Baurecht

Normenkontrolle, Festsetzung privater Grünfläche, Kostenermittlung, Abwägung

Aktenzeichen  9 N 18.1995

Datum:
30.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28511
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3
BauGB § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bebauungsplan „W.“ der Antragsgegnerin ist unwirksam, soweit auf dem Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl private Grünfläche festgesetzt wurde.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag hat Erfolg. Er ist zulässig und hinsichtlich der Festsetzung private Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl begründet, weshalb der Bebauungsplan „W. straße“ der Antragsgegnerin gem. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insoweit für unwirksam zu erklären ist.
I. Der innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Zwar kann das Interesse eines Eigentümers, für seine Grundstücke Baurecht zu erhalten, ihm regelmäßig keine Antragsbefugnis vermitteln (vgl. BVerwG, B.v. 27.6.2007 – 4 BN 18.07 – juris Rn. 6). Der Antragsteller ist hier aber Eigentümer des im Plangebiet liegenden Grundstücks FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl und wendet sich gegen bauplanerische Festsetzungen, die unmittelbar sein Grundstück betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.).
II. Der Normenkontrollantrag ist hinsichtlich der Festsetzung private Grünfläche auf dem Grundstück des Antragstellers FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl begründet und der Bebauungsplan „W. straße“ der Antragsgegnerin ist gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insoweit für unwirksam zu erklären.
Verfahrensfehler sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Der Bebauungsplan „W. straße“ verstößt nicht gegen die städtebauliche Erforderlichkeit (1.) und es liegt kein beachtlicher Verstoß gegen das Planentwicklungsgebot vor (2.). Der Bebauungsplan leidet jedoch hinsichtlich der Festsetzung private Grünfläche auf dem Grundstück des Antragstellers an einem beachtlichen Abwägungsmangel (3.). Dieser Mangel führt zur Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans (4.).
1. Der Bebauungsplan ist nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinne erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, U.v. 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 17). Nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit des Plans, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung. Dafür ist das Abwägungsgebot maßgeblich (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 9 N 12.1003 – juris Rn. 17). Gemessen an diesen Maßstäben ist die städtebauliche Erforderlichkeit des Bebauungsplans „W. straße“ i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gegeben. Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB zulässige Festsetzung private Grünfläche (vgl. zur Zweckbestimmung: BVerwG, B.v. 27.7.1989 – 4 NB 19.89 – juris Rn. 10) ist auch nicht lediglich vorgeschoben, um Bauwünsche zu verhindern, sondern verfolgt mit der Angabe, das vorhandene kartierte Biotop nicht beeinträchtigen zu wollen, auch ein positives, städtebauliches Ziel (vgl. Beschluss des Gemeinderats vom 17.2.2017; Begründung Nr. 3.4, S. 7).
2. Der Bebauungsplan leidet nicht an einem beachtlichen Verstoß gegen das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Erforderlich ist eine inhaltliche Konkretisierung des Flächennutzungsplans durch den Bebauungsplan, wobei dem Plangeber ein gewisser Spielraum für Abweichungen vom Flächennutzungsplan zur Verfügung steht, soweit die Grundkonzeption desselben durch den Bebauungsplan nicht angetastet wird (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 25). Der Bebauungsplan kann hierbei in gewissen Grenzen von den Darstellungen des Flächennutzungsplans abweichen (vgl. BVerwG, U.v. 26.2.1999 – 4 C 6.98 – juris Rn. 16). Allein die Tatsache abweichender Festsetzungen – wie hier Grünfläche statt Wohnbaufläche – lässt aber nicht den Schluss zu, der Bebauungsplan sei nicht in der gebotenen Weise aus dem Flächennutzungsplan entwickelt (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2003 – 4 BN 31.03 – juris Rn. 16).
Hier erscheint schon die Festsetzung einer Grünfläche im nördlichen Teilbereich der Grundstücke FlNr. 5935 und 5936 Gemarkung Sommerkahl südlich der W. straße gegenüber der im Flächennutzungsplan durchgehenden Darstellung von Wohnbaufläche südlich der W. straße nur geringfügig zu sein und – im Hinblick auf den natur- und landschaftsschutzbezogenen Ausgleich (vgl. OVG NW, U.v. 30.6.1999 – 7a D 184/97 – juris Rn.18) – nicht geeignet, einen Verstoß gegen das Entwicklungsgebot zu begründen. Aber auch bei Berücksichtigung der weiteren Grün- und Ausgleichsflächen im Plangebiet folgt aus der Ausweisung einer Grünfläche im Bebauungsplan entgegen der Darstellung von Wohnbauflächen im Flächennutzungsplan hier jedenfalls kein beachtlicher Fehler i.S.d. § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass hierdurch die städtebauliche Ordnung beeinträchtigt wäre. Allein aufgrund der größer dimensionierten Grünflächen ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden wäre (vgl. OVG RhPf., U.v. 12.7.2012 – 1 C 11236/11 – juris Rn. 34), weil es sich einerseits um Ausgleichsflächen und andererseits – soweit die Grundstücke FlNr. 5935 und 5936 Gemarkung Sommerkahl betroffen sind – nur um geringfügige Abweichungen handelt. Insoweit ist zudem die planerische Konzeption des Flächennutzungsplanes insgesamt – und damit bezogen auf das gesamte Gemeindegebiet – maßgebend (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2020 – 2 D 27/19.NE – juris Rn. 83; BVerwG, U.v. 26.2.1999 – 4 CN 6.98 – juris Rn. 21).
3. Der Bebauungsplan „W. straße“ leidet hinsichtlich der Festsetzung private Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl an einem beachtlichen Abwägungsmangel.
Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot, um die Verfahrensanforderung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten (zutreffend) zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten und gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (BayVGH, U.v. 28.7.2020 – 9 N 16.2497 – juris Rn. 34). Daran gemessen leidet der Bebauungsplan an einem beachtlichen Abwägungsmangel.
a) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist allerdings ein „Strafplanungscharakter“, weil der Antragsteller sein Grundstück vor Beginn des Bauleitplanverfahrens nicht an die Antragsgegnerin verkauft hat, nicht ersichtlich.
Das Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl war schon bisher kein Baugrundstück, sondern dem Außenbereich zuzuordnen. Denn die östlich gelegene Bebauung im nördlichen Teilbereich des Nachbargrundstücks FlNr. 5937 Gemarkung Sommerkahl führt – wie sich aus den Lageplänen und Luftbildern ohne weiteres entnehmen lässt – nicht dazu, dass für das Grundstück des Antragstellers ein Bebauungszusammenhang gem. § 34 Abs. 1 BauGB angenommen werden könnte. Vielmehr endet der Bebauungszusammenhang mit dem letzten Gebäude (vgl. BVerwG, B.v. 8.10.2016 – 4 B 28.15 – juris Rn. 6), zumal der Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 5937 Gemarkung Sommerkahl nach Westen südlich der W. straße zum Zeitpunkt der Planaufstellung (noch) keine weitere Bebauung folgt und damit auch nicht von einer Baulücke ausgegangen werden kann. Die Festsetzung als private Grünfläche stellt auch keine relevante Beeinträchtigung der Eigentümerposition des Antragstellers dar, weil sein Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl auch schon bisher als Biotop kartiert war und mit der gemeindlichen Biotopfläche auf dem Grundstück FlNr. 5935 Gemarkung Sommerkahl gleich behandelt wird.
Die Antragsgegnerin verhält sich auch im Hinblick auf das vor Planaufstellung erfolgte Ankaufsangebot nicht widersprüchlich. Denn aus den Schreiben vom 15. Dezember 2015, 22. Dezember 2015, 3. März 2016, 23. Mai 2016 und 3. Juni 2016 ergibt sich jedenfalls kein grundstücksbezogenes, sondern nur ein gebietsbezogenes Rückkaufsrecht. Den Schreiben lässt sich keine Rechtsposition in Bezug auf eine Ausweisung des Grundstücks des Antragstellers als Bauland entnehmen. Das Grundstück war auch kein Bauerwartungsland i.S.d. § 5 Abs. 2, § 6 ImmoWertV, da es vielmehr – wie oben ausgeführt – dem bauplanerischen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB zuzuordnen war. Soweit sich den Schreiben entnehmen lässt, dass eine Teilfläche von 690 m2 in den Bebauungsplan aufgenommen werden sollte, sind darüberhinaus keine Angaben zur konkreten Qualität des Grundstücks bzw. der Teilfläche ableitbar. Vielmehr enthält das Schreiben vom 22. Dezember 2015 den ausdrücklichen Hinweis auf „aus der Einlagefläche entstandenes Bauland“. Das Ziel der Antragsgegnerin, Wohnraum zu schaffen, verpflichtet schließlich auch nicht dazu, dies in gleichem Umfang für alle planbetroffenen Grundstücke in gleicher Weise zu verfolgen. Die Berücksichtigung erhöhter Kosten für das gesamte Baugebiet im Falle einer Baulandausweisung (vgl. Abwägungsbeschluss vom 26.1.2018) ist dabei ein mögliches Differenzierungskriterium.
Auch soweit die Antragsgegnerin darauf abstellt, die Ausweisung der Biotopfläche wäre ausgleichbar, zeigt dies keinen Abwägungsfehler auf. Die Antragsgegnerin hat die grundsätzlich mögliche Ausgleichbarkeit von Eingriffen in das kartierte Biotop auf dem Grundstück des Antragstellers erkannt. Sie hat allerdings wegen des notwendigen Ausgleichsbedarfs und der Kosten für das Baugebiet die Beibehaltung des Grundstücks FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl als private Grünfläche beschlossen (vgl. Abwägungsbeschluss v. 26.1.2018 und zusammenfassende Erklärung Nr. 7.4.1, S. 60). Eine Ungleichbehandlung mit dem „Graben“ auf dem (ehemaligen) Grundstück FlNr. 5934 Gemarkung Sommerkahl ergibt sich hieraus ebenfalls nicht, zumal die Fläche mit nur 47 m2 deutlich kleiner und kein kartiertes Biotop ist.
Soweit der Antragsteller anführt, die Schutzwürdigkeit des Biotops auf seinem Grundstück liege nur bei einem Prozent, kann dem nicht gefolgt werden. Ausweislich der Kartierung 5921-0054-009 handelt es sich bei dem Biotop um Hecken (50 v.H.), Feldgehölze (24 v.H.), Extensivgrünland (20 v.H.), mesophile Gebüsche (4 v.H.), magere Altgrasbestände (1 v.H.) und feuchte und nasse Hochstaudenfluren (1 v.H.). Im Übrigen ist nach der Stellungnahme des Landratsamts, untere Naturschutzbehörde vom 16. Dezember 2016 das gesamte Biotop zu erhalten, was die Antragsgegnerin zutreffend in ihre Abwägungsentscheidung eingestellt hat.
b) Die Antragsgegnerin hat bei der Festsetzung der privaten Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl die abwägungserheblichen Belange nicht ausreichend ermittelt.
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Abwägung das notwendige Abwägungsmaterial zu ermitteln und die betroffenen Interessen und Belange mit der ihnen objektiv zukommenden Bedeutung, hier insbesondere Art, Ausmaß und Gewicht der Beeinträchtigung des Grundeigentums und die Folgen der planerischen Ausweisung für das Grundeigentum und seine Nutzungsmöglichkeiten, in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 21.2.1991 – 4 NB 16/90 – juris Rn. 3). Der Umfang der Ermittlungsobliegenheiten hängt dabei davon ab, in welchem Umfang bestimmte Faktoren und hieraus abzuleitende Bewertungen für eine ordnungsgemäße Abwägung untersucht und aufgearbeitet sein müssen und/oder in welchem Umfang die Gemeinde selbst bestimmte Faktoren und hieraus abzuleitende Bewertungen für die Endabwägung als relevant ansieht (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2020 – 15 N 19.1377 – juris Rn. 32).
Hier hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung entscheidend darauf abgestellt, dass das Grundstück des Antragstellers FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl wegen der Wertigkeit der Fläche, dem notwendigen Ausgleichsbedarf und den Kosten für das Baugebiet im Falle einer Ausweisung als Bauland als private Grünfläche beibehalten werden soll (vgl. zusammenfassende Erklärung Nr. 7.4.1, S. 60; Gemeinderatsbeschluss v. 21.8.2017 und Abwägungsbeschluss v. 26.1.2018). Weder aus den Planaufstellungsakten noch den Planunterlagen, insbesondere der Begründung, der zusammenfassenden Erklärung, der Begründung zum Grünordnungsplan oder dem Umweltbericht lassen sich jedoch Angaben dazu entnehmen, von welcher naturschutzrechtlichen und -fachlichen Wertigkeit des Grundstücks FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl bzw. der darauf befindlichen Biotopfläche die Antragsgegnerin ausgeht und in welcher Höhe ein Ausgleichsbedarf bei Überplanung dieses Grundstücks überhaupt entstehen würde. Im Hinblick auf die Belange des Antragstellers und die o.g. Kriterien der Wertigkeit und Kosten, auf die sich die Antragsgegnerin bei ihrer Abwägungsentscheidung vom 26. Januar 2018 gestützt hat, handelt es sich bei der Frage der Veränderung des Ausgleichsbedarfs durch Ausweisung einer zusätzlichen Baufläche hier um den für die Antragsgegnerin maßgeblichen und entscheidenden abwägungserheblichen Belang. Zudem hat der Antragsteller bereits im Planaufstellungsverfahren auf eine mögliche Ausgleichbarkeit des Eingriffs in das kartierte Biotop hingewiesen und eine Ungleichbehandlung in Bezug auf den naturschutzrechlich erforderlichen Ausgleich geltend gemacht. Da die Antragsgegnerin auch von der grundsätzlichen Ausgleichbarkeit eines Eingriffs ausgegangen ist und Ziel der Bauleitplanung die Schaffung von Wohnraum und Sicherung der lokalen Versorgungsfunktion ist (vgl. Begründung Nr. 0, S. 3), hätte es gerade im Hinblick auf den im übrigen Plangebiet umfangreich ermittelten Ausgleichsbedarf (vgl. Begründung Grünordnungsplan Nr. 7 ff., S. 9 ff.) Anlass gegeben, den potentiellen Ausgleichsbedarf bei Überplanung des Grundstücks FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl ebenfalls zu ermitteln, um eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Abwägung und Entscheidung über die bauplanerische Festsetzung des Grundstücks als Grünfläche oder Baufläche zu haben.
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Antragsgegnerin aufgrund der Stellungnahme des Landratsamts, untere Naturschutzbehörde vom 16. Dezember 2016 das Ziel verfolgt habe, die kartierte Biotopfläche unbedingt zu erhalten. Zwar wird im Abwägungsbeschluss vom 26. Januar 2018 in der Anmerkung der Verwaltung darauf hingewiesen, dass sich das Landratsamt eindeutig für den Erhalt der Biotopfläche und somit auch eindeutig gegen die Ausweisung als Baufläche ausgesprochen hat. Daran anschließend wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Biotopfläche grundsätzlich ausgleichbar ist und zur Motivation, warum das Grundstück FlNr. 5936 dennoch nicht als Baufläche ausgewiesen werden soll, auf die oben angeführten Kostenaspekte abgestellt.
Der pauschale Verweis darauf, das Grundstück FlNr. 5936 nicht als Baufläche auszuweisen, um den Ausgleichsbedarf und dadurch die Kosten für das gesamte Baugebiet nicht noch mehr zu erhöhen (vgl. Abwägungsbeschluss vom 26.1.2018), greift für das Grundstück des Antragstellers aber zu kurz. In den Planunterlagen finden sich zwar Aussagen dazu, dass die kartierte Biotopfläche nicht beeinträchtigt werden soll, ein konkretes planerisches Ziel – anders als bezüglich der Wohnraumschaffung – lässt sich daraus aber – insbesondere unter Berücksichtigung der angenommenen grundsätzlichen Ausgleichbarkeit und dem entscheidenden Abstellen auf Kostenaspekte – nicht entnehmen. Im Hinblick auf die ansonsten im Baugebiet erfolgten Eingriffe in Natur und Landschaft sowie die festgesetzten umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen kann ohne konkrete Kenntnis der Wertigkeit und der Kosten im Falle einer Baulandausweisung des Grundstücks des Antragstellers nicht von einer ausreichenden Entscheidungs- und Abwägungsgrundlage ausgegangen werden. Die Ermittlung der Wertigkeit der Fläche, des Ausgleichsbedarfs im Falle einer Baulandausweisung und der dadurch anfallenden Kosten ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Antragsgegnerin möglicherweise „gewisse, allgemeine Vorstellungen“ hierüber aufgrund der aus den notwendigen naturschutzrechtlichen Maßnahmen bezüglich der übrigen, südlich der W. straße festgesetzten Bauflächen hat. Denn anders als bei dem im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Grundstück FlNr. 5935 Gemarkung Sommerkahl, werden beim Grundstück des Antragstellers FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl Eigentumsrechte Dritter berührt und dem Antragsteller durch die Festsetzung private Grünfläche jede – und damit auch eine (bisher) nach § 35 BauGB grundsätzlich mögliche – Bebaubarkeit entzogen.
Dieses Ermittlungsdefizit hinsichtlich des Ausgleichsbedarfs und damit verbundener zusätzlicher Kosten ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB auch beachtlich. Die Offensichtlichkeit ergibt sich aus den Planaufstellungsakten und insbesondere aus der Begründung zum Grünordnungsplan, die zum Grundstück des Antragstellers keinerlei Angaben enthalten. Der Mangel ist auch mit Einfluss auf das Abstimmungsergebnis gewesen. Da die Entscheidung, das Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl als Grünfläche oder als Baufläche auszuweisen, nach Vorstellung der Plangeberin maßgeblich von der Wertigkeit der Fläche und den möglichen Kosten des zusätzlichen Ausgleichsbedarfs abhängt, der jedoch gerade nicht ermittelt wurde, ist eine Prognose, welche Abwägungsentscheidung der Gemeinderat bei Kenntnis der fehlenden Daten getroffen hätte, nicht möglich. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei vollständiger Ermittlung der fehlenden Daten gleichwohl die gleiche Entscheidung getroffen worden wäre, liegen nicht vor, zumal davon auszugehen sein dürfte, dass je geringer der zusätzliche Ausgleichsbedarf ist, ein Festhalten an der getroffenen Entscheidung umso stärker in die Belange des Antragstellers eingreifen würde und umso mehr eine unzulässige Sanktionierung des Antragstellers in Betracht zu ziehen wäre. Hinzu kommt, dass der Erhalt des Biotops weder im Rahmen der Planungsziele noch in der Abwägungsentscheidung oder den Planunterlagen – mit Ausnahme des Hinweises auf die Stellungnahme des Landratsamts, untere Naturschutzbehörde vom 16. Dezember 2016 – näher aufgegriffen oder zu einem tragenden Gegenstand der Planung gemacht wurde.
Der Mangel wurde auch innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB geltend gemacht. Der Eingang des Begründungsschriftsatzes vom 17. September 2018 am 24. September 2018 bei der Antragsgegnerin innerhalb der Jahresfrist des am 1. März 2018 bekannt gemachten Bebauungsplans genügt hierfür (vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10 – juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 30.1.2009 – 1 N 08.1119 – juris Rn. 32).
4. Der Bebauungsplan „W. straße“ ist nur hinsichtlich der Festsetzung private Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl für unwirksam zu erklären.
Abwägungsmängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen dann nicht zur Gesamtunwirksamkeit, wenn – erstens – die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und – zweitens – die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 14.9.2017 – 4 CN 6/16 – juris Rn. 29). Dies ist hier der Fall.
Eine auf die oben genannte Festsetzung beschränkte Feststellung der Unwirksamkeit ist möglich, weil der Planinhalt tatsächlich und rechtlich teilbar ist. Die verbleibenden Festsetzungen stehen mit den unwirksamen Festsetzungen nicht in einem untrennbaren Regelungszusammenhang. Die Unwirksamkeit der Festsetzung private Grünfläche auf dem Grundstück FlNr. 5936 Gemarkung Sommerkahl hat keinen Planungstorso zur Folge, der weder objektiv sinnvoll noch subjektiv vom Planungswillen der Antragsgegnerin getragen wäre. Die Festsetzung der privaten Grünfläche stellt auch keinen wesentlichen Bestandteil der Planung dar, die vielmehr auf die Schaffung von Wohnraum abzielt (vgl. Begründung Nr. 0, S. 3) und den Erhalt der kartierten Biotopfläche nicht als wesentlichen Bestandteil der Planung, sondern lediglich im Rahmen der berührten Fachplanungen anführt (vgl. Begründung Nr. 3.4, S. 7).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Kostentragung durch den Antragsteller gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht. Der Normenkontrollantrag eines Antragstellers, der nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO befugt ist, einen Bebauungsplan insgesamt anzugreifen, darf grundsätzlich nicht deshalb (mit nachteiliger Kostenfolge) zurückgewiesen werden, weil der Bebauungsplan nur teilweise für unwirksam zu erklären ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Grundstück des Antragstellers – wie hier – in dem abtrennbaren Teilbereich des Bebauungsplans liegt, der unwirksam ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.2008 – 4 CN 3.07 – juris Rn. 36; U.v. 9.3.2008 – 4 CN 1.07 – juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, U.v. 28.7.2018 – 9 N 16.2497 -juris Rn. 67).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO, insbesondere § 708 Nr. 11, § 709 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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