Baurecht

Nachbarklage gegen eine Werbeanlage

Aktenzeichen  2 L 111/20

Datum:
22.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGST:2022:0222.2L111.20.00
Normen:
§ 9 BauO ST 2013
§ 10 Abs 2 BauO ST 2013
§ 16 BauO ST 2013
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Bauordnungsrechtliche Vorschriften über die Verkehrssicherheit einschließlich der Regelungen, nach denen die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen oder deren Nutzung nicht gefährdet werden darf, vermitteln keinen Nachbarschutz und keinen Drittschutz für Verkehrsteilnehmer.(Rn.13)

2. Zur Frage, ob die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage, die eine bestehende andere Werbeanlage teilweise überdeckt, gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt.(Rn.42)
3. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann bei Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit einer bestehenden baulichen Anlage durch die Errichtung einer neuen Anlage in Betracht kommen.(Rn.22)

4. Insoweit kann aber nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass jegliche Beeinträchtigung – auch wenn sie mit Ertragseinbußen verbunden ist – einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründet.(Rn.22)
5. Der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahin gehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muss.(Rn.24)
6. Es ist zweifelhaft, ob dem bauordnungsrechtlichen Verbot störender Häufung von Werbeanlagen drittschützende Wirkung zukommt.(Rn.25)

Verfahrensgang

vorgehend VG Halle (Saale), 23. September 2020, 2 A 120/18 HAL, Urteil

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle – 2. Kammer – vom 7. September 2020 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht für erstattungsfähig erklärt werden.
Der Streitwert für das Rechtsmittelverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Errichtung einer Prismenwendeanlage.
Er ist Eigentümer des Grundstücks Flur …, Flurstücke … und … in H-Stadt (H-Straße…).
Die Beklagte erteilte der K. H., der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, unter dem 14. November 2005 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Prismenwendeanlage mit Wechselflächen und Beleuchtung auf dem Nachbargrundstück Flurstück … (B-Straße …). Die Genehmigung betrifft eine Anlage mit einer Werbefläche von 8 m Breite und 3 m Höhe. Die Werbefläche befindet sich an der Westseite in rechtem Winkel zur B-Straße. Die Beigeladene errichtete die Werbeanlage, die eine Höhe von ca. 10 m über der Geländeoberkante aufweist, allerdings nicht am Standort, der in der Baugenehmigung vorgesehen war, sondern um einige Meter in Richtung Süden in den von der B-Straße aus gesehen rückwärtigen Bereich versetzt. Zudem weicht die Haltekonstruktion von der in der Baugenehmigung genehmigten Konstruktion ab.
Unter dem 24. April 2012 erteilte die Beklagte der H. GmbH, deren Alleingesellschafter der Kläger ist, die Baugenehmigung für einen „Media Tower“ mit LED-Werbeflächen auf dem Grundstück des Klägers. Es handelt sich um einen Werbeturm mit zwei beleuchteten LED-Werbeflächen, die an der Blickrichtung des Verkehrs auf der P-Straße/V-Straße ausgerichtet sind. Die Werbeflächen befinden sich an der südlichen Seite (sichtbar von der V-Straße bei Fahrt vom R-Platz in Richtung Norden) und an der nordwestlichen Seite (sichtbar von der P-Straße/V-Straße bei der Fahrt vom Wasserturm in Richtung Südosten und gewinkelt um ca. 45 Grad von der B-Straße in Richtung Osten). Der Turm („H.“) hat eine Höhe von ca. 21 bis 22 m über der Geländeoberkante. Die Displays haben eine Höhe von ca. 10,56 m und eine Breite von ca. 15 m. Die H. GmbH errichtete den Turm im Jahr 2014.
Mit Bescheid vom 22. März 2016 erteilte die Beklage der Beigeladenen eine nachträgliche Baugenehmigung für die bereits errichtete Prismenwendeanlage. Gegen die Baugenehmigung erhob der Kläger Widerspruch. Er machte geltend: Es handele sich um eine störende Häufung von Werbeanlagen. In der Umgebung gebe es bereits mehrere Werbeanlagen. Die Stahlkonstruktion der Prismenwendeanlage wirke verunstaltend auf das Straßenbild i.S. des § 10 Abs. 2 BauO LSA. Die Anlage wirke auch auf sein Grundstück. Der vom Wasserturm in Richtung R-Platz verlaufende Verkehr auf der Bundesstraße 6 nehme – je nach Fahrspur – versetzt zwei Werbeanlagen wahr. Dies führe zu einer Gefährdung der Sicherheit des Verkehrs. Eine Abdeckung sei – je nach Betrachtungswinkel mehr oder weniger ausgeprägt – vorhanden.
Mit Bescheid vom 20. August 2016 nahm die Beklagte die nach ihrer Auffassung aufgrund einer Genehmigungsfiktion nach § 62 Abs. 5 Satz 1 BauO LSA erteilte fiktive Baugenehmigung zurück.
Das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wies den Widerspruch des Klägers gegen die Baugenehmigung vom 22. März 2016 mit Bescheid vom 28. August 2018 zurück. Die Genehmigung verstoße nicht gegen nachbarschützende Vorschriften. Das Vorhaben wirke sich nicht rücksichtslos auf das Grundstück des Klägers aus. Ein Verbot der Überdeckung von Anlagen ergebe sich aus dem Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB nicht. Im Übrigen werde die Werbeanlage auf dem Grundstück des Klägers durch die Prismenwendeanlage nur zu einem kleinen Teil im unteren Bereich geringfügig überdeckt. Soweit der Kläger eine Beeinträchtigung des Ortsbildes geltend mache, beschränke sich der Drittschutz auf das Rücksichtnahmegebot. Dieses gebe dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung durch ein Bauvorhaben verschont zu bleiben. Tatsächlich beeinträchtige die genehmigte Anlage auch nicht das Ortsbild, weil die Anlage in der gegebenen Örtlichkeit als nicht störend zu qualifizieren sei. Eine Verunstaltung des Ortsbildes und eine unzulässige störende Häufung von Werbeanlagen liege nicht vor. Es seien nicht mindestens drei Werbeanlagen aus einem Blickwinkel wahrnehmbar, so dass es bereits an einer Häufung fehle. Im Übrigen hätten gestalterische Anforderungen keine nachbarschützende Wirkung. Auch die Abstandsflächen nach § 6 BauO LSA seien eingehalten. Entspreche ein Bauvorhaben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften, sei für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr. Die Anforderungen an die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs seien nicht nachbarschützend.
Parallel dazu hatte die Beklagte einen Antrag des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Prismenwendeanlage abgelehnt. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zum bauaufsichtlichen Einschreiten ist Gegenstand des Parallelverfahrens 2 L 110/20.
Die vom Kläger am 11. September 2018 erhobene Klage gegen die Baugenehmigung vom 22. März 2016 und den Widerspruchsbescheid vom 28. August 2018 hat das Verwaltungsgericht auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2020 mit Urteil abgewiesen. Ein Verstoß gegen den Gebietserhaltungsanspruch liege nicht vor. Der Werbeturm auf dem Grundstück des Klägers dominiere die Umgebung. Es sei nicht zu erkennen, dass die vergleichbar kleine Prismenwendeanlage zu einer Gebietsveränderung führen könne. Auch einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot könne das Gericht nicht erkennen. Baurecht verhalte sich gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral. Der Nachbar habe keinen Anspruch darauf, dass sich die Verhältnisse auf dem Nachbargrundstück nicht auch für ihn nachteilig verändern. Der Gewerbetreibende habe auch keinen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert werde. Das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot sei nicht nachbarschützend. Aus einer Verletzung des – objektiv-rechtlichen – Verunstaltungsverbots könne keine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots folgen. Selbst eine entlang der B-Straße möglicherweise störende Häufung von Werbeanlagen könne dem Kläger keinen Drittschutz vermitteln. Das Gericht habe auch nicht erkennen können, inwieweit sich die Prismenwendeanlage überhaupt rücksichtslos auf den dominanten H. auswirken solle. Dabei werde nicht verkannt, dass von der Sichtachse vom Wasserturm kommend in dem unteren Bereich des zum Wasserturm ausgerichteten LED-Werbeturms eine gewisse kleinere Überschneidung bestehe. Hierin liege aber keine Überdeckung der Werbeaussage der LED-Fläche. Die andere große LED-Fläche sei zu einer anderen Seite ausgerichtet, mithin ohne Wechselwirkung mit der hier streitigen Anlage. Dabei verkenne das Gericht nicht, dass die Prismenwendeanlage bereits in die Jahre gekommen sei, während es sich bei dem H. um einen modernen Werbeturm handele. Dieser Gesichtspunkt sei aber nicht Gegenstand öffentlich-rechtlicher Abwehransprüche. Soweit in der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung des Verunstaltungsverbots ausnahmsweise in Fällen besonderer Rücksichtslosigkeit in Erwägung gezogen werde, liege ein solcher Fall nicht vor. Soweit sich der Kläger darauf berufe, dass ein Kunde zunächst die LED-Anlage und nun die Prismenanlage buche, sei festzuhalten, dass das öffentliche Baurecht nicht auf Konkurrentenschutz ausgerichtet sei. Ferner verkenne das Gericht nicht, dass die Prismenwendeanlage von der Sichtachse von der B-Straße in Richtung ortsauswärts eine der beiden LED-Flächen des H. nennenswert verdecke. Dabei werde nicht in Abrede gestellt, dass diese Sichtachse für die Anzahl der Sichtkontakte und damit für die Wirtschaftlichkeit der Anlage von Bedeutung sei. Ein solches Verdecken an der B-Straße, die stark befahren sei und Straßenbahnverkehr aufweise, stelle keinen Ausnahmefall dar, der als den Nachbarschutz betreffende störende Häufung zu bewerten sei oder einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründen könne. Maßgeblich sei auch insoweit der Grundsatz, dass sich das Baurecht gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral verhalte und der Nachbar keinen Anspruch darauf habe, dass sich die Verhältnisse auf dem Nachbargrundstück nicht auch für ihn nachteilig veränderten. Ebenfalls nicht drittschützend seien Fragen der Verkehrssicherheit, wobei bereits nicht nachvollziehbar sei, inwieweit überhaupt eine Verkehrsbeeinträchtigung durch die Prismenwendeanlage angenommen werden könne. Aus dem „Werbekonzept“ der Beklagten könne der Kläger ebenfalls keine subjektiven Rechte herleiten.
II.
1. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
a) Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Solche Zweifel liegen nur dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 BvR 3057/11 – juris Rn. 36 m.w.N.). Das ist nicht der Fall.
(1) Ohne Erfolg rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe einen falschen Prüfungsmaßstab hinsichtlich der Verletzung nachbarschützender Vorschriften angewandt. Er trägt insoweit vor: Das Verwaltungsgericht müsse wenigstens sämtliche öffentlich-rechtlichen Vorschriften prüfen, hinsichtlich derer eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften möglich sei. Dies habe das Gericht versäumt, indem es sich auf die Frage konzentriert habe, ob das Rücksichtnahmegebot und der Gebietserhaltungsanspruch verletzt seien und ob das Verunstaltungsverbot oder Fragen der Verkehrssicherheit Nachbarschutz vermittelten. Die Annahme, dass das Verunstaltungsverbot und die Verkehrssicherheit keinen Nachbarschutz vermittelten, sei falsch. Vorschriften zur Verkehrssicherheit wollten nicht den Verkehr als solchen schützen. Geschützt würden insoweit die Rechtsgüter der Teilnehmer am Straßenverkehr, mithin alle, die einen Bezug zum Straßenverkehr hätten und deren geschützte Rechtsgüter durch Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs verletzt werden könnten. Damit vermittelten solche Vorschriften auch dem Kläger eine Rechtsposition, die er gegenüber der Beklagten geltend machen könne. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Verkehrssicherheit liege allein im öffentlichen Interesse, sei unter keinem Gesichtspunkt nachvollziehbar. Das Verunstaltungsverbot habe begrenzt drittschützende Wirkung, da die Vorschrift das psychische Wohlbefinden der Bürger schützen und sozialen Frieden erhalten wolle. Das Verwaltungsgericht habe danach den Prüfungsumfang des von ihm zu prüfenden Normenkatalogs verkannt und zuungunsten des Klägers nachhaltig verkürzt.
Die gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 BauO LSA auch für Werbeanlagen, die bauliche Anlagen sind, geltende Regelung des § 16 Abs. 2 BauO LSA, nach der die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen oder deren Nutzung nicht gefährdet werden darf, ist nicht nachbarschützend. Bauordnungsrechtliche Vorschriften über die Verkehrssicherheit einschließlich der Regelungen, nach denen die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs durch bauliche Anlagen oder deren Nutzung nicht gefährdet werden darf, vermitteln keine nachbarlichen Rechte (vgl. BayVGH, Beschluss vom 29. April 2004 – 15 ZB 02.2382 – juris Rn. 10; Bauer, in: Jäde/Dirnberger, BauO LSA, 60. AL Juli 2014, § 16 Rn. 4; König, in: Schwarzer/König, BayBauO, 4. Aufl. 2012, Art. 14 Rn. 5; Nolte, in: Busse/Kraus, BayBauO, 144. EL September 2021, Art. 14 Rn. 2; Kukk, in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK Bauordnungsrecht BW, Stand: 1. November 2019, § 16 Rn. 34; Jaeger, in: Spannowsky/Saurenhaus, BeckOK BauordnungsR NRW, 9. Ed. 1. Dezember 2021, § 16 Rn. 4; Kammeyer, in: Große-Suchsdorf, NdsBauO, 10. Aufl. 2020 § 16 Rn. 1; speziell für die Anfechtung einer Baugenehmigung für eine Werbeanlage: VG Würzburg, Urteil vom 3. Dezember 2020 – W 5 K 20.516 – juris Rn. 64). Die Verkehrssicherheit ist in der Bauordnung verankert, um sicherzustellen, dass Bewohner und Benutzer baulicher Anlagen vor Schäden an Leben und Gesundheit sowie an Sachen geschützt sind. Dies gilt auch ganz allgemein für Teilnehmer am Verkehr (Nolte, a.a.O.). Der Umstand, dass die Regelung des § 16 Abs. 2 BauO LSA Teilnehmer des Verkehrs schützen will, führt nicht dazu, dass der Kläger als Verkehrsteilnehmer, der Straßen mit Sicht auf die Werbeanlage nutzt, einen Verstoß gegen § 16 Abs. 2 BauO LSA geltend machen kann. Subjektive Rechte vermitteln solche Normen, die nicht ausschließlich der Durchsetzung von Interessen der Allgemeinheit dienen, sondern zumindest auch dem Schutz individueller Rechte. In diesem Sinn drittschützend ist eine Norm, die das geschützte Recht sowie einen bestimmten und abgrenzbaren Kreis der hierdurch Berechtigten erkennen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 2 C 11.15 – juris Rn. 27; OVG NRW, Beschluss vom 19. Januar 2022 – 4 E 30/22 – juris Rn. 4). § 16 Abs. 2 BauO LSA schützt den „öffentlichen“ Verkehr in seiner Allgemeinheit und dient damit nicht dem Schutz individueller Rechte der Verkehrsteilnehmer.
Das Verwaltungsgericht hat auch hinsichtlich des Verunstaltungsverbots nach § 10 Abs. 2 i.V.m. § 9 BauO LSA keinen falschen Maßstab bei der Prüfung des Nachbarschutzes zugrunde gelegt. Anders als der Kläger behauptet, ist das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen, dass das Verunstaltungsverbot keinen Nachbarschutz vermittelt. Es hat vielmehr die Frage offen gelassen, ob dem Verunstaltungsverbot generell kein Nachbarschutz zukommt, und geprüft, ob eine Verletzung des Klägers in seinen Rechten vorliegen kann, wenn man den Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts der Freien und Hansestadt Bremen (Urteil vom 4. Mai 2001 – 1 A 436/00 – juris Rn. 40) folgte, dass eine nachbarschützende Wirkung des Verunstaltungsverbots ausnahmsweise in Fällen besonderer Rücksichtslosigkeit in Betracht komme. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls hat das Verwaltungsgericht verneint. Inwieweit dem Verunstaltungsverbot über diese Fälle hinaus drittschützende Wirkung zukommen soll, zeigt der Kläger nicht auf. Auch er geht davon aus, dass das Verunstaltungsverbot „begrenzt“ drittschützende Wirkung habe und Drittschutz (nur) in „krassen Fällen“ anzunehmen sei, wenn zugleich ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliege. Ein hiervon abweichender Prüfungsmaßstab ist der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu entnehmen.
(2) Die Erwägungen, mit denen der Kläger eine Verletzung in seinen Rechten aufgrund eines Verstoßes gegen das Verunstaltungsverbot geltend macht, greifen nicht durch.
Er trägt vor: Das sogenannte umgebungsbezogene Verunstaltungsverbot wolle eine negative Beeinflussung der Umgebung durch eine Werbeanlage unterbinden. Es verlange eine optische Verbindung der Werbeanlage zu ihrer Umgebung, so dass eine Verunstaltung in Bezug auf den LED-Werbeturm verneint werden müsse, da dieser Turm gewissermaßen allein stehe und wirke und deshalb keine wesentlichen Einflüsse auf die Umgebung habe, während für die Prismenwendeanlage der LED-Turm bereits die Umgebung sei, die diese Prismenwendeanlage auch beeinträchtige. Das Verwaltungsgericht habe selbst angenommen, dass die Prismenwendeanlage bereits in die Jahre gekommen sei, während es sich bei dem H. um einen modernen Werbeturm handele. Erstaunlicherweise meine das Verwaltungsgericht, dass die Unterschiedlichkeit der beiden Werbeanlagen nicht Gegenstand nachbarlicher öffentlich-rechtlicher Abwehransprüche seien. Es winde sich aus der Pflicht zu entscheiden, ob hier eine Unlustgefühle hervorrufende krasse Gegensätzlichkeit im Einzelfall anzunehmen sei, und liefere gleichzeitig die Begründung dafür, indem es die Anlagen gegenüberstelle und eingedenk des krassen Gegensatzes dies mit dem Hinweis abtue, die Dominanz des Werbeturms stelle die Anwendbarkeit des Verunstaltungsverbots in Frage. Ausgehend von seinen Feststellungen hätte das Verwaltungsgericht prüfen und erkennen müssen, dass der krasse Gegensatz, den die Prismenwendeanlage zum LED-Werbeturm bilde, unlusterregend sei. Da die Prismenwendeanlage auch gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße, hätte das Verwaltungsgericht die Verletzung nachbarschützender Vorschriften bejahen müssen.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung werden die bauordnungsrechtlichen Verunstaltungsverbote teilweise generell als nicht drittschützend angesehen, da es sich um Gestaltungsvorschriften handele, die ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit erlassen worden seien (vgl. NdsOVG, Urteil vom 25. März 2021 – 1 LB 80/20 – juris Rn. 26; VGH BW, Urteil vom 26. Januar 2012 – 5 S 2233/11 – juris Rn. 26; BayVGH, Urteil vom 15. Juli 1999 – 2 B 95.2988 – juris Rn. 20; OVG Saarl, Urteil vom 22. Oktober 1991 – 2 R 1/89 – juris Rn. 22; HessVGH, Beschluss vom 7. Juli 1987 – 3 TG 1649/87 – juris Rn. 28; offen gelassen: OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 14. Oktober 2009 – OVG 2 S 54.09 – juris Rn. 14). Soweit eine nachbarschützende Funktion des Verunstaltungsverbots angenommen wird, beschränkt sich dies auf Fälle besonderer Rücksichtslosigkeit, in denen aufgrund eines besonders engen nachbarschaftlichen Verhältnisses ein schwerer und unerträglicher Eingriff in die Eigentumsrechte des Nachbarn vorliegt (OVG NRW, Beschluss vom 14. Januar 2015 – 2 A 2341/13 – juris Rn. 10; vgl. auch OVG Brem, Urteil vom 4. Mai 2001, a.a.O.).
Einen solchen Ausnahmefall besonderer Rücksichtslosigkeit zeigt die Begründung des Zulassungsantrags nicht auf. Der Kläger verweist allein darauf, dass es sich bei der Prismenwendeanlage um eine – im Verhältnis zur LED-Werbeanlage auf dem eigenen Grundstück – wesentlich kleinere und „heruntergekommene“ bzw. – nach der Formulierung des Verwaltungsgerichts – „in die Jahre gekommene“ Anlage handele. Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Verunstaltungsverbot ist indes allgemein zu berücksichtigen, dass nicht bereits jede Störung der architektonischen Harmonie, also die bloße Unschönheit, sondern nur die Verunstaltung verhindert werden soll, also ein hässlicher, das ästhetische Empfinden des Beschauers nicht bloß beeinträchtigender, sondern verletzender Zustand; dabei kann nicht auf den ästhetisch besonders empfindsamen oder geschulten Betrachter abgestellt werden, es muss vielmehr das Empfinden jedes für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters maßgebend sein, also des sog. Durchschnittsbetrachters (Urteil des Senats vom 14. November 2006 – 2 L 504/02 – juris Rn. 38 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum die Prismenwendeanlage gegenüber dem Kläger besonders rücksichtslos sein sollte. Insbesondere bietet allein die Unterschiedlichkeit der Anlagen im Hinblick auf deren Alter und Größe keinen Anlass, bei einem durchschnittlichen Betrachter „Unlustgefühle“ hervorzurufen. Im Hinblick auf eine Störung des vorliegenden Nachbarschaftsverhältnisses käme ein Fall besonderer Rücksichtslosigkeit in erster Linie in Betracht, wenn die Prismenwendeanlage – für sich genommen oder zusammen mit der LED-Werbeanlage – aufgrund ihres Alters oder der geringen Größe derart abstoßend wirkte, dass ein Durchschnittbetrachter den Blick abwenden würde und deshalb auch die LED-Werbeanlage nicht oder nur noch eingeschränkt wahrnähme. Anhaltspunkte dafür, dass von der Prismenwendeanlage eine derart unästhetische Wirkung ausgeht, werden vom Kläger nicht aufgezeigt und sind auch nicht ersichtlich. Eine auffällige Hässlichkeit der Anlage ist auf den Fotos in den Verwaltungsvorgängen nicht zu erkennen.
(3) Auch einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot hat der Kläger nicht zulassungsbegründend geltend gemacht.
Er trägt vor: Das Verwaltungsgericht habe sich schwergetan, das Gebiet einem Typ der Baunutzungsverordnung zuzuordnen, und nicht einmal die Frage beantworten können, ob es sich hier um diffus bebautes Gebiet, mithin eine Gemengelage handele. Um so mehr hätte es das Gebot der Rücksichtnahme in den Blick nehmen müssen. Das Verwaltungsgericht habe die Frage der Verletzung des Rücksichtnahmegebots mit der Frage des Drittschutzes des Verunstaltungsverbots vermengt und ohne Subsumtion eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint. Tatsächlich hätte das Verwaltungsgericht die LED-Werbeanlage als nähere Umgebung der streitgegenständlichen Prismenwendeanlage in die Beurteilung des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung unter dem Gesichtspunkt des Rücksichtnahmegebots einbinden müssen. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot hätte bejaht werden müssen, weil die Prismenwendeanlage andere gewerbliche und zuvor genehmigte Bebauung beeinträchtige und sich damit gerade nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Im Gegenteil: Der LED-Werbeturm selbst sei zu einer ortsbildprägenden Einrichtung geworden. Das Anbringen einer unansehnlichen Prismenwendeanlage wirke nachteilig und damit beeinträchtigend auf dem LED-Werbeturm und damit auf das Ortsbild ein.
Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass das Verwaltungsgericht nicht entschieden hat, welchem Gebietstyp im Sinne der Baunutzungsverordnung die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks zuzuordnen ist. Diese Zuordnung hat das Verwaltungsgericht richtigerweise im Zusammenhang mit dem – drittschützenden – Gebietserhaltungsanspruch geprüft. Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der nach § 34 Abs. 2 BauGB zulässigen Nutzungsart abweicht. Stellt sich die Struktur der näheren Umgebung des Vorhabens als Gemengelage dar, kommt ein Anspruch auf Abwehr gebietsfremder Vorhaben über § 34 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 10. Oktober 2018 – 2 M 53/18 – juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Prismenwendeanlage nicht geeignet ist, in einer Umgebung, die von der LED-Werbeanlage auf dem Grundstück des Klägers dominiert wird, eine Gebietsveränderung herbeizuführen. Gegen die Erwägung hat der Kläger keine Einwände erhoben. Ginge man davon aus, dass sich die nähere Umgebung als Gemengelage darstellt, schiede ein Anspruch auf Gebietserhaltung von vornherein aus. Inwieweit die Eigenart der näheren Umgebung im Hinblick auf die Art der Nutzung darüber hinaus für die Frage bedeutend sein soll, ob das Vorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt, zeigt der Kläger nicht auf. Er sieht sich in dem Gebot der Rücksichtnahme dadurch verletzt, dass die Prismenwendeanlage die Werbeanlage auf seinem Grundstück durch Überdeckung beeinträchtige und sich damit nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Dabei hebt er selbst hervor, dass der LED-Werbeturm auf seinem Grundstück zu einer „ortsbildprägenden Einrichtung“ geworden sei. Es ist nicht ersichtlich, warum eine Werbeanlage in einem durch eine andere, dominante Werbeanlage geprägten Gebiet nach der Art der Nutzung rücksichtslos sein sollte.
Der Kläger hat auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Prismenwendeanlage wegen der teilweisen Überdeckung der LED-Anlage auf seinem Grundstück nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße, nicht durchgreifend in Frage gestellt. Das bauordnungsrechtliche Rücksichtnahmegebot schützt vor Einwirkungen eines Vorhabens, die dem betroffenen Nachbarn billigerweise nicht mehr zugemutet werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33). Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalles wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2019 – 4 B 39/18 – juris Rn. 9). Dabei ist nicht jede Beeinträchtigung des Eigentums durch eine benachbarte bauliche Nutzung rücksichtslos (BayVGH, Beschluss vom 16. Dezember 2019 – 1 ZB 18.268 – juris Rn. 6). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann allerdings auch bei Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit einer bestehenden baulichen Anlage durch die Errichtung einer neuen Anlage in Betracht kommen. Aber auch insoweit kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass jegliche Beeinträchtigung – auch wenn sie mit Ertragseinbußen verbunden ist – einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründet (vgl. etwa für die Errichtung einer Windenergieanlage, die die Windausbeute einer benachbarten, bereits bestehenden Windenergieanlage mindert: BVerwG, Beschluss vom 13. März 2019, a.a.O. Rn. 10).
Nach diesen Maßstäben ist von einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch die Errichtung der Prismenwendeanlage nicht auszugehen. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Prismenwendeanlage die Werbefläche der LED-Werbeanlage von der Sichtachse vom Wasserturm kommend (also bei der Fahrt auf der P-Straße in Richtung Südosten) im unteren Bereich in einem kleinen Teil überschneidet. Dies ist auch auf den Fotos im Verwaltungsvorgang (Bl. 122 bis 125) erkennbar. Aus dem Vermerk der Beklagten über die Ortsbesichtigung am 28. April 2016 (Bl. 88 des Verwaltungsvorgangs der Beklagten) ergibt sich, dass vom Wasserturm aus zunächst lediglich nur die Werbefläche am LED-Werbeturm sichtbar ist und die Prismenwendeanlage erst bei näherer Betrachtung zu erkennen ist. Das Verwaltungsgericht hat ferner festgestellt, dass von der B-Straße aus gesehen ostwärts eine der LED-Flächen des Werbeturms mittig verdeckt wird. Bei der Bewertung, welche Bedeutung der teilweisen Überdeckung aus bestimmten Blickrichtungen zukommt, ist zu berücksichtigen, dass die LED-Werbeanlage mit einer Höhe von 21 bis 22 m über Geländeoberkante deutlich höher ist als die Prismenwerbeanlage mit ca. 10 m über Geländeoberkante und jede der beiden Werbeflächen der LED-Werbeanlage ca. 6,5 mal so groß ist wie die Werbefläche der Prismenwendeanlage. Daraus folgt auch, dass die Überdeckung nur kleinere Teilbereiche betrifft und der LED-Werbeturm als dominant wahrgenommen wird. Dieser Eindruck wird auch bei Betrachtung der Fotos in den Verwaltungsvorgängen bestätigt. Die LED-Fläche wird also nicht vollständig oder überwiegend überlagert. Eine der beiden Werbeflächen ist von einer Überdeckung gar nicht betroffen. Im Hinblick auf die Ausrichtung der Werbeflächen auf den Verkehr auf der V-Straße/P-Straße hat die Überdeckung, die das Verwaltungsgericht beim Blick von der B-Straße in Richtung Osten festgestellt hat, nur eine untergeordnete Bedeutung und dürfte auch – je nach Standort – unterschiedlich wahrnehmbar sein. Die Überdeckung bei Sicht von der B-Straße hat auch der Kläger nicht in den Vordergrund gestellt. Hinsichtlich der Hauptsichtachsen gibt es also nur bei der Fahrt auf der P-Straße vom Wasserturm in Richtung Südosten eine kleinere Überdeckung, die zudem im Laufe der Fahrt nur für kurze Zeit wahrnehmbar ist. Vor diesem Hintergrund ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts plausibel, dass die Werbewirkung der LED-Flächen durch die Prismenwendeanlage nicht nennenswert beeinträchtigt wird. Ein begründetes Vertrauen darauf, dass die Sicht auf die LED-Werbeanlage von keinem Blickwinkel aus und auch nicht teilweise von einer anderen baulichen Anlage verdeckt wird, konnte der Kläger angesichts der innerstädtischen Lage der Anlage in einer Großstadt mit einer größeren Anzahl von Werbeanlagen nicht entwickeln.
Auf etwaige Ertragseinbußen, die sich unabhängig von einer Beeinträchtigung der Sicht auf die LED-Werbefläche aufgrund der neu hinzutretenden – konkurrierenden – Werbeanlage ergeben, kann ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht gestützt werden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, verhalten sich das Bauplanungsrecht und damit auch das Rücksichtnahmegebot gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral. Der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahin gehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Februar 1997 – 4 NB 5.97 – juris Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 01. März 2016 – 15 CS 16.244 – juris Rn. 28; HessVGH, Beschluss vom 12. August 2013 – 3 B 1219/13- juris Rn. Rn. 2; OVG NRW, Beschluss vom 9. März 2007 – 10 B 2675/06 – juris Rn. 11).
(4) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass er aufgrund einer störenden Häufung i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA in seinen Rechten verletzt sei.
Der Kläger meint, das Verbot störender Häufung (Konzentrationsverbot) liege im Interesse der Werbetreibenden, da diese selbst ein Interesse daran hätten, eine störende Häufung zu vermeiden, da sich gehäufte Anlagen gegenseitig aufhebten und Verwirrung stifteten. Die obergerichtliche Rechtsprechung stelle hinsichtlich des Begriffs Häufung zwar in der Regel auf mindestens drei Werbeanlagen ab. Im vorliegenden Einzelfall dürfe es jedoch angesichts der Dominanz, der Art und dem Maß des LED-Werbeturms ausreichen, dass es sich um zwei Werbeanlagen handele. Diese Häufung sei auch störend, da der Durchschnittsbetrachter nicht durch das bloße Vorhandensein von Werbeanlagen in seinem ästhetischen Empfinden verletzt werde, sondern gerade durch die Art und Weise des räumlich dichten Nebeneinanders. Die Formulierung des Verwaltungsgerichts „vorhandene möglicherweise gegebene objektiv vorliegende störende Häufung von Werbeanlagen“ lege es nahe, dass das Gericht selbst zur Annahme einer störenden Häufung neige.
Es ist schon zweifelhaft, ob es sich bei § 10 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA um eine drittschützende Norm handelt (ablehnend für die entsprechende Regelung des bayerischen Landesrechts: VG Augsburg, Beschluss vom 7. November 2005 – Au 4 S 05.1401 – BeckRS 2005, 39954, beck-online). Bauordnungsrechtliche Regelungen, nach denen die störende Häufung von Werbeanlagen unzulässig ist, werden als Konkretisierung des Verunstaltungsverbots angesehen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Februar 2003 – 10 A 3464/01 – juris Rn. 47; VG Augsburg, a.a.O.; Henke, in: Spannowsky/Saurenhaus, a.a.O. § 10 Rn. 18), dem – wie ausgeführt – allenfalls in besonderen Ausnahmefällen drittschützende Wirkung zukommen kann. Es dürfte zwar zutreffen, dass – wie der Kläger vorträgt – Werbetreibende ein Interesse daran haben, eine störende Häufung von Werbeanlagen zu vermeiden, da sich gehäufte Anlagen der Außenwerbung gegenseitig aufheben und Verwirrung stiften. Die Durchsetzung dieses Interesses dürfte jedoch nicht die Intention der gesetzlichen Regelung sein. Dies liefe darauf hinaus, Werbetreibende vor Konkurrenz zu schützen, was mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität auch des Bauordnungsrechts (vgl. hierzu HessVGH, Beschluss vom 17. November 2014 – 4 B 1270/14 – juris Rn. 31) nicht in Einklang stünde.
Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass bereits keine Häufung von Werbeanlagen i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 3 BauO LSA vorliegt. Eine Häufung im Sinne dieser Vorschrift setzt ein räumlich dichtes Nebeneinander einer Mehrzahl gleicher oder verschiedener Anlagen der Außenwerbung voraus. Dabei müssen mehrere, mindestens aber drei Werbeanlagen in eine enge räumliche Beziehung gebracht werden. Erforderlich ist, dass diese Werbeanlagen gleichzeitig im Gesichtsfeld des Betrachters liegen und ihre optische Wirkung gleichzeitig gemeinsam ausüben. Die Werbeanlagen müssen ohne Weiteres mit einem Blick erfasst werden können (vgl. OVG NRW, Urteil vom 28. Mai 2018 – 10 A 1789/16 – juris Rn. 33 für die entsprechende Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 4 BauO NRW).
Für eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine solche Häufung ein Nebeneinander von mindestens drei Werbeanlagen voraussetzt (so auch BayVGH, Beschluss vom 9. September 2020 – 9 ZB 17.1406 – juris Rn. 6; NdsOVG, Beschluss vom 29. September 2015 – 1 LB 51/15 – juris Rn. 15; HessVGH, Urteil vom 21. September 2005 – 2 UE 2140/02 – juris Rn. 27), gibt der vorliegende Fall keinen Anlass. Es ist nicht ersichtlich, warum die Dominanz der LED-Werbeanlage und die Unterschiede der Anlagen hinsichtlich Gestaltung und Alter beim Betrachter den Eindruck erwecken sollten, es handele sich um eine Vielzahl von Werbeanlagen. Bei der Wahrnehmung der Unterschiedlichkeit – große, moderne Anlage einerseits und kleine, ältere Anlage andererseits- dürfte eher die Vorstellung im Vordergrund stehen, dass gerade zwei Anlagen zueinander in Kontrast stehen.
(5) Auf einen Verstoß gegen das Gebot der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs kann sich der Kläger nicht berufen, weil dieses Gebot – wie bereits ausgeführt – nicht drittschützend ist. Auf die Frage, ob von der Prismenwendeanlage eine Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ausgeht, kommt es daher nicht an.
(6) Auch das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 22. Februar 2021, die angefochtene Baugenehmigung sei formell rechtswidrig, weil der Bauantrag aufgrund der eingetretenen Genehmigungsfiktion verbraucht sei und die Baugenehmigung daher trotz der Rücknahme der fiktiven Baugenehmigung ins Leere gehe, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Dieses Vorbringen kann wegen der Versäumung der Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht mehr berücksichtigt werden.
Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Darlegungsfrist nur noch insoweit ergänzt werden, als der konkret zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits dargelegt ist. Eine Ergänzung von Zulassungsgründen liegt dann nicht vor, wenn ein neuer, bislang noch nicht dargelegter Zulassungsgrund nach Ablauf der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebracht wird oder innerhalb eines Zulassungsgrunds neue, selbständige Gründe angeführt werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 – 1 ZB 15.1897 – juris Rn. 5; NdsOVG, Beschluss vom 23. August 2021 – 9 LA 143/20 – Rn. 20; VGH BW, Beschluss vom 12. Januar 2021 – 12 S 2457/19 – juris Rn. 15). Bei den vom Kläger im Schriftsatz vom 22. Februar 2021 – deutlich nach dem Ablauf der bis zum 23. November 2020 laufenden Begründungsfrist – vorgetragenen Einwänden zur formellen Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung handelt es sich nicht um eine bloße Ergänzung von Zulassungsgründen. Die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung (im Hinblick auf einen vorherigen Einritt der Genehmigungsfiktion) war nicht Gegenstand der fristgemäß eingegangenen Zulassungsbegründung.
b) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Dieser Zulassungsgrund verlangt, dass eine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss für eine Vielzahl, jedenfalls Mehrzahl von Verfahren bedeutsam sein; jedoch reicht allein der Umstand nicht aus, dass der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse sein könnte oder sich vergleichbare Fragen in einer unbestimmten Vielzahl ähnlicher Verfahren stellen. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass der Rechtsmittelführer konkret auf die Rechts- oder Tatsachenfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit sowie ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. An der Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage fehlt es, wenn das Verwaltungsgericht sie sich so nicht gestellt und deshalb auch nicht beantwortet hat. Eine Rechtsfrage, auf die die Vorinstanz nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung führen
(Beschluss des Senats vom 27. Oktober 2020 – 2 L 8/20 – juris Rn. 22).
Gemessen daran hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt.
(1) Der Kläger will folgende Frage geklärt wissen:
„Handelt es sich bei eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieben um Individualinteressen, die für den Gesetzgeber auch im Baurecht als schützenswerte Rechtsposition anerkannt werden?“
Diese Frage ist nicht klärungsfähig, weil sie nicht entscheidungserheblich war. Das Verwaltungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass das Interesse von Gewerbetreibenden, Beeinträchtigungen ihres eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs abzuwehren, im Baurecht generell nicht schützenswert ist. Vielmehr hat das Gericht in Bezug auf das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot ausführt, dass nur auf solche Individualinteressen Rücksicht zu nehmen sei, die wehrfähig seien, weil sie nach der gesetzgeberischen Wertung, die im materiellen Recht ihren Niederschlag gefunden hätten, schützenswert seien. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass sich das Baurecht gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral verhalte. Der einzelne Gewerbetreibende habe keinen Anspruch darauf, dass sich eine Wettbewerbssituation nicht verschlechtere. Sein dahingehendes Interesse sei nicht schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz rechnen müsse. Das Verwaltungsgericht hat also lediglich das Interesse von Gewerbetreibenden, eine Verschlechterung der Wettbewerbssituation durch Konkurrenz abzuwehren, als baurechtlich nicht schutzwürdig angesehen.
(2) Weiter hält der Kläger folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:
„Handelt es sich bei der Genehmigung einer Werbeanlage, die unmittelbar in den Wirkungskreis einer bereits zuvor legal errichteten Werbeanlage eingreift, indem sie diese überdeckt, um einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme?“
Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten, weil sich ihre Beantwortung nach den Besonderheiten des Einzelfalls richtet. Wie bereits ausgeführt, hängt es von jeweiligen Umständen ab, welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet. Dabei kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Wie ebenfalls ausgeführt, kann ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot auch bei Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit und Wirksamkeit einer bestehenden baulichen Anlage durch die Errichtung einer neuen Anlage in Betracht kommen, so dass die Genehmigung einer Werbeanlage, durch die eine andere Werbeanlage überdeckt wird, durchaus – je nach konkreter Situation – einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründen kann. In diesem Zusammenhang wird etwa von Bedeutung sein, ob die bestehende Werbeanlage bei der Wahrnehmung aus mehreren bzw. bedeutenden Blickrichtungen überdeckt wird oder die Überdeckung nur einzelne Sichtachsen betrifft und ob die Überdeckung nur einen geringen oder großen Teil der bestehenden Werbeanlage ausmacht. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen.
Sollte der Kläger mit seiner Fragestellung geklärt haben wollen, ob jegliche Überdeckung einer bestehenden Werbeanlage durch eine neue Anlage einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot begründet, selbst wenn die Überdeckung nur einzelne Blickrichtungen und nur geringe Teile der bestehenden Anlage betrifft, bedarf die Klärung dieser Frage keiner Durchführung eines Berufungsverfahrens. In der Rechtsprechung ist – wie ausgeführt – geklärt, dass es zur Feststellung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot einer Interessenabwägung bedarf, die am Kriterium der (Un-)Zumutbarkeit auszurichten ist. Vor diesem Hintergrund ist nicht jede Beeinträchtigung des Eigentums durch eine benachbarte bauliche Nutzung rücksichtslos. Das gilt auch für eine Beeinträchtigung der Wirkung einer Werbeanlage durch teilweise Überdeckung.
(3) Die weitere Frage
„Verhält sich das Baurecht gegenüber Wettbewerbsinteressen tatsächlich neutral“?
ist nicht grundsätzlich bedeutsam i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, weil sie in der Rechtsprechung bereits geklärt ist. Wie bereits unter Hinweis auf entsprechende höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, verhält sich das Bauplanungsrecht gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral. Der einzelne Gewerbetreibende hat weder einen Anspruch darauf, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird, noch ist sein dahin gehendes Interesse schutzwürdig, weil er mit neuer Konkurrenz ständig rechnen muss.
(4) Die Frage:
„Spielen Wettbewerbsinteressen bei der Bewertung des Rücksichtnahmegebots eine Rolle“?
ist in dieser Allgemeinheit nicht klärungsfähig und hat sich für das Verwaltungsgericht auch nicht entscheidungsbedürftig gestellt. Das Verwaltungsgericht hat – wie oben ausgeführt – im Zusammenhang mit der Prüfung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot die Auffassung vertreten, dass sich das Bauplanungsrecht gegenüber Wettbewerbsinteressen neutral verhalte und der einzelne Gewerbetreibende keinen Anspruch darauf habe, dass eine vorhandene Wettbewerbssituation nicht verschlechtert wird. Das Verwaltungsgericht hat nicht ausgeschlossen, dass – weitergehend – Wettbewerbsinteressen überhaupt „eine Rolle“ bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot spielen können. Der Kläger zeigt auch nicht auf, welche konkrete Rolle Wettbewerbsinteressen bei der Bewertung des Rücksichtnahmegebots spielen sollten und warum die Bewertung eines Verstoßes des Vorhabens gegen das Rücksichtnahmegebot unter Einbeziehung dieser Rolle anders ausgefallen wäre.
(5) Die Frage
„Welche Bedeutung kommt den Interessen der Gewerbetreibenden im Hinblick auf den Konkurrentenschutz als Ausdruck des Gebots der Rücksichtnahme zu“?
bedarf keiner Klärung, weil der Kläger die Frage davon abhängig macht, dass die erste Frage mit ja beantwortet wird.
(6) Die Frage
„Wie wird dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bei baurechtlichen Entscheidungen Rechnung getragen“?
ist in dieser Allgemeinheit nicht klärungsfähig und auch nicht entscheidungsbedürftig, weil es im vorliegenden Fall nur um die Entscheidung über die Erteilung einer Baugenehmigung ging und nur einzelne Rechtsnormen anzuwenden waren. Sollte der Kläger seine Frage so verstehen, dass sie sich speziell auf die Beurteilung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot bei der Entscheidung über die Erteilung einer Baugenehmigung bezieht, ist die Frage einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich, weil sich die Beurteilung nach den jeweiligen Gegebenheiten des Einzelfalls richtet. Wie ausgeführt, ist zur Feststellung eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot eine Interessenabwägung erforderlich, die am Kriterium der (Un-)Zumutbarkeit auszurichten ist. Ob und inwieweit dabei das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von Bedeutung ist, hängt von den konkreten individuellen Umständen ab.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und daher auch kein Kostenrisiko übernommen hat.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt der erstinstanzlichen Entscheidung.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).


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