Baurecht

Leistungen, Kaufpreis, Schadenersatz, Frist, Zahlung, Klage, Annahmeverzug, Anspruch, Christ, Leistungserbringung, Aufhebung, Schaden, Beweislast, Berechnung, entsprechende Anwendung, ersparte Aufwendungen, erbrachte Leistungen

Aktenzeichen  1 HK O 1715/19

Datum:
8.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53413
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage im Urkundenprozess statthaft gemäß § 592 ZPO.
Eine Klage im Urkundenprozess ist gemäß § 592 ZPO zulässig, wenn die sämtlichen zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Unstrittige oder zugestandene Tatsachen bedürfen nicht des Urkundenbelegs (Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 592 Tz. 11 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Klage.
Mit seiner Klage macht der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Anzahlungen geltend. Haben die Parteien vertraglich Abschlagszahlungen vereinbart, so ergibt sich daraus die vertragliche Pflicht des Empfängers der Abschlagszahlungen, nach Erbringung der von ihm geschuldeten Sachleistungen bzw. nach vorzeitiger Aufhebung des Vertrages z.B. durch eine Kündigung nach § 649 BGB a.F., seine Leistungen abzurechnen und einen Überschuss an den Auftraggeber auszuzahlen (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.1999 – VII ZR 399/97 -, Tz. 22, juris = BGHZ 140 365 – 379). Der Auftraggeber kann die Klage auf Zahlung eines Überschusses mit einer eigenen Berechnung begründen. Ausreichend ist eine Abrechnung, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Auftraggeber Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen eine entsprechende und endgültige Vergütung des Auftragnehmers nicht gegenübersteht (BGH, aaO. Tz. 28). Der Auftragnehmer trägt auch im Prozess des Auftraggebers auf Zahlung eines Überschusses die Beweislast für seinen Vergütungsanspruch (BGH, aaO. Tz. 31).
Der Kläger legte für den unstrittigen Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen die Auftragsbestätigungen der Beklagten vor. Daraus ergibt sich, dass die Parteien insgesamt eine Vergütung der Beklagten in Höhe von netto 514.515,40 € vereinbarten für die Herstellung, Lieferung und Montage einer Autowaschstraße, einer zentralen Staubsaugeranlage, eines Wash-Managers und eines SB-Waschplatzsystems. Unstrittig leistete der Kläger darauf Abschlagszahlungen in Höhe von brutto 404.537,49 €. Unbestritten ist, dass der Kläger das Grundstück, auf dem die von der Beklagten geschuldete Montage der vertragsgegenständlichen Anlagen geplant war, verkaufen musste. Der Kläger beruft sich darauf, dass er deshalb seine Pflichten aus den geschlossenen Verträgen nicht erfüllen könne und dies Schadensersatzansprüche der Beklagten gemäß XII. 3. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nach sich ziehe in Höhe von 15% aus der vereinbarten Nettovergütung, ihr somit nur ein Anspruch in Höhe von 77.177,31 € zustehe. Die tatsächlichen Voraussetzungen für diese Ansicht wurden vom Kläger durch Urkunden belegt bzw. sind unstrittig. Ob die Ansicht des Klägers zutrifft, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Klage.
II.
Die Klage ist als unbegründet abzuweisen, weil trotz der Beschränkungen des Urkundenprozesses feststeht, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung von Anzahlungen zusteht.
1. Aus den Grundsätzen zum sogenannten Zweckfortfall ergibt sich hier, dass der Beklagten gegen den Kläger gemäß § 326 Abs. 2 BGB oder zumindest aus einer analogen Anwendung von § 645 Abs. 1 S. 1 BGB Ansprüche gegen den Kläger zustehen, die die vom Kläger geleisteten Abschlagszahlungen übersteigen.
a) Wenn der Leistungserfolg wegen Wegfalls des vom Gläubiger zu stellenden Leistungssubstrats nicht mehr herbeigeführt werden kann, so begründet das dauernde Annahme- oder Mitwirkungshindernis auf Seiten des Gläubigers eine Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB (Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Auflage, § 275 Tz. 19 und § 293 Tz. 5). Der Anspruch auf die Gegenleistung bleibt in voller Höhe bestehen gemäß § 326 Abs. 2 BGB, wenn der Gläubiger der Sachleistung den Zweckfortfall allein oder weitaus überwiegend zu vertreten hat. Eine Leistungsunfähigkeit aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten befreit den Schuldner auch dann nicht von den Folgen des Ausbleibens der (rechtzeitigen) Leistung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruht. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (BGH, Urteil vom 04. Februar 2015 – VIII ZR 175/14 -, Tz. 18 m.w.Nachw., juris = BGHZ 204, 134-144; Grüneberg, aaO § 276 Tz. 28). Außerdem ist anerkannt, dass der wegen Unmöglichkeit freigewordene Unternehmer selbst dann einen Anspruch auf einen der geleisteten Arbeit entsprechenden Teil der Vergütung in entsprechender Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB hat, wenn der Besteller den Zweckfortfall nicht allein oder überwiegend zu vertreten hat. (BGH, Urteil vom 16.10.1997 – VII ZR 54/96 -, Tz. 17, juris = BGHZ 137, 135 – 143; Grüneberg aaO.). Diese Vorschrift beruht auf Billigkeit. Ihre entsprechende Anwendung ist deshalb in Fällen geboten, in denen die Leistung des Unternehmers aus Umständen untergeht oder unmöglich wird, die in der Person des Bestellers liegen oder auf Handlungen des Bestellers zurückgehen, auch wenn es insoweit an einem Verschulden des Bestellers fehlt. In derartigen Fällen steht der Besteller, der sich aus diesen Umständen ergebenden Gefahr für das Werk näher als der Unternehmer. Der Unternehmer erhält die erbrachte Werkleistung bezahlt. (BGH aaO). Der Besteller braucht lediglich den darüber hinausgehenden Teil der Vergütung nicht zu entrichten. Die Rechtfertigung für die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB auf Fallsituationen, die vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst werden, ist die objektive Verantwortlichkeit des Auftraggebers für den Eintritt des Schadens in Risikolagen, die mit den geregelten Fällen vergleichbar sind (BGH, aaO. Tz. 18).
b) Nach diesen Grundsätzen dürfte hier wegen der Veräußerung des Grundstücks, auf dem die Montage der streitgegenständlichen Anlagen geplant war, von einer Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch die Beklagte auszugehen sein mit der Folge, dass der Beklagten der volle Erfüllungsansprüch gem. § 326 Abs. 2 BGB zusteht oder zumindest die vereinbarte Vergütung für den Teil der Arbeit, die sie bereits geleistet hat entsprechend § 645 Abs. 1 S. 1 BGB. Die entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigt sich daraus, dass das Risiko der Finanzierbarkeit des Vorhabens allein der Kläger als Besteller trägt. In vergleichbaren Konstellationen wurde auch eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB abgelehnt (BGH, Urteil vom 20.03.1974 – VIII ZR 31/73 -, Tz. 36, juris). Eine zumindest teilweise Übernahme dieses Risikos durch die Beklagte wird vom Kläger nicht behauptet und ist auch aus den vorgelegten Vertragsunterlagen nicht ersichtlich.
c) Nach § 326 Abs. 2 BGB steht der Beklagten die vereinbarte Vergütung in Höhe von netto unstrittig 514.515,40 € zu und somit ein Anspruch, der weit über den geleisteten Anzahlungen von insgesamt brutto 404.537,49 Euro liegt.
d) Eine entsprechende Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB ergibt, dass die Ansprüche der Beklagten die vom Kläger geleisteten Anzahlungen um brutto 137.769,44 € übersteigen und daher der Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung seiner Anzahlungen hat.
Hier steht fest, dass die Beklagte die vertraglich geschuldeten Anlagen herstellte und lediglich die Lieferung und Montageleistungen nicht erbracht wurden, weil der Kläger keinen Liefertermin gewährte. Unstrittig wurde die Herstellung der Anlagen durch den Architekten des Klägers am 03.03.2016 abgerufen. Dass die Anlagen von der Beklagten vollständig hergestellt wurden, steht aufgrund des Abnahmeprotokolls vom 01.08.2017 (Anlage B1) fest. Ohne Erfolg bestreitet der Kläger, dass eine Abnahme erklärt worden sei, weil noch keine Lieferung und Montage erfolgt sei. Der Kläger bestreitet nicht, das Abnahmeprotokoll vom 01.08.2017 unterzeichnet zu haben. Damit ist gemäß § 416 ZPO bewiesen, dass er die darin enthaltenen Erklärungen abgab, wonach die streitgegenständlichen Anlagen am 20.05.2016 fertiggestellt wurden auf Grundlage des Abrufs vom 03.03.2016 und die Abnahme ohne sichtbare Mängel erfolgte. Es kann offen bleiben, ob diese Erklärung trotz der unstrittig fehlenden Lieferung und Montage als Abnahme gemäß § 640 BGB auszulegen ist, weil darin jedenfalls ein schriftliches Empfangsbekenntnis entsprechend § 368 BGB zu sehen ist, mit der Folge einer Beweislastumkehr. Es obliegt daher dem Kläger, eine unvollständige oder mangelhafte Herstellung der vertragsgegenständlichen Anlagen zu beweisen. Das einfache Bestreiten des Klägers ohne Nennung konkreter Anhaltspunkte und ohne Beweisangebote genügt nicht. Daher steht hier fest, dass die Beklagte sämtliche vertraglich geschuldeten Anlagen herstellte und ihr die darauf entfallende vertraglich vereinbarte Vergütung zusteht. Die Abrechnung der Beklagten insoweit auf Seite 9 und 10 der Klageerwiderung vom 22.01.2020 (Bl. 27/28 d. A.) stimmt mit den vorgelegten Vertragsunterlagen überein und berücksichtigt die unstrittig vom Kläger geleisteten Abschlagszahlungen. Das pauschale Bestreiten der Abrechnung durch den Kläger ist demgegenüber unbeachtlich, weil keine Fehler aufgezeigt werden oder sonst ersichtlich sind. Daraus ergibt sich, dass der Beklagte gegen den Kläger für die Herstellung der vertraglich geschuldeten Anlagen ein Restanspruch über die geleisteten Abschlagszahlungen hinaus zumindest in Höhe von brutto 137.769,44 € zusteht.
2. Ein Restanspruch der Beklagten gegen den Kläger über die bereits geleisteten Abschlagszahlungen hinaus ergibt sich auch, wenn davon ausgegangen wird, dass die Verträge durch den Kläger wirksam gekündigt wurden gemäß § 349 BGB a.F. Da die Verträge hier bereits im Jahr 2014 abgeschlossen wurden, ist auf die streitgegenständlichen Vertragsverhältnisse nach Art. 229 § 39 EGBGB die alte Fassung des § 349 BGB anzuwenden, die mit der aktuellen Fassung von § 648 BGB übereinstimmt. Die freie Kündigung eines Werkvertrages hat danach zur Folge, dass bereits erbrachte Leistungen nach den vertraglichen Vereinbarungen gemäß § 632 BGB abzurechnen sind und für noch nicht erbrachte Leistungen gemäß § 649 BGB a.F. ersparte Aufwendungen und anderweitiger Erwerb anzurechnen ist, wobei gemäß § 649 S. 3 BGB a.F. zugunsten des Unternehmers die Vermutung besteht, dass ihm 5% der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistungen entfallenden vereinbarten Vergütung zusteht. Für die bereits erbrachte Herstellung der vertragsgegenständlichen Anlagen ergibt sich damit die gleiche Berechnung, wie bei einer Anwendung von § 645 BGB. Bei einer Kündigung gemäß § 649 BGB a.F. steht der Beklagten jedoch darüber hinaus grundsätzlich 5% der vereinbarten Vergütung für die nicht erbrachte Lieferung und Montage zu, die die Beklagte auf weitere 3.498,32 € beziffert.
3. Es kann offen bleiben, ob die vertragsgegenständlichen Anlagen als bewegliche Sachen und die streitgegenständlichen Verträge als Werklieferungsvertrag gemäß 650 BGB oder aber die vertragsgegenständlichen Anlagen als Bauwerke und die streitgegenständlichen Verträge als reine Werkverträge zu qualifizieren sind. Im Hinblick auf einen Erfüllungsanspruch gem. § 326 Abs. 2 BGB, eine analoge Anwendung von § 645 BGB und eine Kündigung gemäß § 649 BGB a.F. ergeben sich keine Unterschiede.
4. Rückzahlungsansprüche des Klägers sind auch ausgeschlossen, wenn im Hinblick auf die untergeordnete Bedeutung der Lieferung und Montage eine Unmöglichkeit abgelehnt und nur eine Störung des Verwendungszwecks angenommen wird, weil dann nur ein Annahmeverzug des Klägers vorliegt, der die Erfüllungsansprüche der Beklagten aus den abgeschlossenen Verträgen unberührt lässt. Gründe für einen wirksamen Rücktritt des Klägers von den Verträgen sind nicht ersichtlich. In Betracht kommt nur eine Kündigung gem. § 649 BGB a.F., die – wie bereits dargelegt – Vergütungsansprüche der Beklagten in einer die Anzahlungen übersteigenden Höhe zur Folge hat.
5. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, der Beklagten stünde nach XII. 3. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten lediglich ein Anspruch in Höhe von 15% der vereinbarten Nettovergütung zu. Diese Vertragsklausel regelt ausschließlich Ansprüche der Beklagten auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung. Die Ansprüche auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, der Erfüllungsanspruch, Ansprüche aus § 649 S. 2 BGB a.F. und der Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB wegen Zweckfortfalls stehen selbständig nebeneinander. Die gesetzliche Regelung und die diesen Ansprüchen zugrundeliegende Interessenlage ist völlig unterschiedlich. Ausgeschlossen ist daher eine Auslegung der Vertragsklausel für Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung dahin, dass die darin vorgesehene grundsätzliche Schadenspauschalierung entsprechend auf Erfüllungsansprüche gemäß § 632 BGB, Ansprüche aus § 645 Abs. 1 S. 1 BGB oder § 649 S. 2 BGB a.F. anzuwenden ist. Da die Auslegung keine Zweifel lässt, kommt auch die Anwendung der Unklarheitenregel gemäß § 305c Abs. 2 BGB nicht in Betracht.
6. Hier war die Klage endgültig abzuweisen, weil die Beklagte mit den Mitteln des § 595 Abs. 2 ZPO ihre Behauptung beweisen konnte, dass sie alle streitgegenständlichen Anlagen herstellte (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 597 Tz. 1a).
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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