Baurecht

Klage gegen Untersagung der Nutzung eines unbebauten Grundstücks als Stellplatz

Aktenzeichen  M 9 K 20.2777

Datum:
19.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16941
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

Zu der Frage, ob eine gekieste Fläche eine bauliche Anlage darstellt, wenn sie als Abstellplatz für ein Fahrzeug genutzt wird. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes Miesbach vom 19. Mai 2020 wird aufgehoben. 
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. 
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat Erfolg.
Die Nutzungsuntersagung mit Bescheid vom 19. Mai 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO liegen nicht vor.
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung von Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, untersagt werden. Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an der Voraussetzung, dass es sich um eine bauliche Anlage handeln muss, die entgegen öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Nach dem Ergebnis des Augenscheins handelt es sich vorliegend um ein leeres Grundstück, das in Teilen gekiest ist und das ausweislich des Bebauungsplans gewerblich genutzt werden darf. Entgegen der Annahme im Bescheid vom 19. Mai 2020 wurden keine Stellplätze außerhalb der dafür im Bebauungsplan festgesetzten Flächen errichtet, sondern lediglich der LKW des Ehemanns der Eigentümerin über Nacht dort abgestellt. Der Hinweis im Bescheid auf den Bebauungsplan, dass hier eine Lärmschutzbebauung vorgesehen sei und die Gewerbebebauung eine Abschirmwirkung haben solle, geht fehl, da keine bauliche Anlage errichtet wurde und wird. Die Festsetzungen des Bebauungsplans können erst dann Geltung beanspruchen, wenn gebaut wird. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass dies aktuell nicht der Fall ist. Aktuell ist es deshalb unerheblich, dass der Bebauungsplan eine Lärmschutzbebauung vorsieht. Die Ausführungen zur Lärmbelastung bei Nacht – unter anderem wegen des Geräuschs der Druckluftbremsen und des Abkoppelungsvorgangs des Anhängers – ist nicht weiter schlüssig belegt. Nach dieser Sach- und Rechtslage ist die Annahme, dass keine Genehmigungsfähigkeit vorliegt, auf der Grundlage einer unzutreffenden Subsumtion des Lebenssachverhalts getroffen worden. Es erschließt sich nicht, warum die Nutzung eines gewerblich nutzbaren Grundstücks zum Abstellen eines LKW, der ansonsten auch vor dem Wohnhaus der Eigentümerin auf der Straße abgestellt werden könnte, nicht genehmigungsfähig sein sollte. Der LKW wird in dem hier maßgeblichen Zusammenhang auch nicht betrieblich und damit auch nicht gewerblich geparkt, sondern privat. Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass alle Mitarbeiter des Betriebs ihres Ehemanns die LKWs mit nach Hause oder über Nacht an die auswärtigen Arbeitsstellen nähmen. Das Abstellen eines Fahrzeugs nach Arbeitsschluss ist ein privater Parkvorgang und keine gewerbliche Nutzung.
Die Nutzungsuntersagung ist auch ermessensfehlerhaft.
Nach dem Ergebnis des Augenscheins ist das Grundstück nicht befestigt und nicht eingefriedet und kann von jedermann betreten, aber nicht als Parkplatz genutzt werden. Die Steine im Bereich der Straße genügen nicht den Anforderungen an eine Einfriedung als einer fest mit dem Boden verbundenen Anlage, die nach dem Willen des Eigentümers auf Dauer das Betreten des Grundstücks verhindern soll, sondern sind ein durch das Verfahren ausgelöstes Provisorium. Da eine Einfriedung fehlt und auch der Kies nicht den Eindruck einer auf Dauer künstlich mit dem Erdboden verbundenen Anlage vermittelt, geht das Gericht davon aus, dass es hier bereits an einer baulichen Anlage fehlt (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 29 Rn. 12). Aufgrund der Lage in einem festgesetzten Bebauungsplangebiet ist die in Art. 76 Satz 3 BayBO vorgesehene Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, in jedem Fall das mildere und damit das verhältnismäßigeres Mittel zur Überprüfung der Gesamtsituation. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass dort weitere Anhänger stehen, war der Bescheid deshalb aufzuheben.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO stattzugeben.
Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selber trägt, da sie keinen Antrag gestellt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben