Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für eine Asylbewerber-Unterkunft in Industriegebiet

Aktenzeichen  AN 9 K 17.00173

Datum:
23.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33464
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 246 Abs. 12 S. 1 Nr. 12
BauNVO § 9 Abs. 3 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Ein Vorhaben zur Nutzungsänderung zu Asylbewerberunterkünften ist gem. § 34 Abs. 2 BauGB iVm § 9 BauNVO im faktischen Industriegebiet seiner Art nach weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig, insbesondere auch nicht als Anlage für soziale Zwecke nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Zwar können auch Gebäude, die der Unterbringung von Asylbewerbern dienen, Anlagen für soziale Zwecke darstellen, soweit keine autonome Wohnnutzung vorliegt. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
2 Als Unterkunft für Menschen, die dort ihren Lebensmittelpunkt haben, verträgt sie sich jedoch nicht mit den emissionsstarken, störungsintensiven Gewerbebetrieben, wie sie in einem Industriegebiet zulässig sind. Auch wenn sie nicht dem Wohnen dienen, stehen sie doch dieser Nutzungsart erheblich näher als einer industriegebietstypischen gewerblichen Nutzung. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Frage, ob eine Nutzungsänderung iSd § 246 Abs. 12 S. 1 Nr. 2 BauGB vorliegt, ist nachbarschützend. Denn die Vorschrift schränkt den Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn erheblich ein, da sie, im Gegensatz zur allgemeinen Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB, auf die Einhaltung der Grundzüge der Planung verzichtet und damit auch gebietsfremde Nutzungen zulässt.  (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2017 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist in Ziffer 2 vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klage ist begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2017 rechtswidrig ist und die Klägerin in nachbarschützenden Rechten, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1.1 Richtet sich die Zulässigkeit eines Vorhabens im unbeplanten Innenbereich seiner Art nach nach den Vorschriften der Baunutzungsverordnung (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der jeweiligen Vorschrift der BauNVO über den Gebietstyp), so steht dem Nachbarn eines in demselben Gebiet liegenden Grundstücks kraft Bundesrechts ein Abwehrrecht in Gestalt eines Gebietserhaltungsanspruchs gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung zu (BVerwG, B.v. 22.12.2011, 4 B 32.11). Da § 34 Abs. 2 BauGB faktische Baugebiete hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung den festgesetzten Baugebieten gleichstellt und deshalb derselbe Nachbarschutz besteht wie bei bauplanerischen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, ist bei einer fehlerhaften Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung auch im faktischen Baugebiet ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben (BVerwG, B.v. 27.8.2013, 4 B 39.13). Diese Rechtsprechung zu § 31 Abs. 2 BauGB lässt sich auf § 246 Abs. 12 BauGB übertragen (vgl. BayVGH, U.v. 14.2.2018, 9 BV 16.1694 zur artverwandten Befreiungsvorschrift des § 246 Abs. 10 BauGB).
1.2 Nach diesen Grundsätzen verletzt die Baugenehmigung vom 11. Januar 2017 nachbarschützende Vorschriften, da die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Befreiungsvorschrift des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht eingehalten sind.
Einschlägig ist die Befreiungsvorschrift des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB deshalb, da hier – davon gehen auch die Beteiligten übereinstimmend aus – sowohl das Bauvorhaben als auch das südlich angrenzende Nachbargrundstück der Klägerin in einem faktischen Industriegebiet nach § 9 BauNVO liegen. Ein Vorhaben mit der beantragten Nutzung ist gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 9 BauNVO im faktischen Industriegebiet seiner Art nach weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig, insbesondere auch nicht als Anlage für soziale Zwecke nach § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Im Gegensatz zu den sonstigen Fällen von Anlagen für soziale Zwecke, also Anlagen, die der sozialen Fürsorge und der öffentlichen Wohlfahrt, aber nicht der Übernachtung dienen, können auch Gebäude, die der Unterbringung von Asylbewerbern dienen, Anlagen für soziale Zwecke darstellen, soweit keine autonome Wohnnutzung vorliegt (Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 4 BauNVO, Rn. 91 ff.). Als Unterkunft für Menschen, die dort ihren Lebensmittelpunkt haben, verträgt sie sich jedoch nicht mit den emissionsstarken, störungsintensiven Gewerbebetrieben, wie sie in einem Industriegebiet zulässig sind. Auch wenn sie nicht dem Wohnen dienen, stehen sie doch dieser Nutzungsart erheblich näher als einer industriegebietstypischen gewerblichen Nutzung. Solche Unterkünfte sind auch nicht mit den ausnahmsweise zulässigen Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter (§ 9 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) zu vergleichen, da solche in einem funktionalen Zusammenhang zwischen der Unterbringung von Menschen und einem Gewerbebetrieb stehen. Angesichts dessen, dass es sich bei Industriegebieten um die immissionsstärksten und störungsunempfindlichsten Baugebiete der BauNVO handelt, sind derartige Unterkünfte im Industriegebiet somit nicht gebietsverträglich, da sie mit der Zweckbestimmung des Gebiets unvereinbar sind (OVG Münster, B.v. 4.11.2003, 22 B 1345/03).
1.2.1 Es bestehen verschiedenen Auffassungen dazu, ob sich der Nachbar auf die Einhaltung der Voraussetzungen des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB bei einer darauf gestützten Befreiung berufen kann (einen Nachbarschutz bezweifelnd OVG NRW, B.v. 20.12.2016; für eine Überprüfbarkeit aller Voraussetzungen wohl BayVGH, U.v. 14.2.2018, 9 BV 16.1694 – das Urteil betrifft jedoch § 246 Abs. 10 BauGB zu unbefristeten Befreiungen für Asylunterkünfte in Industriegebieten -, für bloße Rügbarkeit des Gebotes der Rücksichtnahme wohl Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, § 246 BauGB, Rn. 59a). Nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls die Frage nachbarschützend, ob eine Nutzungsänderung i.S.d. § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB vorliegt. Denn die Vorschrift schränkt den Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn erheblich ein, da sie, im Gegensatz zur allgemeinen Befreiungsvorschrift des § 31 Abs. 2 BauGB auf die Einhaltung der Grundzüge der Planung verzichtet und damit auch gebietsfremde Nutzungen zulässt (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2016, 1 CS 16.1275). Der Gesetzgeber hat für die Vorschrift des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB, die zur Bewältigung der „Flüchtlingskrise“ geschaffen wurde, daher (neben weiteren Voraussetzungen) die Anwendungsvoraussetzungen geschaffen, dass auf dieser Grundlage erlassene Baugenehmigungen auf drei Jahre befristet sein müssen und nur Nutzungsänderungen zulässig sind (Nr. 2). Dauerhafte Einwirkungen auf den Charakter des Gebiets sollen dadurch gerade vermieden werden (BT-Drs. 18/6185, S. 54). Da die genannten Anwendungsvoraussetzungen die Gebietserhaltung tangieren – eine befristete Nutzungsänderung schafft keine dauerhaften geänderten und womöglich für den Nachbar nachteiligen Verhältnisse – kann sich der Nachbar auf deren Einhaltung berufen.
1.2.2 Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist insoweit bereits zu unbestimmt und daher rechtswidrig. Aus der Baugenehmigung geht – trotz der Bezeichnung „Nutzungsänderung“ im Genehmigungsbescheid – nicht mit der genügenden Bestimmtheit hervor, ob eine Nutzungsänderung oder eine bauliche Änderung genehmigt wird. Darauf kommt es jedoch an, da § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB nur Nutzungsänderungen zulässt und der Nachbar nach den vorgestellten Grundsätzen sich gegen Vorhaben im Regelungsbereich des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB wenden kann, wenn sie keine Nutzungsänderungen (mehr sind), da dann der Gebietserhaltungsanspruch tangiert ist. Diese Unbestimmtheit verletzt auch Nachbarrechte, da es dem Nachbarn nur bei einer im Hinblick auf nachbarschützende Belange – hier die Frage des Vorliegens einer Nutzungsänderung – hinreichend bestimmten Baugenehmigung möglich ist, festzustellen, ob und in welchem Umfang er durch das Vorhaben in seinen drittschützenden Rechten betroffen wird (BayVGH, B.v. 18.5.2018, 9 CS 18.10, st. Rspr.).
Wie jeder Verwaltungsakt muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 68 BayBO). Sie muss das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Hinreichend bestimmt ist eine Baugenehmigung danach in objektiv-rechtlicher Hinsicht, wenn die getroffene Regelung für jeden Beteiligten – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – eindeutig zu erkennen ist und deshalb keiner unterschiedlichen Bewertung zugänglich ist. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstigen Unterlagen. Wird deshalb in der Baugenehmigung auf den Antrag oder Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die Antragsunterlagen sind (BayVGH a.a.O.).
Diese Anforderungen sind hier nicht eingehalten. Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist in sich widersprüchlich und daher unbestimmt. Dafür spricht schon, dass in Abweichung zum Text im Genehmigungsbescheid das Vorhaben auf der mit einem Genehmigungsstempel versehenen Gesamtübersicht Abstandsflächen vom 15. August 2016 als „Neubau Asylunterkunft“ bezeichnet wird.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist zudem aus dem Grund unklar und unbestimmt, als auf den mit Genehmigungsstempel versehenen, von einem Architekten vorgelegten Grundrissplänen unzutreffende Planzeichen verwendet werden. Teile der Mauern sind mit nach schräg links verlaufenden Diagonalen gekennzeichnet. Nach der Bauvorlagenverordnung (Anlage 1, Ziffer 5) steht dies für Flächen, auf denen Abstandsflächen übernommen werden. Die Kennzeichnung in den Plänen ist damit zumindest missverständlich und es bleibt nach den vorgelegten Plänen – diese sind für die Baugenehmigung maßgeblich – unklar, ob es sich bei den so gekennzeichneten Mauern um Bestand oder Neubau handelt. Es bleibt also unklar, welche Bauarbeiten genehmigt wurden. Da viele der eingezeichneten Mauern von dieser missverständlichen Kennzeichnung erfasst sind, kann dieser Umstand nicht wegen Geringfügigkeit unbeachtet bleiben und führt zur Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung.
1.2.3 Wegen der Unbestimmtheit der streitgegenständlichen Baugenehmigung, die diese bereits rechtswidrig macht, kommt es nicht mehr darauf an, ob das Vorhaben – nach weiteren Ermittlungen – tatsächlich als Nutzungsänderung oder bauliche Änderung einzustufen ist. Nach dem vorgelegten Akteninhalt ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei dem Vorhaben vorliegend nicht mehr nur um eine bloße Nutzungsänderung handelt und die Baugenehmigung auch deswegen rechtswidrig ist und insofern auch Nachbarrechte verletzt.
Nach der Terminologie des BauGB ist zwischen Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zu unterscheiden. Bei einer bloßen Nutzungsänderung wird die Variationsbreite der bisherigen Nutzung verlassen und bodenrechtliche Belange neu berührt (BVerwG U.v. 18.5.1990, 4 C 49.89). Demgegenüber meint Änderung die Umgestaltung (Umbau, Ausbau, Erweiterung, Verkleinerung) einer bestehenden baulichen Anlage in städtebaulich relevanter Weise, insbesondere Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz, die die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berühren oder die dem ursprünglichen Bauwerk die Identität rauben (BVerwG, B.v. 10.10.2005, 4 B 60/05).
Das Vorhaben sieht bei Abgleich mit den in früheren Baugenehmigungsverfahren vorgelegten Plänen Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz vor, die die Standfestigkeit berühren. Für das Vorhaben liegt ein am 28. April 1958 genehmigter Plan zur Errichtung einer Lagerhalle vor. Weiter liegt ein Grundrissplan vom 7. Mai 2008 (genehmigt 30. Juni 2008) hinsichtlich der Umnutzung einer Lagerhalle in Büroräume bei dem Gebäude, welches nunmehr das Vorhaben I (AN 9 K 16.0991) bildet, vor. Dort ist ebenfalls das hier streitgegenständliche Gebäude abgebildet. Aus dem Vergleich der Pläne ergibt sich, dass in den bisher genehmigten Bestand in erheblichem Umfang eingegriffen wird. Die im Vorhabenplan – Grundriss Erdgeschoss – grau gekennzeichneten Bestandsmauern spiegeln nicht den bisher genehmigten Bestand wieder. Deutlich wird dies etwa an dem Stück der westlichen Mauer, die von dem bisherigen, nun abzubrechendem Anbau Richtung Süden verläuft. Die Anzahl der als Bestand gekennzeichneten Mauerelemente zwischen den Fenstern ist im Vorhabenplan geringer als in den bezeichneten Altplänen. Dies hängt nicht mit einer bloßen Verringerung der Fensterzahl, sondern einer völligen Umpositionierung der Fenster zusammen. Angesichts dieser Eingriffe in die Bausubstanz stellt sich die Frage der Standfestigkeit erneut, da die betroffenen Teile der Außenmauern bei einer derartigen Maßnahme bautechnisch nicht stehen bleiben können. Allein deswegen läge keine bloße Nutzungsänderung mehr vor. Bei der Prüfung dieser Tatbestandsvoraussetzung käme es auch nicht darauf an, ob der Beklagten bei Prüfung des Vorhabenplans, insbesondere des Grundrissplans vom 14. Oktober 2016 bekannt war, dass damit bauliche Änderungen gegenüber dem bisherigen genehmigten Bestand genehmigt werden. Angesichts dessen, dass im Rahmen des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB gerade nur eine Nutzungsänderung zulässig ist und keine Änderung baulicher Anlagen, der Beigeladene zuvor an gleicher Stelle bereits einen (teilweisen) Neubau einer Asylunterkunft geplant hatte (zurückgenommener Bauantrag vom 23. März 2016, …*) und das streitgegenständliche Vorhaben zudem ebenfalls einen Neubau bzw. die Aufstockung zu einem Bürogebäude umfasst, wäre eine sorgfältige Prüfung und ein Abgleich mit den alten Plänen jedoch geboten gewesen. Die mangelhafte Ermittlung des Sachverhalts stellt einen Verfahrensfehler dar (BeckOK VwVfG, § 24, Rn. 27 ff.). Im Übrigen räumt die Beigeladenenseite mit Schriftsatz vom 31. August 2018 selbst ein, dass zur streitgegenständlichen „Umnutzung“ des Erdgeschosses, verbunden mit der Aufstockung des Obergeschosses, das teilweise Abreißen der Außenmauern im Erdgeschoss nötig gewesen sei. Unabhängig davon, welche rechtliche Konsequenz für die streitgegenständliche Genehmigung zur Nutzungsänderung aus dem augenscheinlich später erfolgtem (weitgehenden) Abriss des Bestandgebäudes zu ziehen wäre, dokumentiert diese Angabe der Beigeladenenseite, dass bereits bei Planvorlage zum streitgegenständlichen Vorhaben „Umnutzung des Erdgeschosses zu Asylunterkunft und Aufstockung des Obergeschosses zu Bürogebäude“ entgegen der Bezeichnung auch eine notwendige Änderung baulicher Anlagen im Erdgeschoss abzusehen war. Der Beigeladene kann sich insoweit nicht darauf berufen, ohne bauliche Änderung wäre die zulässige Aufstockung im Obergeschoss baulich nicht möglich gewesen. Denn § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB bezieht derartige Belange nicht mit ein und erlaubt ausdrücklich nur eine Befreiung für Nutzungsänderungen. Wegen ihres Ausnahmecharakters ist die Vorschrift auch eng auszulegen. Das Vorhaben „Büro“ hätte dann anderswo verwirklicht werden müssen. Der insoweitige Vortrag des Beigeladenen legt nahe, dass für das Vorhaben einer weiteren Asylunterkunft im Wege einer Nutzungsänderung gerade kein Platz auf dem Vorhabengrundstück bestand; es erscheint insofern zweifelhaft, ob man von einer Nutzungsänderung eines Vorhabens zu einer Asylunterkunft sprechen kann, wenn Platz für diese Nutzung nur dadurch geschaffen wird, dass für die bisher im Bestandsbau genehmigte und ausgeführte Nutzung gleichzeitig mit der „Nutzungsänderung“ und im selben Gebäude ein Neubau geschaffen wird.
1.3 Nach alledem war der Bescheid vom 11. Januar 2017 rechtswidrig. Da insoweit eine Befreiung gem. § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB erteilt wurde, ohne dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, ist insoweit auch die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Da es sich bei dem genehmigten Vorhaben um ein einheitliches Bauvorhaben handelt, erstrecken sich die Rechtswidrigkeit und der Urteilsspruch auf den gesamten Bescheid.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, § 162 Abs. 3 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
4. Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.


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