Baurecht

Nachbarantrag gegen wasserrechtliche Genehmigung einer Kläranlage im festgesetzten Überschwemmungsgebiet

Aktenzeichen  Au 3 S 18.1589

Datum:
23.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26859
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
WHG § 78 Abs. 5 S. 2, § 78a Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

Ein Wohngrundstück gehört nicht zur Nachbarschaft einer wasserrechtlich im Überschwemmungsgebiet genehmigten baulichen Anlage, wenn der Abstand ca. 650 m Luftlinie beträgt und es von dem Vorhaben bzw. der geplanten Kläranlage aus gesehen entgegen der Fließrichtung des Gewässers liegt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag nach § 80a VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist bereits unzulässig, weil der Antragsteller nicht analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt ist.
Aus dem Sinn und Zweck des § 80 Abs. 1 VwGO als einem Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes ergibt sich, dass der Antragsteller hinsichtlich des in der Hauptsache eingelegten Rechtsmittels gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein muss, d.h. er muss durch den mit einer Klage angefochtenen Verwaltungsakt möglicherweise in seinen Rechten verletzt sein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 80 Rn. 50). Der Antragsteller kann jedoch nicht mit Erfolg geltend machen, er werde durch die dem Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Genehmigung für die Errichtung von baulichen Anlagen und für die Auffüllungen und Abgrabungen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Paar in eigenen Rechten verletzt. Dies würde voraussetzen, dass sein Wohngrundstück zur Nachbarschaft des genehmigten Vorhabens im Sinn von § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG und § 78a Abs. 2 Satz 3 WHG gehört, was jedoch zu verneinen ist.
§ 78 Abs. 5 Satz 2 WHG in der seit 5. Januar 2018 geltenden Fassung bestimmt abweichend von der bisherigen Rechtslage (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 19.4.2016 – Au 3 K 15.516 – juris), dass bei der Prüfung, ob eine bauliche Anlage in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet genehmigt werden kann, auch die Auswirkungen auf die Nachbarschaft zu berücksichtigen sind. Die Nachbareigenschaft im Sinn dieser Vorschrift setzt dabei ähnlich wie im Baurecht eine bestimmte räumliche Beziehung zu dem Vorhaben voraus. Maßgeblich ist der Einwirkungsbereich des Vorhabens, der nach Art und Intensität der von ihm ausgehenden Beeinträchtigungen verschieden bemessen sein kann und dementsprechend flexibel den Kreis der Nachbarn bestimmt. Soweit ersichtlich befindet sich das Wohngrundstück des Antragstellers in der *straße * im * Ortsteil * nicht mehr im Einwirkungsbereich der mit dem angefochtenen Bescheid wasserrechtlich genehmigten baulichen Anlagen, Auffüllungen und Abgrabungen einschließlich der Retentionsraumabgrabung. Der Abstand beträgt ca. 650 m Luftlinie. Von dem Vorhaben bzw. der geplanten Kläranlage aus gesehen liegt das Wohngrundstück des Antragstellers entgegen der Fließrichtung der Paar. Für das verlorengehende Rückhaltevolumen von rund 3.000 m3 wird im Vorgriff ein gleichwertiger Ersatzretentionsraum durch Abgrabungen auf dem Grundstück Fl.Nr. * geschaffen (vgl. Nebenbestimmung III. 8. des angefochtenen Bescheids). Dementsprechend macht der Antragsteller nicht etwa eine Hochwassergefahr für sein Grundstück geltend, sondern verweist auf die finanziellen Folgen der geplanten Kläranlage und setzt sich für den Erhalt und die Ertüchtigung der bereits vorhandenen Kläranlage ein.
Die dargelegten Gründe für die fehlende Drittbetroffenheit des Antragstellers gelten entsprechend, soweit die streitgegenständliche wasserrechtliche Genehmigung auf § 78a Abs. 2 WHG gestützt wird. Der Begriff der Nachbarschaft im Sinn von § 78a Abs. 2 Satz 3 WHG ist mit dem Begriff der Nachbarschaft im Sinn von § 78 Abs. 5 Satz 2 WHG identisch.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Der festgesetzte Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Das Gericht hält eine entsprechende Anwendung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ Heft 23/2013 Beilage 2) für angemessen. Der demnach in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 7.500,- EUR war nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren.


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