Baurecht

Nachbarklage, Baugenehmigung für einen Mobilfunkmast, Rechtmäßigkeit der 26. BImSchV

Aktenzeichen  M 1 SN 21.3941

Datum:
30.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41388
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a Abs. 3 S. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Gebot der Rücksichtnahme
26. BImSchV
BEMFV § 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahren je zu ¼ zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Schleuderbetonmastes.
Der Antragsteller zu 1) ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. 66/20, 66/22, 207, 209, 211, 534, 534/1, 537, 538, 538/2, 541, 543, 544, 545, 546, 547, 547/1, jeweils Gem. … Er bewohnt zusammen mit seinen Kindern, den Antragstellern zu 2), 3) und 4) das sich auf FlNr. 537 Gem. … befindliche Anwesen. Er ist u.a. als Bio-Landwirt tätig und bewirtschaftet o.g. Grundstücke. Er betreibt einen Hofladen, in dem er nach eigenem Vortrag 95% der sich aus der unmittelbar beim Wohnhaus gelegenen Hühner- und Rinderhaltung ergebenden Produkte vermarktet. Drei Forellenteiche, die auf direkt an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücken gelegen sind, hat er verpachtet.
Die Beigeladene beantragte unter dem 24. März 2020 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Stahlbetonmastes mit einer Höhe von 34 m mit Stahlaufsatz und Outdoor-Technik auf dem Grundstück FlNr. 210 Gem. … Unter dem 30. Oktober 2020 erteilte die Bundesnetzagentur die Standortbescheinigung für zehn zu installierende Funkanlagen auf dem Baugrundstück unter Festlegung von Sicherheitsabständen.
Unter dem 15. März 2021, dem Antragsteller zu 1) zugestellt mittels Postzustellungsurkunde, erteilte der Beklagte die beantragte Baugenehmigung samt wasserrechtlicher Genehmigung unter Auflagen.
Mit am 16. April 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten erhob der Antragsteller zu 1) Klage (M 1 K 21.2073) gegen o.g. Bescheid, über die noch nicht entschieden ist.
Mit am 26. Juli 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz beantragen er und die Antragsteller zu 2) – 4)
die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der bereits anhängigen Anfechtungsklage, § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO.
Die aufschiebende Wirkung sei anzuordnen, da die Baugenehmigung rechtswidrig und ohnehin kein sofortiges Vollzugsinteresse der Beigeladenen gegeben sei, weil die zu erfüllende Mobilfunkversorgungsleistung von 100 Mbits/s an dem streitgegenständlichen Standort schon aktuell bestehe. Die Baugenehmigung verstoße gegen die drittschützenden Bestimmungen der Art. 60 Nr. 1 BayBO i.V.m. § 35 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImschG und § 4 Abs. 1 BEMFV, Art. 60 Nr. 1 BayBO i.V.m. § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB, § 1 Abs. 6 Nr. 7c) BauGB, § 1 Abs. 6 Nr. 7a) BauGB, § 1a Abs. 5 BauGB, gegen die Regionalplanung, das Bayerische Natur-, Wald- und Klimaschutzgesetz, das Recht der Antragsteller auf Nachhaltigkeit, Art. 20a GG und gesundheitliche Unversehrtheit auch in der Zukunft, Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, sowie das Recht des Antragstellers zu 1) aus Art. 12 GG und Art. 14 GG. Die Standortbescheinigung sei nicht rechtskräftig, gegen diese werde separat vorgegangen. In mehreren Schriftsätzen ließen die Antragssteller hierzu ausführlich vortragen. Unter Bezugnahme auf Verlautbarungen des Bundesamts für Strahlenschutz und eine von diesem in Auftrag gegebene Kontrollstudie und andere Studien wird ausgeführt, dass die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte rechtswidrig seien. Die Verordnung sei daher formell und materiell rechtswidrig und nichtig. Auch unterhalb der dort festgelegten Grenzwerte käme es zu einer Gesundheitsgefährdung der Antragsteller und auch der Mutter des Antragstellers zu 1), welche bei diesem lebe. Studien zeigten, dass Mobilfunkstrahlen eine tumorfördernde und kalziumkanalöffnende Wirkung besäßen, was auch eine Auswertung diverser Studien durch den Arbeitskreis Zukunft der Wissenschaft und Technologie des Europäischen Parlaments aus dem Juli 2021 ergeben habe. Eine aktuelle Studie von Schuermann/ Mevissen („Manmade Electromagnetic Fields and Oxidative Stress – Biological Effects and Consequences for Health“) zeige, dass von Mobilfunkstrahlen eine Erhöhung des oxidativen Stresses initiiert werde und es in erhöhter Anzahl zu DNS-Schäden komme. International komme es bereits zu einem Umdenken hinsichtlich der Grenzwerte. Ein Urteil des US-Bundesgerichts von Columbia vom 13. August 2021 habe bestätigt, dass die USamerikanische Strahlenschutzbehörde ihrer Verpflichtung, darzulegen, dass die aktuellen Richtlinien angemessen gegen die schädlichen Effekte von hochfrequenter elektromagnetischer Strahlen schützten, nicht nachgekommen sei. Das US-Bundesgericht von Columbia habe sein Urteil damit begründet, dass es aufgrund der von den Petenten zitierten Forschungsergebnisse ernsthafte Zweifel an der Angemessenheit der Strahlenschutzrichtlinien habe. Aus der Entscheidung ergebe sich, dass in den USA inzwischen erhebliche Zweifel an der Angemessenheit der im Mobilfunkbereich geltenden Grenzwerte bestünden. Hinzu trete im Falle der Antragsteller die natürlich vorhandene Radonbelastung. Des Weiteren könnten die Antragsteller sich wegen der zugespitzten planetaren Situation auf die Einhaltung der Umweltbelange berufen. Insbesondere sei die deutsche Umsetzung der RL 2003/35/EG unzureichend, weil diese Vereinigungen nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügten, gegen die Vielzahl der Rechtsverstöße vorzugehen. Bei richtiger und zeitgemäßer Umsetzung der Richtlinie müssten daher auch Personengruppen wie die Antragsteller klage- und antragsbefugt sein.
Die Antragsteller zu 2) – 4) haben mit am 30. Juli 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten Klage (M1 K 21.4155) gegen den Bescheid vom 15. März 2021 eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Die Bevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 9. August 2021 klargestellt, dass sich die Klagen der Antragsteller zu 1)-4) jeweils lediglich gegen die mit o.g. Bescheid erteilte Baugenehmigung, nicht jedoch gegen die damit ebenfalls erteilte wasserrechtliche Genehmigung richten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Die Antragsteller könnten sich nicht mit Erfolg gegen die Baugenehmigung zur Wehr setzen. Insbesondere sei die von der Anlage ausgehende Strahlung nicht Gegenstand des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens; die Standortbescheinung der Bundesetzagentur bescheinige die Einhaltung der Grenzwerte der 26. BImSchV.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten dieses sowie der Hauptsacheverfahren M 1 K 21.2073 und M 1 K 21.4155 und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Anträge haben keinen Erfolg; der Antrag des Antragstellers zu 1) ist zulässig, aber unbegründet. Die Anträge der Antragsteller zu 2) – 4) sind zumindest unbegründet.
1. Hinsichtlich der Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen vom 16. April 2021 bzw. 30. Juni 2021 nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB liegt die Antragsbefugnis vor.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO, der auch im Rahmen des einstweiligen Rechtschutzes analog anzuwenden ist, ist der Antrag nur zulässig, wenn die Antragsteller geltend machen, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Für die Bejahung der Antragsbefugnis reicht bereits das Vorbringen der Antragsteller, dass eine Rechtsverletzung möglich ist. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung aber nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22). Eine Verletzung solcher Rechte muss möglich sein. Dabei ist eine Norm des Baurechts ist immer dann drittschützend, wenn sie nicht ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der städtebaulichen Ordnung, sondern zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dienen soll. Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei neben dem Gesetzeswortlaut auch der Sinn und Zweck der Norm sowie ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen sind.
Den Antragstellern stehen mehrere behauptete Abwehrrechte gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht zu, da die Normen entweder nicht drittschützend sind oder sie sich nicht auf diese berufen können.
a) Ein Drittschutz aus den Normen zur Aufstellung von Bauleitplänen, insbesondere aus der von den Antragstellern genannten Norm des § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. a und c BauGB, ergibt sich nicht. Diese Normen betreffen lediglich die Aufstellung von Bauleitplänen. Ein solcher liegt hier nicht vor.
b) Die Antragsteller können auch nicht die Verletzung eigener Rechte durch vermeintliche Verstöße gegen die Regionalplanung, die Landschaftsschutzverordnung sowie das Natur-, Wald- und Klimagesetz durch die Erteilung der Baugenehmigung geltend machen. Die Normen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Bayerischen Naturschutzgesetzes, des Waldschutzgesetzes und des Klimaschutzgesetzes entfalten ebenso wenig wie der Regionalplan und die Landschaftsschutzverordnung nachbarschützende Wirkung. Die Ziele und Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind dem öffentlichen Interesse zuzuordnen. Durch das Naturschutzrecht werden nur die Interessen der Allgemeinheit geschützt und es ist nicht dazu bestimmt, dem Schutz Dritter zu dienen (VG München, B.v. 3.11.2005 – M 9 E 05.3590 – juris Rn. 32). Auch der Tier- und Pflanzenschutz verfolgt vielmehr das Ziel des Gemeinwohls (BVerwG, U.v. 17.1.2001 – 6 CN 3.00 – juris Rn. 8). Der verfassungsrechtlich verankerte Umweltschutz als Staatsziel begründet kein Abwehrrecht. Es handelt sich ausschließlich um objektivrechtlich zu verstehende Verfassungssätze ohne anspruchsbegründende Wirkung. Ein „Grundrecht auf Umweltschutz“ existiert nicht (BayVGH, B.v. 27.7.2010 – 15 CS 10.37 – juris Rn. 25). Anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die Umsetzung der Richtlinie EG 2003/35/EG. Es bestehen aus Sicht der Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen des Umweltrechtsbehelfegesetzes die Anforderungen der Richtlinie nicht erfüllen.
c) Den Antragstellern zu 2) – 4) fehlt es auch insoweit an einer Antragsbefugnis, als sie geltend machen, das streitgegenständliche Vorhaben verletze ihr Recht auf Rücksichtnahme, weil von dem Funkmast schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ausgingen. Zwar hat § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB grundsätzlich, auch in Verbindung mit dem Gebot der Rücksichtnahme, drittschützende Wirkung. Die Antragsteller als nicht dinglich Berechtigte können sich jedoch nicht auf diese Norm berufen.
Nachbarschutz aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts kann grundsätzlich nur der jeweilige – zivilrechtliche – Eigentümer eines benachbarten Grundstücks in Anspruch nehmen. Denn das Bebauungsrecht regelt die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke. Es ist grundstücks-, nicht personenbezogen. Zu den Aufgaben des Bauplanungsrechts gehört es, die einzelnen Grundstücke einer auch im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Indem es in dieser Weise auf einen Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte zielt, bestimmt es zugleich den Inhalt des Grundeigentums. Demgemäß beruht bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses; weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlichrechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Grundstücksnachbarn durchsetzen. Dem Eigentümer gleichzustellen ist, wer in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich berechtigt ist. Wer dagegen lediglich ein obligatorisches Recht an einem Grundstück von dessen Eigentümer ableitet (Mieter, Pächter usw.), hat aus dieser Rechtsposition gegen die einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung grundsätzlich kein öffentlichrechtliches Abwehrrecht (BVerwG, U.v. 11. Mai 1989 – 4 C 1/88 – juris Rn. 43).
Nichts anderes gilt, soweit sich die Antragsteller auf ein aus dem Immissionsschutzrecht folgendes Abwehrrecht berufen. Denn das Immissionsschutzrecht ist nicht unmittelbar Prüfungsgegenstand im Baugenehmigungsverfahren. Lediglich bei der Frage, ob das Vorhaben den Anforderungen des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots genügt, ist darauf abzustellen, welche Einwirkungen der Betroffene nach den Wertungen des Immissionsschutzrechts hinzunehmen hat (BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22/75 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 20.4.2000 – 4 B 25/00 – juris Rn. 8 m. w. N.). Nachdem das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme weder ein eigenständig zu prüfendes Zulässigkeitserfordernis (BVerwG, B.v. 25.9.2003 – 4 B 68/03 – juris Rn. 4) noch eine allgemeine Härteklausel ist, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts ist (BVerwG, B. v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris Rn. 6), reicht der durch das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vermittelte Nachbarschutz nicht weiter, als der sich aus den Vorschriften des Bauplanungsrechts ergebende Nachbarschutz (BayVGH, B.v. 11.8.2014 – 15 CS 14.740 – juris Rn. 18). Da die Antragsteller zu 2) – 4) nicht dinglich Berechtigte der Nachbargrundstücke sind, können sie sich nicht auf die Verletzung des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots berufen, s.o.
d) Die Antragsbefugnis kann weiterhin nicht aus einer etwaigen Verletzung von Art. 13 GG hergeleitet werden, da eine Beeinträchtigung der Unverletzlichkeit der Wohnung durch die Errichtung des Funkmasts in ca. 340 Metern Entfernung vom Wohnhaus bereits von vornherein nicht in Betracht kommt.
e) Die Antragsteller können auch einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 BEMFV nicht geltend machen. Zwar haben die Normen der BEMFV nachbarschützende Wirkung (BayVGH, B.v. 24.3.2004 – 21 CS 03.1536 – BeckRS 2004, 33998). Die Antragstellerin kann sich aber in diesem Verfahren nicht darauf berufen. Liegt nämlich eine entsprechende Standortbescheinigung vor, dann sind die immissionsfachlichen und gesundheitlichen Aspekte durch die hierfür zuständige Bundesnetzagentur geklärt und folglich im Baugenehmigungs- oder Zustimmungsverfahren nicht weiter zu prüfen (BayVGH, U.v. 23.11.2011 – 14 BV 10.1811 – juris Rn. 60). Dies gilt ungeachtet dessen, dass die Antragsteller vorgetragen haben, die Standortbescheinigung sei nicht bestandskräftig und sie wollten gegen diese vorgehen. Die Standortbescheinigung ist nicht der inzidenten Überprüfung im vorliegenden Verfahren gegen die Baugenehmigung zugänglich, da das Verfahren über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der BEMFV einer anderen Behörde, namentlich der Bundesnetzagentur obliegt, §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 14 Satz 1 BEMFV (VG Koblenz, U.v. 01.03.2011 – 1 K 1099/10 – BeckRS 2011, 49011). Deshalb können sich die Antragsteller im vorliegenden Verfahren auch nicht mit Erfolg auf die Möglichkeit des Einsatzes adaptiver Antennen berufen. Selbstverständlich haben auch diese die Grenzwerte der 26. BImSchV einzuhalten, was jedoch in o.g. Verfahren nach dem BEMFV zu prüfen ist.
f) Es besteht damit lediglich die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG hinsichtlich der Antragsteller 1) – 4) sowie der Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 GG hinsichtlich des Antragstellers zu 2), § 42 Abs. 2 VwGO analog.
g) Es kann dahinstehen, ob die Anträge der Antragsteller 2) – 4) möglicherweise deshalb unzulässig sind, weil deren Klagen in der Hauptsache verfristet sind und deswegen kein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Die Anträge sind jedenfalls unbegründet. Einer Entscheidung hinsichtlich der Klagefrist kann für das Eilverfahren dahinstehen.
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB ist unbegründet. Die Klagen werden in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die angefochtene Baugenehmigung die Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht in ihren Rechten verletzt, sodass das Vollzugsinteresse überwiegt.
Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht der Hauptsache nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse am Vollzug rechtmäßiger Verwaltungsakte das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Nichtvollziehung der Maßnahme.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass die Antragsteller in der Hauptsache voraussichtlich unterliegen.
a) Das Bauvorhaben verstößt nicht zulasten des Antragstellers zu 1) gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, § 35 Abs. Satz 1 Nr. 3 BauGB. Für das Bauvorhaben liegt eine Standortbescheinigung nach der BEMFV vor, wonach die Grenzwerte der 26. BImSchV unter Einhaltung der dort festgelegten Sicherheitsabstände gewahrt sind. Die Antragsteller haben keine Bedenken hinsuíchtlich der Einhaltung der geltenden Grenzwerte und Sicherheitsabstände vorgebracht. Auch konnten sie bei der Kammer keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte hervorrufen, s. hierzu unten b).
b) Die Antragsteller sind ist nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Anhaltspunkte für eine schwere Gesundheitsschädigung durch eine die verfassungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle überschreitende Immissionsbelastung aufgrund der vom streitgegenständlichen Funkmast ausgehenden Strahlung ergeben sich nicht. Von dem Mobilfunkmasten gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen nach § 3 Abs. 1 BImSchG aus.
Auf die Errichtung und den Betrieb von Hochfrequenzanlagen finden die Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV) und die BEMFV Anwendung. In der nach § 4 Abs. 1 BEMFV für die streitgegenständliche Mobilfunkanlage notwendigen Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur wird bestätigt, dass außerhalb eines standortbezogenen Sicherheitsabstandes (§ 5 Abs. 1 und 2 BEMFV) die für den Betrieb der Antennen festgelegten Grenzwerte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV i.V.m. § 3 BEMFV eingehalten sind. Folglich werden diese Grenzwerte insbesondere auch in dem ca. 340 Meter entfernten Wohnhaus, in dem der Antragsteller zu 1) gemeinsam mit den Antragstellern zu 2) – 4) lebt, nicht überschritten, da die Stärke elektromagnetischer Felder mit zunehmender Entfernung vom Funkmast abnimmt. Die Entfernung der Wohnung zum Mast ergibt sich aus der vom Gericht eigens vorgenommenen Vermessung über das Vermessungstool geoportal.bayern.de. Das Vorbringen legt nicht dar, weshalb sie gleichwohl konkreten schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt sein sollen, obwohl sich das Wohnhaus weit außerhalb des für Hochfrequenzanlagen nach der 26. BImSchV zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen errechneten Einwirkungsbereichs befindet.
Die Antragsteller konnten bei der Kammer keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grenzwerte der 26. BImSchV hervorrufen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die in der 26. BImSchV normierten Anforderungen an den Betrieb von Hochfrequenzanlagen die Pflicht des Staates zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor schädlichen Umwelteinwirkungen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen.
Die Antragsteller verweisen auf eine vom Bundesamt für Strahlenschutz (im Folgenden: BfS) in Auftrag gegebene Kontrollstudie einer bereits im Jahr 2010 vom Fraunhofer Institut durchgeführten Pilotstudie. Im Rahmen der beiden Studien wurden trächtigen Mäusen der Tumorintitiator Ethylnitrosoharnstoff verabreicht und zusätzlich mit einem hochfrequenten elektromagnetischen Feld nach dem UMTS Standard chronisch ganzkörperexponiert. Damit sollte überprüft werden, ob hochfrequente elektromagnetische Felder krebsfördernd wirken, ohne selbst Krebs auslösen zu können. Die Ergebnisse beider Studien zeigen in dem gewählten Mausstamm übereinstimmend eine tumorwachstumsfördernde Wirkung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern für bestimmte Tumore bei gleichzeitigem Vorliegen einer krebserregenden Substanz. Die hochfrequente elektromagnetische Felder-Exposition alleine löste keine Tumore aus. Hochfrequente elektromagnetische Felder waren auch nicht an der Tumorentstehung beteiligt, sondern beschleunigten das Tumorwachstum, als der Krebs bereits entstanden war. Die tumorwachstumsfördernde Wirkung zeigte sich hauptsächlich für Lungen- und Lebertumore im verwendeten Mausstamm. Laut eigenen Angaben des BfS ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse der Studie auf den Menschen aber nicht möglich, da die Exposition des Menschen völlig andere körperinterne Feldverteilungen zur Folge hat. In der Gesamtschau der vorliegenden Studienergebnisse geht das BfS daher nicht von einer tumorwachstumsfördernden Wirkung durch hochfrequente elektromagnetischer Felder beim Menschen aus. Auch durch eine weitere Studie des BfS, auf die die Antragsteller Bezug nehmen, konnten die Hinweise auf eine mögliche krebserregende Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder nicht bestätigt werden. Das BfS hat festgestellt, dass nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch hochfrequente Felder – etwa aus dem Mobilfunk – zu erwarten sind, wenn die Grenzwerte eingehalten werden. Wenn das BfS bis zur Klärung von offenen Fragen zu biologischen und möglichen gesundheitlichen Wirkungen auch unterhalb der Grenzwerte dazu rät, die individuelle Belastung vorsorglich zu verringern, so handelt es sich hierbei um allgemeine Lebenshinweise und nicht um wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine negative Wirkung auf den Menschen belegen.
Auch die Studie des International Journal of Molecular Sciences, durchgeführt von David Schuermann und Meike Mevissen, nach der elektromagnetische Felder zu oxidativem Stress führen sollen, kann keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grenzwerte hervorrufen. Die Ausführungen basieren hauptsächlich auf den Ergebnissen von Tierstudien, insbesondere mit Mäusen. Diese Ergebnisse können aber nicht auf den Menschen übertragen werden. Es wird angegeben, dass gesundheitliche Auswirkungen, insbesondere auf Personen mit Vorerkrankungen, wahrscheinlich sind. Einzelne Vulnerabilitäten können aber nicht berücksichtigt werden. Nach eigenen Angaben der Autoren bedarf es noch weiterer Untersuchungen, um genaue Erkenntnisse über die Wirkung elektromagnetischer Felder zu erhalten.
Dieses Ergebnis wird auch durch das Review des Arbeitskreises Zukunft der Wissenschaft und Technologie des Europäischen Parlaments über die gesundheitlichen Auswirkungen von 5G, verfasst von Dr. F. B., bestätigt. Das Review kommt zu der Schlussfolgerung, dass hinsichtlich der krebserregenden Wirkungen von hochfrequenten Strahlen bei Menschen im Frequenzberiech FR1 450 MHz – 6000 MHz nur ein begrenzter Nachweis vorliege, in der Bandbreite 24 GHz bis 1000 GHz erlaubten die wenigen Daten keine Evaluation (6.1.1 bzw. 6.2.1 des Reviews). Zusammenfassend wird ausgeführt (6.3.1), dass hochfrequente Strahlung im Bereich 450 MHz – 6000 MHz voraussichtlich Krebs hervorrufen kann; im Frequenzbereich 24 GHz – 1000 GHz lagen keine ausreichenden Studien vor. Bei diesen Aussagen wird nicht zwischen den verschiedenen Strahlenquellen differenziert. An anderer Stelle (executive summary, 8.1) wird ausgeführt, dass Mobilfunktelefone die größte Gefahr darstellten, während Masten von manchen Menschen als größte Gefahrenquelle wahrgenommen würden. Studien hätten beobachtet, dass eine statistisch relevante Zunahme an Gehirntumoren und Schwannzellentumoren bei Menschen auftrete, die sehr oft Mobiltelefone benutzen. Das Review gibt damit gerade keinen Anlass, die bisherigen Erkenntnisse dahingehend in Frage zu stellen, als dass die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für Hochfrequenzanlagen unzureichend wären.
Schließlich führt auch die Entscheidung des US-Bundesgerichts von Columbia vom 13. August 2021 zu keinem anderen Ergebnis. Nach Auffassung der Kammer ist schon nicht ersichtlich, inwieweit ein USamerikanisches Urteil, das den Petitionen von Organisationen und Privatpersonen gegen die oberste US-Strahlenschutzbehörde, die Angemessenheit der in den USA geltenden Strahlenschutzrichtlinien zu überprüfen, stattgab, für das hiesige Verfahren von Bedeutung sein kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Grenzwerte der 26. BImSchV verfassungsgemäß und nicht zu beanstanden (BVerwG, U.v. 12.11.2020 – 4 A 13/18 – juris Rn. 44 m.w.N.). Die staatliche Schutzpflicht ist nicht bereits dann verletzt, wenn einzelne Stimmen im fachwissenschaftlichen Schrifttum ein schärferes Vorgehen des Staates, etwa in Form strengerer Grenzwerte oder weitergehender Vorsorgepflichten, verlangen (VG München, B. v. 27.2.2017 – M 8 SN 17.496 – juris Rn. 21). Liegen noch keine verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse über komplexe Gefährdungslagen – wie hier den schädlichen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder – vor, verlangt die staatliche Schutzpflicht auch von den Gerichten nicht, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts durch Beweisaufnahmen zur Durchsetzung zu verhelfen oder die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen, oder gar einen aktuellen Stand der Forschung erst im Gerichtsverfahren zu schaffen. Es ist vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weitergehende Schutzmaßnahmen treffen zu können. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht und die obergerichtliche Rechtsprechung, namentlich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, angeschlossen (BVerwG, U.v. 21.9.2010 – 7 A 7/10 – juris Rn. 17f.; B.v. 26.9.2013 – 4 VR 1/13 – juris; OVG BerlinBrandenburg, B.v. 3.7.2014 – OVG 6 S 26.14 – juris Rn. 7f.; BayVGH, B.v. 14.6.2013 – 15 ZB 13.612 – Rn. 9).
c) Auch verletzt das Bauvorhaben den Antragsteller zu 1) nicht in seiner Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, im Hinblick auf den von ihm betriebenen Hofladen und die von ihm betriebene Landwirtschaft. Überdies liegt keine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG vor. Die laut Standortbescheinigung erforderlichen Sicherheitsabstände werden zu den Grundstücken des Antragstellers zu 1) eingehalten. Nach dem Lageplan, der Bestandteil der Baugenehmigung ist, beträgt der Abstand zu FlNr. 211 und FlNr. 209 Gem. … 22,0 m bzw. 30,8 m. Der horizontale Sicherheitsabstand in Hauptstrahlrichtung beträgt max. 9,31 m (Funkanlagen 5 und 6). Hält jedoch die Anlage die in der 26. BImSchV geregelten Sicherheitsabstände ein, sodass sie sich als baurechtlich zulässige Nutzung darstellt, besteht kein Raum für die Annahme einer Verletzung o.g. Grundrechte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Abs. Satz 1VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Antragsteller als unterliegende Partei haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Es entsprach der Billigkeit, die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, da sie keinen Antrag gestellt hat und damit nicht das Risiko einer eigenen Kostenpflicht übernommen hat.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.3, 1.5., 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es erscheint angemessen, ausgehend von einem für die Hauptsache anzunehmenden Streitwert von EUR 40.000,00 diesen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


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