Baurecht

Normenkontrolle, Antragsbefugnis, Beseitigung von Niederschlagswasser, Spritzabstand bei landwirtschaftlich genutzten Flächen

Aktenzeichen  15 N 21.1756

Datum:
9.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4441
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 2

 

Leitsatz

Für die Geltendmachung einer Vernässung von Grundstücken im Eigentum des Antragstellers bei Realisierung eines Bebauungsplans genügt die bloße Befürchtung unkontrolliert abfließenden Niederschlagswassers ohne Anhaltspunkte aus der Topographie und entgegen dem festgesetzten Entwässerungskonzept nicht zur Begründung der Antragsbefugnis.

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg. Er ist mangels Antragsbefugnis des Antragstellers unzulässig.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ein Antragsteller kann sich im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. In diesem Fall obliegt es ihm, einen eigenen Belang als verletzt zu bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, B.v. 1.7.2020 – 4 BN 39.19 – juris Rn. 7 m.w.N.). Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BVerwG, B.v. 16.6.2020 – 4 BN 53.19 – juris Rn. 9 m.w.N.; BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 18). So liegt der Fall hier.
1. Der Antragsteller kann seine Antragsbefugnis nicht darauf stützen, dass seine Grundstücke von Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans betroffen wären.
Die Grundstücke des Antragstellers, FlNr. …4 und -/5 Gemarkung A., liegen weder nach der Planzeichnung noch der Begründung, die in Nr. 2 das „Instruktionsgebiet“ beschreibt, innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des angefochtenen Bebauungsplans „A. V“. Soweit in der Planzeichnung über die Grundstücke des Antragstellers eine gestrichelte Linie mit gestricheltem Pfeil und der Beschriftung „Mögliche Erweiterung/Anbindung A. IV“ eingetragen ist, handelt es sich nicht um Festsetzungen, sondern nur um die nachrichtliche Übernahme künftiger Planungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin ohne Rechtswirkungen (vgl. BayVGH, U.v. 21.9.2021 – 9 N 18.1522 – juris Rn. 25). Dies ergibt sich u.a. aus Nr. 6 der Begründung des Bebauungsplans, wonach die geplante Straßenverkehrsfläche eine Stichstraße in Richtung Westen und so die Möglichkeit einer zukünftigen Anbindung an den westlich verlaufenden Teil der Aumühlstraße bei einer Erweiterung des Wohngebiets vorsieht, sowie aus den Hinweisen durch Planzeichen auf der Planurkunde. Abwägungserhebliche Belastungen des Antragstellers werden durch die am östlichen Rand seines Grundstücks FlNr. …4 Gemarkung A. endende äußerst kurze Stichstraße aktuell nicht verursacht und können sich erst aus einer späteren tatsächlichen Überplanung seiner Grundstücke ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 9 N 15.1106 – juris Rn. 21 f.).
2. Die Antragsbefugnis ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller bei Realisierung der Planung Hochwassergefahren und Schwierigkeiten der Wasserableitung befürchtet.
§ 1 Abs. 7 BauGB verlangt, dass der Bauleitplanung eine Erschließungskonzeption zugrunde liegt, nach der das im Plangebiet anfallende Niederschlagswasser so beseitigt werden kann, dass Gesundheit und Eigentum der Planbetroffenen – auch außerhalb des Plangebiets – keinen Schaden nehmen (BVerwG, U.v. 21.3.2002 – 4 CN 14.00 – juris Rn. 15). Es genügt daher regelmäßig, wenn der Antragsteller Tatsachen für die Existenz eines möglicherweise verletzten Belangs vorträgt; umgekehrt genügt aber allein die bloße Behauptung eines solchen Belanges nicht, um die Antragsbefugnis zu bejahen (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2012 – 4 BN 16.12 – juris Rn. 3).
Hier erscheint angesichts der Ergebnisse des Verfahrens der Beteiligung der Fachbehörden ein realistisches Gefahrenszenario zu Lasten des Antragstellers ausgeschlossen (vgl. BVerwG, U.v. 4.11.2015 – 4 CN 9.19 – juris Rn. 13). Die Ausuferungsbereiche des festgesetzten Überschwemmungsgebiets der Abens und Hochwassergefahrenflächen erreichen den Geltungsbereich des Plangebiets nicht (Nr. 4.53 der Begründung; Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts Landshut v. 7.8.2020; TOP 02.10 des Abwägungsbeschlusses v. 16.11.2020). Die Bodenverhältnisse im Plangebiet zeigen „fast ausschließlich Braunerde aus Lehmsand bis Sandlehm“ und die Topographie im Plangebiet und auf den Grundstücken des Antragstellers verläuft nach Norden zum AllersdorferWeg und weiter zu Abens hin abfallend (vgl. Nr. 4.4 der Begründung). Dem entspricht auch, dass die vom Antragsteller vorgelegten Lichtbilder eine Vernässung bei Starkregen im nordöstlichen Bereich seines Grundstücks FlNr. …5 Gemarkung A. im Anschluss an das Plangebiet „A. IV“ und auf der dem Plangebiet des hier angefochtenen Bebauungsplans abgewandten, gegenüberliegenden Seite und durch das Grundstück FlNr. …4 Gemarkung A. getrennte Grundstück zeigen. Das mit dem Wasserwirtschaftsamt Landshut im Planaufstellungsverfahren abgestimmte Entwässerungskonzept zur eigenständigen Entwässerung von Schmutz- und Niederschlagswasser, das über die textliche Festsetzung Nr. 7 Bestandteil des Bebauungsplans geworden ist, sieht zudem vor, dass das Schmutz- und Niederschlagswasser jeweils gemäß dem natürlichen Geländeverlauf in Richtung Osten abgeführt wird (vgl. TOP 05.2 des Abwägungsbeschlusses v. 15.3.2021, Nr. 8.3.2 der Begründung und Anhang 2 zur Begründung), so dass die Entwässerungsplanung nach dem natürlichen Geländeverlauf und der Planung von den Grundstücken des Antragstellers wegführt. Dementsprechend kann hier eine tatsächliche Gefährdung der Grundstücke des Antragstellers durch unkontrolliert abfließendes Niederschlagswasser oder durch Hochwassergefahren in Folge des angefochtenen Bebauungsplans auf Grundlage seiner bloßen Befürchtungen nicht festgestellt werden. Insoweit war auch dem in der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2022 bedingt gestellten Beweisantrag, zur Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins sowie zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass durch die Realisierung der Planung eine unzumutbare Vernässung der Grundstücke des Antragstellers eintritt, nicht nachzukommen. Denn es handelt sich hierbei um einen ins Blaue hinein gestellten Beweisantrag, der zudem die Antragsbefugnis erst begründen soll (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2021 – 9 B 46.20 – juris Rn. 6).
3. Die Geltendmachung einer neuen Betroffenheit an der Ostgrenze seines Grundstücks FlNr. …4 Gemarkung A. im Hinblick auf einen einzuhaltenden Spritzabstand bei der landwirtschaftlichen Nutzung seiner Flächen im Normenkontrollverfahren führt ebenfalls nicht dazu, dass der Antragsteller antragsbefugt ist.
Wer eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend macht, muss einen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Die Abwägungsbeachtlichkeit beschränkt sich allerdings auf solche Betroffenheiten, die erstens mehr als geringfügig, zweitens in ihrem Eintritt zumindest wahrscheinlich und drittens für die planende Stelle bei der Entscheidung über den Plan als abwägungsbeachtlich erkennbar sind (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2019 – 4 BN 28.19 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 17.5.2021 – 15 N 20.2094 – juris Rn. 20). Dies ist hier nicht der Fall.
Ein möglicher Konflikt, der aus der Notwendigkeit der Einhaltung eines Spritzabstandes am Rand des Plangebiets zu den landwirtschaftlich genutzten Flächen des Antragstellers entsteht, ist bereits wenig wahrscheinlich. Denn die Antragsgegnerin hat einerseits im unmittelbaren Grenzbereich Pflanzungen festgesetzt und andererseits auch keine Festsetzungen getroffen, die im 2 m-Grenzbereich ein Betreten von Menschen ohne Begrenzungen erfordern oder dazu bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2021 – 15 CS 21.1147 – juris Rn. 24). Nach den Festsetzungen des Bebauungsplans sind außerhalb der Baugrenzen auch keine weiteren Nebenanlagen zulässig (vgl. textliche Festsetzung A.4), so dass keine Zwangspunkte durch die Planung ersichtlich sind, die sich nicht im Baugenehmigungsverfahren lösen ließen (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2015 – 15 N 12.2124 – juris Rn. 43; BVerwG, U.v. 5.5.2012 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 14).
Unabhängig davon unterliegt der Antragsteller bereits gewissen Einschränkungen bzw. Vorbelastungen aufgrund der vorhandenen Wohnbebauung in den unmittelbar angrenzenden Plangebieten „A. IV“ im Westen und „A. III“ im Süden seiner beiden Grundstücke FlNr. …4 und -/5 Gemarkung A. Hinzu kommt, dass der Antragsteller die Freihaltung eines Schutzstreifens beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht vorgebracht hat. Er hat vielmehr abgesehen von der „Anbindung nach Westen“ an das Plangebiet „A. IV“ in seinem Einwendungsschreiben vom 19. Februar 2021 keinerlei Bewirtschaftungseinschränkungen durch die Planung geltend gemacht (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 53). Auch der Bayerische Bauernverband hat in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2021 insoweit keine Einwendungen erhoben; einen entsprechenden Hinweis auf Immissionen durch die Landwirtschaft hat die Antragsgegnerin aufgenommen (vgl. Hinweis Nr. 13 auf der Planurkunde; TOP 05.3 des Abwägungsbeschlusses v. 15.3.2021). Die Antragsgegnerin hatte deshalb keine Anhaltspunkte dafür, dass die Grundstücke des Antragstellers nach Umsetzung des Bebauungsplans „A. V“ nicht im bisherigen Umfang weiter landwirtschaftlich genutzt werden könnten. Der vom Antragsteller mit der Begründung des Normenkontrollverfahrens geltend gemachte Belang, einen Spritzmittelabstand einhalten zu müssen, war damit für die Antragsgegnerin nicht erkennbar und musste sich ihr zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (vgl. § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB) auch nicht aufdrängen (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 43). Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 18. Januar 2022 bedingt gestellte Beweisantrag zur Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins sowie der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die geplante Bebauung einen Spritzabstand zu den landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen des Antragstellers einhalten muss, ist im Hinblick auf die Frage der Antragsbefugnis nicht entscheidungserheblich und im Übrigen als Rechtsfrage einer Beweiserhebung nicht zugänglich (vgl. BVerwG, B.v. 21.5.2013 – 8 B 85.12 – juris Rn. 13).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO, insbesondere § 708 Nr. 11, § 709 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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