Baurecht

Nachbarantrag eines Produzenten von medizinisch-technischen Produkten gegen einen Pferdestall im Außenbereich

Aktenzeichen  9 CS 16.1672

Datum:
23.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BImSchG BImSchG § 3 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, hat es nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schafft keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das behördlich gebilligte eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten, die das Baurecht an sich eröffnet, nicht voll ausschöpft (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1997, 516 mwN). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 S 16.01218 2016-07-25 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin von Grundstücken (Fl. Nr. … u. a., Gemarkung H.), die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet liegen und auf denen sie ein Unternehmen für die Produktion und den Vertrieb von medizinisch-technischen Produkten betreibt. Sie wendet sich gegen die den Beigeladenen vom Landratsamt E.-H. erteilte bauaufsichtliche Genehmigung vom 7. Juni 2016 für den Neubau eines Pferdestalls sowie einer landwirtschaftlichen Maschinen- und Bergehalle auf dem benachbarten, im Außenbereich gelegenen Grundstück Fl. Nr. … Gemarkung H.
Gegen die Baugenehmigung vom 7. Juni 2016 hat die Antragstellerin am 7. Juli 2016 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde (Az.: AN 3 K 16.01219). Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 25. Juli 2016 in der Sache ab. Nach summarischer Prüfung sei das Vorhaben der Beigeladenen im Außenbereich zulässig. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sei nicht erkennbar, insbesondere liege keine unzumutbare Beeinträchtigung des Produktionsbetriebs der Antragstellerin durch von der Pferdehaltung ausgehende Staubimmissionen vor. Ein gebietsüberschreitender Abwehranspruch in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung bestehe nicht.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, das Vorhaben der Beigeladenen sei nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert; ihm stünden auch öffentliche Belange entgegen. Das Rücksichtnahmegebot sei zulasten der Antragstellerin verletzt. Insoweit komme es nicht allein auf die Frage an, ob von dem Vorhaben Immissionen i. S. d. Bundes-Immissionsschutzgesetzes ausgingen oder nur ähnliche Einwirkungen, die hier hinsichtlich der Staubbelastung anzunehmen seien, soweit sie die Schwellenwerte nicht erreichen würden. Es komme nicht nur auf die Immissionsgrenzwerte in harten Zahlen an, sondern auch auf immissionsähnliche Einwirkungen und sonstige Nachteile. Diese immissionsähnlichen Einwirkungen seien hier geeignet, dem Gewerbebetrieb der Antragstellerin Schaden zuzufügen, indem das Vertrauen der Kunden in den Produktionsstandort erheblich erschüttert werde und einen Imageschaden auslöse. Die Antragstellerin habe ihren Produktionsstandort bewusst dort gewählt, wo mit von organischen Partikeln freier Außenluft zu rechnen sei. Dies sei bislang gewährleistet gewesen und die Antragstellerin habe wegen des Überschwemmungsgebiets auch nicht mit der nunmehr genehmigten Bebauung rechnen müssen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. Juli 2016 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 7. Juli 2016 gegen die vom Landratsamt E.-H. erteilte Baugenehmigung vom 7. Juni 2016 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
Die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht sei zutreffend von der Privilegierung des Vorhabens der Beigeladenen ausgegangen. Dies werde durch eine weitere Stellungnahme des Landwirtschaftsamts vom 23. September 2016 bestätigt. Letztlich sei diese Frage aber unerheblich, weil es nicht darauf ankomme, ob die Baugenehmigung objektiv rechtmäßig sei, sondern, ob die Antragstellerin in drittschützenden Rechten verletzt werde. Dies sei zu verneinen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung des Produktionsbetriebs der Antragstellerin durch von der Pferdehaltung ausgehende Staub- oder sonstige Partikelemissionen liege nicht vor, was mit der immissionsfachlichen Stellungnahme des Landratsamts vom 21. September 2016 nochmals bestätigt werde. Der von der Antragstellerin befürchtete Imageschaden sei keine wehrfähige Rechtsposition. Das Bauplanungsrecht verhalte sich gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral.
Die Beigeladenen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten des Landratsamts verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
1. Die Darlegungen der Antragstellerin zu der ihrer Ansicht nach fehlenden Privilegierung des Vorhabens der Beigeladenen verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung wirkt § 35 BauGB nicht per se drittschützend, sondern nur über das nachbarliche Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, B. v. 3.4.1995 – 4 B 47/95 – juris Rn. 2). Selbst der Inhaber eines im Außenbereich gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert ansässigen Betriebs hat weder einen – allgemeinen – Abwehranspruch gegen im Außenbereich unzulässige Nachbarvorhaben noch einen Anspruch auf Bewahrung der Außenbereichsqualität seines Betriebsgrundstücks (BVerwG, B. v. 28.7.1999 – 4 B 38.99 – NVwZ 2000, 552 = juris Rn. 5). Umso mehr hat der Eigentümer eines im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegenden Grundstücks keinen derartigen Abwehranspruch gegen unzulässige Vorhaben im Außenbereich, weil – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist – grundsätzlich kein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiger gebietsübergreifender Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im lediglich angrenzenden Plangebiet besteht. Wenn zwischen den Grundstücken nicht das für ein Plangebiet typische wechselseitige Verhältnis besteht, das die in einem Plangebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschließt, fehlt es an dem spezifischen bauplanungsrechtlichen Grund, auf dem der nachbarschützende – von konkreten Beeinträchtigungen unabhängige – Gebietserhaltungsanspruch als Abwehrrecht beruht (vgl. BVerwG, B. v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – NVwZ 2008 = juris Rn. 6). Für das Verhältnis von Plangebieten zum Außenbereich gilt nichts anderes.
Soweit eingewandt wird, für den Nachbarschutz komme auch der Frage Bedeutung zu, ob es sich um ein privilegiertes Außenbereichsvorhaben handle oder nicht und ob mit dessen Errichtung habe gerechnet werden müssen (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Auflage 2016, Vorbem. zu §§ 29-38 Rn. 72), ist mangels einer schutzwürdigen Abwehrposition der Antragstellerin nicht zu sehen, weshalb dieser Frage hier eine rechtlich relevante Bedeutung zukommen kann. Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 1994 (Az. 4 B 152.93). Danach ist für eine Abwägungsentscheidung, also für Rücksichtnahmeerwägungen von vornherein kein Raum, wenn derjenige, der ein Vorhaben abwehren will, keine abwägungserhebliche schutzwürdige Position gegenüber dem Vorhaben besitzt. Eine solche Abwehr-Position erlangt der Nachbar nicht allein dadurch, dass die auf seinem Grundstück verwirklichte Nutzung zulässig, das auf dem Nachbargrundstück genehmigte Vorhaben dagegen wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind, unzulässig ist (vgl. BVerwG, B. v. 14.2.1994 – juris Rn. 18; ebs. BVerwG, U. v. 28.10.1993 – 4 C 5.93 – NVwZ 1994, 686 = juris Rn. 18). An einer schutzwürdigen Position der Antragstellerin fehlt es hier (s. nachfolgend Nr. 2).
2. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin verletzt die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot auch unter Berücksichtigung der geplanten Erweiterung des gewerblichen Betriebs der Antragstellerin um ein Produktionsgebäude mit Labor und Reinraum (vgl. Vorbescheid vom 28.7.2016) nicht.
Vorhaben im Außenbereich – gleich ob privilegiert oder nicht – können genehmigungsunfähig sein, weil sie auf die Interessen anderer nicht genügend Rücksicht nehmen. Rücksicht zu nehmen ist allerdings nur auf solche Individualinteressen, die wehrfähig sind, weil sie nach der gesetzgeberischen Wertung, die im materiellen Recht ihren Niederschlag gefunden hat, schützenswert sind. Fehlt es hieran, ist für Rücksichtnahmeerwägungen von vornherein kein Raum (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – NVwZ 2005, 328 = juris Rn. 11 m. w. N.).
a) Von einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch schädliche Umwelteinwirkungen i. S. d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ist nicht auszugehen. Insoweit hat die Antragstellerin auch weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch im Zulassungsverfahren substantiiert geltend gemacht, dass sich eine durch das Vorhaben der Beigeladenen ausgelöste Immissionsbelastung außerhalb des nach den immissionsschutzrechtlichen Regelungen Zulässigen bewegen könnte.
aa) § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verweist auf die Begriffsbestimmung der schädlichen Umwelteinwirkungen in § 3 Abs. 1 BImSchG. Nach dieser Vorschrift sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. BVerwG, U. v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – BVerwGE 129, 209 = juris Rn. 11 m. w. N.). Soweit im Hinblick auf die Pflichten der Betreiber von immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach § 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG zu beurteilen ist, ob schädliche Umwelteinwirklungen durch Luftverunreinigungen vorliegen, sollen die in Nr. 4 TA Luft festgelegten Grundsätze zur Ermittlung und Maßstäbe zur Beurteilung von schädlichen Umwelteinwirkungen herangezogen werden; darüber hinaus können auch die in Nr. 5 der TA Luft für (immissionsschutzrechtlich) genehmigungsbedürftige Anlagen festgelegten Vorsorgeanforderungen als Erkenntnisquelle herangezogen werden (vgl. Nr. 1 Abs. 5 Satz 1 und 8 TA Luft; Hansmann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Mai 2016, Nr. 1 TA Luft Rn. 11 m. w. N.). Ein baurechtliches Rücksichtnahmegebot, das dem Verursacher von Umwelteinwirkungen mehr an Rücksichtnahme zugunsten von Nachbarn gebieten würde, als es das Bundes-Immissionsschutzgesetz gebietet, gibt es nicht (vgl. BVerwG, U. v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 – BVerwGE 68, 58 = juris Rn. 13 m. w. N.). Ist die Schwelle der Erheblichkeit nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift bestimmt, kommt es darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation zumutbare Maß überschreiten (vgl. BVerwG, U. v. 21.12.2011 – 4 C 12.10 – BVerwGE 141, 293 = juris Rn. 22 m. w. N.).
Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die sachverständige Beurteilung durch das Sachgebiet Umweltamt beim Landratsamt ausgeführt, vor allem aufgrund der geringen Tierbesatzdichte liege die von der Tierhaltung ausgehende Staubbelastung unterhalb der Bagatellgrenze und falle aus immissionsschutzrechtlicher Sicht nicht ins Gewicht, eine Überschreitung der Grenzwerte der TA Luft sei deshalb nicht ersichtlich (vgl. Nr. 4.6.1.1 b), Tabelle 7 TA Luft). Auch unzumutbare sonstige Partikelemissionen seien infolge der beabsichtigten Pferdehaltung nicht zu besorgen. Dieser nachvollziehbaren Bewertung tritt die Antragstellerin nicht substantiiert entgegen.
Nichts anderes ergibt sich aus den Ausführungen des Umweltamts in der Stellungnahme vom 21. September 2016 im Hinblick auf Bioaerosole. Weder aus dem Leitfaden zur Ermittlung und Bewertung von Bioaerosol-Immissionen der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (Stand: 31.1.2014) noch der Richtlinie VDI 4255 Blatt 2 (Bioaerosole und biologische Agenzien – Emissionsquellen und -minderungsmaßnahmen in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung, Dezember 2009) ergeben sich danach Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Haltung von 12 Pferden mit einer über den Hintergrundwerten liegenden erhöhten Konzentration an organischen Partikeln zu rechnen sei.
Weshalb diese fachkundige Bewertung zu kurz gegriffen sein soll, lässt sich den Ausführungen der Antragstellerin im Schriftsatz vom 10. November 2016 nicht entnehmen. Freilich ist mit Staubaufwirbelungen stets zu rechnen, wenn sich etwas bewegt, wie außer den gehaltenen Pferden etwa der weiterhin beanstandete An- und Abfahrtsverkehr der Pferdeeigentümer, die pferdebetreuenden Personen oder der An- und Abfahrtsverkehr auf dem derzeit noch als Parkplatz genutzten Fläche der Antragstellerin. Auch mit zusätzlichen Keimen ist stets zu rechnen, wenn sich Lebewesen in der Nähe aufhalten. Was in dieser Hinsicht an Immissionen zumutbar ist und was nicht, beurteilt sich aber nach Maßgabe des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie einschlägiger Regelwerke, also nach allgemeinen objektiven Maßstäben und nicht nach der individuellen Empfindlichkeit des Immissionsbetroffenen. Gleiches gilt hinsichtlich individuell förderlicher Umweltbedingungen zugunsten des Unternehmens der Antragstellerin, die sie auch außerhalb ihrer Betriebsstätte gewahrt wissen will und deren Sicherung sie letztlich den Beigeladenen abverlangt.
Ein derartiges Verlangen kann auch nicht aus dem vorhandenen baulichen Bestand oder der künftigen Entwicklung des Unternehmens der Antragstellerin abgeleitet werden. Denn der Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, hat es nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schafft keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das behördlich gebilligte eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten, die das Baurecht an sich eröffnet, nicht voll ausschöpft (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – NVwZ-RR 1997, 516 = juris Rn. 4 m. w. N.).
Die von der Antragstellerin eingewandten Regelungen des Gesetzes über Medizinprodukte und der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte betreffen u. a. Anforderungen, die an die Produktion und an das Inverkehrbringen von Medizinprodukten gestellt werden, sie begründen aber keine Verhaltenspflichten für die Nachbarschaft der Hersteller von Medizinprodukten. Auch danach bleibt es allein in der Verantwortung und Sphäre der Antragstellerin, in ihrem Betrieb für die gebotenen hygienischen Bedingungen zu sorgen. Dass dies schlechterdings unmöglich wäre, wurde nicht hinreichend dargelegt und ist auch nicht anzunehmen. Die Stellungnahme der IHK-Geschäftsstelle E. vom 7. Oktober 2015 weist lediglich darauf hin, dass „organische Partikel“ „von den vorhandenen Filteranlagen nicht gefiltert werden können“ und es bei der Warenanlieferung der Rohstoffe keinen Schutz gebe, „so dass hier der erste Kontakt mit den gefährdenden Partikeln entsteht“. Erscheint diese Darstellung schon fragwürdig, weil mit „organischen Partikeln“ wie Bakterien oder Pilzsporen in der Außenluft auch dann zu rechnen ist, wenn keine Pferdehaltung in der Nachbarschaft ausgeübt wird, so obliegt es allein der Antragstellerin etwa erforderliche Luftreinigungssysteme nachzurüsten oder sonst die besonderen Anforderungen an die Reinheit der Raumluft sicherzustellen (vgl. hierzu u. a. die Richtlinienreihe VDI 2083). Auch die etwa gebotene Einhausung der Warenanlieferung ist Sache der Antragstellerin. Aus dem „Prioritätsprinzip“ folgt nichts anderes (vgl. nachfolgend Buchst. c).
bb) Die im Schriftsatz vom 10. November 2016 vorgebrachte Kritik an den Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz im Baugenehmigungsbescheid vom 7. Juni 2016, lässt keinen Rechtsverstoß zulasten der Antragstellerin erkennen.
Es trifft zu, dass sich die Nebenbestimmungen Nrn. 8 bis 10 lediglich mit den Paddocks befassen. Von welchen Anlagenteilen sonst eine erwähnenswerte Staubentwicklung ausgehen soll, wird nicht substantiiert dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
Die Nebenbestimmung Nr. 11, wonach eine Koppelhaltung oder sonstige Außenflächen nur südlich des geplanten Gebäudes angelegt werden „sollen“, ist als Hinweis an die Beigeladenen bei der Errichtung solcher ggf. verfahrensfreier Vorhaben zu verstehen, aber zur Wahrung des Rücksichtnahmegebots nicht erforderlich. Führten gleichwohl im Norden angelegte Flächen zu rechtlich beachtlichen schädlichen Umwelteinwirkungen in der Nachbarschaft, ist deren Anlegung auch ohne Nebenbestimmung unzulässig. Werden demgegenüber von im Norden des Gebäudes angelegten Flächen keine schädlichen Umwelteinwirkungen i. S. d. § 3 Abs. 1 BImSchG in der Nachbarschaft herbeigeführt, sind sie zulässig.
Es trifft auch zu, dass die Nebenbestimmung Nr. 12 keine konkrete zeitliche Vorgabe dahin enthält, wie oft der Pferdemist abtransportiert werden muss. Nach den Angaben der Beigeladenen zum Bauantrag vom 10. Juli 2015 erfolgt die Lagerung und Entsorgung von Festmist im überdachten Übergang zwischen Halle und Stallgebäude auf einem Anhänger, welcher bei Bedarf regelmäßig entleert wird, weil Dungstätten zur Festmistlagerung im Überschwemmungsgebiet nicht zulässig sind. Diesen Umstand formuliert Satz 1 der Nebenbestimmung Nr. 12: „Da keine Mistlagerung auf dem Grundstück erfolgt, muss der Pferdemist regelmäßig abtransportiert werden“. Ein Abtransport erfolgt mithin, wenn der Anhänger voll ist.
b) Der behauptete Verlust des Kundenvertrauens und ein dahingehender Imageschaden des Unternehmens der Antragstellerin ist kein bodenrechtlich relevanter Belang, der hier eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auslösen könnte.
Zwar sind die Belange der Wirtschaft städtebaulicher Natur (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. a BauGB). Gleiches gilt aber für die Belange der Land- und Forstwirtschaft (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 8 Buchst. b BauGB). Einen Vorzug des einen Belangs gegenüber dem anderen Belang vermittelt das nachbarschützende Bodenrecht nicht. Das Bauplanungsrecht ist – wie der Antragsgegner zu Recht erwidert – vielmehr wettbewerbsneutral. Dies schließt nicht nur einen Anspruch auf Abwehr eines konkurrierenden Unternehmens auf Grundlage des Planungsrechts aus, sondern auch einen bodenrechtlichen Anspruch darauf, den Wettbewerb fördernde Standortvorteile zu bewahren. Deshalb führt der Hinweis der IHK-Geschäftsstelle E. vom 7. Oktober 2015 zur Gefährdung der Standortsicherheit und der Entwicklungsmöglichkeit des Unternehmens der Antragstellerin zu keiner abweichenden Beurteilung. Insbesondere ist das Interesse eines Grundeigentümers an der Erhaltung einer gegebenen Situation, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, nicht schutzwürdig (BVerwG, B. v. 2.8.2007 – 4 BN 29/07 – juris Rn. 6 m. w. N.).
Die Erwartung der Antragstellerin, wegen des festgesetzten Überschwemmungsgebiets würden keine baulichen Anlagen in der Nachbarschaft zu ihrem Unternehmen errichtet, gründet sich auf kein schutzwürdiges Interesse, weil die Freihaltung von Überschwemmungsgebieten nicht dem Schutz von Grundeigentümern vor einer emittierenden baulichen Nutzung dient. Auf das Ausbleiben einer Bebauung konnte die Antragstellerin zudem nicht vertrauen, weil bauliche Anlagen im Wege einer Ausnahme – wie hier – auch im Überschwemmungsgebiet zugelassen werden können (§ 78 Abs. 3 WHG).
Die Überlegungen der Antragstellerin zur Wahl des Standorts ihres Unternehmens an einer Stelle, an der mit einer von organischen Partikeln freien Außenluft zu rechnen sei, sind nicht schutzwürdig, weil es über das nach dem Immissionsschutzrecht Gebotene hinaus keinen Anspruch auf Bewahrung einer Außenluft mit einer bestimmten, die Produktionsabläufe begünstigenden Zusammensetzung gibt. Auf derartige Überlegungen konnte die Antragstellerin schon deshalb nicht vertrauen, weil ihr Betrieb in einem Gewerbegebiet liegt, in dem stets mit gewerbetypischen Belästigungen zu rechnen ist und darüber hinaus an den planungsrechtlichen Außenbereich grenzt, in dem die Errichtung baulicher Anlagen für landwirtschaftliche Betriebe ebenso zulässig ist wie etwa nichtlandwirtschaftliche Tierhaltungsanlagen, sonst störende Anlagen i. S. d. § 35 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB oder schlicht die Bewirtschaftung und Beweidung von Flächen. Allein ein vermeintlicher oder tatsächlicher Imageverlust des Unternehmens der Antragstellerin aufgrund einer als abträglich empfundenen baulichen Nutzung in der Nachbarschaft oder ein dadurch eintretender Verlust des Kundenvertrauens begründen keinen baurechtlichen Abwehranspruch.
c) Auch das von der Antragstellerin zugunsten ihres Unternehmens eingewandte „Prioritätsprinzip“ verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Anders als in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2004 (4 C 11.04 – NVwZ 2005, 328) liegt hier nicht der spezielle Fall eines Segelfluggeländes vor, dessen luftverkehrsrechtliche Genehmigung bei Ausführung des angegriffenen Bauvorhabens (Windenergieanlagen) schlechthin nicht mehr ausgenutzt werden könnte. Wie bereits ausgeführt wurde, obliegt es allein der Antragstellerin, etwa erforderliche Luftreinigungssysteme nachzurüsten oder sonst die besonderen Anforderungen an die Reinheit der Raumluft sicherzustellen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht billigem Ermessen, dass die Beigeladenen die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst tragen, weil sie keinen wesentlichen Beitrag im Beschwerdeverfahren geleistet haben (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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