Baurecht

Normenkontrollantrag einer Nachbargemeinde, Verkündung einer DIN-Norm, Kommunales Abstimmungsgebot, Faktischer zentraler Versorgungsbereich, Ermittlungs- und Bewertungsdefizit, Wasserrechtliches Planungsverbot im festgesetzten Überschwemmungsgebiet

Aktenzeichen  9 N 17.2305

Datum:
31.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4480
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 2 Abs. 2 S. 2 Alt. 2, Abs. 3
WHG a.F. § 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Bisher nicht überplante Flächen, die bauplanungsrechtlich dem Außen- und nicht dem Innenbereich zuzuordnen sind, unterfallen dem Verbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG (in der bis 4.1.2018 gültigen Fassung), selbst wenn sich auf ihnen noch bestandsgeschützte Bebauung befindet.

Tenor

I. Der am 25. November 2016 bekanntgemachte Bebauungsplan „Sondergebiet E2.-Auen“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
I. Der Antrag ist zulässig. Er wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und kann sich auf ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis berufen.
1. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – juris Rn. 6). Die Antragstellerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie durch den angefochtenen Bebauungsplan in ihrem Recht als Nachbargemeinde auf interkommunale Abstimmung im Sinne von § 2 Abs. 2 BauGB verletzt sein könnte.
Nach § 2 Abs. 2 BauGB, der eine gesetzliche Ausformung des verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsrechts und eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) darstellt, sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen der planenden Gemeinde und der von dieser Planung möglicherweise betroffenen Nachbargemeinde und fordert eine Koordination der gemeindlichen Belange; die planende Gemeinde unterliegt einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Verpflichtung zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung. Allerdings ergibt sich daraus nicht die Befugnis einer benachbarten Gemeinde, alle Bebauungspläne zum Gegenstand einer Normenkontrolle zu machen, allein weil sie einen räumlichen Bezug zum eigenen Gemeindegebiet haben. Nur gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung auf ihrem Gemeindegebiet kann sich eine benachbarte Gemeinde zur Wehr setzen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 18 f. m.w.N.; U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 20 m.w.N.).
a) Die Antragstellerin ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 BauGB antragsbefugt, wonach sich eine Gemeinde im Rahmen des kommunalen Abstimmungsgebots auch auf die ihr durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen berufen kann. Die Antragstellerin ist als „Kleinzentrum“ ausgewiesen, das bevorzugt entwickelt werden soll (Kapitel A III „Zentrale Orte und Siedlungsschwerpunkte“ Z 1.1 und Z 1.2 Regionalplan Main-Rhön). Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern vom 22. August 2013 ist ein nach altem Recht ausgewiesenes Kleinzentrum bis zur Anpassung der Regionalpläne (vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Ausnahme gem. Satz 2) einem Grundzentrum als Zentralem Ort im Sinne von Nr. 2.1, 2.1.1, 2.1.2 des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP 2013 = Anlage zu § 1 der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern) gleichgestellt. Da mithin der Antragstellerin nach dem Raumordnungsrecht eine zentralörtliche Funktion zugewiesen ist, kann vorliegend auch in Anbetracht dessen, dass die Antragsgegnerin als Unterzentrum, das bevorzugt entwickelt werden soll (A III Z 2.1 und 2.2 Regionalplan Main-Rhön), ausgewiesen ist, für das nach Z 3.2 Regionalplan Main-Rhön auf die Stärkung der Einzelhandelszentralität hingewirkt werden soll, nicht ausgeschlossen werden, dass bei Umsetzung des streitgegenständlichen Bebauungsplans bauliche Anlagen im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin entstehen, die auf Kosten der zentralörtlichen Funktion der Antragstellerin gegen raumordnungsrechtliche Ziele aus Nr. 5.3.2 und/oder Nr. 5.3.3 LEP 2013 verstoßen. Insofern erscheint es möglich, dass der streitgegenständliche Bebauungsplan die der Antragstellerin durch Ziele der Raumordnung zugewiesene Funktion als Grundzentrum beeinträchtigt (vgl. auch BayVGH, U.v. 28.2.2017 – 15 N 15.2042 – juris Rn. 35; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 2 Rn. 115 ff.; vgl. auch 2.1.3 LEP 2013). Dies hat sie auch ausdrücklich geltend gemacht.
b) Die Antragstellerin kann ihre Antragsbefugnis außerdem aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BauGB ableiten. Nach ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 8. November 2021 und der von ihr damit vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme der D.. … GmbH aus dem Juli 2018 zur Ansiedlung zweier Lebensmittel-SB-Betriebe auf dem Gebiet der Antragsgegnerin ist es möglich, dass sich die streitgegenständliche Festsetzung eines Sondergebiets auf einen faktischen zentralen Versorgungsbereich auf dem Gebiet der Antragstellerin städtebaulich relevant auswirkt, weil damit – je nach Planumsetzungsszenario (vgl. Tabelle 2 zur Stellungnahme, Bl. 139 GA) – Umsatzumverteilungen zwischen 9 und 26% sowie Risiken für den einzigen Lebensmittelvollsortimenter bzw. die Aufrechterhaltung der Nahversorgungsfunktion im fraglichen Bereich substantiiert dargelegt werden.
Zwar hat sich die Antragstellerin nach Aktenlage im Rahmen ihrer Einwendungen im Planaufstellungsverfahren nicht explizit auf die Existenz eines zentralen Versorgungsbereichs in ihrem Gemeindegebiet berufen. Dieser Aspekt war für die Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung über den Plan aber jedenfalls bereits als abwägungsbeachtlich erkennbar (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2019 – 4 BN 28.19 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 8.7.2021 – 15 N 20.1810 – juris Rn. 19). Zum einen hat die Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren sinngemäß die Beeinträchtigung eines zentralen Versorgungsbereichs in Gestalt eines Grund- und Nahversorgungszentrums geltend gemacht, indem sie auf die im Süden ihres Gemeindegebiets vorhandene Einzelhandelsansiedlung hingewiesen und kritisiert hat, die Planung der Antragsgegnerin wirke sich negativ auf das dortige Nahbereichsversorgungsangebot in städtebaulich integrierter Lage aus. Zum anderen war für die Antragsgegnerin die Frage, inwieweit ein faktischer zentraler Versorgungsbereich der Antragstellerin durch ihre Planung betroffen sein könnte, auch schon anderweitig im Planaufstellungsverfahren aufgeworfen. Eine Einwenderin (… GmbH) hatte dargelegt, das Gebiet „Lohwiese“ am südlichen Ortsrand der Antragstellerin stelle einen zentralen Versorgungsbereich dar, der durch die Planung aufgrund von Umsatzumverteilungen erheblich beeinträchtigt werde. Hierzu wurden von ihr im Aufstellungsverfahren eine von der Antragstellerin beauftragte städtebauliche Verträglichkeitsanalyse zur geplanten Einzelhandelsansiedlung der D. … GmbH von Januar 2014 und eine weitere, von ihr selbst beauftragte einzelhandelsbezogene Stellungnahme der D. … GmbH von April 2015 vorgelegt. Diese stellten die Einschätzung der von der Antragsgegnerin eingeholten Wirkungsanalyse der … mbH (…) vom August 2010, die zu prognostizierende Umsatzumverteilung von 9% sei städtebaulich nicht relevant, weil sie hauptsächlich Betriebe innerhalb einer peripher gelegenen, städtebaulich nicht integrierten Fachmarkt-Agglomeration auf dem Gebiet der Antragstellerin betreffe, in Frage. Die Antragsgegnerin sah sich dementsprechend veranlasst, die zusätzliche fachliche Stellungnahme der …  GmbH (…) vom 29. Mai 2015 zur Kommentierung der Darstellungen der D. … GmbH einzuholen.
2. Bei bestehender Antragsbefugnis ist regelmäßig das erforderliche Rechtsschutzinteresse für einen Normenkontrollantrag gegeben (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2020 – 4 CN 4.19 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dies ist auch hier der Fall. Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin ist noch nicht umgesetzt. Zudem hat die Antragstellerin die der Eigentümerin des Plangrundstücks nach § 33 BauGB erteilte Baugenehmigung vom 22. Juni 2016 angefochten. Über ihren auf das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 19. Juli 2018 (Az. W 5 K 16.931) gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung (Az. 9 ZB 18.2095) ist noch nicht entschieden. Insbesondere bei Klageerfolg kann sich die Unwirksamkeitserklärung des Bebauungsplans für die Antragstellerin positiv auswirken.
II. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan „Sondergebiet E2.-Auen“ ist ungültig und gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären. Er weist einen zu seiner Unwirksamkeit führenden Verkündungsmangel auf (Nr. 1). Daneben führt ein Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) zu seiner Unwirksamkeit (Nr. 2) und außerdem steht das Planungsverbot aus § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG in der hier maßgeblichen, bis 4. Januar 2018 gültigen Fassung seiner Wirksamkeit entgegen (Nr. 3). Ob der Bebauungsplan im Hinblick auf die Vielzahl der weiteren Einwendungen der Antragstellerin oder darüber hinaus noch an Fehlern leidet, bedarf angesichts dessen keiner weiteren Erörterung.
1. Der Bebauungsplan leidet an einem zu seiner Unwirksamkeit führenden formellen Fehler, weil in den textlichen Festsetzungen unter III.2 („Maßnahmen zum Schallschutz“), auf ein technisches Regelwerk (hier: DIN 18005) Bezug genommen wird, ohne darauf hinzuweisen, wo es eingesehen werden kann. Damit verstößt der Bebauungsplan gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm (vgl. § 10 Abs. 3 BauGB).
Eine in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommene nicht öffentlich zugängliche technische Vorschrift, nach der sich richtet, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, genügt den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen nur dann, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der jeweiligen Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt die Gemeinde, wenn sie das in Bezug genommene Regelwerk bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist. Ebenso genügt ein entsprechender Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung, weil dieser in gleicher Weise wie der Hinweis in der Bebauungsplanurkunde geeignet ist, die Planbetroffenen über die Möglichkeit und den Ort der Einsicht in die technische Vorschrift zu informieren (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – juris Rn. 38 m.w.N.; BayVGH, U.v. 28.11.2019 – 2 N 17.2338 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Diesen Anforderungen entspricht der streitgegenständliche Bebauungsplan nicht. Er enthält unter III.2 die textliche Festsetzung, dass im Plangebiet liegende schutzbedürftige Nutzungen die nachfolgend genannten Orientierungswerte nach DIN 18005 zu beachten haben (vgl. zu dieser DIN-Norm: BayVGH, U.v. 3.3.2021 – 15 B 20.2075 – juris Rn. 45; U.v. 12.8.2019 – 9 N 17.1046 – juris Rn. 40; VG Würzburg, U.v. 14.1.2021 – W 5 K 19.361 – jurs Rn. 40). Entgegen den oben dargestellten Grundsätzen fehlt es an einem Hinweis in der Bebauungsplanurkunde bzw. der Bekanntmachung, dass die DIN-Vorschrift als Berechnungsgrundlage für die festgesetzten Schalleistungspegel bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereitgehalten wird.
2. Der Bebauungsplan weist zudem mit Blick auf das interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) ein gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 BauGB erhebliches, zu seiner Gesamtunwirksamkeit führendes Ermittlungs- und Bewertungsdefizit gemäß § 2 Abs. 3 BauGB auf, weil im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan Auswirkungen auf einen zentralen Versorgungsbereich der Antragstellerin nicht hinreichend ermittelt und bewertet worden sind (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BauGB).
a) Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot, um die Verfahrensanforderung (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – juris Rn. 6), dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten mit der erforderlichen Tiefe (zutreffend) zu ermitteln und in ihrer Gewichtung zu bewerten sind (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 36). Zu ermitteln und zu bewerten und sodann gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Hierfür maßgeblich ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (BayVGH, U.v. 30.7.2021 – 9 N 18.1995 – juris Rn. 23).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BauGB können sich Gemeinden im Rahmen des interkommunalen Abstimmungsgebots als besonderer Ausprägung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) insbesondere auch auf „Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche“ berufen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 2 Rn. 131). Die planende Gemeinde kann im Wege der Abwägung zwar grundsätzlich auch Beeinträchtigungen zentraler Versorgungsbereiche der Nachbargemeinde überwinden, wenn sie noch gewichtigere Belange geltend machen kann (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2017 – 15 N 15.2042 – juris Rn. 61; U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 – juris Rn. 52). Voraussetzung einer rechtmäßigen Bauleitplanung ist dann aber, dass der Umfang einer möglichen Betroffenheit benachbarter zentraler Versorgungsbereiche als Voraussetzung einer sachgerechten Abwägung zunächst sorgfältig ermittelt und bewertet wurde (§ 2 Abs. 3 BauGB; vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2018 a.a.O.; Uechtritz in Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand August 2021, § 2 Rn. 33; Wolfgang Schrödter/Jens Wahlhäuser in Schrödter, BauGB, 9. Auflage 2019, § 2 Rn. 59).
aa) Die Antragsgegnerin hat verkannt, dass es sich bei der von der Antragstellerin angeführten Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben an ihrem südlichen Ortsrand um einen zentralen Versorgungsbereich im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BauGB handelt.
Zentrale Versorgungsbereiche können sich sowohl aus planerischen Festsetzungen als auch aus nachvollziehbar eindeutigen tatsächlichen Verhältnissen ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 – juris Rn. 13; B.v. 12.7.2012 – 4 B 13.12 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 – juris Rn. 51; OVG RhPf, U.v. 20.1.2011 – 1 C 11082/09 – juris Rn. 68; BT-Drs. 15/2250 S. 54; Wolfgang Schrödter/Jens Wahlhäuser in Schrödter, BauGB, § 2 Rn. 84). Zentrale Versorgungsbereiche sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund von Einzelhandelsnutzungen – häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote – eine besondere Versorgungsfunktion zukommt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 – BVerwGE 129, 307 = juris Rn. 11; vgl. auch U.v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 – juris Rn. 8). Erfasst werden Versorgungsbereiche unterschiedlicher Stufen. Dies können Innenstadtzentren vor allem in Städten mit größerem Einzugsbereich, Nebenzentren in Stadtteilen sowie Grund- und Nahversorgungszentren in Stadt- und Ortsteilen und nichtstädtischen Gemeinden sein (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 – juris Rn. 50 m.w.N.). Auch ein Bereich, der auf die Grund- und Nahversorgung eines bestimmten örtlich begrenzten Einzugsbereichs zugeschnitten ist, kann eine zentrale Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus wahrnehmen. Der Zweck des Versorgungsbereichs besteht in diesem Fall in der Sicherstellung einer wohnortnahen Grundversorgung der im Einzugsbereich lebenden Bevölkerung. Ein zentraler Versorgungsbereich muss jedoch einen gewissen, über seine eigenen Grenzen hinausreichenden räumlichen Einzugsbereich mit städtebaulichem Gewicht haben und damit über den unmittelbaren Nahbereich hinauswirken. Ob dies der Fall ist, hängt von Struktur und Größe der Gemeinde ab, wobei allerdings eine integrierte Lage Voraussetzung ist. Isolierte Standorte mit einzelnen Einzelhandelsbetrieben bilden keinen zentralen Versorgungsbereich, auch wenn sie über einen weiten Einzugsbereich verfügen und eine beachtliche Versorgungsfunktion erfüllen mögen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 – juris Rn. 9; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 2 Rn. 132).
Daran gemessen, handelt es sich bei der Agglomeration von Einzelhandelsbetrieben am südlichen Ortsrand der Antragstellerin um einen zentralen Versorgungsbereich. Beidseits der Bundesstraße B 26 („An der Lohwiese“) sind auf Höhe des Kreisels im Gebiet „Lohwiese“ und auf den Gewerbe- und Sondergebietsflächen „Straßenäcker“ ein Lebensmittelvollsortimenter, drei Discounter, zwei Getränkemärkte und weitere, zum Teil großflächige Einzelhandelsbetriebe, wie etwa ein Textildiscounter und ein Baumarkt, angesiedelt. Der nach den sich in den Akten befindlichen Plänen und Luftbildern anhand der vorhandenen Einzelhandelsstrukturen im Lebensmittelvollsortiment- bzw. Discountbereich im Westen (. …, ….), zur Wohnbebauung nach Norden bzw. Nordosten, zur Bahnlinie im Süden und zur Bundesstraße B 26 im Osten räumlich abgrenzbare Bereich beherbergt unabhängig von bestehenden Gebietsausweisungen in großem Umfang insbesondere nahversorgungsrelevante Einzelhandelsnutzungen. Ausweislich der Verträglichkeitsanalyse der D.. … GmbH von Januar 2014 entfallen von einer Gesamtverkaufsfläche von rund 6.300 m² 69% bzw. 4340 m² auf die Sortimente Lebensmittel und Getränke. Dies deckt sich in etwa mit Feststellungen in der von der Antragsgegnerin beauftragten Wirkungsanalyse der … vom August 2010, die im weiteren Einzugsgebiet des Planareals von einer Verkaufsfläche von 5.100 m² im Nahrungs- und Genussmittelsektor bzw. 4.960 m² im Lebensmittelbereich ausgeht und den weit überwiegenden Teil dabei der Antragstellerin zuordnet. Die Zahlen der Verträglichkeitsanalyse der D.. … GmbH werden auch im Rahmen der Stellungnahme der … nicht in Zweifel gezogen, sondern zugrunde gelegt. Der somit bestehende Nahversorgungsschwerpunkt der Antragstellerin ist zudem als „zentral“ im maßgeblichen funktionalen Sinn anzusehen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2009 – 4 C 1.08 – juris Rn. 29; U.v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 – juris Rn. 7). Nach der überwiegenden Art der Nutzung der betreffenden Gewerbeflächen hat er die Funktion eines Zentrums der Nah- und Grundversorgung mit Waren des kurzfristigen und mittelfristigen Bedarfs für die Antragstellerin sowie ihre Verwaltungsgemeinschaft mit den zugehörigen Ortschaften Kirchlauter, Breitbrunn und Stettfeld. Dagegen kann nach sämtlichen vorliegenden fachlichen Stellungnahmen weder dem Ortszentrum mit einigen Metzgereien und Bäckereien sowie Geschäften aus dem sogen. Non-Food-Bereich noch anderen Bereichen im Gemeinde- oder Verwaltungsgemeinschaftsgebiet der Antragstellerin eine vergleichbare Rolle beigemessen werden. Der einzige vorhandene Supermarkt bzw. großflächige Lebensmittelvollsortimenter im Gebiet „Lohwiese“ ist dementsprechend als „Magnetbetrieb“ und mit den ihn umgebenden Discountern als „Frequenzbringer“ anzusehen, wodurch der Bestand der weiteren nicht nahversorgungsrelevanten Einzelhandelsgewerbe (z.B. Textildiscount, Baumarkt) sowie vorhandener Dienstleistungsbetriebe (z.B. Frisör, Sportstudio/Solarium) gesichert bzw. zumindest erheblich gefördert wird.
Im Hinblick auf die für einen zentralen Versorgungsbereich zu fordernde städtebaulich integrierte Lage kann zudem nicht der Einschätzung der … in ihrer Wirkungsanalyse vom August 2010 gefolgt werden, wonach es sich hier stattdessen um eine peripher gelegene, nicht integrierte Fachmarkt-Agglomeration handele. Der betrachtete Ansiedlungsschwerpunkt auf dem Gebiet der Antragstellerin lässt sowohl nach den in den Akten befindlichen Plänen und Luftbildern (s. z.B. Bl. 79 GA, Bl. 173 der Verfahrensakte „E2.-Auen“, Teil 1) als auch nach den hiermit im Einklang stehenden Darstellungen in den Stellungnahmen der D.. … GmbH auf einen in Anbetracht der Lage im ländlichen Raum erheblichen fußläufigen Einzugsbereich schließen. Nach der Stellungnahme von 2015 sei innerhalb eines 700 m-Radius von dort ansässigen 1.600 bis 2.000 Einwohnern der Antragstellerin auszugehen; ausweislich der Einschätzung von 2014 wird eine Gesamteinwohnerzahl von 3.905 zugrunde gelegt. Die Antragsgegnerin stellt diese Zahlen nicht in Abrede. Selbst wenn der relevante Radius zur Berechnung des fußläufigen Einzugsbereichs ggf. etwas enger zu ziehen wäre (vgl. etwa den Leitfaden zum Umgang mit § 11 Abs. 3 BauNVO in Bezug auf Betriebe des Lebensmitteleinzelhandels der Fachkommission Städtebau vom 28.9.2017, S. 10, der eine zumutbare Gehzeit von 10 bis 15 Minuten bzw. eine fußläufige Entfernung von 700 bis 1.000 m zugrunde legt), ist hier jedenfalls eine städtebaulich integrierte Lage zu attestieren. Der Standort grenzt unmittelbar an einen Siedlungszusammenhang mit wesentlichen Wohnanteilen des Hauptortes der Antragstellerin an. Ausgehend vom nahe gelegenen Bahnhof mit Busanschluss besteht auch eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, woraus insgesamt eine gute Erreichbarkeit für nicht motorisierte Kunden resultiert (vgl. Abs. 2 der Begründung zu Nr. 5.3.2 LEP 2013 zum Begriff „städtebaulich integrierte Lage“).
Die integrierte Lage und Nahversorgungsfunktion der Ansiedlung blendet auch die von der Antragsgegnerin eingeholte Stellungnahme der … vom 29. Mai 2015 fälschlich aus, die der fachlichen Kommentierung der Untersuchungen der D.. … GmbH diente und bereits unzutreffend von der fehlenden „gesetzlichen Schutzwürdigkeit“ eines faktischen zentralen Versorgungsbereichs ausgeht (s. oben, vgl. nur BVerwG, U.v. 11.10.2007 – 4 C 7.07 – juris Rn. 13). Soweit in ihr die Einstufung als faktischer zentraler Versorgungsbereich außerdem als „fragwürdig“ erachtet wird, weil die atypisch im Gewerbegebiet angesiedelte Einzelhandelsagglomeration mit insgesamt 6.300 m² Verkaufsfläche für einen Ort mit 3905 Einwohnern überdimensioniert sei, der Grund- und Nahversorgungsbedarf überstiegen werde, von 90% „Autokunden“ auszugehen sei und die Einkaufslage nicht das Ortszentrum oder einen klassischen Nahversorgungsstandort repräsentiere, wird weder die Nähe des betreffenden Bereichs zu Siedlungsflächen des Hauptortes der Antragstellerin und seine Bedeutung für diese beleuchtet noch berücksichtigt, dass zentralen Versorgungsbereichen gerade eigen ist, eine beachtliche Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zu erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 – juris Rn. 7, 9).
bb) Da die Antragsgegnerin sonach die Betroffenheit eines zentralen Versorgungsbereichs auf dem Gebiet der Antragstellerin nicht erkannt hat, hat sie die entsprechenden Auswirkungen ihrer Planung auch nicht sachgerecht ermittelt und bewertet.
Zwar hat sie die möglichen wirtschaftlichen und städtebaulichen Wirkungen ihrer Planvorstellungen hinsichtlich der Ansiedlung eines Supermarktes mit einer Verkaufsfläche von 1.500 m² und eines Discounters mit einer Verkaufsfläche von 1.000 m² von der … untersuchen lassen. Deren erstellte Wirkungsanalyse vom August 2010 kann aber nicht als sorgfältige und widerspruchsfreie Untersuchung der maßgeblichen Gesichtspunkte der jeweiligen örtlichen Verhältnisse angesehen werden, weil sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausging und daher ihr Prognoseergebnis nicht zu überzeugen vermag (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.1992 – 4 B 1-11.92 – juris LS 7). Denn in ihr wird der vorstehend näher beschriebene zentrale Versorgungsbereich der Antragstellerin als peripher gelegene, nicht integrierte Fachmarktagglomeration betrachtet, weshalb eine durch die Planung ermittelte Umsatzverteilung im Lebensmittelbereich von 1,3 Mio Euro bzw. 9% als städtebaulich nicht relevant angesehen wird. Für die Stellungnahme der … gilt nichts Anderes. Weil die beiden von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebenen Untersuchungen das Vorliegen eines zentralen Versorgungsbereichs zu Unrecht verneinen, greifen sie zu kurz und bieten keine taugliche Grundlage für eine die Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB erfüllende Gesamtbetrachtung der planerischen Auswirkungen. Ausgehend davon, dass ein bestimmter Schwellenwert für einen städtebaulich beachtlichen Kaufkraftabfluss gesetzlich nicht vorgegeben ist und Ansätze, wonach Umsatzverluste regelmäßig erst dann städtebaulich relevant sind, wenn sie mehr als 10% betragen, allenfalls einen groben Anhalt bieten, der im Zusammenhang mit den sonstigen Einzelfallumständen bewertet werden muss (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 – juris Rn. 52 m.w.N.), könnte sich die Antragsgegnerin hier insbesondere auch nicht darauf zurückziehen, dass laut … Umsatzverluste von „nur“ 9% zu erwarten seien. Abgesehen davon, dass dieses Ergebnis bereits deshalb zu hinterfragen wäre, weil lediglich das vom vorliegenden Angebotsplan nicht zwangsläufig vorgegebene Szenario betrachtet wurde, dass sich neben dem Lebensmittelvollsortimenter ein ganz bestimmter Discounter im Plangebiet ansiedelt, der zuvor seinen Standort auf dem Gebiet der Antragstellerin verlässt, hätte die Antragsgegnerin für eine vollständige und stimmige Auswirkungsprognose sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigen müssen, die hier auf die Ermittlung und Beurteilung eines möglichen Kaufkraftabflusses aus dem zentralen Versorgungsbereich Einfluss haben könnten. Dazu würden neben einem branchenspezifischen Vergleich der Verkaufsflächen und der voraussichtlichen Umsatzverteilung die Entfernung zwischen dem Plangebiet und dem betroffenen zentralen Versorgungsbereich, das Vorhandensein und die eventuelle Gefährdung eines vorhandenen „Magnetbetriebs“ und die Frage erhöhter Kundenattraktivität durch Synergieeffekte am geplanten Standort gehören (vgl. BVerwG, B.v. 17.2.2009 – 4 B 4.09 – juris Rn. 9; U.v. 17.12.2009 – 4 C 2.08 – juris Rn. 15, BayVGH, U.v. 17.12.2018 – 15 N 16.2373 – juris Rn. 73; BayVGH, U.v. 18.4.2013 – 2 B 13.423 – juris Rn. 32). Die fachlichen Äußerungen von … und … haben diese Untersuchungsbreite nicht und die Antragsgegnerin hat sich im Hinblick auf deren Einschätzung, ein zentraler Versorgungsbereich sei nicht betroffen, auch nicht veranlasst gesehen, sich mit den genannten Aspekten weiter zu befassen.
b) Das festgestellte Ermittlungs- und Bewertungsdefizit ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Die Antragsgegnerin hat – wie dargelegt – von der Planung berührte, abwägungserhebliche und damit „wesentliche“ Belange unzureichend ermittelt und bewertet. Die „Offensichtlichkeit“ des Fehlers ergibt sich unmittelbar aus den Planaufstellungsakten (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 – BVerwGE 145, 2301 = juris Rn. 16). Der Mangel hatte auch Einfluss auf das Abwägungsergebnis, weil nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung ohne ihn anders ausgefallen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 4 B 21.15 – juris Rn. 10). Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin in jedem Fall den Satzungsbeschluss mit demselben Inhalt erlassen hätte (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2020 – 15 N 19.1377 – juris Rn. 48), wenn sie zum Zeitpunkt des Beschlusses von der Betroffenheit eines zentralen Versorgungsbereichs der Antragstellerin ausgegangen wäre und die Auswirkungen der Planung auf diesen hinreichend aufgearbeitet und bewertet hätte. Nach der Begründung zum Bebauungsplan, wie auch im Rahmen ihrer Abwägung, hat die Antragsgegnerin der Nahbereichsversorgungsfunktion der Einzelhandelsagglomeration am südlichen Ortsrand der Antragstellerin und einer Kaufkraftabschöpfung in diesem Bereich keine Bedeutung beigemessen. Sie hat dagegen die Disproportionalität der Flächenbevorratung bei Einzelhandelsvorhaben im Vergleich zur Antragstellerin sowie die Verbesserung ihrer Versorgungssituation angeführt und auf die Stellungnahme der … verwiesen, die ihre Auffassung stütze. Deren Einschätzung, dass dem Einzelhandel der Antragstellerin keine Schutzwürdigkeit beizumessen sei, ist sie ausweislich der Auszüge aus den Sitzungsprotokollen ihres Stadtrats vom 25. November 2015 und 20. Mai 2015 bei ihrer Abwägung ausdrücklich gefolgt (s. jeweils Stellungnahmen zu ….). Wie sie die Ergebnisse einer an der Betroffenheit eines zentralen Versorgungsbereichs ausgerichteten Ermittlung bewertet und sodann abgewogen hätte, ist somit offen.
c) Der Abwägungsmangel ist auch nicht nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich geworden.
aa) Es spricht viel dafür, dass eine schriftliche Rüge im Sinne des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB bereits in dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Antragstellerin vom 21. November 2017 zu sehen ist. Dieser ist der Antragsgegnerin ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 27. November 2017 und damit rechtzeitig zugestellt worden, weil die Bekanntmachung der Satzung am 25. November 2016 erfolgte und der 25. November 2017 ein Samstag war (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn. 43; Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 188 Abs. 2, § 193 BGB, Art. 31 Abs. 3 BayVwVfG; vgl. BVerwG, B.v. 21.8.2018 – 4 BN 44.17 – juris Rn. 4). Den darin enthaltenen Ausführungen zu einer Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots dürfte auch das zu verlangende Maß an Substantiierung und Konkretisierung, damit die Rüge ihre Anstoßfunktion erfüllt, zukommen (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2019 – 4 BN 13.19 – juris Rn. 5). Zwar hat sich die Antragstellerin dabei nicht ausdrücklich auf die Beeinträchtigung eines zentralen Versorgungsbereichs berufen, sondern diese Begrifflichkeit erst in ihrem Schriftsatz vom 28. Oktober 2021 verwendet. Sie hat aber den Aspekt der von ihr zu verantwortenden Nahbereichsversorgung und die städtebaulich integrierte Lage der an ihrem südlichen Rand gelegenen Lebensmittelmärkte thematisiert sowie eine unzureichende Ermittlung und Bewertung gerügt (s. Bl. 36 GA).
bb) Eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Rüge ist vorliegend jedenfalls durch „einen Dritten“ erfolgt. Eine solche gilt zu Gunsten von jedermann („inter omnes“; vgl. BVerwG, B.v. 16.12.2019 – 4 BN 16.19 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 17.7.2020 – 15 N 19.1377 – juris Rn. 49; OVG Berlin-Bbg, U.v. 16.4.2021 – OVG 2 A 7.18 – juris Rn. 52; HessVGH, U.v. 24.11.2020 – 3 C 560/19.N – juris Rn. 34). Eine Antragstellerin in einem anderen, gegen den selben Bebauungsplan gerichteten Normenkontrollverfahren (Az. 9 N 17.2284) hat durch Übermittlung ihres verfahrenseinleitenden Schriftsatzes vom 17. November 2017 an die Antragsgegnerin am selben Tag, der dieser ausweislich des Empfangsbekenntnisses zudem rechtzeitig durch das Gericht am 27. November 2017 zugestellt wurde, eine rechtzeitige Rüge im Sinne des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB erhoben. In dem betreffenden Schriftsatz wurde geltend gemacht, dass es sich bei der Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben am südlichen Ortsrand der Antragstellerin im Gebiet „Lohwiese“ um einen zentralen Versorgungsbereich handele, der durch den Bebauungsplan und das darin festgesetzte Sondergebiet erheblich beeinträchtigt werde, weil ausweislich der Verträglichkeitsanalyse der D.. … GmbH von 2014 Umverteilungseffekte zwischen 23,1 und 28,0% zu erwarten seien.
2. Die Antragsgegnerin hat außerdem mit ihrer Planung gegen § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG in der hier maßgeblichen, bis 4. Januar 2018 gültigen Fassung (a.F.; vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG) verstoßen. Danach ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die Ausweisung von neuen Baugebieten in Bauleitplänen oder sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch, ausgenommen Bauleitpläne für Häfen und Werften, untersagt. Der Verstoß gegen dieses Planungsverbot führt ebenfalls zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, weil eine Abweichungszulassung nach § 78 Abs. 2 WHG, unabhängig davon, ob sie hier überhaupt erfolgen dürfte, zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses jedenfalls nicht ergangen war (vgl. Schmitt in BeckOK UmweltR, WHG, Stand Oktober 2020, 78 Rn. 32 m.w.N.; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, Stand Juli 2021, § 78 Rn. 21).
a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass es bereits bei § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG a.F. „um die erstmalige Ausweisung ‚neuer Baugebiete‘ geht, mithin von Flächen, die vor der Ausweisung noch keine festgesetzten oder faktischen Baugebiete waren und hinsichtlich derer mit der Ausweisung erstmalig die Möglichkeit der Bebauung eröffnet werden soll“ (vgl. BVerwG, U.v. 3.6.2014 – 4 CN 6.12 – UPR 2014, 354 = juris Rn. 13). § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG a.F. galt danach nicht für die „Neuausweisung“ bereits ausgewiesener oder die Überplanung bebauter Innenbereichslagen, sondern meinte die erstmalige Ermöglichung einer Bebauung durch Bauleitplanung oder städtebauliche Satzungen im Außenbereich (vgl. HessVGH, U.v. 27.10.2016 – 4 C 1869/15.N – juris Rn. 50; SächsOVG, U.v. 14.1.2016 – 1 C 5/13 – juris Rn. 75; vgl. auch Schmitt in BeckOK UmweltR, WHG, § 78 Rn. 19; Hünnekens in Landmann/Rohmer, UmweltR, WHG, Stand September 2021, § 78 Rn. 4, 6; Rossi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 78 Rn. 11 m.w.N.; Kerkmann, UPR 2014, 328). Der Gesetzgeber hat dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2014 im Zuge der Neufassung des § 78 WHG mit dem Gesetz zur weiteren Verbesserung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hochwasserschutzes (Hochwasserschutzgesetz II vom 30.6.2017, BGBl I S. 2193) dementsprechend Rechnung getragen und klargestellt, dass das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG nur für den Außenbereich gilt. In der Begründung des Gesetzentwurfs wurden zudem „faktische Baugebiete“ im Sinne der o.g. Rechtsprechung mit „bebauten Innenbereichslagen“ gleichgesetzt (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 8 ZB 18.2119 – juris Rn. 11; Hünnekens in Landmann/Rohmer, a.a.O. Rn. 4; Schmitt in BeckOK UmweltR, a.a.O. Rn. 16, 18; Mitschang/Arndt/Schnorr, UPR 2018, 361). Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 3.6.2014 – 4 CN 6.12 – UPR 2014, 354 = juris Rn. 11 ff.) unterfielen bisher nicht überplante Flächen, die bauplanungsrechtlich dem Außen- und nicht dem Innenbereich zuzuordnen waren, dem Verbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG (in der bis 4.1.2018 gültigen Fassung), selbst wenn sich auf ihnen – wie hier – noch bestandsgeschützte Bebauung befand. Für ein anderes Verständnis der Norm dergestalt, dass Flächen im Umfang ihrer Bebauung und unabhängig von ihrer Außenbereichscharakteristik nicht dem Planungsverbot unterlagen, enthält das betreffende bundesverwaltungsgerichtliche Urteil keine Anhaltspunkte. Es lässt sich auch keine entsprechende Notwendigkeit ersehen. Der Bestandschutz vorhandener Bebauung richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Darüber hinaus kamen auch schon nach der alten Rechtslage (vgl. § 78 Abs. 2 und 3 WHG a.F. sowie § 78 Abs. 2, Abs. 5 WHG) wasserrechtliche Abweichungszulassungen für eine mit dem Hochwasserschutz vereinbare Ausweisung neuer Baugebiete bzw. die ebenfalls grundsätzlich untersagte Errichtung oder Erweiterung baulicher Anlagen (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 2 WHG a.F. sowie § 78 Abs. 4 WHG) in Betracht (vgl. auch BVerwG, U.v. 3.6.2014 – 4 CN 6.12 – juris Rn. 15).
b) Das Plangebiet ist hier dem Außenbereich zuzuordnen. Mit dem streitgegenständlichen Bebauungsplan, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO festsetzt, wurde somit erstmals ein neues Baugebiet im Sinne der Baunutzungsverordnung (vgl. § 1 Abs. 2 BauNVO; Schmitt in BeckOK UmweltR, WHG, § 78 Rn. 19 f.) in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet (§ 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG) ausgewiesen, sodass das Planungsverbot des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG a.F. eingreift.
Die Abgrenzung des Außenbereichs gemäß § 35 BauGB von dem beplanten oder unbeplanten Innenbereich gemäß §§ 30, 34 BauGB ist nach den allgemeinen Grundsätzen vorzunehmen (vgl. Hünnekens in Landmann/Rohmer, UmweltR, WHG, § 78 Rn. 4). Da vor Inkrafttreten des gegenständlichen Bebauungsplans für dessen räumlichen Geltungsbereich kein Bebauungsplan bestand, beurteilt sich die Innen- oder Außenbereichslage der fraglichen Fläche danach, ob sie zuvor Bestandteil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB war (vgl. BayVGH, U.v. 26.4.2018 – 9 N 14.1175 – juris Rn. 26). Die Tatbestandsmerkmale einer Innenbereichslage „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ gehen nicht ineinander auf, sondern sind kumulativer Natur. „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 31.66 – juris Rn. 23). Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 11). Maßgeblich sind die konkreten örtlichen Verhältnisse und deren Würdigung (BVerwG, B.v. 16.7.2018 – 4 B 51.17 – BauR 2018, 1840 = juris Rn. 7; B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 20.5.2019 – 9 ZB 18.1261 – juris Rn. 6; U.v. 26.4.2018 – 9 N 14.269 – juris Rn. 25). Darstellungen im Flächennutzungsplan sind in diesem Zusammenhang dagegen nicht relevant (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 18.2.2019 – 15 ZB 18.2509 – juris Rn. 8; U.v. 12.3.2004 – 2 N 99.1150 – juris Rn. 32).
Nach diesen Maßstäben liegt das Grundstück FlNr. …8/3 Gemarkung E. …, das das Plangebiet bildet, nicht im Innen-, sondern im Außenbereich. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und wurde von der Antragsgegnerin auch in der Vergangenheit nicht anders gesehen. Zu den 1973, 1977 und 1983 genehmigten Bauvorhaben eines ehemals auf dem Plangrundstück betriebenen holzverarbeitenden Unternehmens hat sie jeweils unter ausdrücklicher Zugrundelegung einer Außenbereichslage ihr Einvernehmen erteilt. Der Verfahrensakte zur Baugenehmigung vom 15. März 1983 und einer weiteren, betreffend eine Bauvoranfrage aus dem Jahr 2007 für die Errichtung eines „Paintballcenters“ mit Gastronomie und zwei Wohnungen, ist im Übrigen explizit zu entnehmen, dass auch die Bauaufsichtsbehörde des Landratsamts hierzu keine andere Auffassung vertrat. Der erkennende Senat hat ebenfalls keine Zweifel hinsichtlich der Zuordnung des Plangrundstücks FlNr. …8/3 zum Außenbereich. Den in den Akten zahlreich enthaltenen (Lage-) Plänen und Luftbildern lässt sich ohne weiteres entnehmen, dass das Plangrundstück im Wesentlichen isoliert und nicht umgeben von einer ortsteilbildenden Bebauung oder angeschlossen an eine solche situiert ist. Im Bayernatlas abrufbare Lagepläne und Luftbilder bestätigen dieses Bild. Es besteht insbesondere kein Bebauungszusammenhang zum westlich bzw. nordwestlich gelegenen Industriegebiet Eltmann, von dem es durch einen über 100 m breiten Grüngürtel (biotopkartierte Ebelsbachaue, s. Bl. 94 der Verfahrensakte zur Baugenehmigung vom 22.6.2016) im Anschluss an den das Industriegebiet umgebenden Hochwasserschutzdeich getrennt ist. Neben der Bebauung auf dem Plangrundstück selbst, bestehend aus zwei Gewerbehallen des vor Jahren aufgegebenen holzverarbeitenden Betriebes, lässt sich in der unmittelbaren Umgebung lediglich noch eine kleinere, zu einem Getränkehandel gehörende gewerbliche Bebauung auf dem südlichen Nachbargrundstück FNr. 2260 Gemarkung E. … finden; ansonsten ist es von weitläufigem Grün und Verkehrswegen umgeben. Zudem kann dem auf dem Plangrundstück vorhandenen baulichen Altbestand und der weiteren gewerblichen Bebauung auf dem südlichen Nachbargrundstück nicht das für die Annahme eines eigenständigen Ortsteils erforderliche Gewicht zugesprochen werden. Dies kommt unter Berücksichtigung der siedlungsstrukturellen Gegebenheiten auf dem Gebiet der Antragsgegnerin, welches in der näheren Umgebung mit dem Industriegebiet Eltmann und seinem Hauptort deutliche Siedlungsschwerpunkte aufweist (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 56.79 – juris Rn. 9; U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – NVwZ 1999, 527 = juris Rn. 12; B.v. 7.7.2016 – 4 B 47.14 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 30.1.2020 – 8 B 857/19 – juris Rn. 12 ff. m.w.N.), bei hier allenfalls drei einen baulichen Zusammenhang bildenden baulichen Anlagen, die dem Aufenthalt von Menschen dienen könnten (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 15; B.v. 30.8.2019 – 4 B 8.19 – juris Rn. 13), nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 18.11.2004 – 14 ZB 04.2284 – juris Rn. 11; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 34 Rn. 14). Ob und inwieweit die baulichen Anlagen auf dem Plangrundstück trotz der Jahre zurückliegenden Einstellung des holzverarbeitenden Betriebes überhaupt noch eine baurechtlich prägende Wirkung entfaltet haben (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – NVwZ 2017, 412 = juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 8 ZB 18.2119 – juris Rn. 14 m.w.N.), kann dementsprechend dahingestellt bleiben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss der Antragsgegner Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.


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