Baurecht

Nicht versichertes Risiko bei Eintritt von Wasser durch die Dachterrasse in das Gebäude

Aktenzeichen  25 U 4486/15

Datum:
4.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 124984
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung (BFIMO) § 2 Nr. 1, § 4 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Definieren die Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung (BFIMO) den Versicherungsfall “Leitungswasser” als bestimmungswidrigen Austritt von Wasser aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung sowie aus sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen, liegt kein versichertes Ereignis vor, wenn Wasser von einer Dachterrasse aufgrund einer Verstopfung gar nicht erst in die sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen eintreten kann (Abgrenzung zu OLG Koblenz BeckRS 2011, 16401). (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist es als Rückstauschaden versichert, wenn Wasser infolge von Witterungsniederschlägen aus Rohren der öffentlichen und/oder privaten Abwasserkanalisation oder den damit verbundenen Einrichtungen in das versicherte Gebäude hinein rückgestaut wird, liegt ein versicherter Rückstauschaden nicht vor, wenn sich durch starke Regenfälle auf einer Dachterrasse ansammelndes Wasser wegen eines verstopften Wasserkessels nicht mehr in ein Abflussrohr einfließen und über dieses und das weitere System abfließen kann (Abgrenzung zu OLG Koblenz BeckRS 2011, 16401). (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vgl. auch den vorangehenden Hinweisbeschluss OLG München BeckRS 2016, 124983. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

25 U 4486/15 2016-02-26 Endurteil OLGMUENCHEN LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2015, Aktenzeichen 25 O 8999/14, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.001,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten aus einer Immobilienversicherung die Erstattung von Kosten für einen Wasserschaden vom 01.06.2013 an seinem Anwesen in München.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2015 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da das Schadensereignis nicht unter die nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen BFIMO abgedeckten Risiken der vereinbarten Leitungswasser- bzw. Elementarversicherung falle und auch kein Versicherungsfall nach dem Nachtrag Öko-Paket-Auf-Erstes-Risiko vorliege. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung (Berufungsbegründung vom 18.02.2016, Bl. 96/102 d.A., sowie Gegenerklärung vom 21.03.2016, Bl. 110/114 d.A.) gegen diese Entscheidung und beantragt im Berufungsverfahren:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 06.11.2015, Aktenzeichen: 25 O 8999/14, wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 20.001,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2013 zu bezahlen.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen und beantragt, Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 26.02.2016 (Bl. 104/108 d.A.) auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2015, Aktenzeichen 25 O 8999/14, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Es bleibt (entgegen Ziffern 3. und 4. der Gegenerklärung) dabei, dass kein witterungsbedingter Rückstau gemäß § 4 Nr. 3 BFIMO vorliegt.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen. Der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 25. Juli 2012 -IV ZR 201/10, VersR 2012,1149, Rn. 21 m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Definition von § 4 Nr. 3 BFIMO eindeutig und umfasst den vorliegenden Schadensablauf nicht. Danach ist – wie im vorangegangenen Hinweis dargelegt – ein Rückstau nur aus Rohren der Abwasserkanalisation oder den damit verbundenen Einrichtungen sowie nur in das versicherte Gebäude hinein als Risiko versichert. Dass Niederschlagswasser wie hier nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts wegen eines verstopften Dachabflussrohres nicht mehr von einer Dachterrasse abfließen kann, sondern sich dort zunächst ansammelt, dann unter die Abdichtung der Dachterrasse läuft und anschließend von dort aus durch die Geschossdecke in das Rückgebäude und in die darunter liegenden Geschoße eindringt, fällt nach allgemeinem sprachlichen Verständnis nicht unter diese Definition. Dass die Dachterrasse Bestandteil des Gebäudes im Sinne des § 94 BGB ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Sie liegt jedenfalls nicht innen im Gebäude, so dass ein Rückstau von Niederschlagswasser auf sie hinauf jedenfalls noch kein Eindringen des Wassers in das versicherte Gebäude hinein darstellt – dazu musste das Wasser erst die Dachabdichtung und (zumindest teilweise) die Geschoßdecke durchdringen.
Die Definition des witterungsbedingten Rückstaus beinhaltet – für den durchschnittlichen, verständigen Versicherungsnehmer erkennbar – nach Wortlaut, Sinn und Zweck nur eine Risikoabdeckung gegenüber unmittelbaren Rückstauschäden aus Rohren und damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude hinein. Dies sind vor allem Fälle (wie auch in der Gegenerklärung unter Ziffer 4. angesprochen), in denen bei Starkregenfällen Wasser aus der Abwasserkanalisation wieder in die Häuser gedrückt wird – z.B. über Kontrollschächte oder sonstige Abflüsse im Keller, von denen aus die Ableitung der Abwässer in den Kanal stattfindet. Die Klausel beinhaltet aber erkennbar und zulässig keinen darüber hinausgehenden umfassenden Schutz für jegliches mittelbar durch Überlastung oder Verstopfung der Kanalisation oder damit verbundener Einrichtungen (mit-)verursachte Eindringen von Wasser in ein versichertes Gebäude. Hier ist dann je ggf. zu prüfen, ob derartige Schadensereignisse unter andere versicherte Alternativen (z.B. § 4 Nr. 2 BFIMO, vorliegend nicht einschlägig) fallen.
2. Soweit sich die Gegenerklärung (unter Ziffern 5. und 6.) auf die Vermischung von Niederschlags- und Überschwemmungswasser beruft und sich gegen die Annahme des Senats im vorangegangenen Hinweis wendet, dass das Regenwasser „gar nicht erst in das Abflussrohr einfließen konnte“, betrifft das die Ausführungen des Senats zum Leitungswasserschaden gemäß § 2 Nr. 1 BFIMO und ändert die dortige Beurteilung nicht.
Nach der Definition des § 2 Nr. 1 BFIMO ist Voraussetzung für den Versicherungsfall, dass das Wasser aus sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen bestimmunqs-widriq austritt. Das ist ersichtlich etwas anderes, als dass Wasser – wie beim streitgegenständlichen Schadensablauf – aufgrund einer Verstopfung gar nicht erst in die sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen eintreten kann. Es geht primär um den Begriff des „Austritts“, nicht der „Bestimmungswidrigkeit“; entgegen der Behauptung der Gegenerklärung hat der Senat im vorangegangenen Hinweis auch nicht gesagt oder zum Ausdruck gebracht, dass ein „bestimmungswidriger“ Austritt nur einer aufgrund eines Schadens am Rohr sein könnte.
Der Senat steht hier auch in keinem Widerspruch zum Urteil des OLG Koblenz vom 28.01.2011, VersR 2011, 1260. Auch das OLG Koblenz hat auf den Austritt des Wassers aus dem Rohr abgestellt. Es ging im Tatsächlichen davon aus (vgl. Rn. 25 bei juris), „dass bei den sintflutartigen Regenfällen das auf dem Dach auftreffende Wasser dort eine Pfütze bildete, dass es nur teilweise in den Einlauf des Regenfallrohres gelangte und dass es einerseits aufgrund eines Rückstaus im Regenfallrohr, andererseits aber auch am Einlauf außen vorbei durch den undichten Dacheinlauf in die Folienfläche und infolgedessen auch in die Innenwände des Hauses eingedrungen ist. Es lässt sich nicht feststellen, in welchem Ausmaß das Niederschlagswasser durch das Regenfallrohr und in welchem an dem Einlauf vorbei in das Dach eingedrungen ist.“ Das OLG Koblenz sah das der Dachentwässerung dienende Regenfallrohr nebst Einlauf als „mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtung“ im Sinne der dortigen Versicherungsbedingungen an (Rn. 28 bei juris) und hat bei der rechtlichen Beurteilung weiter wie folgt formuliert (Rn. 29, 30 bei juris): „Der Versicherungsfall ist eingetreten, sobald auch nur ein Teil des auf der Dachfläche niedergegangenen Wassers in das Regenfallrohr gelangt und von dort aus (Hervorhebung durch den Senat) in das Dach und die Wände eindringt… Es müsste also, um das Vorliegen eines Versicherungsfalls ab zulehnen, festgestellt werden, dass das Wasser ausschließlich an dem Einlaufstutzen außen vorbei in die Dachabdichtung und in die Innenwände eingedrungen ist. Eine derartige Feststellung ist jedoch nicht mehr möglich. … Soweit es als möglich oder gar wahrscheinlich erscheint, dass Wasser sowohl zwischen Einlaufstutzen und Abfallrohrals auch neben dem Einlaufstutzen eingedrungen ist, steht dies der Annahme des Versicherungsfalls nicht entgegen.
Neben bezüglich des Rückstaus anders gefasster Versicherungsbedingungen (dort abbedungener Ausschlusstatbestand) unterscheidet sich die Fallgestaltung des OLG Koblenz also im Schadensablauf maßgeblich von den hiesigen Feststellungen. Nach den unbeanstandeten Feststellungen des Landgerichts im hier angefochtenen Urteil funktionierte vorliegend der normal vorgesehene Wasserablauf von der Dachterrasse zunächst durch ein Abflussrohr durch die Außenmauer nach außen deshalb nicht, weil der Abfluss des daran angeschlossenen außenliegenden Wasserkessels verstopft war, aufgrunddessen die großen Wassermengen nicht zügig durch den Wasserkessel hin zum eigentlichen Fallrohr fließen konnten, es vom Wasserkessel aus zu einem Rückstau des Wassers nach oben auf die Dachterrasse gekommen war und sich infolgedessen die Dachterrasse mit Wasser gefüllt hatte, weil das Wasser nicht richtig abfließen konnte. Ein zumindest teilweiser Eintritt des Regenwassers in das Abflussrohr und ein Eindringen von dort aus unter die Abdichtung der Dachterrasse und in das Gebäude hinein wurde vom Landgericht – anders als im Fall des OLG Koblenz – gerade nicht festgestellt.
Vorsorglich wird angemerkt, dass bezüglich des Rückstaus gemäß § 4 Nr. 3 BFIMO diese Frage letztlich nicht entscheidungserheblich ist, da es jedenfalls – vgl. oben – an dem nach der hiesigen Definition (anders die Versicherungsbedingungen im Fall des OLG Koblenz) erforderlichen Rückstau in das Gebäude hinein fehlt.
Dass die Regenmassen am Schadenstag außergewöhnlich und extrem umfangreich waren, ist in den Feststellungen des Landgerichtsurteils enthalten (“sintflutartige Regenfälle”) und hat der Senat seinen Überlegungen zugrunde gelegt. Wie im Hinweis ausgeführt, bietet die Beklagte aber auch bei einer „Elementarversicherung“ nur Versicherungsschutz für bestimmte, in den Bedingungen näher definierte Fälle bzw. Fallgruppen, keinen allgemeinen Rundumschutz gegen Wasserschäden bei Starkregen. Die Rüge unter Ziffer 8. der Gegenerklärung führt daher auch zu keiner anderen Bewertung.
3. Die Einwendungen der Gegenerklärung gegen die Auslegung der einschlägigen Versicherungsbedingungen durch den Senat (unter Ziffer 7.) verkennen, dass für das Verständnis der maßgeblichen Begriffe (Wasser, das „austritt“; Rückstau „in das Gebäude hinein“) keine versicherungsrechtlichen Spezialkenntnisse erforderlich sind, sondern sich deren Sinn unschwer aus dem normalen Sprachgebrauch erschließt.
4. Der Senat bleibt auch bei seiner Auffassung, dass es sich nach den Feststellungen des Landgerichts auf Grundlage der Aussage des Zeugen Z. bei dem durch die Außenmauer verlaufende Abflussrohr zum Wasserkessel hin nicht um ein innerhalb des Gebäudes verlegtes Rohr gemäß dem Öko-Paket-Auf-Erstes-Risiko handelt. Die Behauptung der Gegenerklärung (unter Ziffer 9.), dass das Abflussrohr „von unterhalb der Dachterrasse innerhalb des Gebäudes durch die Brüstung in die Außenmauer des Gebäudes und von dort in das Mauerwerk des darunterliegenden Stockwerks in den Mauerkessel führe“, entspricht nicht den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts. Zudem würde dies nichts daran ändern, dass – vgl. Hinweis – das sich auf der Dachterrasse sammelnde und dann in das Gebäude eindringende Wasser kein aus diesem Abflussrohr ausgetretenes Wasser war.
5. Entgegen der Auffassung der Gegenerklärung (unter Ziffern 1. und 2.) handelt es sich vorliegend um keine Rechtssache, die die Zulassung der Revision rechtfertigt. Es geht vielmehr um eine typische Einzelfallentscheidung, bei der die konkreten Fallumstände nach den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts eine maßgebliche Rolle spielen. Für eine allgemeine Klärung des Umfangs von Elementarversicherungen ist die hiesige Fallgestaltung nicht geeignet. Es liegt auch kein Divergenzfall zur Entscheidung des OLG Koblenz vom 28.01.2011 vor, da sich die Fallgestaltungen, wie oben ausgeführt, in verschiedener Hinsicht maßgeblich unterscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG bestimmt.


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