Baurecht

Mangels Antragsbefugnis erfolgloser Normenkontrollantrag gegen eine Ortsrandsatzung

Aktenzeichen  15 N 20.2341

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6096
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 4
VwGO § 47 Abs. 2

 

Leitsatz

Die Antragstellerin kann sich im Normenkontrollverfahren für die Antragsbefugnis grundsätzlich darauf berufen, dass ihre abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Sie muss jedoch darüber hinaus hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen, welche die unzureichende Beachtung eines abwägungserheblichen Belangs als möglich erscheinen lassen. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist unzulässig, weil es der Antragstellerin an der Antragsbefugnis fehlt.
a) Die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) setzt voraus, dass die Antragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die streitgegenständliche Satzung in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 4 BN 27.18 – juris Rn. 5 m.w.N.). Ein subjektives Recht gewährt dabei auch das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot. Es verleiht Privaten ein subjektives Recht darauf, dass ihre Belange in der Abwägung ihrem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ werden. Die Antragstellerin kann sich im Normenkontrollverfahren daher grundsätzlich darauf berufen, dass ihre abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden.
b) Im Normenkontrollverfahren hat die Antragstellerin jedoch nicht hinreichend substantiiert Tatsachen vorgetragen, welche die unzureichende Beachtung eines abwägungserheblichen Belangs als möglich erscheinen lassen. Damit ist die Antragsbefugnis zu verneinen (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 4 BN 27.18 – juris Rn. 8 m.w.N.).
aa) Die Behauptung der Antragstellerin, es sei zu befürchten, „dass die geplante Bebauung negative Auswirkungen auf den Grundwasserstand hat“, ist nicht schlüssig. Die Antragsgegnerin hat in der Begründung ihrer Satzung (dort S. 6 zu „Geologie, Boden und Hydrologie“) ausgeführt, dass über die Grundwasserverhältnisse im geplanten Baugebiet keine Informationen vorliegen. Das Gebiet befinde sich jedoch in keinem wassersensiblen Bereich. Daher könne „Hochwasser und hoch anstehendes Grundwasser weitgehend ausgeschlossen“ werden. Diese Einschätzung steht in Übereinstimmung mit der im Aufstellungsverfahren eingegangenen fachlichen Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts (Schriftsatz vom 2.3.2020), die angibt, dass über die Grundwasserverhältnisse im geplanten Baugebiet „keine Beobachtungsergebnisse vorhanden“ sind. Das Wasserwirtschaftsamt weist jedoch darauf hin, dass erforderliche „Grundwasserabsenkungen zur Bauwasserhaltung“ der wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfen und Anträge dazu rechtzeitig vor Baubeginn einzureichen sind. Eine Grundwasserabsenkung über den Bauzustand hinaus sei nicht zulässig. Es weist ferner darauf hin, dass im Bedarfsfall „Untergrund- und Grundwasserverhältnisse“ durch eine qualifizierte Baugrunduntersuchung zu ermitteln seien und – im Hinblick auf die im Plangebiet bestehende Hanglage – Hangwasser „durch entsprechende Vorkehrungen schadlos abzuleiten und schadlos wiederzuversickern“ ist. Es hat bei Beachtung seiner Hinweise aus wasserwirtschaftlicher Sicht keine Bedenken gegen die Einbeziehungssatzung. Unbeschadet des Umstands, dass nach den bisher bekannten Bauabsichten (vgl. die im Normaufstellungsakt befindliche Bauvoranfrage betreffend „Neubau Wohnhaus und Atelier“) möglicherweise auch Eingriffe in den natürlichen Geländeverlauf (Hanglage) erfolgen, gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die genannten Anforderungen des Wasserwirtschaftsamts bei Realisierung eines Bauvorhabens nicht eingehalten werden könnten. Die Antragsgegnerin durfte im Aufstellungsverfahren daher dem Grundsatz der „planerischen Zurückhaltung“ folgen (vgl. hierzu z.B. BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – juris Rn. 57 ff.) und davon ausgehen, dass bei einem künftigen Bauvorhaben etwaige Detailprobleme in Bezug auf die Grundwasserverhältnisse (innerhalb und außerhalb des Plangebiets) im baurechtlichen bzw. wasserrechtlichen Verfahren gelöst werden können und deshalb nicht schon im Rahmen des Satzungserlasses nähere Untersuchungen über die Grundwasserverhältnisse veranlasst sind.
Die Antragsgegnerin hat dementsprechend im Rahmen ihrer Abwägung der von der Einbeziehungssatzung betroffenen Belange in Bezug auf den Einwand der Antragstellerin ausgeführt (vgl. Auszug aus dem Beschlussbuch der 69. Sitzung des Gemeinderats am 27.4.2020), dass der Gemeinde bekannt sei, dass auf dem Grundstück der Antragstellerin „der Betrieb einer Grundwasserwärmepumpe mit den entsprechenden Brunnen genehmigt“ ist und „die für die wasserwirtschaftlichen und wasserrechtlichen Umstände zuständige Behörde“ keine Einwände gegen die Planung der Gemeinde vorgebracht haben. „Die zuständige Stelle für die Genehmigung der Brunnen“ der Antragstellerin sei am 6. März 2020 „eigens dazu von der Bauverwaltung angehört“ worden und habe dabei „keine Bedenken bezüglich der Brunnen“ auf dem Grundstück der Antragstellerin geäußert.
Die Antragstellerin hat im Normenkontrollverfahren ihre bereits im Aufstellungsverfahren der Einbeziehungssatzung geäußerten Behauptungen lediglich wiederholt und nicht dargelegt, weshalb die von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Abwägung vorgenommene – und auf einer fachlich fundierten Einschätzung beruhende – Bewertung in Zweifel zu ziehen sein könnte, dass infolge der Einbeziehungssatzung keine nachteiligen Auswirkungen für den Betrieb der Grundwasserwärmepumpe auf dem Grundstück der Antragstellerin zu befürchten sind. Dem Gericht ist es bei der Prüfung der Antragsbefugnis verwehrt, den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 4 BN 27.18 – juris Rn. 8 m.w.N.). Es darf die Antragsbefugnis jedoch nicht schon dann bejahen, wenn Tatsachen im gerichtlichen Verfahren schlicht behauptet werden, sondern ist berechtigt, wenn nicht gar verpflichtet, Tatsachenvortrag auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 4 BN 27.18 – juris Rn. 8 m.w.N.). Danach hat die Antragstellerin in Bezug auf ihre Befürchtung, dass der „erforderliche Abfluss“ nicht mehr gewährleistet sei, wenn das Plangebiet wie geplant bebaut werde, keine Tatsachen vorgetragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ihre Belange im Rahmen der Abwägung fehlerhaft behandelt worden sind.
bb) Das sonstige Vorbringen der Antragstellerin lässt nicht erkennen, dass sie durch den Erlass der Satzung in eigenen Rechten berührt sein könnte. Ihre Einwände, die Satzung verletze das Gebot des § 8 Abs. 2 BauGB, sei städtebaulich nicht erforderlich (§ 1 Abs. 3 BauGB) und stelle keine „Ortsabrundung“ dar, sind allein objektivrechtlicher Natur und nicht geeignet, eine Antragsbefugnis der Antragstellerin zu begründen. Dies gilt auch in Bezug auf die von der Landesanwaltschaft Bayern angesprochene Frage, ob vorliegend die Voraussetzungen für den Erlass der Einbeziehungssatzung nach Maßgabe des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB erfüllt sind oder nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
3. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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