Baurecht

Konkurrentenklage wegen Linienverkehrsgenehmigung

Aktenzeichen  M 23 K 15.2015

Datum:
16.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG PBefG § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 13

 

Leitsatz

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei personenbeförderungsrechtlichen Konkurrentenklagen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Versagungsgründe eingreift (wie BVerwG BeckRS 2014, 46373). (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Zulassung verspäteter Anträge auf die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung iSd § 12 Abs. 5 S. 2 PBefG steht im Ermessen der Behörde. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mit der Möglichkeit der Nachbesserung gem. § 12 Abs. 5 S. 5 PBefG  wird dem Zweck des § 13 PBefG – für optimale Bedienung des öffentlichen Verkehrsinteresses zu sorgen – besonders gedient, wobei die Genehmigungsbehörde dabei aber die Chancengleichheit zwischen den Bewerbern wahren und für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen muss (wie OVG Lüneburg BeckRS 2016, 46474). (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
5. Bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und ihrer befriedigenden Bedienung sowie einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung iSv § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a und b PBefG kommt der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zu, der auch die Frage einschließt, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
6. Es gehört im Allgemeinen zur Wahrung öffentlicher Verkehrsinteressen gem. § 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 PBefG, dass nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (sog. Parallelbedienungsverbot). Das gilt jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss (wie BVerwG BeckRS 2010, 53145). (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 24. Oktober 2014 und 2. Dezember 2014, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2015, verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung eines Linienverkehrs von … nach … (Linie …) vom 27. Juni 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 1/4, die Beigeladene zu 1/4 und der Beklagte zu 1/2.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in dem tenorierten Umfang begründet. Die Bescheide des Beklagten vom 24. Oktober 2014 und 2. Dezember 2014, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2015, sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch darauf, dass über ihren Genehmigungsantrag erneut und ermessensfehlerfrei entschieden wird (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dieser Anspruch ist als Minus im weitergehenden Verpflichtungsantrag enthalten. Soweit darüber hinaus jedoch die Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Linienverkehrsgenehmigung zu erteilen, verfolgt wird, hat die Klage keinen Erfolg, weil die Sache insoweit nicht spruchreif ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in dem hier vorliegenden Konkurrentenstreit um die Erteilung einer Linienverkehrsgenehmigung ist statthaft. Insbesondere ist die Klägerin klagebefugt, da sie als Konkurrenzunternehmerin durch die der Beigeladenen erteilten Genehmigung für die streitgegenständlichen Linie … unter Ablehnung ihres eigenen Genehmigungsantrags in ihren drittschützenden Rechten aus § 13 Abs. 2 und 2b PBefG verletzt sein kann, § 42 Abs. 2 VwGO (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14/09; grundlegend BVerwG, U.v. 6.4.2000 – 3 C 6/99 – jeweils juris). Die Bestimmungen des § 13 PBefG schützen nicht nur den bisher tätigen Unternehmer, sondern ebenso den Neubewerber für eine Linie, der – wie hier die Klägerin – geltend macht, die Genehmigung habe ihm und nicht dem Konkurrenten erteilt werden müssen (BVerwG, U.v. 6.4.2000, a.a.O.).
Die Klage ist im Anfechtungs- und Verbescheidungsantag begründet.
Der Beklagte hat in seiner Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen die Chancengleichheit zwischen den Bewerbern nicht gewahrt und somit nicht für die notwendigen einheitlichen Wettbewerbsbedingungen gesorgt. Seine Entscheidung ist damit (ermessens-)fehlerhaft und verletzt die Rechte der Klägerin, welche in Folge die erneute Verbescheidung ihres am 27. Juni 2014 gestellten Genehmigungsantrags beanspruchen kann.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei personenbeförderungsrechtlichen Konkurrentenklagen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Auflage, § 113 Rn. 62; BVerwG, U.v. 24.10.2013 – 3 C 26/12 – juris), somit vorliegend der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids am 14. April 2015.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG muss, wer im Sinne des § 1 Abs. 1 PBefG mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr (§§ 42 und 43 PBefG) Personen befördert, im Besitz einer Genehmigung sein. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer solchen Genehmigung, wenn keiner der gesetzlich vorgesehenen Versagungsgründe eingreift (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2013 – 3 C 26/12 – juris).
Im Fall der Genehmigungserteilung an die Beigeladene wurde jedoch in rechtlich relevanter Weise verkannt, dass deren verspäteter Antrag nicht ohne Weiteres nach § 12 Abs. 5 Satz 2 PBefG zugelassen und genehmigt werden durfte, sondern vielmehr in Konkurrenz mit dem klägerischen Antrag stand, sodass es jedenfalls Aufgabe des Beklagten gewesen wäre, die gegebene Konkurrenzsituation hinreichend zu würdigen, dementsprechend beide Genehmigungsanträge gleichermaßen inhaltlich zu prüfen und zu bewerten, um eine ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung treffen zu können, welche den öffentlichen Verkehrsbedürfnissen am Besten gerecht wird, § 13 Abs. 2 und 2b PBefG. Dies ist – auch durch die Verfahrensgestaltung des Beklagten bedingt – nicht geschehen.
Entgegen der Einwendungen der Klägerin steht die verspätete Einreichung des Antrags der Beigeladenen gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG der Genehmigungserteilung an diese nicht von vornherein entgegen. Hiernach ist der Antrag auf Erteilung einer Genehmigung für einen eigenwirtschaftlichen Verkehr unter anderem mit Kraftfahrzeugen im Linienverkehr spätestens zwölf Monate vor dem Beginn des beantragten Geltungszeitraums zu stellen. Eine Ausnahme hiervon sieht § 12 Abs. 5 Satz 2 PBefG vor, wonach die Genehmigungsbehörde verspätete Anträge zulassen kann, wenn kein genehmigungsfähiger Antrag gestellt worden ist. Die Zulassung verspäteter Anträge steht im Ermessen der Behörde.
Da die Beigeladene vorliegend ihren Genehmigungsantrag für die Laufzeit ab dem 1. Juli 2015 erst am 2. Juli 2014 bei der Genehmigungsbehörde eingereicht hat, d.h. nach Ablauf der gesetzlichen Jahresfrist, war unstreitig Verfristung gegeben. Folglich kam es bei der Zulassung des Antrags der Beigeladenen zum Genehmigungsverfahren gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2 PBefG maßgeblich darauf an, ob ein anderer genehmigungsfähiger Antrag – hier der Klägerin – vorlag.
Da die Klägerin innerhalb der auch für sie geltenden Antragsfrist des § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG nicht alle notwendigen Antragsunterlagen i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 PBefG vorgelegt hatte, um dem Beklagten eine abschließende Prüfung und Entscheidung über die Genehmigungsfähigkeit ihres Antrags zu ermöglichen, lag zumindest kein genehmigungsfähiger Antrag vor. Wesentlicher Bestandteil der Antragsunterlagen sind unter anderem die für die beantragte Linie und deren Teilstrecken anfallenden Beförderungsentgelte. Hierfür ist erforderlich, dass sich die jeweiligen Beförderungsentgelte unzweideutig aus den Antragsunterlagen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3d PBefG) ergeben; insofern ist die in der mündlichen Verhandlung dargelegte ständige Praxis des Beklagten, wonach die in § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a, b und d PBefG genannten Unterlagen notwendig mit dem Antrag einzureichen sind, nicht zu beanstanden. Da die bis zum Stichtag der Jahresfrist am 30. Juni 2014 eingereichten Antragsunterlagen der Klägerin zunächst eine für Dritte lückenhafte Fahrpreistabelle enthielten, welche bezüglich des Tarifs im äußersten Streckenabschnitt unklar war, konnte nicht von vornherein von einem fristgerechten genehmigungsfähigen Antrag der Klägerin ausgegangen werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin im weiteren Verlauf des Verfahrens die Unvollständigkeit ihres Antrags behoben haben dürfte (vgl. Ergänzungsschreiben der Klägerin zu den Beförderungsentgelten vom 6. Oktober 2014). Denn hierbei handelt es sich um eine nachträgliche Antragsergänzung, welche gemäß § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG nur zulässig ist, wenn sie von der Genehmigungsbehörde im öffentlichen Verkehrsinteresse angeregt worden ist. Eine solche Anregung durch den Beklagten ist vorliegend nicht erfolgt. Insbesondere lässt sich dem Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 29. September 2014, mit dem die Antragsablehnung aufgrund unvollständiger Antragsunterlagen angekündigt wurde, keine solche Anregung zur Antragsergänzung im öffentlichen Verkehrsinteresse entnehmen; vielmehr handelt es sich dort explizit um ein Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Antragsablehnung. Das Gericht sieht auch keine zwingende Notwendigkeit, die Antragsergänzung der Klägerin aufgrund öffentlichen Verkehrsinteresses (vgl. hierzu die negativen Stellungnahmen der Landratsämter … und … zum klägerischen Genehmigungsantrag vom 2./3. Juli 2014 und 6. Oktober 2014) dergestalt zuzulassen, dass ausschließlich der klägerische Antrag in das Genehmigungsverfahren einzuführen gewesen und der Konkurrenzantrag der Beigeladenen gemäß § 12 Abs. 5 Satz 2 PBefG von vornherein – ohne jegliche sachliche Prüfung und Bewertung – ausgeschieden wäre.
Im Rahmen der damit grundsätzlich gegebenen Berechtigung des Beklagten, den verspäteten Genehmigungsantrag der Beigeladenen nach § 12 Abs. 5 Satz 2 PBefG zuzulassen, sind jedoch Ermessensfehler festzustellen, die zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungserteilung an die Beigeladene gemäß Bescheid vom 2. Dezember 2014, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2015, führen. Obgleich die Ausübung des behördlichen Ermessens gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur einer begrenzten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, ist ein zur Rechtswidrigkeit führender Ermessensfehler des Beklagten in Gestalt des Ermessensfehlgebrauchs gegeben, denn in seiner Entscheidung blieb – einseitig zu Lasten der Klägerin – vollständig unberücksichtigt, dass für die gebotene Chancengleichheit auch der klägerische Antrag sachlich mit in das Auswahlverfahren einzubeziehen gewesen wäre. Beide Genehmigungsanträge hätten sodann eingehend inhaltlich geprüft und bewertet werden müssen, um – bei gegebener Genehmigungsfähigkeit beider Anträge – eine Auswahlentscheidung nach der besseren Verkehrsbedienung i.S.d. § 13 Abs. 2 und 2b PBefG zu treffen.
Ob der Beklagte darüber hinaus aufgrund der Zulassung des verspäteten Antrags der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit auch etwaigen weiteren Bewerbern die Möglichkeit hätte geben müssen, nach Ablauf der Antragsfrist Genehmigungsanträge einzureichen und so das Genehmigungsverfahren für den Linienverkehr allgemein neu eröffnen hätte werden müssen (bspw. durch allgemeine Bekanntmachung einer neuen, verkürzten Antragsfrist), kann vorliegend offen bleiben, da zumindest Rechte der Klägerin hiervon nicht betroffen sind.
Die vorliegende Konstellation zeichnet sich maßgeblich dadurch aus, dass dem Beklagten innerhalb der geltenden Jahresfrist des § 12 Abs. 5 Satz 1 PBefG, d.h. bis zum 30. Juni 2014, kein vollständiger, prüffähiger Genehmigungsantrag für die streitgegenständliche Linie … vorlag. Während der Antrag der Klägerin zwar fristgerecht, aber unvollständig, erfolgte, reichte die Beigeladene den Antrag erst nach Ablauf der Frist ein, wobei der Antrag der Beigeladenen zunächst zumindest ebenso den Eindruck der Unvollständigkeit vermittelte, wie die E-Mail des Beklagten an den Beigeladenen zur beabsichtigten Antragsablehnung wegen Unvollständigkeit vom 10. November 2014 zeigt. Darüber hinaus lag dem Genehmigungsantrag keine Übersichtskarte vom Streckenverlauf einschließlich Längenangaben i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a und b PBefG bei, welche gemäß der Erklärung der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung jedem Genehmigungsantrag zwingend beizufügen sind.
Das OVG Lüneburg führte in einer Entscheidung vom 20. Mai 2016 (7 ME 50/16 – juris) zur Nachbesserung von Genehmigungsanträgen nach § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG in einer Konkurrenzsituation zweier Antragsteller aus:
„(…) Grundsätzlich hat jeder Antragsteller die Möglichkeit, bis zur Genehmigung seinen Antrag nachzubessern. § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG bestimmt, dass nach Ablauf der Antragsfrist Ergänzungen und Änderungen von Anträgen nur dann zulässig sind, wenn sie von der Genehmigungsbehörde im öffentlichen Verkehrsinteresse angeregt worden sind. Das Gesetz sieht die Möglichkeit von Nachbesserungen damit selbst vor. Mit der Möglichkeit der Nachbesserung wird dem Zweck des § 13 PBefG – optimale Bedienung des öffentlichen Verkehrsinteresses – sogar besonders gedient. Die Genehmigungsbehörde muss dabei aber die Chancengleichheit zwischen den Bewerbern wahren und für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Es ist beispielsweise verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Genehmigungsbehörde die bei ihr eingehenden Anträge anderen Unternehmen zur Kenntnis gibt und diesen die Möglichkeit einräumt, anschließend mit dieser Kenntnis eigene, konkurrierende Anträge zu stellen. Entscheidet sich eine Genehmigungsbehörde für eine solche Verfahrensgestaltung, setzt ein chancengleicher Wettbewerb allerdings voraus, dass auch der erste Antragsteller auf die konkurrierenden Anträge reagieren kann, weil er sonst gegenüber den Mitbewerbern ohne sachlichen Grund benachteiligt würde. Eine Möglichkeit zum „Nachbessern“ von Anträgen ist bei dieser Verfahrensgestaltung nicht schlechthin unvereinbar mit einem fairen Wettbewerb. Solange sie allen Antragstellern in gleicher Weise und auf Grundlage eines vergleichbaren Kenntnisstandes eingeräumt wird, ist sie unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.10.2010 – 1 BvR 1425/10 – juris). Zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens hat die Genehmigungsbehörde den Antragstellern jedoch einen Stichtag bekanntzugeben (vgl. Beschluss des Senats vom 27.10.2009 – 7 LA 94/08 – juris). Die Genehmigungsbehörde darf das Auswahlverfahren grundsätzlich nicht zu einem für die Antragsteller nicht vorhersehbaren, beliebigen Zeitpunkt für beendet erklären, sondern muss in der Regel im Voraus einen Termin zur Abgabe der letzten Antragsfassung festlegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.10.2010, a. a. O.). (…)“
Das Gericht schließt sich diesen Grundsätzen für das hiesige Verfahren zur Gewährleistung der Chancengleichheit an, welche das wesentliche Ziel des Personenbeförderungsrechts, nämlich das öffentliche Verkehrsinteresse optimal zu bedienen, zutreffend wiederspiegeln. Um die Auswahl der besten Verkehrsbedienung zu ermöglichen (§ 13 Abs. 2 und 2b PBefG), bedarf es eines fairen Wettbewerbs. Es wäre folglich an dem Beklagten gewesen, im vorliegenden Fall Chancengleichheit zu schaffen durch Zulassung beider Anträge zum Genehmigungsverfahren, gegenseitige Zuleitung des jeweiligen Konkurrenzantrags und einheitliche Gewährung einer Nachbesserungsfrist zur Vervollständigung der Anträge, um sodann nach inhaltlicher Prüfung und Bewertung der Anträge eine sachgerechte Auswahlentscheidung treffen zu können.
Diesen Kriterien eines fairen Wettbewerbs wird die Verfahrensgestaltung und Auswahlentscheidung des Beklagten nicht gerecht. Wie dem Ablehnungsbescheid gegenüber der Klägerin vom 24. Oktober 2014, dem Genehmigungsbescheid gegenüber der Beigeladenen vom 2. Dezember 2014 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 14. April 2015 zu entnehmen ist, ist der Beklagte in keine eigenständige Sachprüfung und Bewertung der Konkurrenzanträge eingetreten, sodass eine inhaltliche Auswahlentscheidung nach der besten Verkehrsleistung i.S.d. § 13 Abs. 2b PBefG hätte erfolgen können. Vielmehr wurde der verspätete Antrag der Beigeladenen bereits formal mit knappem Verweis auf die bereits erfolgte Ablehnung des klägerischen Antrags und damit nicht (mehr) gegebene Konkurrenzsituation i.S.d. § 12 Abs. 5 Satz 2 PBefG zugelassen. Sachlich wurde hierbei lediglich auf die positiven Stellungnahmen der Landratsämter zu Gunsten der Beigeladenen verwiesen. Während der Antrag der Klägerin bereits mangels Vollständigkeit bei Ablauf der Antragsfrist nach § 12 Abs. 5 Satz 1 und 5 PBefG nicht genehmigungsfähig gewesen sei, findet in den Bescheiden hingegen keinerlei Erwähnung, dass auch der Antrag der Beigeladenen (zunächst) nicht vollständig gewesen ist, was angesichts der zusätzlich gegebenen Verfristung des Antrags erst recht zur Anwendung der strengeren Maßstäbe des § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG hätte führen müssen. Anderenfalls wäre derjenige ungerechtfertigt bessergestellt, der seinen Antrag zu spät stellt, da es nur bei ihm nicht auf die Vollständigkeit seines Antrags ankäme. Dem zuwiderlaufend enthält der Widerspruchsbescheid (vgl. S. 5) nur die knappe, hierzu gegenteilige Aussage, dass keine Veranlassung für eine Anregung der Antragsergänzung im Fall der Klägerin bestanden habe, da ein vollständiger Antrag eines Konkurrenzunternehmens vorgelegen habe. Dieser Ansicht vermag das Gericht angesichts obiger Erläuterungen zur Unvollständigkeit des Antrags der Beigeladenen selbst nicht zu folgen.
Selbst wenn der Antrag der Beigeladenen – im Gegensatz zum klägerischen Antrag – vollständig gewesen wäre, wäre für die gebotene Chancengleichheit im Wettbewerb dennoch die Vorgehensweise des Beklagten zu beanstanden, ausschließlich den Antrag der Klägerin, welcher zumindest fristgerecht erfolgte, an den strengen Voraussetzungen der nachträglichen Ergänzung nach § 12 Abs. 5 Satz 5 PBefG zu messen, nicht jedoch den von vornherein verfristeten Antrag der Beigeladenen. Dies gilt umso mehr, als die Beigeladene wohl überhaupt erst durch die Zuleitung des klägerischen Genehmigungsantrags an die Einreichung ihres eigenen Verlängerungsantrags erinnert worden ist; zudem bestand hierdurch für die Beigeladene die potentiell den Wettbewerb verzerrende Möglichkeit, im eigenen Antragsverfahren inhaltlich auf den bereits bekannten Antrag der Klägerin einzugehen, was umgekehrt nicht der Fall war. Denn der Beklagte verwehrte es der Klägerin, sowohl auf den Antrag der Beigeladenen zu reagieren, als auch den eigenen Antrag nachzubessern, obgleich ihrerseits der einzige fristgerechte Antrag gestellt worden war.
Die vom Beklagten getroffene Auswahlentscheidung zu Gunsten der Beigeladenen unter vorheriger Ablehnung des klägerischen Genehmigungsantrags erweist sich aus den genannten Gründen als ermessensfehlerhaft (Art. 3 Abs. 1 GG) und damit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf einen chancengleichen Wettbewerb, welcher den öffentlichen Verkehrsbedürfnissen gerecht wird und die Auswahl der besten Verkehrsleistung zum Ziel hat, § 13 Abs. 2 und 2b PBefG. Folglich waren der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid gegenüber der Klägerin und der Genehmigungsbescheid gegenüber der Beigeladenen, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids, aufzuheben.
Da die Sache nicht spruchreif ist und dem Beklagten im Übrigen ein Beurteilungsspielraum zukommt, hat die Klägerin jedoch nur einen Anspruch darauf, dass über ihren Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden wird (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Hierbei dürfte der Beklagte zur Wahrung der Chancengleichheit sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene im Genehmigungsverfahren zuzulassen haben, beidseitig Einsicht in den jeweiligen Konkurrenzantrag gewähren und den Beteiligten eine einheitliche Frist zur Nachbesserung ihrer Anträge zu setzen haben, um im Anschluss beide Anträge im Hinblick auf die subjektiven und objektiven Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 und 2 PBefG eingehend sachlich prüfen zu können. Bei Genehmigungsfähigkeit beider Anträge müsste eine ermessensgerechte Auswahlentscheidung nach § 13 Abs. 2b PBefG getroffen werden, wobei darauf abzustellen wäre, wer – gemessen an den öffentlichen Verkehrsbedürfnissen – die beste Verkehrsbedingung anbietet.
In diesem Rahmen dürfte der Beklagte zu berücksichtigen haben, dass bei der Bewertung von Verkehrsbedürfnissen der unterschiedlichsten Art und ihrer befriedigenden Bedienung sowie einer wesentlichen Verbesserung der Verkehrsbedienung im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a und b PBefG der Genehmigungsbehörde ein Beurteilungsspielraum zukommt, der auch die Frage einschließt, wie gewichtig einzelne öffentliche Verkehrsinteressen sowohl für sich gesehen als auch im Verhältnis zu anderen sind. Dazu hat die Genehmigungsbehörde die Verkehrsbedürfnisse zu ermitteln und zu bewerten, um dann entscheiden zu können, ob und in welchem Maße sie befriedigt werden können und sollen. Diese Entscheidung setzt nicht nur prognostische, sondern auch verkehrs- und raumordnerische Wertungen voraus (vgl. auch § 8 Abs. 4 PBefG). Die Behördenentscheidung ist deshalb ähnlich wie andere planerische Verwaltungsentscheidungen der gerichtlichen Überprüfung nur begrenzt zugänglich (st. Rspr.; vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14/09 – juris m.w.N.).
Eine befriedigende Bedienung des Verkehrs mit den vorhandenen Verkehrsmitteln im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a PBefG findet dann nicht statt, wenn eine Lücke im Verkehrsangebot besteht, wenn – mit anderen Worten – die Nachfrage das Angebot übersteigt. Umgekehrt gehört es im Allgemeinen zur Wahrung öffentlicher Verkehrsinteressen gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PBefG, dass nicht mehreren Unternehmen für denselben Verkehr parallel zueinander eine Linienverkehrsgenehmigung erteilt wird (sog. Parallelbedienungsverbot). Das gilt jedenfalls dann, wenn davon auszugehen ist, dass eine annähernd kostendeckende Bedienung der Linie nur durch einen Unternehmer erfolgen kann und eine Konkurrenz zu einem ruinösen Wettbewerb führen muss (st. Rspr, vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14/09 – juris m.w.N.).
Das Parallelbedienungsverbot bezweckt Wirtschaftlichkeit im Interesse staatlicher Daseinsvorsorge erforderlicher Verkehrsleistungen. Das Verbot schützt grundsätzlich gegen jede Beeinträchtigung der Wettbewerbslage des genehmigten durch hinzutretende konkurrierende Verkehre. Eine Beschränkung auf die Abwehr „ruinösen“ Wettbewerbs würde das Verbot und die Auswahlentscheidung im Rahmen der Genehmigungskonkurrenz ihrer Wirkung weitgehend berauben (Heinze in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Auflage, § 13 Rn. 49). Unter der Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist jedoch auch die Abgrenzung des Parallelbedienungsverbots auf das Hilfskriterium der geringfügigen Beeinträchtigungen angewiesen, die trotz entgegenstehender öffentlicher oder privater Interessen hingenommen werden müssen (Heinze in Heinze/Fehling/Fiedler, PBefG, 2. Auflage, § 13 Rn. 56, 86; im Ergebnis ebenso OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 24.5.2012 – 7 A 10246/12 – juris; BayVGH, U.v. 28.3.2012 – 11 B 10.2554 – juris).
Ob die Klägerin bei hinreichender Würdigung der Chancengleichheit im Wettbewerb und sachgerechter Erhebung der objektiven Bewertungsgrundlagen die beantragte Linienverkehrsgenehmigung tatsächlich erhalten wird, bleibt somit dem nunmehr durchzuführenden Auswahlverfahren des Beklagten vorbehalten.
Da eine Ermessensreduktion auf Null zu Gunsten der Klägerin jedenfalls weder dargetan noch ersichtlich ist, bleibt es mangels Spruchreife beim bloßen Anspruch auf eine Neuverbescheidung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der darüberhinausgehende Verpflichtungsantrag war daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO und bemisst sich an der Quote des jeweiligen Unterliegens. Es entspricht der Billigkeit, dem Beklagten die größte Kostenquote an den Verfahrenskosten aufzuerlegen. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und damit ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO), war sie ebenso an den Verfahrenskosten zu beteiligen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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