Baurecht

Kostenvorschuss für die Dachsanierung eines Wohngebäudes

Aktenzeichen  8 O 16867/16

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27573
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 101 Abs. 1, § 128 Abs. 2, § 322 Abs. 1
BGB § 181, § 291 S. 1, § 307, § 367 Abs. 2, § 637 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Eine Mängelbeseitigung muss die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden anerkannten Regeln der Technik einhalten. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Vorschussverlangen führt nur dann zu einem Abrechnungsverhältnis, wenn es die Erklärung enthält, mit dem Unternehmer nicht mehr zusammenzuarbeiten. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin … € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus … € seit 30.01.2016 und aus … € seit 30.10.2019 zu zahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Streithelfer tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
– bis 29.10.2019 auf … €.
– von 30.10.2019 bis 04.11.2019 auf … € und
– ab 05.11.2019 auf … €.

Gründe

Die Klage hat weitgehend Erfolg.
A.
Die Klage ist zulässig und zum Großteil begründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht ihr nicht gemäß § 322 Abs. 1 ZPO die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts München I vom 16.05.2013 mit dem Aktenzeichen 8 O 14663/07 entgegen. Denn das Urteil im Vorprozess schöpft die Klage nicht quantitativ aus und stellt nicht endgültig fest, in welcher Höhe ein Vorschussanspruch der Klägerin zusteht (vgl. OLG München, Urteil vom 26.01.1994 – 27 U 513/93).
II.
Die Klage ist im Wesentlichen auch begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses zur Mangelbeseitigung an dem Dach des Hauses … in Höhe von … € (siehe Ziffer 1.) nebst Zinsen (siehe Ziffer 2.). Lediglich auf die Zahlung vorprozessualer Anwaltskosten samt Verzinsung hat die Klägerin keinen Anspruch (siehe Ziffer 3.).
1. Der Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 637 Abs. 3 BGB a.F., 242 BGB auf Zahlung eines Vorschusses zur Mangelbeseitigung an dem Dach des Hauses … in Höhe von … €.
a) Die von der Klägerin geltend gemachten Mängel liegen vor.
Mag zwar schon das Endurteil in dem Verfahren 8 O 14663/07 die Mängel rechtskräftig feststellen, so hat sie jedenfalls der Sachverständige … in dem vorliegenden Verfahren festgestellt. Er hat in seinem Gutachten vom 23.11.2018 ausgeführt, an Haus … und an Haus …ägen Mängel und Schäden vor, die sich aufgrund zu geringer Neigungen, mangelhafter Ausführungsplanung, Führung der Dachdeckung an aufgehenden Bauteilen, nicht berücksichtigter Längenänderungen etc. am Dach Haus … und Dach Haus … ergeben. Diese seien als Systemmängel zu bewerten. In der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019 hat der Sachverständige ausgeführt, dass aufgrund seines Augenscheins die von ihm bei Haus … festgestellten Mängel deckungsgleich seien mit den Mängeln, die der Sachverständige … bei Haus … festgestellt habe. Es gehe um das grundsätzliche Problem der thermischen Lageänderung der Scharen und den Temperaturwechsel. Die Scharen unterlägen Zwangspunkten. Auch gäbe es aufgehende Bauteile. Demgemäß seien auch die aufgetretenen Schadensbilder dieselben.
Das Gericht schließt sich den insofern nachvollziehbaren Aussagen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde keine Zweifel bestehen.
b) Zur Mängelbeseitigung fallen Kosten in Höhe von … € an.
aa) Gemäß der Tischvorlage vom 28.10.2019 des Sachverständigen …, die dieser in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019 nachvollziehbar erläutert hat, betragen die Sanierungskosten … € netto ohne Bauleitung an. Das Gericht folgt den Ausführungen des Sachverständigen.
bb) In diesem Betrag sind auch die Mehrkosten für die Ausbildung gemäß den Vorgaben der EnEV 2014 enthalten. Eine Mängelbeseitigung muss die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden anerkannten Regeln der Technik einhalten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 03.07.2012, 10 U 33/12; OLG Schleswig, Urteil vom 01.02.2019, 1 U 42/18). Dahinstehen kann insoweit, ob die Klausel in Ziffer II.2. der Erwerberverträge wirksam ist.
cc) Hinzu kommen 19% Mehrwertsteuer in Höhe von rund … € (abgerundet wie eingeklagt) sowie ca. 20% der Bruttobausumme als Bauleitungskosten in Höhe von rund 27.000,00 € (abgerundet wie eingeklagt). Letztere hat der Sachverständige … in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2019 überzeugend als für angemessen für Ausschreibung, Bauleitung und Abnahme erachtet.
dd) Abzuziehen ist der seitens der Beklagten bereits geleistete Vorschuss in der von der Klägerin angegebenen Höhe von 10.955,86 €. Aus dem Urteil des Landgerichts München I mit dem Aktenzeichen 8 O 14663/07 ergibt sich eindeutig, dass der Betrag in Höhe von … € den Vorschuss für die Mangelbeseitigung an den Dächern der Häuser … und … darstellt. Wenn die Beklagte aufgrund dieses Urteils den Betrag in Höhe von … € zahlt, ist nach den Umständen davon auszugehen, dass für die Mangelbeseitigung sowohl für die Sanierung des Daches an Haus Nr. … als auch für die Sanierung des Daches an Haus Nr. … bestimmt war (vgl. § 367 Abs. 2 BGB). Dementsprechend ist der Vorschuss in Höhe von … € in dem Verfahren 18 O 664/13 für die Dachsanierung verrechnet worden.
c) Die Entscheidung des BGH vom 19.01.2017 (VII ZR 301/13), wonach Mängelrechte grundsätzlich erst nach Abnahme geltend gemacht werden können, steht einem Anspruch der Klägerin auf Vorschusszahlung trotz fehlender Abnahme nicht entgegen.
Ziffer IV.2.b) der Erwerberverträge ist unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 30.06.2016, VII ZR 188/13). Dem Verwender einer solchen unwirksamen Klausel ist es nach Treu und Glauben verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag noch im Erfüllungsstadium befinde (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2016, VII ZR 171/15).
d) Die Einrede der Verjährung greift nicht durch.
Die Verjährung beginnt mit der Abnahme, § 634a Abs. 2 BGB a.F. Eine solche ist unstreitig noch nicht erfolgt. Die Klägerin hat weder die Abnahme verweigert noch ist zwischen den Parteien ein Abrechnungsverhältnis eingetreten.
Der Vortrag der Streithelfer … und …, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums sei im Jahr 2007 abgelehnt worden, haben diese trotz Hinweises des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2017 (Bl. 71 d. A.) nicht substantiiert. Unerheblich ist insoweit, ob die Klägerin im Jahr 2006 beschlossen hat, Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegenüber der Beklagten durchzusetzen oder im Jahr 2007, Gewährleistungsansprüche wegen der Mängel an den Dächern gerichtlich geltend zu machen. Eine Abnahme oder Ablehnung der Abnahme vermag das Gericht darin nicht zu erkennen.
Ein Abrechnungsverhältnis ist aufgrund der als Anlage B 1 vorgelegten Klageschrift aus dem Jahr 2008 nicht eingetreten. Ein Vorschussverlangen führt nur dann zu einem Abrechnungsverhältnis, wenn es die Erklärung enthält, mit dem Unternehmer nicht mehr zusammenzuarbeiten (BGH NJW 2017, 1604).
e) Der Anspruch auf Vorschuss ist nicht verwirkt.
Schon aufgrund der Tatsachen, dass in dem Verfahren 18 OH 10880/10 bzw. 18 O 664/13 seit dem Gutachten des Sachverständigen B1.-van L. vom 27.08.2012 für die Mangelbeseitigung am Dach des Hauses … erheblich höhere Kosten im Raum standen als durch den Sachverständigen … festgestellt und dass das Endurteil vom 25.02.2015 noch mit der Berufung angegriffen worden ist, fehlt es insoweit jedenfalls an dem erforderlichen Umstandsmoment. Aus der als Anlage B 2 vorgelegten Stellungnahme des Privatsachverständigen … vom 15.11.2009 lassen sich keine Rückschlüsse auf das vorliegende Verfahren ziehen, da diese das Haus … und nicht das streitgegenständliche Haus … oder das bezüglich des Daches vergleichbare Haus … betraf.
2. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Verzinsung des Zahlungsbetrags.
Der Anspruch ergibt sich hinsichtlich des ursprünglich eingeforderten Betrags in Höhe von … € aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB. Denn dieser Betrag wurde mit Schreiben des Klägervertreters vom 20.01.2016 mit Fristsetzung zum 29.01.2016 angemahnt. Hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 05.11.2019 eingeforderten weiteren Betrages in Höhe von … € ergibt sich der Anspruch aus §§ 291 S. 1 BGB, 261 Abs. 2 ZPO. Der Schriftsatz ist der Beklagten am 23.11.2019 zugestellt worden.
3. Vorprozessuale Anwaltskosten in Höhe von … € samt Verzinsung kann die Klägerin nicht geltend machen.
Die Anwaltskosten sind für das Schreiben vom 20.01.2016 entstanden, mit dem der erweiterte Kostenvorschuss erstmals angefordert wurde. Erst durch dieses Schreiben geriet die Beklagte mit der Zahlung des weiteren Kostenvorschusses in Verzug. Die vorprozessualen Anwaltskosten wurden daher nicht durch den Verzug der Beklagten verursacht. Die Klägerin hätte den erweiterten Kostenvorschuss zunächst auch ohne die Einschaltung eines Rechtsanwalts geltend machen können.
B.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.
C.
Der Streitwert entspricht nach §§ 48 GKG, 3 ZPO dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin und ergibt sich aus dem Leistungsantrag. Zinsen und vorgerichtliche Anwaltsgebühren bleiben gem. §§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO, 43 Abs. 1 GKG als Nebenforderungen außer Betracht.


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