Baurecht

Kosten der Ersatzvornahme, Antragsgegner, Streitwertfestsetzung, Zwangsmittelandrohung, Benachbarte Grundstücke, Kostenerstattungsanspruch, Vollstreckungseinstellung, Allgemeinverfügung, Verwaltungsgerichte, Behördenakten, Erneute Androhung, Vorherige Androhung, Androhung von Zwangsmitteln, Weitere Androhung, Antragstellers, Verwaltungsakt, Zwangsgeld, Einstweilige Anordnung, Prozeßbevollmächtigter, Festgestellte

Aktenzeichen  B 1 E 20.753

Datum:
8.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40862
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Allgemeinverfügung der Regierung von Oberfranken vom 17.03.2017
VwGO § 123
VwZVG Art. 32
VwZVG Art. 36

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Zwangsvollstreckung wird einstweilen eingestellt, soweit dies die im Rahmen einer Ersatzvornahme beabsichtigten Maßnahmen des Antragsgegners zur Borkenkäferbekämpfung auf Teilflächen der Grundstücke Fl.Nrn. aaa, bbb und ccc der Gemarkung W … sowie des Grundstücks Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … auf der Grundlage des Schreibens des Landratsamts … vom 17. August 2020 betrifft.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 38.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsgegner die Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen wegen Borkenkäferbefalls auf Waldgrundstücken des Antragstellers zu untersagen.
Die Regierung von Oberfranken erließ am 17. März 2017 eine für sofort vollziehbar erklärte Allgemeinverfügung, wonach Nadelwälder sowie Grundstücke, auf denen innerhalb einer Entfernung von 500 m von diesen Wäldern unentrindetes Nadelholz lagert, zu Gefährdungs- und Befallsgebieten u.a. des Buchdruckers und Kupferstechers erklärt wurden und den Eigentümern bzw. Nutzungsberechtigten Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen auferlegt wurden.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … und Fl.Nrn. aaa, bbb und ccc der Gemarkung W … Mit Schreiben vom 24. Januar und 27. Januar 2020 forderte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … (AELF) den Antragsteller auf, auf den Grundstücken Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … sowie Fl.Nrn. aaa und ccc der Gemarkung W … wegen des festgestellten Borkenkäferbefalls die erforderlichen Bekämpfungsmaßnahmen durchzuführen (es wurden die Lage des Befalls innerhalb der Grundstücke und die notwendigen Maßnahmen benannt). Mit Bescheid vom 11. März 2020 drohte das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) dem Antragsteller für den Fall, dass er nicht bis zum 20. März 2020 die in Ziffer 4 der Anordnung der Regierung von Oberfranken vom 17. März 2017 auferlegte Pflicht zur sachgemäßen und wirksamen Bekämpfung von schädlichen Insekten auf seinen Grundstücken Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … und Fl.Nrn. aaa und ccc der Gemarkung W … erfüllen werde, Zwangsgelder an. Nachdem das AELF dem Landratsamt am 23. März 2020 mitgeteilt hatte, dass bei einer Ortseinsicht am gleichen Tag auf den Grundstücken des Antragstellers Fl.-Nr. ddd der Gemarkung S … und Fl.Nrn. aaa, bbb und ccc der Gemarkung W … nach wie vor Borkenkäferbefall festgestellt worden sei, drohte das Landratsamt mit Bescheid vom 23. März 2020 die Ersatzvornahme an für den Fall, dass der Antragsteller nicht bis 14. April 2020 die sachgemäße und wirksame Bekämpfung von schädlichen Insekten (Nadelholzborkenkäfer, Buchdrucker und Kupferstecher) auf seinen Grundstücken Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … und Fl.Nrn. aaa, bbb und ccc der Gemarkung W … durchführen werde. Die Kosten der Ersatzvornahme wurden vorläufig auf 65.000 EUR veranschlagt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23. März 2020 wurde durch Beschluss des Gerichts vom 6. Mai 2020 abgelehnt (Az.: …*). Die dagegen eingelegte Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wurde verworfen (Az.: …*).
Mit Schreiben vom 18. Mai 2020 teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt mit, dass inzwischen alle vom Borkenkäfer befallenen Flächen auf diesen Grundstücken beräumt worden seien. Das AELF erklärte daraufhin, dass am 27. Mai 2020 auf den Flächen des Antragstellers etwa 300 bis 400 Festmeter stehendes Borkenkäferholz vorgefunden worden sei. Am 8. Juni 2020 fand mit den Beteiligten ein Vor-Ort-Termin statt. Einer E-Mail des Landratsamts … an das AELF vom 10. Juni 2020 (Bl. 544 der Behördenakte) zur Vorbereitung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ist die Einschätzung zu entnehmen, dass nicht mehr verbindlich festgestellt werden könne, ob nun bereits alle Bäume/Flächen, die von der Ersatzvornahme betroffen waren, bereinigt seien oder nicht. Beim bestehenden Borkenkäferbefall könne es sich auch um frischen Befall handeln. Der Bevollmächtigte des Antragstellers äußerte in einem Schreiben vom 8. Juni 2020 an das Landratsamt, dass es sich im Bereich der Fl.Nr. ccc nach Ansicht des vom Antragsteller beigezogenen Sachverständigen bei den stehenden Bäumen um einen neuen Befall im Jahr 2020 handle. Die Fläche befinde sich auf einer Höhe von 565 Meter auf dem …berg (Fl.Nr. ccc). Der Antragsteller sei zu einer einvernehmlichen Lösung bereit.
Einem Ergebnisprotokoll des AELF zum Ortstermin vom 8. Juni 2020 (Bl. 561 ff. der Behördenakten) ist zu entnehmen, dass auf dem Grundstück Fl.Nr. ccc Alt- und Neubefall auf einer Fläche von ca. 0,3 ha festgestellt worden sei. Nach Ansicht des Gutachters des Antragstellers sei der Borkenkäfer schon mehrere Wochen (d.h. seit Februar/März; neuer Käferbefall) in den Bäumen oder habe sogar dort überwintert. In einer E-Mail des Landratsamts … an das AELF vom 8. Juli 2020 wird ausgeführt, dass derzeit nach wie vor Unklarheit herrschte, welche Bäume noch von der ursprünglichen Androhung erfasst seien. Zur Durchführung der Ersatzvornahme bzw. einer Neuanordnung bedürfe es einer entsprechenden Darstellung der zu entfernenden Bäume. In einer weiteren E-Mail des AELF vom 13. August 2020 an das Landratsamt … wird mitgeteilt, dass die betreffenden Flächen wegen einer Berichtspflicht an das Staatsministerium aufgesucht worden seien. Es sei massiver Borkenkäferbefall festgestellt worden. Dabei handle es sich um Neubefall, der von Borkenkäfern ausgehe, die bereits im Frühjahr 2020 auf der Fläche gewesen seien.
Mit Schreiben vom 17. August 2020 wurde der Antragsteller auf den massiven Borkenkäferbefall hingewiesen. Es handle sich um Neubefall, der von Borkenkäfern ausgehe, die bereits im Frühjahr 2020 auf den Flächen gewesen seien. Der Antragsteller sei nicht in der Lage, den Befall einzudämmen. Der Bescheid des Landratsamts … vom 23. März 2020 sei immer noch maßgeblich. Das AELF werde nun die Ersatzvornahme auf Kosten des Antragstellers durchführen.
Mit einem am 21. August 2020 bei Gericht eingegangen Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO beantragt der Antragsteller,
1.dem Antragsgegner aufzugeben es zu unterlassen, im Rahmen der Anwendung der Ersatzvornahme Maßnahmen zur Bekämpfung von Borkenkäfern auf den Grundstücken Fl.Nrn. aaa, bbb und ccc der Gemarkung W … sowie des Grundstücks Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … auf der Grundlage des Bescheides des Landratsamts … vom 23. März 2020 gemäß Schreiben des Landratsamts … vom 17. August 2020 auf Kosten des Antragstellers durchführen zu lassen, insbesondere dritte Personen mit der Durchführung der vorgezeichneten Maßnahmen zu beauftragen,
2.hilfsweise: die Anwendung (Durchführung) der Ersatzvornahme gemäß Schreiben vom 17. August 2020 und des Bescheides vom 23. März 2020 einzustellen wegen Zweckerreichung.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Antragsteller bis zur Anwendung (Durchführung) der Ersatzvornahme mit Schreiben des Landratsamts … vom 17. August 2020 wohl unstreitig sämtliche mit Borkenkäfern befallenen Bäume entsprechend dem Bescheid vom 23. März 2020 gefällt, gerückt und abgefahren habe und damit seine Verpflichtung hieraus vollständig erfüllt habe. Bei dem im Schreiben des Landratsamts … vom 17. August 2020 mitgeteilten Borkenkäferbefall handle es sich um einen neuen Befall. Gegenstand der Androhung der Ersatzvornahme mit Bescheid vom 23. März 2020 seien nur die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Borkenkäfer befallenen Bäume auf den vorbezeichneten Grundstücken und nicht die zu diesem Zeitpunkt noch gesunden, nicht befallenen Bäume. Die Allgemeinverfügung vom 17. März 2017, auf die der Bescheid vom 23. März 2020 Bezug nehme, gelte nur für „aufgetretenen Befall“. Zudem sei den Gründen des Bescheids vom 23. März 2020 zu entnehmen, dass sich dieser auf den „vorhandenen Befall“ bzw. die „befallenen Bäume“ beziehe. Das Landratsamt … sei rechtswidrig der Auffassung, dass sich die Androhung der Ersatzvornahme auch auf den neu nach dem 23. März 2020 hinzugekommenen Befall beziehe. Dem Antragsteller sei zudem noch nicht mitgeteilt worden, in welchen Bereichen seiner Grundstücke überhaupt ein neuer, „massiver Borkenkäferbefall“ festgestellt worden sei. Für diesen neuen Borkenkäferbefall fehle es an der erforderlichen Androhung von Zwangsmitteln. Der Bescheid vom 23. März 2020 könne hier nicht die Grundlage sein.
Hilfsweise werde noch vorgetragen, dass im Hinblick auf das Grundstück Fl.Nr. bbb der Gemarkung W … bereits die Androhung der Ersatzvornahme vom 23. März 2020 rechtswidrig sei, weil für dieses Grundstück zunächst kein Zwangsgeld angedroht worden sei.
Der Umfang der anzuwendenden/durchzuführenden Ersatzvornahme sei zu unbestimmt. Aus dem Schreiben vom 17. August 2020 sei nicht ersichtlich, auf welchen konkreten Flächen welche Bäume mit Borkenkäfer neu befallen seien. Dies habe zur Folge, dass dem Antragsteller sein Recht, die ihm insoweit obliegende Verpflichtung auf der Grundlage der Allgemeinverfügung vom 17. März 2017 ordnungsgemäß noch zu erfüllen, um die Einstellung der Anwendung der Ersatzvornahme zu erreichen, genommen werde. Die mit Bescheid vom 23. März 2020 angedrohte Ersatzvornahme gelte nicht für einen Befall nach diesem Zeitpunkt. Der Antragsteller habe seine Verpflichtung zur Bekämpfung des Borkenkäfers aus dem Bescheid vom 23. März 2020 erfüllt, sodass diesbezüglich die Vollstreckung einzustellen sei.
Außerdem werde noch ein Verstoß gegen Art. 28 BayVwVfG und Art. 3 GG gerügt.
Mit Schriftsatz vom 1. September 2020 beantragte das Landratsamt … für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Am 17. April 2020 habe man dem Antragsteller mitgeteilt, dass nach aktuellen Schätzungen noch 1.200 bis 1.500 Festmeter zu schlagendes Holz auf den betroffenen Grundstücken stehe.
Die ursprüngliche Androhung der Ersatzvornahme vom 23. März 2020 entfalte immer noch Wirkung und umfasse auch den derzeitigen Borkenkäferbefall, der aus dem Befallsgeschehen des Frühjahrs (im Sinne einer unmittelbaren Kausalität) resultiere, der sich weiterentwickelt und nunmehr in dem jetzigen Schadensbild manifestiert habe. Bei einer erneuten Ortseinsicht sei massiver Borkenkäferbefall auf den genannten Fl.Nrn. festgestellt worden, wie sich der beigefügten Stellungnahme des AELF vom 26. August 2020 entnehmen lasse. Es handle sich um einen Neubefall, der von den Borkenkäfern ausgegangen sei, die bereits im Frühjahr 2020 auf der Fläche gewesen seien. Der Antragsteller sei offensichtlich nicht in der Lage, den Befall einzudämmen. Es handle sich daher nach wie vor um den Käferbefall, gegen den mit der Androhung ursprünglich vorgegangen werden sollte. Wäre der ursprüngliche Käferbefall rechtzeitig bekämpft worden, gäbe es den Befall, der nunmehr zur Bekämpfung stehe, nicht. Folglich erstreckte sich die Androhung inhaltlich auch auf den derzeitigen Befall.
Es bestehe ein großes öffentliches Interesse an einer zeitgerechten Durchführung der Bekämpfung des Borkenkäfers, um einer großflächigen Entwaldung entgegenzuwirken. In den Monaten April bis Oktober sei die Ersatzvornahme ein geeignetes Zwangsmittel, um die Bekämpfungsmaßnahmen zeitnah durchzusetzen und das von den Borkenkäfern ausgehende Gefährdungspotenzial zu beseitigen. Ein Zwangsgeld sei weder geeignet noch zielführend. Eine unbillige Härte liege nicht vor (wird näher ausgeführt). Zum Gleichbehandlungsgrundsatz werde vorgebracht, dass weit über 100 Waldbesitzer in den Landkreisen … und … angeschrieben worden seien wegen Borkenkäferbefalls, Zwangsmaßnahmen seien regelmäßig angedroht worden. Nahezu alle Waldbesitzer hätten eine Bekämpfung rechtzeitig eingeleitet und vielfach auch abgeschlossen. Zwangsmaßnahmen seien nur in wenigen Ausnahmefällen erforderlich geworden. Der Antragsteller bemühe sich zwar, den Borkenkäferbefall einzudämmen, jedoch seien die letzten Wochen und Monate nicht ausreichend genutzt worden. Eine Ersatzvornahme (z.B. Behandlung der gelagerten Stämme mit Insektiziden) sei zwingend erforderlich.
Der beigefügten Stellungnahme des AELF vom 26. August 2020 ist Folgendes zu entnehmen:
Am 8. Juni 2020 anlässlich der Ortseinsicht sei nur ein kleiner Teil der Fl.Nr. ccc der Gemarkung W … begangen worden. Bereits nach wenigen Metern Fußmarsch sei alter und neuer Befall durch Borkenkäfer festgestellt worden. Eine Begehung der gesamten Fläche sei nicht erfolgt. Zur Argumentation des Antragstellers, er habe den Befall am 31. Mai 2020 beseitigt, sodass der Bescheid vom 23. März 2020 nicht mehr einschlägig sei, werde vorgetragen, dass alter Befall dann vorliege, wenn Borkenkäfer aus den befallenen Fichten ausgeflogen seien. Neuer Befall liege dann vor, wenn sich Borkenkäfer in gesunde grüne Fichten einbohrten und dort eine neue Brut (Entwicklungsdauer etwa sechs Wochen) anlegten. Im Jahresverlauf gebe es 2-3 „Schwärmwellen“. Dem Antragsteller sei es nicht gelungen, den Borkenkäferbefall in den Griff zu bekommen. Daher habe sich der Borkenkäfer auf den Waldflächen immer weiter ausbreiten können. Aufgrund der Größe der Flurstücke und der räumlichen Lage des jetzt festgestellten Borkenkäferbefalls sei eine Kausalität zwischen dem bereits im Januar 2020 festgestellten Borkenkäfervorkommen und dem Befallsgeschehen, welches sich seit Frühjahr 2020 auf den Flächen manifestiert und im August 2020 einen neuen Höhepunkt (Frischbefall von Fichten) erreicht habe, gegeben.
Der Antragsteller legte eine eidesstattliche Versicherung vom 25. August 2020 vor und führte darin den zeitlichen Ablauf der bisherigen Maßnahmen aus. Bei dem am 8. Juni 2020 anlässlich der Ortseinsicht festgestellten Borkenkäferbefall auf einer Fläche von ca. 200 bis 300 m² handle es sich um neuen Befall. Die auf den Grundstücken Fl.Nrn. aaa, bbb und ccc der Gemarkung W … und Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … befallenen Bäume entsprechend dem Bescheid vom 23. März 2020 seien gefällt, gerückt und abgefahren worden. Der nunmehr festgestellte neue Borkenkäferbefall könne auch aus benachbarten Waldgrundstücken stammen. Obwohl die Sachlage auf den benachbarten Grundstücken identisch sei, habe das AELF nur gegen ihn Maßnahmen eingeleitet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller in Bezug auf die vom Antragsgegner in dessen Schreiben vom 17. August 2020 angekündigte Ersatzvornahme einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Nach dem Vorbringen des Antragstellers geht es vorliegend um eine beabsichtigte Ersatzvornahme zur Borkenkäferbekämpfung, die nicht die Flächen betrifft, die bei Erlass der Androhung der Ersatzvornahme vom 23. März 2020 bereits als befallene Flächen bekannt gewesen und dem Antragsteller mitgeteilt worden sind (vgl. hierzu die Angaben zu den Borkenkäfernestern im Schreiben des AELF vom 24. Januar 2020), sondern um einen nach diesem Zeitpunkt erst festgestellten Befall weiterer Bäume. Auch der Antragsgegner bezieht seine im Schreiben vom 17. August 2020 gemachten Ausführungen auf einen sog. „Neubefall“.
Ob der Antragsteller seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Bekämpfung der im Frühjahr 2020 bereits erkennbaren Borkenkäferschäden vollumfänglich nachgekommen ist oder ob hinsichtlich dieser Flächen noch Zwangsmaßnahmen ergriffen werden können, ist nach dem Antrag nicht streitgegenständlich. Wie sich aus dem Beschluss des Gerichts vom 6. Mai 2020 (* …*) ergibt, darf der Antragsgegner bezüglich dieses bereits im Winter/Frühjahr 2020 bekannten Befalls im Rahmen der Ersatzvornahme Maßnahmen ergreifen. Ob der Antragsteller seiner Verpflichtung in Bezug auf diese Flächen bereits vollständig nachgekommen ist mit der Folge, dass diesbezüglich die Vollstreckung einzustellen ist (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG), bedarf deshalb im vorliegenden Verfahren keiner Erörterung.
Hinsichtlich der nunmehr im Schreiben des Antragsgegners vom 17. August 2020 angekündigten Vornahme von Maßnahmen liegen zwar die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen (vgl. Art. 19 VwZVG) vor, es fehlt vorliegend aber an einer wirksamen Androhung des Zwangsmittels nach Art. 36 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 VwZVG.
Der der angekündigten Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt, die Allgemeinverfügung der Regierung von Oberfranken vom 17. März 2017, ist für sofort vollziehbar erklärt, so dass die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG gegeben ist. Diese Allgemeinverfügung ist auch hinreichend bestimmt. Zwar heißt es in Nr. 4 Satz 1 nur, dass auftretender Befall unverzüglich, sachgemäß und wirksam zu bekämpfen sei, ohne dass hierzu konkrete Handlungspflichten vorgegeben werden. Dies ist jedoch nicht zwingend geboten. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz ggf. im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen, für die Beteiligten gemäß Art. 13 BayVwVfG, insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten könne, und dass auch die mit dem Vollzug betrauten oder sonst mit der Angelegenheit befassten Behörden und deren Organe den Inhalt etwaigen Vollstreckungsmaßnahmen oder sonstigen weiteren Entscheidungen zugrunde legen können (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 37 Rn. 5 ff.), gegebenenfalls nach Auslegung (BayVGH, U.v. 18.07.2016 – 15 ZB 15.1; U.v. 16.10.2013 – 15 B 12.1808; B. v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759). Nicht zu beanstanden ist damit, wenn der Verwaltungsakt zunächst das Ziel festlegt und aus den Gesamtumständen, insbesondere der Kommunikation zwischen Behörde und Betroffenem eindeutig klar wird, mit welchen (ggf. auch unterschiedlichen einzusetzenden Mitteln) dieses Ziel erreicht werden kann, wobei aus Verhältnismäßigkeitsgründen auch verschiedene Möglichkeiten zur Zielerreichung vorgegeben sein können. Dem Antragsteller wurde bereits mit Schreiben des AELF vom 27. Januar 2020 mitgeteilt, was von ihm im Hinblick auf eine wirksame Borkenkäferbekämpfung verlangt wird; zudem wurde ihm eine Infobroschüre übersandt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist die Grundverfügung damit hinreichend bestimmt und hat auch einen vollstreckungsfähigen Inhalt.
Nach Art. 32 und Art. 36 VwZVG setzt die Ersatzvornahme voraus, dass die im Grundverwaltungsakt auferlegte Verpflichtung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wurde. Die Vollstreckungsbehörde kann die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lassen (Art. 32 Satz 1 VwZVG). Dabei muss das Zwangsmittel schriftlich angedroht (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und hierbei für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist bestimmt werden, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Soll die Handlung durch Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen durchgeführt werden, so ist in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen (Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Grundsätzlich hat der Pflichtige dann auch die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen und der Vollstreckungsbehörde, die dazu auch einen Dritten beauftragen kann, als Auslagen zu ersetzen (vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG).
Nach Art. 36 Abs. 1 VwZVG muss die Androhung des Zwangsmittels zwingend schriftlich erfolgen. Wie der Grundverwaltungsakt selbst unterliegt auch die Zwangsmittelandrohung dem Bestimmtheitsgebot. Wird dem Adressaten durch Verwaltungsakt ein Handeln aufgegeben, muss für den Betroffenen hinreichend klar erkennbar sein, welche konkreten Handlungspflichten er zu erfüllen hat, um eine Vollstreckung durch die Behörde zu verhindern. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten der erlassenden Behörde. Zudem ist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG mit der Androhung für die Erfüllung der durch die Grundverfügung begründeten Verpflichtung eine Frist zu setzen. Dabei handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift. Dem Betroffenen soll die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Verpflichtung freiwillig zu erfüllen und es sollen die finanziellen Konsequenzen aufgezeigt werden, mit denen zu rechnen ist, wenn er seiner Verpflichtung nicht nachkommt.
Dem Antragsteller wurde vom Antragsgegner nur hinsichtlich des im Winter 2019 bzw. Frühjahr 2020 konkret festgestellten Befalls die Ersatzvornahme angedroht, die sich nicht auf bis dahin nicht erkennbar befallene Bäume erstreckt. Bezüglich des neu festgestellten Befalls fehlt es an einer Androhung mit Fristsetzung und den veranschlagten Kosten für eine Ersatzvornahme.
Unstreitig ist zwischen den Parteien, dass zusätzlich zu dem bereits im Frühjahr 2020 festgestellten Borkenkäferbefall auf dem Grundstück Fl.Nr. ccc der Gemarkung W … (damals im Schreiben des AELF vom 24. Januar 2020 als „Borkenkäfernester mit Schwerpunkt an den Südhängen im Ostteil“ angegeben) ein weiterer Befall nunmehr im Bereich um den weiter nördlich liegenden …berg zu verzeichnen ist. In seiner Stellungnahme vom 26. August 2020 führt das AELF zudem aus, dass auch auf den anderen Fl.Nrn. bei einer systematischen Erfassung durch einen Mitarbeiter des AELF Borkenkäferbefall festgestellt worden sei. Nähere Angaben zur Lage und zum Umfang dieses neuen Befalls sind weder den Behördenakten noch der Stellungnahme des AELF zu entnehmen. Die Ortseinsicht am 8. Juni 2020 bezog sich nur auf Teile des Grundstücks Fl.Nr. ccc der Gemarkung W … Im Schreiben an den Antragsteller vom 17. August 2020, mit dem dieser zu einer weiteren Borkenkäferbekämpfung aufgefordert wurde, sind ebenfalls keine Angaben zur konkreten Lage in den jeweiligen Grundstücken und zum Ausmaß des neuen Befalls gemacht worden. Welche Feststellungen ein Mitarbeiter des AELF anlässlich seiner systematischen Erfassung des Borkenkäferbefalls am 24. August 2020 (siehe Stellungnahme des AELF vom 26. August 2020) machte, wird nicht näher erläutert.
Die Androhung der Ersatzvornahme vom 23. März 2020 entfaltet keine Rechtswirkungen i.S.d. Art. 36 VwZVG hinsichtlich des sog. „neuen“ Befalls. Dieser resultiert nach den Ausführungen des Antragsgegners aus nachfolgenden Generationen der im Winter bzw. Frühjahr vorhandenen Käfer. Damit liegt zwar ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem ursprünglich festgestellten Befall und dem Befall weiterer Flächen vor. Dass der Antragsteller – wie der Antragsgegner vorträgt – durch seine zögerliche Aufarbeitung der befallenen Flächen dazu beigetragen habe, dass die Käfer weiter ausschwärmen und sich verbreiten konnten, reicht nicht aus. Diese dem Antragsteller von Seiten des Antragsgegners vorgeworfene Verantwortlichkeit für weitere Schäden führt nicht dazu, dass eine weitere Zwangsmittelandrohung entbehrlich wäre. Zum Zeitpunkt der Androhung der Ersatzvornahme vom 23. März 2020 waren die nunmehr betroffenen Bäume entweder noch gar nicht befallen oder es war dies noch nicht nach außen hin sichtbar geworden. Wenn man, wie der Antragsgegner, die Auffassung vertritt, von der Androhung einer Ersatzvornahme seien alle – auch später erst erkennbaren Befallsflächen – umfasst, mag dies vielleicht zutreffen, wenn sich bei der Aufarbeitung einer konkret benannten Teilfläche eines Grundstücks das Ausmaß des Befalls nachträglich größer als zunächst eingeschätzt ergibt, etwa weil mehr Bäume als geschätzt zu entfernen waren (so VG Bayreuth, U.v. 15.09.2009 – B 1 K 08.762 – zur Rechtmäßigkeit eines Kostenerstattungsanspruchs der Behörde). Vorliegend liegt der Sachverhalt aber anders. Mit der Androhung der Ersatzvornahme vom 23. März 2020 wurde vom Antragsteller verlangt, die damals bekannten befallenen Teilflächen, die im Schreiben vom 24. Januar 2020 zumindest hinsichtlich der Grundstücke Fl.Nr. ddd der Gemarkung S … sowie der Fl.Nrn. aaa und ccc der Gemarkung W … bezeichnet wurden, innerhalb einer bestimmten (mittlerweile natürlich abgelaufenen) Frist zu beseitigen. Nur für diese damals bekannten Flächen erfolgte die Kostenschätzung. Bei dem neuen Befall auf den streitgegenständlichen Grundstücken handelt es sich nach dem Vortrag der Beteiligten nicht um bereits im Frühjahr erkennbare Befallsflächen, sondern um neu entstandene Herde an anderer Stelle. Auch weil die Grundstücke z.T. sehr groß sind (das Grundstück Fl.Nr. ccc hat geschätzt über 40 ha, die Fl.Nr. ddd ca. 13 ha) kann auf die Androhung vom 23. März 2020 nicht zurückgegriffen werden, denn dann wäre die Reichweite einer einmal ausgesprochenen Zwangsmittelandrohung (auch hinsichtlich der Frist und der Kosten) für den Betroffenen unüberschaubar (es könnte im schlimmsten Fall das ganze Grundstück betroffen sein). Damit der Antragsgegner auch auf diesen neu befallenen Flächen Zwangsmaßnahmen ergreifen kann, bedarf es daher zunächst einer Konkretisierung, vergleichbar des Schreibens vom 24. Januar 2020 und einer erneuten Androhung mit Fristsetzung. Dass dies im Hinblick auf eine mögliche Ersatzvornahme und dem damit verbundenen evtl. Kostenerstattungsanspruch der Behörde notwendig ist, zeigt sich bereits darin, dass im Ergebnisprotokoll vom 8. Juni 2020 (Bl. 561 ff. der Behördenakte) beim Grundstück Fl.Nr. aaa von 0,3 ha Befall (Alt- und Neubefall ?) die Rede ist, während der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2020 (Bl. 546 ff der Behördenakten) und seiner eidesstattlichen Versicherung vom 25. August 2020 von nur noch 200 bis 300 m² spricht. Nur durch eine Konkretisierung ist für den Antragsteller klar ersichtlich, innerhalb welchen Zeitraums er die Möglichkeit hat, eine Vollstreckung durch eigenes Tun abzuwenden, in welchem Umfang er mit Vollstreckungsmaßnahmen rechnen muss und welche Kosten auf ihn zukommen, wenn er nicht innerhalb der Frist tätig wird. Aber auch für die Behörde ist dies notwendig, um im Falle eines Kostenerstattungsstreits nachweisen zu können, welche Kosten auf der Grundlage der Androhung vom 23. März 2020 verlangt werden können und welche Maßnahmen später erfolgt sind. Durch eine entsprechende kurze Fristsetzung kann dem Antragsteller vor Augen geführt werden, dass er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel, u.U. auch durch Hinzuziehung von Fremdfirmen, ergreifen muss, um so schnell wie möglich den Borkenkäferbefall zu beseitigen und dass weder ein „auf Zeit spielen“ noch ein eingeschränkter Einsatz hingenommen werden wird. Dem Antragsteller obliegt es dann, mit einem schlüssigen Konzept (Einsatz von genügend eigenen Arbeitskräften und Maschinen bzw. auch Beauftragung von Fremdfirmen) die Borkenkäfer ebenso zeitnah zu beseitigen wie der Antragsgegner dies täte, um Zwangsmaßnahmen zu entgehen.
Nur ergänzend bleibt auszuführen, dass es nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall der vorherigen Androhung eines Zwangsgeldes nicht bedarf, da die Voraussetzungen des Art. 32 Satz 2 VwZVG gegeben sind. Bereits im Verfahren … wurde deutlich, dass ein Zwangsgeld auch wegen der Notwendigkeit umgehenden Einschreitens keinen Erfolg verspricht.
2. Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterlegene Beteiligte die Kosten zu tragen hat.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffn. 1.5 und 1.7.1 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57). Auf die vom Antragsgegner veranschlagten Kosten der Ersatzvornahme aus der Androhung vom 23. März 2020 ist deshalb nicht abzustellen, weil diese nur die davon betroffenen Teilflächen umfasst. Nach Mitteilung des Antragsgegners vom 7. September 2020 betragen die voraussichtlichen Kosten einer Ersatzvornahme für die neu betroffenen Flächen bis zu 38.000 EUR, so dass von diesem Wert auszugehen ist, der nicht halbiert wird, weil mit der im Streit stehenden Ersatzvornahme ohne weitere Androhung (anders als im Verfahren …*) vollendete Tatsachen geschaffen werden sollen.


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