Baurecht

Nachbarklage auf bauaufsichtliches Einschreiten

Aktenzeichen  Au 5 K 20.992

Datum:
4.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21484
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5
GG Art. 28 Abs. 2
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Art. 76
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb im bauplanungsrechtlichen Sinn setzt ein nachhaltiges, ernsthaftes, auf Dauer angelegtes lebensfähiges Unternehmen mit einer spezifischen betrieblichen Organisation sowie einem Mindestumfang an forstwirtschaftlicher Betätigung voraus. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, zB der Flächenbasis, den Betriebsmitteln oder der ausgeführten Tätigkeit. (Rn. 66) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb setzt im Allgemeinen größere Flächen voraus, weil nur ein Betrieb größeren Umfangs von seiner Funktion her zur Pflege und Beaufsichtigung der Pflanzen einen ständigen Einsatz von Arbeitskräften oder technischer Gerätschaften und damit die Errichtung von baulichen Anlagen erfordert. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein „Dienen“ iSv § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist nur dann gegeben, wenn ein vernünftiger Forstwirt auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wäre. (Rn. 76) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu ½, der Beklagte zu ¼ und die Beigeladenen zu 1., 2. und 3. zu je 1/12. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten zur Hälfte selbst, die andere Hälfte trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten zu Recht bauaufsichtliches Einschreiten gegen das im Außenbereich errichtete Gebäude, da dieses mangels Privilegierung als einem forstwirtschaftlichen Betrieb dienend rechtswidrig errichtet wurde (dazu II.1.). Eine Ermessensreduzierung des Beklagten hin zur begehrten bauaufsichtlichen Beseitigungsanordnung liegt jedoch nicht vor (dazu II. 3), so dass über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten (erneut) zu verbescheiden ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I.
Die zuletzt auf Verpflichtung zum Erlass einer Beseitigungs- bzw. Duldungsanordnung, hilfsweise auf erneute Verbescheidung über bauaufsichtliches Tätigwerden, gegenüber den Beigeladenen gerichtete Klage ist zulässig.
1. Die in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Erweiterung des Klageantrags um den Hilfsantrag in Ziffer III. ist sachdienlich nach § 91 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
2. Die Klageanträge sind als Verpflichtungsklagen (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), jedenfalls im Rahmen einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO), statthaft.
Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den Schreiben des Beklagten vom 13. Februar 2020 oder 18. Dezember 2019 um rechtsmittelfähige Verwaltungsakte handelt. Bei Ersterem deuten weder die äußere Form noch der Inhalt (… „somit sind aus unserer Sicht die … Voraussetzungen für ein forstwirtschaftlich privilegiertes Gebäude erfüllt“…) darauf hin. In Zweitem wird ausdrücklich bauaufsichtliches Tätigwerden abgelehnt (… „weitere bauaufsichtliche Maßnahmen sind daher nicht geplant“…), was für eine Regelungswirkung i.S.v. Art. 35 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetztes (BayVwVfG) spricht.
Jedoch war das Begehren der Klägerin nach bauaufsichtlichem Handeln der Beklagten auf der Grundlage des Gemeinderatsbeschlusses der Klägerin vom 4. September 2018 unmissverständlich und in zulässiger Weise über die Verwaltungsgemeinschaft … als ausführende Verwaltungsbehörde der Klägerin (Art. 4 Abs. 2 Satz 2 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung – VGemO -) an den Beklagten herangetragen worden. Der Beklagte hat dieses Ansinnen auch selbst so verstanden, wie sich aus seiner Email vom 4. Oktober 2019 an die Mitarbeiterin der Verwaltungsgemeinschaft ergibt. Abschließend begründet die Planungshoheit der Gemeinde eine wehrfähige Rechtsstellung der Gemeinde im Kontext einer Eingriffsmaßnahme der Bauaufsichtsbehörde sogar auch dann, wenn diese keinen Antrag auf Einschreiten gestellt hat. Dies folgt aus der hoheitlichen Mitverantwortung der Gemeinde als Trägerin der Planungshoheit und gilt ungeachtet dessen, dass die Gemeinde bei Verfahren auf bauaufsichtliches Einschreiten grundsätzlich nicht förmlich zu beteiligen ist. Die Gemeinde hat als Hoheitsträgerin insoweit eine stärkere Rechtsstellung als ein Nachbar bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.1999 – 1 B 95.4059 – juris Rn. 21 zur Frage, ob Gemeinde bei Verstoß gg. § 35 Abs. 3 Nr. 3 Splittersiedlung berufungsbefugt ist). Seit dem zuletzt mit E-Mail vom 27. Januar 2020 dem Beklagten vorgetragenen „Antrag“ der Gemeinde in Vollzug des Gemeinderatsbeschlusses vom 4. September 2018 (… „wir bitten erneut, die Privilegierung zu prüfen, alternativ einen rechtsmittelfähigen Bescheid zu erlassen…“) waren im Zeitpunkt der Klageerhebung am 17. Juni 2020 jedenfalls drei Monate (§ 75 Satz 2 VwGO) vergangen. Gleiches gilt hinsichtlich des mit Klageantrag vom 17. Juni 2020 präzisierten Antrags auf bauaufsichtlichen Einschreitens in Form der Baubeseitigung bzw. Duldungsanordnung bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 4. März 2021.
3. Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ergibt sich aus Art. 28 Abs. 2 GG bzw. Art. 11 BV i.V.m. Art. 76 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO).
II.
Die Klage ist insoweit begründet, als die Klägerin einen Anspruch auf (erneute) Verbescheidung ihres Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen das baurechtswidrige Vorhaben hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Beseitigungsanordnung bzw. Duldungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
1. Das streitgegenständliche Gebäude wurde im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet und ist formell rechtswidrig, da für das nach Art. 68 Satz 1 BayBO i.V. m. Art. 55 BayBO genehmigungspflichtige Vorhaben eine Baugenehmigung nicht erteilt wurde. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c BayBO liegt nicht vor. Genehmigungsfrei sind nach dieser Vorschrift nur freistehende Gebäude ohne Feuerungsanlagen, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 Nr. 1 und § 201 BauGB dienen, nur eingeschossig und nicht unterkellert sind, höchstens 100 m2 Grundfläche und höchstens 140 m2 überdachte Fläche haben und nur zur Unterbringung von Sachen oder zum vorübergehenden Schutz von Tieren bestimmt sind. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da das Gebäude keinem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient.
a) Auch wenn die Beigeladenen zu 1 und 2 Wald zur Holzgewinnung nutzen, spricht einiges dafür, dass sie nicht Inhaber eines forstwirtschaftlichen Betriebs im bauplanungsrechtlichen Sinn sind. Dabei kann dahinstehen, ob die forstwirtschaftliche Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 und 2 alle Merkmale eines forstwirtschaftlichen Betriebs i.S.d. § 201 BauGB erfüllt.
Ein solcher setzt ein nachhaltiges, ernsthaftes, auf Dauer angelegtes lebensfähiges Unternehmen mit einer spezifischen betrieblichen Organisation sowie einem Mindestumfang an forstwirtschaftlicher Betätigung voraus (BVerwG, U.v. 13.1.1967 – IV C 47.65 – DVBl 1967, 287; BVerwG, U.v. 11.4.1986 – 4 C 67/82 – NVwZ 1986, 916; BVerwG, U.v.16.5.1991 – 4 C 2/89 – juris Rn. 11). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, z.B. der Flächenbasis, den Betriebsmitteln oder der ausgeführten Tätigkeit. Gerade bei einem Nebenerwerbsbetrieb, um den es sich vorliegend allenfalls handeln kann, ist in Abgrenzung zur bloßen Liebhaberei ein wichtiges Indiz für die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit des Unternehmens die Möglichkeit und Absicht der Gewinnerzielung.
aa) Unter Forstwirtschaft versteht man die Nutzung des Waldes in Form von planmäßiger Bewirtschaftung (Anbau, Pflege, Abschlag) zur Holzgewinnung (Dürr in Brügelmann, Kommentar zum BauGB, 116. Lfg. Oktober 2020, § 35 Rn. 19; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Kommentar zum BauGB, 140. EL Oktober 2020, § 35 Rn. 24b, 28; BVerwG, U.v. 4.3.1983 – 4 C 69/79 – juris Rn. 18). Weitere Arbeitsvorgänge, die sich an den Abschlag anschließen, gehören nach der Rechtsprechung nur noch ganz eingeschränkt zur forstwirtschaftlichen Betätigung (bejaht für Verkleinerung von Holzstücken auf für den Waldbesitzer handhabbare Größe von 1 m). Nicht der forstwirtschaftlichen Urproduktion zuzurechnen, weil nicht mehr durch forstwirtschaftliche Nutzung geprägt, sind weitere Aufarbeitungsmaßnahmen wie z.B. die Herstellung von Pfählen oder die Herstellung von Scheitholz durch Schneiden auf die jeweilige Ofenlänge zwischen 20 und 35 cm, die Lagerung zum Trocknen über mehrere Jahre, das Verpacken des Holzes auf Paletten bzw. in Säcken und die spätere Verladung des Holzes auf Kleintransporter zur Auslieferung an die jeweiligen Endkunden (BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 4 B 64/06 – juris Rn. 3, 7 unter Hinweis auf OVG Koblenz, U.v. 6.7.2006, 1 A 11628/05, Urteil n.V.). Diese Tätigkeiten sind typische Arbeitsvorgänge des holzverarbeitenden Gewerbes. Ohne Belang ist, dass offenbar der steuerrechtliche Begriff der Forstwirtschaft weiter gefasst ist. Eine einheitliche, für alle Regelungswerke geltende Definition des Begriffs der Forstwirtschaft gibt es nicht. Vielmehr orientiert sich die Begriffsbestimmung jeweils an den Zielen und Zwecken der gesetzlichen Regelungen, für die sie gelten soll.
Hiervon ausgehend handelt es sich bei der planvollen Bewirtschaftung von Flächen durch den Beigeladenen zu 2 durch Aufforstung, Pflege und Wertastung, Abschlag von Stammholz (nach den Gegebenheiten des Marktes) und Abschlag von Schwachholz zum Einsatz als eigenverwertetes Brennmaterial um Forstwirtschaft. Dabei ist jedoch zu berücksichtigten, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 bereits nicht alle Tätigkeiten selbst ausführen, sondern diese auch – gerade was den Abschlag größerer Stämme oder den gezielten Abschlag von Brennholz im größeren Umfang betrifft – durch dritte forstwirtschaftliche Unternehmen vornehmen lassen. Zudem erfolgen die beschriebenen forstwirtschaftlichen Tätigkeiten (denklogisch) vor Ort im Wald und nicht auf dem streitgegenständlichen Grundstück.
Hingegen nicht mehr unter den Begriff der forstwirtschaftlichen Urproduktion fällt aber die auf dem streitgegenständlichen Grundstück teilweise vorhandene Lagerung von größeren Holzstücken in der Größe von 1 m, wie in der mündlichen Verhandlung angegeben, zum Zweck der Trocknung, sowie die für dort vorgesehene Herstellung von Scheitholz in passender Größe zum Einsatz als Brennholz in den eigenen Kesseln der jeweiligen Brennanlage. Diese Tätigkeiten (Lagern, Zuschneiden) können zudem, wie der Beigeladene zu 1 selbst angibt, überall erfolgen, sogar draußen (Lagerung unter Abdeckung) und im Wald.
bb) Ein forstwirtschaftlicher Betrieb setzt im Allgemeinen größere Flächen voraus, weil nur ein Betrieb größeren Umfangs von seiner Funktion her zur Pflege und Beaufsichtigung der Pflanzen einen ständigen Einsatz von Arbeitskräften oder technischer Gerätschaften und damit die Errichtung von baulichen Anlagen erfordert (vgl. BVerwG, U.v.13.1.1967 — IV C 47.65 – DVBl 1967, 287; Dürr in Brügelmann, a.a.O., § 35 Rn. 44). Eine genaue Angabe dessen, was an Mindestfläche erforderlich ist, ist nicht möglich, weil insoweit auf den Einzelfall abzustellen ist. Keineswegs kann jede forstwirtschaftliche Bodennutzung, beispielsweise auf einer kleinen oder kleinsten Fläche, zur Anerkennung eines solchen Betriebs führen (BVerwG, U.v. 13.1.1967, a.a.O.). Das Vorliegen eines forstwirtschaftlichen Betriebs wurde bei einer Bewirtschaftung von „17 Morgen“ oder „wenigen Hektar“ bezweifelt (BVerwG, U.v. 4.3.1983, a.a.O. m.w.N), ebenso verneint bei 1 ha oder „11 Morgen“ (VGH Kassel, U.v. 26.2.1971 – IV OE 75/70 – BauR 1972, Nr. 61) bzw. 1,7 ha und 5-6 ha (BayVGH, B.v.30.4.1998 – 20 ZB 98.1134, n.V.) Auch eine Größe von 10 ha genügt nicht zur Annahme eines forstwirtschaftlichen Betriebs (VGH Mannheim, U.v. 17.9.1998 – 3 S 1934/96 – VGHBW-Ls 1998, Beilage 12, B5), wenn nur ein geringer Einsatz von Arbeit und Kapital für die Bewirtschaftung aufgewendet wird. Hingegen ist bei einer Bewirtschaftung von ca. 100 ha das Vorliegen einer Nebenerwerbsstelle denkbar (bei entsprechender Bejahung der Gewinnerzielungsabsicht im Einzelfall: BVerwG, U.v. 4.3.1983 – 4 C 69/79 – juris Rn. 12, 19).
Vorliegend umfassen die von den Beigeladenen zu 1 und 2 forstwirtschaftlich genutzten Flächen insgesamt 16,3 ha. Davon stehen 10,2 ha Flächen in deren Eigentum und 6,2 ha in (nur außerordentlich kündbarer) Pacht. Von den Eigentumsflächen befinden sich ca. 6,1 ha im Abstand von 10 bzw. 20 km (2 Flächen) bzw. ca. 4,1 ha im Abstand über 50 km (3 Flächen) zum streitgegenständlichen Grundstück. Von den 6,2 ha Pachtflächen liegen 3,2 ha im Abstand von 18 km und 3 ha im Abstand von 11 km. Die somit einen eher geringen Umfang betreffenden, forstwirtschaftlich genutzten Flächen wecken bereits Zweifel an einem nachhaltigen, auf Gewinnerzielung ausgerichteten Wirtschaften, die Grenze zur „fortwirtschaftlichen Liebhaberei“ ist hier fließend. Im Hinblick auf die in der Rechtsprechung betonte Bedeutung von Mindestgröße und Betriebsintensität vor dem Hintergrund größtmöglicher Außenbereichsschonung (BVerwG, U.v. 13.1.1967, a.a.O.) tendiert die Kammer vorliegend aber im konkreten Einzelfall zu einer ablehnenden Auffassung. Zudem wird die Forstwirtschaft aus mehreren kleinen, räumlich deutlich getrennten Teilflächen, die wiederum in deutlichem Abstand zum streitgegenständlichen Grundstück aufweisen, betrieben.
cc) Grundsätzlich nicht der Annahme eines forstwirtschaftlichen Betriebs entgegen steht der Umstand, dass es sich bei den Beigeladenen zu 1 und 2 um im Nebenerwerb Tätige handelt (Dürr in Brügelmann, a.a.O., § 35 Rn. 44; BVerwG, U.v. 4.3.1983 – 4 C 69/79 – juris Leitsatz 1, Rn. 18,19). Jedoch muss bei einer forstwirtschaftlichen Nebenerwerbsstelle diese dem Inhaber eine zusätzliche nachhaltige Sicherung seiner Existenz bieten und ihm zusätzliche Einnahmen gewährleistet. Der Betriebsinhaber muss mit den Erträgen der Forstwirtschaft eine dauernde Ergänzung seines sonstigen Einkommens anstreben. Zwar ist nicht erforderlich, dass die Nebenerwerbsstelle die überwiegende Erwerbsquelle darstellt, sie muss jedoch einen nicht unerheblichen Anteil des Gesamteinkommens erwirtschaften.
Für die Kammer steht außer Frage, dass die forstwirtschaftliche Tätigkeit aktuell keine erhebliche Einnahmequelle der Beigeladenen darstellt. Nach Angaben der Beigeladenen zu 1 und 2 sowie den Ausführungen des Vertreters des zuständigen Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg in der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage der Stellungnahme des AELF vom 22. Februar 2017 wird aus der forstwirtschaftlichen Tätigkeit ein jährlicher Gewinn von rund 3.900 EUR errechnet. Dieser Betrag ergibt sich aus der Vermarktung von jährlich voraussichtlich anfallendem Stammholz unter Annahme eines durchschnittlichen Holzpreises der vergangenen fünf Jahre. Selbst wenn hierzu noch ein Gewinn aus dem Verkauf von Brennholz an/über die Waldbauernvereinigung … e.V. zu zählen wäre, stellt eine monatliche Summe von unter 400 EUR aus forstwirtschaftlicher Tätigkeit keine „erhebliche“ Einnahmequelle der Beigeladenen dar. Der Beigeladene zu 2 hatte in der mündlichen Verhandlung die Einsicht in Abrechnungen der Waldbauernvereinigung … e.V. ermöglicht, aus denen sich jährliche Gutschriften von (exemplarisch) rund knapp 5.000 EUR in 2014 bzw. gut 3.000 EUR in 2015 ergeben. Dies deckt sich, auch unter Berücksichtigung etwaiger weiterer Erlöse aus dem Verkauf von Brennholz an/über die Waldbauernvereinigung … e.V., mit der vom AELF vorgenommenen jährlichen Gewinnerwartung. Anderes ergibt sich auch nicht aus der vorgelegten Bestätigung der E. S. GmbH vom 9. Februar 2021, nach der jährlich im Rahmen der Einkommensteuererklärung Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf Grundlage einer steuerlichen Gewinn- und Verlustermittlung für den durchgeführten Holzverkauf erklärt würden. Ein „Gewinn“ bzw. Ersparnis aus der Eigennutzung von Brennholz wurde nicht beziffert, ebenso wenig hierfür getätigte Aufwendungen/Unkosten, die allerdings vom Beigeladenen zu 2 in der mündlichen Verhandlung als eher gering eingeschätzt wurden. Im Ergebnis wird die Einschätzung, dass aktuell kein „großer Ertrag erwirtschaftet wird“, auch vom Beigeladenen zu 2 in der mündlichen Verhandlung geteilt. Dies sei wegen des geringen Alters des Waldes derzeit noch nicht möglich, werde aber bei entsprechender Pflege der Bäume mit steigendem Alter zunehmen.
dd) An diesen Einschätzungen des Gerichts ändern auch die vorgelegten Stellungnahmen des zuständigen Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg nichts Grundlegendes.
Zwar ist allgemein anerkannt, dass amtlichen Auskünften und Gutachten von Fachbehörden eine besondere Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris zur Rolle der Wasserwirtschaftsämter in wasserrechtlichen Verfahren bzw. BayVGH, U.v. 2.8.2018 – 2 B 18.742 – juris zur Bedeutung einer denkmalschutzrechtlichen Stellungnahme). Dies entbindet jedoch die zuständige Behörde – hier das Landratsamt als Bauaufsichtsbehörde – nicht davon, die sich bei dem ihnen zum Vollzug zugewiesen Rechtsvorschriften des BauGB und der BayBO ergebenden Fragen (auch) eigenverantwortlich zu prüfen und dazu eine eigene Einschätzung zu treffen. Auch die Oberste Baubehörde des Bayerische Staatsministeriums des Innern formuliert in ihrem Schreiben vom 9. Mai 2012 (Gz.: II B5 – 4601.1-004/11) zur Frage der Privilegierung von Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB, dass es für die Beurteilung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen auf eine Gesamtwürdigung der Umstände im Einzelfall (gerichtlich ergänzt: durch die Bauaufsichtsbehörde im Vollzug der Baugesetze) ankommt. Der Stellungnahme des AELF kommt nur hinsichtlich der Frage, ob in dem Gebäude trotz etwaiger besonderer Modifikation an Gestalt und Größe noch die erforderlichen landwirtschaftlichen Betriebsabläufe stattfinden können, eine entscheidende Bedeutung zu.
b) Jedenfalls fehlt es aber vorliegend am Merkmal des „Dienens“ des streitgegenständlichen Gebäudes im Hinblick auf die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1 und 2, soweit sie der Forstwirtschaft unterfallen. Ein „Dienen“ im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB wäre nur dann gegeben, wenn ein vernünftiger Forstwirt auch und gerade unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch diese Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wäre. Das Gebäude muss für den Betrieb „typisch“ sein und dafür tatsächlich verwendet werden. Das Bauwerk muss in seiner äußeren Erscheinung (Gestaltung, Größe, Fenster, Türen, Innenausstattung) erkennbar von der Zweckbestimmung des forstwirtschaftlichen Betriebs geprägt sein (Lechner/Busse in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 139. EL Oktober 2020, Art. 57 Rn. 107 ff. 117 ff. m.w.N.).
Hinzu kommt, dass bei einer relativ kleinen Fläche i.d.R. zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung die Errichtung einer baulichen Anlage nicht erforderlich ist (Dürr in Brügelmann, a.a.O., § 35 Rn. 44), weil sich dann der erforderliche Funktionszusammenhang zwischen dem Vorhaben und dem forstwirtschaftlichen Betrieb nicht erschließt. Zwar wird in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 13.1.1967 – IV C 47.65 – juris Rn. 23) nicht gefordert, dass das Bauvorhaben schlechthin unentbehrlich zur Aufrechterhaltung des Betriebs sein muss, eine bloße Nützlichkeit ist hingegen auch nicht ausreichend. Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Forstwirts und Art, Größe und Struktur des Betriebs müssen im Sinne der „Vernünftigkeit“ sachgerechte und einleuchtende Gründe für die Ausführung des Bauvorhabens sprechen. Ein besonderes Gewicht kommt dem Erfordernis des Dienens bei Nebenerwerbsbetrieben zu, um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Privilegierung zu begegnen (Dürr in Brügelmann, a.a.O., § 35 Rn. 46). Die Wahl des konkreten Standorts im Außenbereich ist dabei grundsätzlich keine Frage des Dienens. Allerdings kann die dienende Funktion dann entfallen, wenn der Standort soweit von den (landwirtschaftlichen) Flächen entfernt ist, dass ein vernünftiger Landwirt diesen Standort nicht wählen würde (Dürr in Brügelmann, a.a.O., § 35 Rn. 49). Dies gilt in gleicher Weise für die Forstwirtschaft.
Bei dem streitgegenständlichen Gebäude handelt es sich ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder um eine Halle mit hausähnlicher Kubatur und Dachform, mit Sektional-Tor, Eingangstür und Glas-Fenstern, teilweise ausgehängt und mit Holz-Lamellen versehen, sowie einer Bodenfläche von rund 85 m². Der Innenbereich ist nachträglich unterteilt in 60 m² für Brennholzlager und Abstellung landwirtschaftlicher Fahrzeuge und 22 m² zur Nutzung als Werkstatt für forstwirtschaftliche Werkzeuge und Maschinen (mit Glasfenster und Tür).
Auch wenn möglicherweise Situierung und äußere Form des Gebäudes mit dem Landratsamt (Untere Naturschutzbehörde) abgesprochen worden waren, steht zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass ein vernünftiger Forstwirt das streitgegenständliche Gebäude in seiner konkreten Größe und Gestaltung unter dem Gebot größtmöglicher Schonung des Außenbereichs so nicht errichten würde. Bereits die Ausführung des Gebäudes lässt nach dem Maßstab, der für das „Dienen“ im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB herangezogen werden muss, Zweifel entstehen. Grundsätzlich reicht ein einfaches Gebäude mit einem nicht befestigten Boden als Unterbringungsmöglichkeit für Geräte aus, erst recht für die Lagerung von Holz. Dies wurde zuvor durch das zuständige AELF auch für den ehemals auf dem Grundstück vorhandenen Stadel (Grundfläche 35 m²) bestätigt (Stellungnahme AELF vom 25. Januar 2017). Zudem ist das Bauwerk nach seiner äußeren Erscheinung nicht erkennbar von der Zweckbestimmung eines forstwirtschaftlichen Betriebs geprägt. Die Ausgestaltung lässt nach ihrer äußeren Erscheinung eher auf eine der Freizeitgestaltung als auf eine zur Unterbringung von forstwirtschaftlichen Geräten dienende „Halle“ schließen. Dieser Eindruck wird durch die Vielzahl an Fenstern, auch im „Obergeschoss“, und die einer Haustür ähnlichen Türfassade verstärkt.
Die forstwirtschaftlichen Teilflächen befinden sich in teils deutlicher Entfernung (über 15 km, teils bis zu 50 km) zum streitgegenständlichen Grundstück. Zumindest für die Bewirtschaftung der Waldfläche an den weiter entfernten Orten erweist sich das Gebäude seinem Standort nach als ungeeignet. Das Bauvorhaben wurde an dieser Stelle des Außenbereichs nicht realisiert, um die Abläufe im forstwirtschaftlichen Betrieb zu erleichtern, sondern weil die Beigeladenen zu 1 und 3 als Eigentümer verfügungsbefugt für dieses Außenbereichsgrundstück sind. Zudem liegt es, was die aber nicht mehr der forstwirtschaftlichen Urproduktion unterfallende Nutzung als Brennholzlager zwecks Einsatz in der privaten Heizung betrifft, günstig, nämlich in unmittelbarer Nähe des Hausgrundstücks der Beigeladenen zu 1 und 3 Dies, und nicht etwa ein funktionaler Zusammenhang zur forstwirtschaftlichen Tätigkeit im Außenbereich, drängt sich als Grund für den Neubau des streitgegenständlichen Gebäudes an dieser Stelle des Außenbereichs auf. Ebenso mag es für die Beigeladenen nützlich sein, alle vorhandenen Gerätschaften und Anhänger, Wassertank, etc. an einer Stelle zusammen zu führen, statt sie – wie ehemals — auf zwei Standorte, nämlich das Wohnhaus des Beigeladenen zu 2 bzw. z.T. eingestellt bei dessen Nachbarn, und das Wohnhaus der Beigeladenen zu 1 und 3 aufzuteilen. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre eigene forstwirtschaftliche Tätigkeit, wie der Beigeladene zu 2 in der mündlichen Verhandlung angab, nur gelegentlich, also mehrmals jährlich, ausüben, wenn sie die Flächen insbesondere zur Waldpflege aufsuchen. Den Holzeinschlag, also gerade ein wesentliches Element der forstwirtschaftlichen Urproduktion, führen die Beigeladenen zu 1 und 2 in aller Regel nicht selbst aus, sondern beauftragen Dritte damit, die auch über die erforderlichen Gerätschaften und Fahrzeuge verfügen. Entsprechend findet der Verkauf des Holzes auch ab Wald (und nicht etwa ab dem streitgegenständlichen Grundstück) statt. Wie bereits ausführt, unterfällt die dort stattfindende Lagerung und insbesondere das Zuschneiden des Scheitholzes auf die passende Größe für den Einsatz im Brenner aber nicht mehr dem Kernbegriff der Forstwirtschaft und ist vor allem nicht dezidiert an den streitgegenständlichen Außenbereichsstandort gebunden. Dies räumt auch der Beigeladene zu 1 ein, wenn er in der mündlichen Verhandlung ausführt, die Tätigkeit des Zuschneidens könne überall erfolgen, im Wald oder auch auf dem Grundstück des Beigeladenen zu 2 in ….
Das zur Lagerung von Brennholz und Unterbringung von Maschinen errichtete Gebäude „dient“ damit im vorliegenden Fall nicht einem forstwirtschaftlichen Betrieb (so auch VG Augsburg, U.v. 22.03.2006 – Au 4 K 05.21103 – S. 12).
2. Das Vorhaben, das sich unstreitig im Außenbereich (§ 35 BauGB) befindet, ist auch materiell baurechtswidrig, da es bauplanungsrechtlich unzulässig und somit nicht genehmigungsfähig ist.
Es handelt sich (wie dargelegt) um ein nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben. Da auch eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis Nr. 6 BauGB nicht gegeben ist, ist das Vorhaben als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Sonstige Vorhaben können nach § 35 Abs. 2 BauGB nur zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Die „Halle“ beeinträchtigt aber öffentlichen Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB. Das Vorhaben lässt die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB). In Bezug auf diesen Belang kommt es nach der Rechtsprechung nicht darauf an, ob es sich bei dem Vorhaben um ein Wohngebäude oder ein in sonstiger Weise genutztes Gebäude handelt. Das Gebäude wäre geeignet, eine Vorbildwirkung zu entfalten, die das Entstehen weiterer unerwünschter „Hallen“ oder anderer Bauvorhaben im Außenbereich begünstigen könnte. Das Vorhaben steht weiterhin im Widerspruch zum Flächennutzungsplan der Gemeinde, der an dieser Stelle eine naturschutzfachliche Ausgleichsfläche vorsieht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) und beeinträchtigt auch die natürliche Eigenart der Landschaft (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) in funktionaler Hinsicht. Nach der Intention des Gesetzgebers soll der Außenbereich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Erholung vorbehalten bleiben. Ein Vorhaben wie das der Beigeladenen, das nach den obigen Darlegungen nicht einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient, ist seiner Funktion nach dem Wesen des Außenbereichs fremd.
3. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Beseitigungsanordnung bzw. Duldungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Hiernach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden und wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Behörde hat dabei das ihr vom Gesetz eingeräumte Ermessen sachgerecht unter Beachtung des Zwecks der Ermächtigung und der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG) auszuüben. Die Voraussetzungen für eine Reduzierung bzw. Verengung des Ermessens allein auf die begehrte Beseitigung liegen aber nicht vor.
a) Es ist anerkannt, dass eine Gemeinde bei Beeinträchtigungen ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) – etwa durch ein ohne ihre erforderliche Beteiligung bzw. ohne erforderliche Zustimmung (§ 36 i.V.m. §§ 29 ff. BauGB) errichtetes Bauwerk – ein subjektives Recht auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Bauaufsichtsbehörde hat, welche die Befugnis zum Einschreiten und damit zur Herstellung zuständiger Zustände besitzt, weil andernfalls eine Missachtung der der Gemeinde vom Gesetzgeber eingeräumten Rechtsstellung sanktionslos bliebe (BVerwG, U.v. 12.12.1991 – 4 C 31/89 – NVwZ 1992, 878; BayVGH, U.v. 30.7.1997 – 14 B 95.3645 – BayVBl 1998, 81 ff und B.v. 30.09.1999 – 1 ZE 99.2849 – juris Rn. 22). Die Gemeinde hat als Hoheitsträgerin dabei eine stärkere Rechtsstellung als ein Nachbar bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften (BVerwG, U.v. 12.12.1991, a.a.O.; BayVGH, U.v. 29.6.1999 – 1 B 95.4059 – BayVBl 2000, 471 f.).
b) Zwar ist auch anerkannt, dass sich das Eingriffsermessen der Bauaufsichtsbehörde zugunsten der Gemeinde verengt, wenn diese zur Durchsetzung einer örtlichen Bauvorschrift einen Antrag auf Erlass einer Beseitigungsverfügung stellt (BayVGH, U.v. 3.11.2000 – 26 ZB 99.2309 – juris Rn. 15, 16). Dieses Ermessen verengt sich noch mehr, wenn es nicht um den Erlass einer Beseitigungsverfügung, sondern um den Erlass einer Baueinstellungsverfügung geht (BayVGH, B.v.30.09.1999 – 1 ZE 99.2849 – juris Rn. 23).
Vorliegend ist aber zum einen zu beachten, dass die Rechtswidrigkeit des Vorhabens gerade nicht aus der Verletzung einer solchen, dezidiert die Planungshoheit der Gemeinde konkretisierenden, örtlichen Bauvorschrift resultiert. Zum anderen wird mit der hier klägerseits verlangten Baubeseitigung „das schärfste Schwert“ der der Bauaufsichtsbehörde zur Verfügung stehenden Maßnahmen begehrt. Der Beklagte hat sich aber zuvor – aufgrund der Annahme der Baugenehmigungsfreiheit – noch nicht mit dem Maßnahmenkatalog und den Möglichkeiten seiner bauaufsichtlichen Befugnisse befasst. Auch wurde er erstmals im Rahmen der Klageschrift mit der konkreten Forderung nach Baubeseitigung befasst, nachdem zuvor in eher allgemeiner Form „bauaufsichtliches Tätigwerden“ verlangt worden war.
Auf dieser Grundlage liegt nach Auffassung des Gerichts noch keine Spruchreife i.S.d. § 113 Abs. 5 VwGO vor. Denn der Beklagte hat sich bisher weder mit dem „Ob“, noch gar mit dem „Wie“ des erforderlichen bauaufsichtlichen Einschreitens befasst. Räumt der Gesetzgeber der Verwaltung Ermessen ein, so ist dem Grundsatz der Gewaltenteilung entsprechend die Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte gegenüber der originär das Gesetz vollziehenden und zu eigenverantwortlichem Handeln aufgerufenen Verwaltung durch § 114 Satz 1 VwGO in besonderer Weise eingegrenzt (BayVGH, U.v. 30.7.1997 – 14 B 95.3645 – BayVBl 1998, 81 ff.). Mangels Spruchreife i.S. des § 113 Absatz 5 Satz 1 VwGO war die Klage insoweit abzuweisen.
Vielmehr hat der Beklagte über den Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten (erneut) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 159 Satz 1 VwGO sowie §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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