 1 BauGB und gehört nicht zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand (BVerwG, U.v. 9.11.1984 – 8 C 77.83 – NVwZ 1985, 346).
Hierzu führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Urteil vom 6. Juni 2019 – 6 B 19.246 (juris) Folgendes aus:
„a) Der Kostenanteil, zu dessen Übernahme sich der Investor im städtebaulichen Vertrag vom 24. Juni 2008 gegenüber der Beklagten zur Herstellung der …wirksam verpflichtet hat, stellt eine anderweitige Deckung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands dar.
Gemäß Art. 5a Abs. 1 und (Art. 5a Abs. 9 KAG i.V.m.) § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB dürfen Erschließungsbeiträge nur insoweit erhoben werden, als der beitragsfähige Erschließungsaufwand, der nach Abzug des Gemeindeanteils verbleibt, nicht bereits „anderweitig“, d.h. durch Zahlungen von dritter Seite, gedeckt ist. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Gemeinde von den Eigentümern der erschlossenen Grundstücke keine Erschließungsbeiträge verlangen kann, soweit der nach Abzug ihres (Eigen-)Anteils (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB) verbleibende beitragsfähige Erschließungsaufwand durch Zahlungen eines Dritten bereits endgültig ausgeglichen ist (BVerwG, U.v. 30.1.1987 – 8 C 10.86 – juris Rn. 18). Anderweitig gedeckt und nach § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht beitragsfähig ist deshalb der Teil des für die erstmalige endgültige Herstellung entstandenen Gesamtaufwands, für den der Gemeinde unabhängig von der erst nach Ermittlung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes zulässigen Beitragserhebung sonstige Einnahmen zugeflossen sind.
Zu denken ist dabei insbesondere an aus vertraglichen oder gesetzlichen Verpflichtungen herrührende zweckgebundene Mittel, die den durch Erschließungsbeiträge zu deckenden Erschließungsaufwand mindern. Eine anderweitige Deckung im Sinn von § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann auch in einem Anspruch der Gemeinde gegen einen Dritten auf Übernahme von Herstellungskosten bestehen, soweit seiner Durchsetzung keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.1981 – 8 C 21.81 – juris Rn. 10; OVG SH, U.v. 4.9.2014 – 4 LB 3/13 – juris; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 12 Rn. 7). Ob die Zuwendung eines Dritten zu einer derartigen anderweitigen Deckung geführt hat, richtet sich ausschlaggebend nach dem Zweck, für den der Dritte seine Leistung bestimmt hat (BVerwG, U.v. 30.1.1987 – 8 C 10.86 – juris Rn. 19; Grziwotz in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 127 Rn. 2). Diese ergibt sich bei einer vertraglich vereinbarten Kostenübernahme durch Auslegung der jeweiligen Vereinbarungen.
In Anwendung dieser Grundsätze ist für die … eine anderweitige Deckung des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes in Höhe 45% des beitragsfähigen Erschließungsaufwands eingetreten. In dem städtebaulichen Vertrag vom 24. Juni 2008 hat sich der Investor gegenüber der Beklagten unter der Überschrift „Öffentliche Flächen/Erschließung“ in Nr. 6.5 wirksam verpflichtet, sich in diesem Umfang an den anrechenbaren Kosten für die Herstellung der „östlichen Querspange“ (der heutigen …*) zu beteiligen, wobei für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten § 128 BauGB maßgeblich sein soll. Bei dieser Vereinbarung handelt es sich nicht um einen „klassischen“ Erschließungsvertrag (bei dem die Gemeinde die Herstellung – und Finanzierung – der Erschließungsanlage einem Unternehmer überträgt), sondern um eine Kostenübernahme im Rahmen eines städtebaulichen Vertrags, mit dem sich der Vertragspartner gegenüber der Gemeinde „nur“ verpflichtet, die Aufwendungen für die von der Gemeinde durchzuführende Herstellung einer Erschließungsanlage endgültig zu tragen.
Diese Kostenübernahmevereinbarung ist wirksam. Für das bundesrechtliche Erschließungsbeitragsrecht ist zwar strittig, ob das Gesetz den Gemeinden einen solchen (dritten) Weg zur Refinanzierung von Erschließungsaufwendungen neben der Erhebung von Erschließungsbeiträgen oder durch Erschließungsvertrag eröffnet, (ablehnend BVerwG, U.v. 12.12.2012 – 9 C 12.11 – juris Rn. 17 ff.; zum Meinungsstand Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 Rn. 314). Der bayerische Landesgesetzgeber hat hingegen in Art. 5a Abs. 4 KAG (ursprünglich Art. 5a Abs. 2 KAG in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25.7.2002, GVBl. S. 322) eine solche vertragliche Übernahme erschließungsbeitragsfähiger Aufwendungen im Rahmen städtebaulicher Verträge ausdrücklich zugelassen und dabei die entsprechende Geltung des § 11 BauGB angeordnet. Anhaltspunkte dafür, dass die gesetzlichen Grenzen für städtebauliche Verträge (Kausalität, Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung, Verbot der Koppelung) überschritten sein könnten, sind nicht ersichtlich, zumal die Erschließung nach dem Vortrag der Beklagten auf Initiative des Investors durchgeführt worden ist und vorwiegend seinen Grundstücken Vorteile bringt.

Ebenso ist nichts dafür ersichtlich, dass sie wie eine Ablösungsvereinbarung allein auf die Tilgung der künftigen Beitragsforderung für das Grundstück des Investors (FlNr. 6493/30) gerichtet sein sollte. Abgesehen davon, dass die rechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer solchen Ablösungsvereinbarung nicht erfüllt wären, spricht gegen ein solches Verständnis nicht nur der Vertragswortlaut, sondern auch die spätere Umsetzung des städtebaulichen Vertrags insbesondere im notariellen Kaufvertrag vom 22. Juli 2010; denn mit diesem hat der Investor der Beklagten – unter anderem – die für die Herstellung der … benötigte Fläche aus seinem Grundstück verkauft und dabei vereinbart, dass die Differenz zwischen dem Kaufpreis (408.000 €) und dem tatsächlich von der Beklagten auszuzahlenden Betrag (132.600 €) „als A-Konto-Zahlung auf die Anliegerbeiträge, Erschließungsbeiträge nach dem BauGB“ gilt. Diese Vereinbarung wäre unverständlich, wenn bereits die vorangegangene Kostenübernahmevereinbarung im städtebaulichen Vertrag den künftigen Erschließungsbeitrag hätte tilgen sollen.“
Auch der in dem vorliegenden Fall geschlossenen städtebaulichen Vereinbarung zwischen den Beteiligten vom 3. März 2005 sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass diese die Tilgung der künftigen Beitragsforderung für das Antragstellergrundstück zum Gegenstand hat. Vielmehr ist in der Vereinbarung ausdrücklich geregelt, dass der Antragsteller die Herstellungskosten der abweichend der Bebauungsplanfestsetzungen liegenden Verkehrsflächen sowie die Kosten für die Ersatzpflanzung inklusive Baumscheibe zu tragen hat.
Soweit der Antragsteller Einwände gegen diese Vereinbarung oder deren Abrechnung geltend machen möchte, hat dies in einem eigenständigen Verfahren zu erfolgen.
d) Die Beitragserhebung ist aller Voraussicht nach auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.
aa) Die vierjährige Festsetzungsverjährung ist eindeutig noch nicht abgelaufen im Hinblick auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im Oktober 2020 (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 AO).
bb) Der Erhebung des streitgegenständlichen Erschließungsbeitrages steht voraussichtlich auch nicht die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb KAG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 KAG entgegen.
Nach dieser Vorschrift ist die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig.
Die in diesem Zusammenhang relevante „Vorteilslage“ tritt grundsätzlich dann ein, wenn die Erschließungsanlage insgesamt betriebsfertig ist, mithin technisch endgültig fertiggestellt ist (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 – juris). Die Anlage muss unter Berücksichtigung der Vorgaben des konkreten Bauprogramms, der in der Satzung genannten baulichen Merkmale der endgültigen Herstellung sowie der Erwartungen eines objektiven Betrachters den Eindruck der Abrechenbarkeit erwecken.
Das war für die vorliegend streitgegenständliche Anlage bezüglich der abgerechneten Maßnahmen ausweislich der Akten der bauprogrammgemäße Ausbau mit Ausnahme des Straßenbegleitgrünes erst im Jahre 2019 der Fall.
Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b bb KAG i.V.m. Art. 19 Abs. 1 KAG ist damit vorliegend aller Voraussicht nach die Erhebung des Erschließungsbeitrags mit dem streitgegenständlichen Bescheid zulässig.
cc) Auch die erst am 1. April 2021 und damit erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides in Kraft getretene Regelung in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG führt aller Voraussicht nach nicht zum Antragserfolg.
Danach kann für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht noch nicht entstanden ist, kein Beitrag mehr erhoben werden, wenn seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind.
Diese Regelung führt jedoch nicht dazu, dass vor ihrem Inkrafttreten bereits durch Beitragsbescheid festgesetzte Beiträge nicht mehr einziehbar sind. Vorliegend war die Regelung in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch nicht in Kraft getreten und damit nicht anwendbar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im hier zu entscheidenden Fall der Widerspruchsbescheid erst nach dem 1. April 2021 ergehen wird. Denn es geht bei dieser Fristenregelung im Kern um den Vertrauensschutz des Beitragspflichtigen, der nach vielen Jahren nicht mehr damit rechnen müssen soll, doch noch mit einer Beitragsforderung „überrascht“ zu werden. Hat der Beitragspflichtige aber bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung am 1. April 2021 einen Beitragsbescheid erhalten, so ist kein Platz mehr für ein schutzwürdiges Vertrauen, keinen Beitrag mehr bezahlen zu müssen, zumal die Gemeinde nach der Bekanntgabe des Beitragsbescheides im Falle von Rechtsmittelverfahren ihren zeitlich Einfluss verlieren kann (vgl. Matloch/Wiens, Rn. 1101a).
dd) Auch von einer Verwirkung kann vorliegend aller Voraussicht nach nicht ausgegangen werden.
Voraussetzung für den Eintritt einer Verwirkung ist zunächst, dass der Anspruch der Gemeinde bereits besteht, also auch geltend gemacht werden kann (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.2.2004 – 6 CS 03.2960 – juris). Eine Verwirkung setzt die Nichtausübung eines bestehenden Rechtes voraus, mithin müssen die Voraussetzungen für die Erhebung des Beitrags vollumfänglich vorliegen. Ist dies zu bejahen, sieht die Gemeinde jedoch gleichwohl von der Beitragserhebung ab, so kann bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen Verwirkung eintreten.
Vorliegend scheitert die Annahme der Verwirkung bereits daran, dass, wie oben ausgeführt, die sachliche Beitragspflicht für die abgerechneten Maßnahmen erst im Oktober 2020 entstanden ist, somit im Hinblick auf den Zeitablauf zwischen Entstehen der sachlichen Beitragspflicht und Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 11. Februar 2021 noch nicht mal ein Jahr vergangen ist und damit, wie ebenfalls bereits ausgeführt, die vierjährige Festsetzungsverjährung, welche mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, vorliegend demnach mit Ablauf des Jahres 2020, noch nicht eingetreten ist, keinesfalls vom Eintritt der Verwirkung auszugehen ist.
Nachdem über das oben Erörterte hinaus keine weiteren, zu ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Erschließungsbeitragsbescheides führenden Gründe zu erkennen sind, war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 Satz 1 Var. 2 des Streitwertkataloges.


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