Baurecht

Mangelhafte Schallschutzmauer

Aktenzeichen  27 U 4582/15 Bau

Datum:
22.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 116680
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
VOB/B § 13

 

Leitsatz

Ein Bauunternehmer kommt seiner werkvertraglichen Verpflichtungen zur Errichtung eines funktionstauglichen Werkes unzureichend nach, wenn die durch ihn errichtete Schallschutzmauer ihre Funktion als regen- und wasserdichte Schallschutzkonstruktion (Straßennähe mit Spritzwassergefahr) insgesamt nicht erfüllt, weil die verwendeten Abdeckplatten eine unzureichende Gefügedichtigkeit aufweisen und es zum Abtropfen in den Wandquerschnitt kommt, was wiederum mitursächlich für eine Sockeldurchfeuchtung ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 4582/15 Bau 2016-03-09 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 19.11.2015, Aktenzeichen 22 O 680/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen und vorliegender Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.338,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die klagende Gemeinde begehrt Kostenvorschuss für Mangelbeseitigung bzgl. einer von der Beklagten errichteten Schallschutzmauer.
Das Landgericht Memmingen hat der Klage stattgegeben.
Zur Begründung führt das Landgericht aus, dass aufgrund des im selbständigen Beweisverfahren erholten Gutachtens feststehe, dass die verwendeten Abdeckplatten eine unzureichende Gefügedichtigkeit aufweisen. Demnach käme es zum Abtropfen in den Wandquerschnitt, was wiederum mitursächlich für die festgestellte Sockeldurchfeuchtung sei. Die stark erhöhte Wasserdurchlässigkeit der Mauer stelle einen Mangel dar, für den die Beklagte nach dem funktionalen Herstellungsbegriff hafte.
Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 19.11.2015 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte, unter Abänderung des am 19.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Memmingen, Aktenzeichen 22 O 680/15, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Beklagte aus,
dass das Erstgericht den Bauvertrag fehlerhaft ausgelegt habe. Der Beklagten sei die Verwendung der konkreten Materialien vertraglich vorgeschrieben gewesen. Es greife daher die „Haftungsbefreiung“ gem. § 13 Abs. 3 VOB/B. In jedem Fall vermindere sich die Beklagtenhaftung wegen Planungsverschuldens auf Seiten der Klägerin ganz erheblich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrages wird auf die Berufungsbegründung vom 24.02.2016 (Bl. 71/76 d.A.), die Stellungnahme vom 18.04.2016 (Bl. 89/92 d.A.), auf den Befangenheitsantrag gegen den erkennenden Senat vom 11.05.2016 (Bl. 98/101 d.A.) sowie auf die weiteren Schriftsätze vom 12.05.2016 (Bl. 102/109 d.A.) und vom 05.06.2016 (Bl. 116/119 d.A.) Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 19.11.2015, Aktenzeichen 22 O 680/15, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen ausführlichen Hinweis des Senats vom 09.03.2016 (Bl. 80/86 d.A.) sowie den auf Bitte der Beklagten erfolgten ergänzenden Senatshinweis vom 22.04.2016 (Bl. 93/96 d.A.) Bezug genommen.
Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest und erachtet das Ergebnis des Ersturteils des Landgerichts Memmingen (Haftung der Beklagten) nach wie vor für zutreffend.
1. Soweit es um die Mangelhaftigkeit des Bauwerks (der Schallschutzmauer) geht, dürfte diese zwischenzeitlich nicht mehr grundsätzlich streitig sein. Bereits in der Berufungsbegründung formuliert der Beklagtenvertreter auf S. 3 (Bl. 73 d.A.) wie folgt:
„Das Landgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass die Schallschutzmauern mangelhaft sind, weil am Fuß der Mauern Wasser austritt.“
Unbeschadet hiervon hat der Senat die Mangelhaftigkeit des von der Beklagten errichteten Bauwerks in seinem Hinweisbeschluss vom 09.03.2016 nochmals ausführlich erläutert und insbesondere auf die eindrucksvolle Lichtbilddokumentation des Sachverständigen hingewiesen (Hinweisbeschluss vom 09.03.2016 Seite 2 f., Bl. 81 f. d.A.).
2. Für diesen Mangel haftet die Beklagte. Sie ist ihren werkvertraglichen Verpflichtungen zur Errichtung eines funktionstauglichen Werkes unzureichend nachgekommen (Stichwort funktionaler Herstellungsbegriff).
Hiervon ist der Senat nach sorgsamer Lektüre und Beratung des gerichtlich erholten Sachverständigengutachtens, was keine „unzulässige Amtsermittlung“ darstellt, überzeugt. Die Ausführungen des Sachverständigen belegen, dass die von der Beklagten errichtete Mauer ihrer Funktion als regen- und wasserdichte Schallschutzkonstruktion (Straßennähe mit Spritzwassergefahr) insgesamt nicht erfüllt. Auf S. 3 f. des Hinweisbeschlusses vom 09.03.2016 (Bl. 82 f. d.A.) sowie den auf Bitten der Beklagten erfolgten ergänzenden Hinweis vom 22.04.2016 (Bl. 93 ff. d.A.) wird Bezug genommen.
Lediglich ergänzend merkt der Senat in diesem Zusammenhang an, dass bei Lichte besehen auch das Erstgericht eine „umfassende Betrachtung“ angestellt hat und sich nicht nur – wie die Berufung meint – mit der Frage der Abdeckplatten beschäftigt hat. So wurde die Thematik der Stoßfugen/Gesamtkonstruktion, die der Senat nach Meinung der Beklagten rechtswidrig aufgegriffen hat, in den gutachterlichen Feststellungen auf S. 57 (Bl. 97 d.A. im Verfahren 24 OH 1003/11) ausdrücklich und unmissverständlich angesprochen. Exakt auf diese Seite des Gutachtens hat das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen (dort S. 4, Bl. 36 d.A.) abgestellt und konkret verwiesen.
Zudem hat das Landgericht in seiner Urteilsbegründung bzgl. der Gefügedichtigkeit der Abdeckplatten zutreffend formuliert, dass diese für die festgestellte Sockeldurchfeuchtung „mitursächlich“ (Hervorhebung durch den Senat) war. Auch und gerade diese Formulierung belegt, dass keinesfalls nur die Abdeckplatten „streitgegenständlich“ waren. Im Gegenteil. Die Frage der Mangelhaftigkeit kann und muss in einer Gesamtschau aller möglichen und vorliegenden Mangelursachen erfolgen.
Vor diesem Hintergrund ist auch erklärbar und nachvollziehbar, dass sich das Erstgericht auch mit weiteren Aspekten befasst hat (vgl. z.B. Druckfestigkeit des Betons, Ersturteil S. 4, Bl. 36 d.A.).
All dies belegt, dass sich das Erstgericht – ebenso wie der erkennenden Senat – umfassend mit der Frage der Mangelhaftigkeit des Bauwerkes von Anbeginn an und möglichst erschöpfend mit den inmitten stehenden Fragestellungen beschäftigt haben.
Anders als die Beklagte meint, war dabei auch sehr wohl eine „Gesamtbetrachtung“ des Bauwerkes zulässig und geboten (vgl. hierzu Kritik im Schriftsatz vom 12.05.2016, dort S. 3, Bl. 104 ff. d.A.). Die Schallschutzmauer ist ein Gesamtbauwerk, welches von der Beklagten allein errichtet wurde. Die Klägerin hat die Mangelhaftigkeit des Gewerkes gerügt und dabei die erkennbaren Mangelsymptome (Sockeldurchfeuchtung, Wasseraustritte an der Mauer, Kalkablaufspuren, …) beschrieben. Die Mangelursachen wurden im Zuge eines OH-Verfahrens umfassend begutachtet und sind daher selbstredend auch im gerichtlichen Verfahren einer Gesamtbetrachtung zugänglich.
3. Der Versuch der Beklagten, sich aufgrund vermeintlicher verbindlicher Vorgaben der Klägerin zu entlasten (so erneut auch im Schriftsatz vom 12.05.2016, dort S. 4, Bl. 105 d.A), geht fehl. Wie in den vorangegangenen Hinweisen mehrfach ausgeführt, bestand für die Beklagte „Handlungsspielraum“.
Die Auslegung des Erstgerichts, welche die konkrete vertragliche Regelung in Blick nahm (Anlage K 1 Leistungsverzeichnis Position 40.7.60 und 40.7.70 „Material nach Wahl des Bieters“), begegnet keinen Bedenken. Soweit die Beklagte weiter die konkrete Vertragsauslegung rügt und vorbringt, das Erstgericht und der Senat verkennen die Begrifflichkeit „Wahlposition“, überzeugt dies nicht.
Zum einen wird nochmals auf S. 5 des Hinweisbeschlusses vom 09.03.2016 (Bl. 84 d.A.) verwiesen. Zum anderen ist Folgendes zu bemerken: Vorliegend gab es keine zwei konkreten Positionen, aus denen die Klägerin (!) hätte auswählen können. In Ziffer 40.7.70 der Anlage K 1 werden keine konkret bezeichneten Steine/Alternativplatten ausgewiesen, aus denen die Klägerin wählen hätte können. Im Gegenteil. Das Angebots-Leistungsverzeichnis formuliert wie folgt: „jedoch Material nach Wahl des Bieters“, d.h. gerade nicht der Klägerin. Von verbindlichen Planungsvorgaben oder konkreten Anweisungen von Sonderfachleuten der Klägerin (so die beklagtenseits zitierte Rechtsprechung des OLG Köln, Beschluss vom 22.02.2016, 11 U 106/15), die u.U. zu einem bezifferbaren Mit(Planungs) verschulden der Klägerin führen könnten, ist gerade nicht auszugehen. Zur Frage des Mitverschuldens auf Klägerseite wird ergänzend auf den Hinweisbeschluss vom 22.04.2016 (dort S. 4, Bl. 96 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte haftet daher für die Mangelhaftigkeit des von ihr erstellten Gewerkes. Der Klage wurde zutreffend stattgegeben. Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung des § 3 ZPO bestimmt.


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