Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Errichtung eines Bullenmaststalls mit Güllebehälter und Getreidelagerhalle

Aktenzeichen  AN 17 K 19.01249

Datum:
16.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 10596
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 59
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 5, § 15 Abs. 1 S. 2
TA Lärm Nr. 1 Abs. 1 lit. c

 

Leitsatz

1. Die Einordnung als faktisches Dorfgebiet setzt kein bestimmtes prozentuales Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO voraus. Notwendig ist aber wenigstens eine noch aktive landwirtschaftliche Wirtschaftsstelle. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber Wohnnutzung im Dorfgebiet, § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO: Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, kann zur Orientierung bei der Prüfung, ab wann im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbare Geruchsimmissionen einer Rinderhaltung vorliegen, herangezogen werden (BayVGH BeckRS 2019, 32448). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die TA Lärm ist auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen nicht anwendbar (Nr. 1 Abs. 1 Buchst c). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die Klage ist unbegründet und damit abzuweisen, weil der dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigungsbescheid vom 21. Mai 2019 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nämlich nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dafür genügt nicht die objektive Verletzung einer Rechtsnorm. Die Rechtsverletzung muss sich aus einer Norm ergeben, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, s. BayVGH, B.v. 23.6.2017 – 15 ZB 16.920 – BayVBl 2019, 596 Rn. 8). Zudem müssen die als verletzt gerügten Normen Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren sein, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 140. EL Februar 2021, Art. 66 Rn. 537).
Eine Verletzung drittschützender Normen des Prüfprogramms durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung scheidet aus. Das Prüfprogramm bemisst sich vorliegend nach Art. 59 BayBO (vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren), da der durch den Beigeladenen geplante Bullenmaststall mit Güllebehälter und die Getreidelagerhalle keine Sonderbauten im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO sind.
a) Es liegt kein Verstoß gegen die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 – 38 BauGB vor. Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen liegt in einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO. Die durch den Beigeladenen vorgesehene landwirtschaftliche Nutzung seiner Bauvorhaben im Sinne des § 201 BauGB ist in einem Dorfgebiet gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO grundsätzlich zulässig. Das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme wird durch das Vorhaben nicht verletzt.
aa) Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen ist im Ganzen noch im Innenbereich belegen und in Übereinstimmung mit den Beteiligten nicht nach § 35 BauGB zu beurteilen, obschon dies zum selben Ergebnis führen würde. Der Innenbereich definiert sich nach § 34 Abs. 1 BauGB als im Zusammenhang bebauter Ortsteil. Der Bebauungszusammenhang reicht dabei soweit, wie eine tatsächlich vorhandene Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BayVGH, U.v. 31.10.2013 – 1 B 13.794 – juris Rn. 13), wobei das geplante Vorhaben, dessen Zulässigkeit zu bestimmen ist, außer Betracht bleibt (schon BVerwG, U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – juris Rn. 27). Ein Ortsteil ist in Abgrenzung von einer Splittersiedlung jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – NVwZ 2015, 1767 Rn. 11). Unter Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind in einem Dorfgebiet dabei nicht nur Gebäude zu zählen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, sondern auch landwirtschaftliche Gebäude (Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 34 Rn. 17.2). Die Entscheidung, ob ein Bebauungszusammenhang gegeben ist, ist auf Basis einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten berücksichtigenden Bewertung zu treffen (Spannowsky a.a.O., § 34 Rn. 22).
Gemessen an diesem Maßstab ist das Grundstück des Beigeladenen in Gänze, auch soweit das bislang unbebaute nach Osten liegende Drittel, in welchem das Bauvorhaben errichtet werden soll, betroffen ist, dem Innenbereich zuzuordnen. Es ist ausweislich der Luftbilder des BayernAtlas sowie der gerichtlichen Inaugenscheinnahme zum einen von Norden und Westen in die bestehende Bebauung … vor allem aus Wohnhäusern und (ehemaligen) landwirtschaftlichen Hofstellen eingefasst, wobei die westlich des Vorhabengrundstücks anschließende Straße … … (FlNr. …*) aufgrund ihrer beidseitigen Bebauung keine trennende Wirkung hat (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1988 – 4 B 19/88 – NVwZ-RR 1989, 7; OVG SH, B.v. 20.8.2015 – 1 LA 20/15 – KommJur 2016, 78 Rn. 7). Im Süden schließt sich, getrennt durch die schmale Stichstraße FlNr. …, zum einen das Fahrsilo des Beigeladenen selbst auf FlNr. …, sowie weiter südlich die zweite Hofstelle des Landwirts … (FlNr. …*) an, dessen Grundstück in Ost-West-Richtung etwa parallel zum Beigeladenengrundstück liegt. Außerdem befindet sich südlich des Vorhabengrundstücks und östlich der Kreisstraße … … gelegen weitere Wohnbebauung sowie u.a. eine Schreinerei (FlNrn. …, …, …, …, …*). Demnach ergibt sich das Bild eines von drei Seiten von Bebauung umgebenen und selbst bis auf das östliche Drittel u.a. mit einem Wohnhaus, einem Stallgebäude, einer Scheune und einem leerstehenden Wohnhaus bebauten Grundstücks, welches vom Beginn des Außenbereichs durch die sich östlich anschließende Stichstraße FlNr. … getrennt ist. Das bisher unbebaute östliche Drittel des Beigeladenengrundstücks vermag den Eindruck der Geschlossenheit insofern nicht zu durchbrechen. In diesem Fall spricht eine Regelvermutung für den Innenbereich, die hier nicht widerlegt ist (BayVGH, B.v. 3.2.2014 – 1 ZB 12.468 – juris Rn. 3); im Übrigen ergäbe sich auch aus einer nur mit zwei Seiten an den Innenbereich angrenzenden Lage kein automatischer Umkehrschluss auf § 35 BauGB (Spannowsky in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, 52. Ed. 1.8.2020, § 34 Rn. 26; s.a. BVerwG, U.v. 6.12.1967 – IV C 94.66 – juris Rn. 26).
bb) Der Gebietscharakter in der näheren Umgebung des Bauvorhabens des Beigeladenen entspricht einem faktischen Dorfgebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO, in dem eine landwirtschaftliche Nutzung sogar in privilegierter Weise zulässig ist.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dienen Dorfgebiete der Unterbringung der Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Bei dem so beschriebenen Dorfgebiet handelt es sich gleichsam um ein ländliches Mischgebiet, dessen Charakter grundsätzlich nicht von einem bestimmten prozentualen Mischverhältnis der drei Hauptnutzungsarten abhängt. Es reicht also aus, dass wenigstens noch eine Wirtschaftsstelle eines landwirtschaftlichen Betriebs neben Wohngebäuden und Gewerbe- oder Handwerksbetrieben vorhanden ist und das Gebiet dörflich prägt (BVerwG, B.v. 4.12.1995 – 4 B 258/95 – NVwZ-RR 1996, 428; BayVGH, B.v. 16.10.2013 – 15 CS 13.1646 u.a. – juris Rn. 20, 23 f.; Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 16).
Die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB, die jedenfalls insoweit berücksichtigt werden muss, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.7 – ZfBR 2018, 479 Rn. 7), entspricht dieser Definition. Zunächst befinden sich auf dem Vorhabengrundstück mit dem bereits errichteten Bullenmaststall im Süden des Geländes sowie der Scheune im Norden Gebäude des aktiven landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen. Daneben gibt es noch Wohnbebauung. Die bereits auf dem Baugrundstück vorhandenen Gebäude dürfen bei der Beurteilung der Eigenart der näheren Umgebung herangezogen werden (BVerwG, B.v. 21.6.2007 – 4 B 8/07 – juris Rn. 4). Im durch die südliche Stichstraße FlNr. … und die Kreisstraßen … … (FlNr. …*) und … … (FlNr. **) gebildeten Dreieck – ausgeklammert sind allerdings die FlNrn. … und der südliche Teil der FlNr. … (bereits Außenbereich) – ist neben zahlreichen Wohnhäusern auf der FlNr. … im Norden der landwirtschaftliche Betrieb … ansässig. Ganz im Osten des so beschriebenen Dreiecks befindet sich eine Gemeinschaftshalle der … Südlich des Vorhabengrundstücks und jenseits der schmalen Stichstraße FlNr. …, der hier keine trennende Wirkung innewohnt, befindet sich ein weiterer landwirtschaftlicher Betrieb (* …*), und mit einer Schreinerei (FlNr. …*) und einem Frisör (FlNr. …*) zwei handwerkliche Betriebe. Ebenfalls noch zur näheren Umgebung zählt das südlich kurz nach der Kreuzung der Stichstraße FlNr. … mit der Kreisstraße … … liegende Grundstück FlNr. …, auf dem eine Kfz-Werkstatt mit kleinem Autohaus als gewerbliche Nutzung betrieben wird. Schließlich ist über das Autohaus hinaus jedenfalls auch die erste Reihe der Bebauung auf der westlichen Seite der Kreisstraße … … (FlNr. …*) beginnend im Süden an der Kreuzung mit der Stichstraße FlNr. … bis zur Kreuzung mit der Kreisstraße … … (FlNr. **) im Norden Teil der näheren Umgebung, da die Kreisstraße … … nach dem Eindruck aus der gerichtlichen Inaugenscheinnahme keinen trennenden Charakter hat. Dort befindet sich vornehmlich Wohnbebauung, an der nördlichen Kreuzung aber auch das Gasthaus und die Metzgerei … Damit entspricht die Eigenart der näheren Umgebung dem in § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO definierten Dorfgebiet, da sich sowohl Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe – die des Beigeladenen und des Betriebs … – und Wohnbebauung finden, als auch der Gebietsversorgung dienende Handwerksbetriebe wie den Frisör und die Metzgerei. Die Schreinerei ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte jedenfalls als nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb einzuordnen (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2004 – 20 ZB 04.1559 – NVwZ-RR 2005, 602, 603; Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 86), ebenso das Autohaus. Selbst wenn man über die eben getroffene Einordnung der näheren Umgebung diese großzügiger fasste und noch die durch die Staatsstraße … und die Kreisstraßen … … und … … gerahmten Areale bis zum Beginn des Außenbereichs sowie die nördlich davon bis zur optischen Begrenzung durch die Linie FlNr. … stehende Bebauung einbeziehen würde, ergäbe sich kein anderer Gebietscharakter. Die dort nach Aktenlage befindlichen Nutzungen halten sich nämlich allesamt im Rahmen des durch § 5 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO Vorgegebenen.
cc) In einem faktischen Dorfgebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO sind Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe nicht nur gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig, sondern sogar durch § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten vorrangig Rücksicht zu nehmen ist, insbesondere geschützt. Unter den Begriff der Wirtschaftsstelle fallen alle dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende bauliche Anlagen, u.a. auch das durch den Beigeladenen geplante Stallgebäude, der Güllebehälter und das Getreidelager (Karber in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 25. Ed. 15.3.2021, § 5 Rn. 49).
dd) Das genehmigte Bauvorhaben des Beigeladenen verletzt auch nicht das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, auf welches sich im Grundsatz auch der Kläger mit seinem ebenfalls im faktischen Dorfgebiet befindlichen Grundstück FlNr. …, welches mit einem Wohnhaus bebaut ist, berufen kann. Entgegen des klägerischen Vortrages befindet sich sein Grundstück FlNr. … nicht in einem vom Dorfgebiet separierten, faktischen reinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Eine derart kleinteilige Parzellierung des grob von der Stichstraße FlNr. … und den Kreisstraßen … … und … … eingefassten Gebietes unter Hinzunahme der nördlich der klägerischen Grundstücke liegenden Bebauung findet keine Rechtfertigung in der Gebietstopographie. Insbesondere die Stichstraße FlNr. … trennt nach dem Eindruck der Inaugenscheinnahme die links und rechts neben ihr liegende Bebauung nicht voneinander ab. Vielmehr bilden die Kreisstraßen … … und … … eine sowohl das Vorhabengrundstück als auch das Wohngrundstück FlNr. … erfassende Klammer. Auch hinsichtlich des jedenfalls in seinem südlichen Abschnitt bereits dem Außenbereich zuzuordnenden unbebauten Gartengrundstücks FlNr. … ist der Kläger vom Schutzbereich des Gebots der Rücksichtnahme erfasst, da dieses dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO entsprechend – (…) im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung (…) – auch außerhalb des faktischen Baugebiets liegende Grundstücke erfasst.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist eine grundsätzlich nach den §§ 2 bis 14 BauNVO zulässige Anlage im Einzelfall unzulässig, wenn von ihr Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Störungen können insbesondere durch die Einwirkung von Immissionen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG auftreten, hier insbesondere durch Geruchs- und Lärmimmissionen des geplanten Bullenmaststalls mitsamt Güllebehälter. Hinsichtlich des Maßstabes für die (Un-)Zumutbarkeit von Störungen des Vorhabens des Beigeladenen ist jedoch vorauszuschicken, dass § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Belange landwirtschaftlicher Betriebe einschließlich deren Entwicklungsmöglichkeiten in einem Dorfgebiet vorrangig berücksichtigt. Konkret bedeutet dies, dass in einem Dorfgebiet der Schutz des Wohnens wegen der den landwirtschaftlichen Betrieben zukommenden Vorrangstellung eingeschränkt ist. Die von landwirtschaftlichen Betrieben üblicherweise ausgehenden Beeinträchtigungen sind insoweit gebietstypisch und daher in der Regel von der dort vorhandenen Wohnnutzung hinzunehmen. Das bezieht sich auf alle landwirtschaftlichen Emmissionen wie etwa solche aus der Tierhaltung herrührende, aber etwa auch auf Traktor- und Maschinengeräusche oder die Bewegungsgeräusche von Stall- und Scheunentoren (stRspr des BayVGH: B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris Rn. 83; B.v. 10.8.2020 – 1 CS 20.1440 – juris Rn. 7; B.v. 4.9.2019 – 1 ZB 17.662 – juris Rn. 5; B.v. 3.2.2017 – 9 CS 16.2477 – juris Rn. 20; B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – juris Rn. 23; U.v. 12.7.2004 – 25 B 98.3351 – juris Rn. 30).
Unter Berücksichtigung dessen kann zur Orientierung, ab wann Geruchsimmissionen durch Rinderhaltung unzumutbar im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind, mangels verbindlicher (unter-)gesetzlicher Regelungswerke, siehe etwa den Ausschlusstatbestand in Nr. 1 der TA Luft für Geruchsimmissionen, unter anderem die Abstandsregelung für Rinderhaltungen des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“, Kap. 3.3.2, Stand 03/2016, herangezogen werden (BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 24). Daran gemessen liegt das klägerische Wohngebäude auf der FlNr. … entfernungsmäßig selbst dann jenseits der Unbedenklichkeitsgrenze des genannten Regelwerks, wenn man wie der Beklagte aus Vorsichtsgründen den Rinderbestand sowohl aus dem bereits auf dem südlichen Grundstücksteil des Beigeladenen vorhandenen und betriebenen Rinderstall als auch den neu hinzukommenden Rinderbestand im Rahmen des Bauvorhabens, insgesamt 125,6 Großvieheinheiten [GV] (24,8 GV [Bestandsstall] + 100,8 GV [Vorhabenstall]), ansetzt. Dann liegt der Korridor, innerhalb dessen zunächst eine Einzelfallprüfung vorzunehmen wäre, in einem Dorfgebiet zwischen 25,56 m als Mindestabstand – unterhalb dessen wäre eine schädliche Umwelteinwirkung zu vermuten – und 45,12 m, ab dem keine schädlichen Umwelteinwirkungen auf die Wohnbebauung mehr vorliegen (S. 5 der Abstandsregelung für Rinderhaltungen). Das Wohnhaus des Klägers liegt vom geplanten Bullenmaststall über 60 m weit entfernt und damit deutlich außerhalb der 45,12 m-Grenze. Dazu tritt, dass die vom Beklagten vorgenommene „Worst case“-Betrachtung zwar aus behördlicher Sicht zur Absicherung der Entscheidung zur Erteilung der Baugenehmigung zweckmäßig war, jedoch nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und unter Heranziehung der Abstandsregelung für Rinderhaltungen (s.o.) zur Wahrung des Rücksichtnahmegebots nicht einmal zwingend erforderlich gewesen wäre. Denn hiernach kann sogar auf die Prüfung der Vorbelastung aus ebenfalls einer Rinderhaltung verzichtet werden, wenn der für das zu prüfende Vorhaben ermittelte Abstand zur Wohnbebauung oberhalb der oberen Kurve liegt und das Bestandsvorhaben mit seinem Mindestabstand zur Wohnbebauung wenigstens oberhalb der unteren Kurve liegt. Dem wäre hier so, da bei isolierter Betrachtung des Bauvorhabens des Beigeladenen bei 100,8 GV oberhalb eines Abstandes von 40,16 m keine schädlichen Umwelteinwirkungen mehr zu befürchten wären und der Bestandsstall mit 24,8 GV sogar noch weiter vom klägerischen Wohnhaus entfernt ist. Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Tatsache, dass zusätzlich der landwirtschaftliche Betrieb … (ebenfalls Rinderhaltung) auf der FlNr. … gebietsansässig ist, da dieser nach einer BayernAtlas-Messung etwa 140 m entfernt liegt. Nach alldem kann keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der klägerischen Wohnbebauung FlNr. … aufgrund von Geruchsimmissionen als Auswirkung der Tierhaltung durch den Beigeladenen angenommen werden. Dasselbe Ergebnis gilt hinsichtlich des nach eigenen Angaben derzeit als Gartengrundstück genutztes Grundstücks FlNr. … Da es keine Wohnbebauung aufweist, fällt es nicht unter den Anwendungsbereich der Abstandsregelung für Rinderhaltungen in Dorfgebieten des Bayerischen Arbeitskreises für „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“. Diesbezüglich muss der Kläger auf seinem Freizeitgrundstück in einem Dorfgebiet gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (s. bereits oben) eine etwaige Geruchsbelastung der Rinderhaltung des Beigeladenen hinnehmen, noch dazu der für die Wohnbebauung relevante 45,12 m-Radius nur den vorderen, zum Beigeladenen zeigenden Teil des Gartengrundstücks FlNr. … erfassen würde.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass der Beklagte zu seinem Schutze hätte Vorgaben der TA Lärm in den Baugenehmigungsbescheid als Nebenbestimmung aufnehmen müssen, dringt er damit nicht durch. Die TA Lärm ist ausweislich ihrer Nr. 1 Abs. 1 Buchst c auf immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige landwirtschaftliche Anlagen schon gar nicht anwendbar (BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 15 CS 15.1576 – juris Rn. 23); das bauliche Vorhaben des Beigeladenen bedarf nach der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Dies schließt zwar nicht aus, die auf Gewerbelärm zugeschnittene TA Lärm im Einzelfall auch auf von landwirtschaftlichen Betrieben herrührenden Lärm anzuwenden, wenn die Geräuschimmissionen ihrer Art nach gewerblichen Emissionen entsprechen. Doch ist das weder zwingend noch ist hier ansatzweise vorgetragen oder ersichtlich, dass die Geräuschimmissionen des landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen hier ausnahmsweise ihrer Art nach gewerblichen Emissionen entsprechen könnten. Ebenso wenig kommt es auf die Begriffsbestimmungen des Immissionsschutzrechts, § 3 Abs. 1 BImSchG, und auf dessen materiell-rechtliche Maßstäbe, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, zur Bestimmung der Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen an (BayVGH a.a.O. Rn. 24 und BayVGH, B.v. 4.9.2019 – 1 ZB 17.662 Rn. 6). Damit bleibt es beim Grundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, dass der Kläger die vom landwirtschaftlichen Betrieb des Beigeladenen üblicherweise ausgehenden Lärm-Beeinträchtigungen als gebietstypisch hinzunehmen hat.
b) Verstöße gegen drittschützende und im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und c BayBO zu prüfende bauordnungsrechtliche Vorschriften sind anhand des klägerischen Vortrags und der Aktenlage nicht ersichtlich. Die durch den Beigeladenen beantragte und gewährte Befreiung von Art. 6 BayBO zum nördlichen Nachbargrundstück FlNr. … nach Art. 63 BayBO, die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO auch Teil des Prüfprogramms ist, berührt den Kläger mangels Berechtigung an diesem Grundstück nicht als Nachbar.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem der Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten ersetzt erhält, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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