Baurecht

Nutzungsänderung der Teilfläche eines Vereinslokals zu Wettbüro und Lager

Aktenzeichen  AN 9 K 19.02437

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6377
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 55, Art. 81
BauNVO § 6, § 15

 

Leitsatz

1. Eine Nutzung als Vereinslokal stellt eine Nutzung entsprechend einer Schank- und Speisewirtschaft im planungsrechtlichen Sinne dar. Ein Betrieb zur Vermittlung von Sportwetten ist hiervon zu unterscheiden; abhängig von der konkreten Ausgestaltung handelt es sich um eine Vergnügungsstätte oder einen sonstigen Gewerbebetrieb. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Betrieb zur Vermittlung von (Sport-)Wetten ist als Wettbüro und damit als Vergnügungsstätte einzustufen, wenn in den Räumlichkeiten nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen besteht, sondern diese auch zur kommerziellen Unterhaltung dienen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägter Gebietsteil ist bei einem Vorherrschen gewerblicher Nutzungen gegeben. Allein wegen einer gewerblichen Nutzung der Erdgeschosse kann eine überwiegende gewerbliche Prägung nicht angenommen werden. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein etwaiger Anspruch auf Abschluss eines Stellplatz-Ablösungsvertrages kann nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung geltend gemacht werden. Er muss vielmehr mit einer gesonderten Leistungsklage gegenüber der Gemeinde verfolgt werden. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Gemeinde kann ihr „Vertragsabschlussermessen“ auch zur Verfolgung städtebaulicher Zwecke, die sie mit dem Instrumentarium des BauGB und der BauNVO allein nicht erreichen kann, einsetzen; es ist ihr unbenommen, das Instrumentarium der Stellplatzablösung mit der Intention zu handhaben, hierdurch eine nach ihren städtebaulichen Zielvorstellungen vorzugswürdige bauliche Entwicklung zu fördern. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Streitgegenstand der vorliegenden Klage ist das Begehren des Klägers, die Beklagte zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von Teilfläche eines Vereinslokals zu Wettbüro und Lager zu verpflichten.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
1. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Teilfläche eines Vereinslokals zu Wettbüro und Lager nicht zu, er wird demgemäß durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Dem beantragten Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Prüfungsmaßstab sind gem. Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 bis 38 BauGB), sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO. Die gem. Art. 55 Abs. 1 i.V.m. Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung (siehe hierzu 1.1) erweist sich in bauplanungsrechtlicher Hinsicht als unzulässig. Es handelt sich um eine ihrer Art nach als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte einzustufende Nutzung (siehe hierzu 1.2). Die maßgebliche nähere Umgebung ist als überwiegend durch Wohnnutzung geprägter Teil eines faktischen Mischgebietes zu qualifizieren, so dass das beantragte Vorhaben seiner Art nach gem. § 34 Abs. 1 2 Halbsatz 2 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO unzulässig ist (siehe hierzu 1.3.1). Die Erteilung einer Ausnahme ist nicht möglich (siehe hierzu 1.3.2). Zudem liegen Verstöße gegen § 15 BauNVO (siehe hierzu 1.4) sowie gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift der Stellplatzsatzung der Beklagten vor (siehe hierzu 1.5).
1.1 Das streitgegenständliche Vorhaben stellt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, vgl. Art. 55 Abs. 1, 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO.
Eine Nutzungsänderung ist anzunehmen, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens, die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme der neuen Nutzung andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen können als für die bisherige Nutzung, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt (vgl. BVerwG U.v. 18.11.2010 – 4 V 10/09 – NVwZ 2001, 748; BayVGH B.v. 10.6.2010 – 1 ZB 09.1971 – juris).
Die vom Kläger beabsichtigte Nutzung einer Teilfläche des Erdgeschosses im Anwesen FlNr. …, Gemarkung …, als Wettbüro bewegt sich nicht mehr im Rahmen der genehmigten Nutzung als Vereinslokal. Eine genehmigte Nutzung als Vereinslokal stellt eine Nutzung entsprechend einer Schank- und Speisewirtschaft im planungsrechtlichen Sinn dar. Ein Betrieb zur Vermittlung von Sportwetten ist hiervon zu unterscheiden; abhängig von der konkreten Ausgestaltung handelt es sich um eine Vergnügungsstätte oder einen sonstigen Gewerbebetrieb. Jedenfalls kommen andere bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht, wie sich aus der Zuordnung der Nutzungen Vereinsheim bzw. Schank- und Speisewirtschaft einerseits sowie Vergnügungsstätte bzw. sonstiger Gewerbebetrieb andererseits zu den einzelnen Baugebietstypen in der Baunutzungsverordnung ergibt. Damit ist die für ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB erforderliche bodenrechtliche Relevanz zu bejahen (vgl. BVerwG U.v. 31.8.1973 – IV C 33/71 – juris; BayVGH B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 32).
1.2 Das beantragte Bauvorhaben ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO einzustufen.
1.2.1 Vergnügungsstätten sind gewerbliche Nutzungsarten, die in unterschiedlicher Weise unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs der kommerziellen Freizeitunterhaltung und der Zerstreuung dienen (vgl. Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 16).
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass Wettbüros als Vergnügungsstätten zu behandeln sind, wenn sie – so wie hier – anders als bloße Wettannahmestellen wie für Lotto und Toto auch der kommerziellen Unterhaltung dienen (vgl. BayVGH B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – NVwZ-RR 2015, 774 ff.; BayVGH B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2377 – juris Rn. 15 m.w.N.). Ein Betrieb zur Vermittlung von (Sport-)Wetten ist nach ständiger Rechtsprechung als Wettbüro und damit als Vergnügungsstätte einzustufen, wenn in den Räumlichkeiten nicht nur Gelegenheit zur Abgabe von Wetten und zur Entgegennahme von Gewinnen besteht, sondern diese auch zur kommerziellen Unterhaltung dienen. Dabei reicht es insoweit für die Annahme einer Vergnügungsstätte nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits aus, wenn im Wettbüro Livewetten vermittelt werden und die Möglichkeit besteht, sich in den Räumlichkeiten aufzuhalten, um die aktuellen Quotenergebnisse live zu verfolgen. Bereits daraus resultieren der Verweilcharakter und die Annahme einer kommerziellen Unterhaltung, wie sie eine Vergnügungsstätte bietet. Gerade Livewetten bilden nämlich eine rasche Aufeinanderfolge ständig aktualisierter Wettmöglichkeiten und sprechen damit den Spieltrieb besonders nachhaltig an und sind ähnlich wie Geld- oder Glücksspielautomaten auf Unterhaltung an Ort und Stelle angelegt. Die Ausstattung der Räumlichkeiten mit Sitzgruppen oder TV-Bildschirmen, das Bereitstellen von Getränken und Speisen oder das Vorhalten von Unterhaltungsspielen sind keine unabdingbaren Voraussetzungen für das Vorliegen eines als Vergnügungsstätte zu qualifizierenden Wettbüros, aber weitere Indizien hierfür (vgl. zum Ganzen BayVGH B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris Rn. 15; B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris Rn. 8; B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 24). Entscheidend ist hierbei für die rechtliche Einstufung das, was nach den eingereichten Unterlagen und nachfolgende Ergänzungen bzw. Erläuterungen als Betriebsweise für das Vorhaben realistischerweise in Betracht gezogen werden muss (vgl. OVG NRW U.v. 13.12.2017 – 7 A 880/16 – juris Rn 47).
Aus den Bauantragsunterlagen, insbesondere aus der der Beklagten vorgelegten Betriebsbeschreibung der Klägerin vom 24. März 2016, ergibt sich, dass der Kläger im Erdgeschoss des Anwesens in der … Straße … in … eine Vergnügungsstätte in Gestalt eines Wettbüros beantragt hat. Nach Angaben des Klägers werden auf Fernsehbildschirmen und per Großprojektion verschiedene Sportereignisse live übertragen. Es stehen PCs mit Internetzugang sowie verschiedene Eingabegeräte zu Verfügung, mit denen Wetten auf die Sportereignisse abgegeben werden können. Alternativ können die Wetten auch an der Kasse abgegeben werden. Verschiedene Sitz- und Stehplätze für Kunden laden zum Verweilen ein. Es werden ein Kaffeeautomat sowie ein Kaltgetränkeautomat angeboten. Die Betriebszeit ist von 10:00 Uhr bis 23:00 Uhr geplant.
Eine Vergnügungsstätte ist damit zu bejahen.
1.2.2 Das streitgegenständliche Vorhaben erreicht, unabhängig davon, ob man Wettbüro und verbleibendes Vereinslokal als betriebliche Einheit betrachtet oder diese getrennt behandelt (vgl. hierzu BVerwG U.v. 27.4.1993 – 1 C 9/92 – juris Rn. 15; VG Ansbach U.v. 21.10.2015 – AN 9 K 14.00663 – juris), nicht den in der Rechtsprechung als wesentlich erachteten Schwellenwert von 100 m² (siehe zur Anwendung des Schwellenwertes BayVGH U.v. 24.3.2011 – 2 B 11.59 – juris). Es ist somit nicht von einer nur im Kerngebiet zulässigen Vergnügungsstätte auszugehen; vielmehr ist zu erwarten, dass sich die Anziehungskraft des Wettbüros in Grenzen halten wird und die Zahl der Besucher überschaubar bleibt, was sich bereits aus dem entsprechenden Platzangebot ergibt.
1.3 Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist gem. § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB i.V.m. § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO als nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte in der als überwiegend durch Wohnnutzung geprägter Teil eines Mischgebietes einzuordnenden Umgebung seiner Art nach bauplanungsrechtlich nicht zulässig. Die Erteilung einer Ausnahme wurde zu Recht abgelehnt.
1.3.1 Hinsichtlich der Einordnung der näheren Umgebung wird Bezug genommen auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 21. Oktober 2015 im Verfahren AN 9 K 14.00662 sowie auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2019 im Verfahren … Hiernach ist als maßgebliche nähere Umgebung die in ihrer Struktur aufeinander bezogene Blockrandbebauung entlang der … Straße zwischen …, … und … anzusehen. Der … Straße ist in diesem Bereich u.a. aufgrund ihrer Vierspurigkeit trennende Wirkung beizumessen.
Die nähere Umgebung wurde als faktisches Mischgebiet eingestuft, weshalb eine Vergnügungsstätte im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO) = nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte) in den Teilen des Gebiets zulässig wäre, die überwiegend durch gewerbliche Nutzungen geprägt sind.
Es ist indes nicht von einem überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägten Gebietsteil auszugehen.
Ein überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägter Gebietsteil ist bei einem Vorherrschen gewerblicher Nutzungen gegeben. Der Gebietsteil muss sich in seiner Gesamtheit als zum größeren Teil gewerblich genutzt darstellen (vgl. hierzu Roeser in König/Roeser/Stock BauNVO, 4. Auflage 2019, § 6 Rn. 23). Hierbei kann auch von Bedeutung sein, in welchem Maße die Erdgeschossebene gewerblich genutzt ist und inwieweit die gewerbliche Nutzung bis in die Obergeschosse reicht. Andererseits kann nicht allein wegen einer gewerblichen Nutzung der Erdgeschosse schon eine überwiegende gewerbliche Prägung angenommen werden (vgl. BVerwG B.v. 7.2.1994 – 4 B 179/93 – NVwZ-RR 1994, 486; BayVGH B.v. 6.2.2013 – 2 ZB 11.2321 – juris).
Aufgrund der im Verfahren AN 9 K 14.00662 gewonnenen Eindrücke bei der Augenscheinseinnahme und unter Einbeziehung der damals gefertigten Lichtbilder sowie der unstreitig gestellten Darlegungen der Behörde bei der Augenscheinseinnahme ist für die maßgebliche nähere Umgebung nicht von einer überwiegenden gewerblichen Prägung auszugehen. Von 23 vier- / fünfgeschossigen Gebäuden inklusive Nebengebäuden wurden elf Anwesen als komplett dem Wohnen dienend eingeordnet. In sieben weiteren Anwesen wurden nicht störende gewerbliche Nutzungen im Erdgeschoss und in zwei weiteren Anwesen gebietsübergreifend wirkende gewerbliche Nutzungen festgestellt. Lediglich zwei Anwesen wurden als komplett gewerblich genutzt angetroffen. Auf Nachfrage des Gerichtes gaben zunächst beide Parteien übereinstimmend an, dass sich im maßgeblichen Umgriff keine relevanten Änderungen der Nutzungen seit dem im Verfahren AN 9 K 14.00662 durchgeführten Augenschein ergeben haben.
Aufgrund der trennenden Wirkung der … Straße ist den klägerseits aufgeführten Änderungen in den Anwesen auf der gegenüber dem streitgegenständlichen Anwesen gelegenen Seite der … Straße keine Relevanz beizumessen. Die grundsätzlich zu berücksichtigende Änderung von Leerstand zu Möbelgeschäft vermag kein Überwiegen der gewerblichen Nutzungen herbeizuführen. Auch soweit die Vertreterin des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung auf die geänderten Nutzungen im Anwesen … Straße … (neu hinzugekommen: Weinhandlung) und … (neu hinzugekommen: Rechtsanwalt und Versicherungsmakler) vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Es verbleibt in der Gesamtschau bei einem Überwiegen der Wohnnutzung. Insbesondere kommt den neu hinzugetretenen Nutzungen auch kein solches Gewicht und Ausmaß zu, dass das Gebiet nunmehr als überwiegend gewerblich geprägt anzusehen wäre.
Somit stellt sich für das erkennende Gericht die maßgebliche nähere Umgebung unter Einbeziehung der gebietsprägenden Faktoren weiterhin als nicht überwiegend gewerblich, sondern hingegen überwiegend durch Wohnnutzung geprägter Teil eines Mischgebiets dar.
1.3.2 Die Erteilung einer Ausnahme nach § 34 Abs. 2 Hs. 2, § 31 Abs. 1 BauGB, § 6 Abs. 3 BauNVO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Fehlerhafte Ermessenserwägungen sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich.
Es erscheint bereits fraglich, ob der gem. Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO erforderliche Antrag auf eine Ausnahme gestellt wurde.
Selbst wenn man die Äußerungen des damaligen Verfahrensbevollmächtigten als Antrag ansehen wollte, so erschiene jedenfalls die Ablehnung durch die Beklagte unter Berufung auf die nachbarlichen Interessen als zwar knappe, dennoch aber sachgerechte Ermessenserwägung. In diesem Zusammenhang gilt bei der Gewichtung der nachbarlichen Interessen, insbesondere des Ruhebedürfnisses, zu berücksichtigen, dass das maßgebliche Gebiet bislang frei von Vergnügungsstätten ist und das Wohnen einen starken Anteil hat. Unter den gewerblichen Nutzungen finden sich viele Nutzungen, die sich an die allgemeinen Ladenöffnungszeiten halten, weshalb die Anwohner bislang nur wenig in ihrer Nachtruhe beeinträchtigt wurden. Die geäußerten Bedenken von Seiten der Anwohner und die darauf erfolgende Reaktion der Stadt, die Erteilung einer Ausnahme abzulehnen, sind vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerbevollmächtigte ausführt, dass es seit Eröffnung im Jahr 2009 keinerlei Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten oder Lärmbelästigungen gegeben habe, ist dies mangels Vorliegen einer genehmigten Nutzung, deren Störungspotential beurteilt werden könnte, ohne Belang.
1.4 Aufgrund der typischerweise zu erwartenden, durch die Öffnungszeit bis 23:00 Uhr auch in die Nachtzeit reichenden Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft in Form der Störung des Ruhebedürfnisses der Wohnbevölkerung ist auch ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu bejahen.
1.5 Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt auch gegen die bauordnungsrechtliche Vorschrift der Satzung über die Herstellung und Bereitstellung von Kraftfahrzeugstellplätzen und Fahrradabstellplatz (Stellplatzsatzung – StS) der Beklagten vom 14. Dezember 2007 (Amtsblatt S. 457, ber. 2008, S. 15), zuletzt geändert durch Satzung vom 15. Dezember 2016 (Amtsblatt S. 436).
Die Stellplatzsatzung stellt eine örtliche Bauvorschrift im Sinne von Art. 81 Abs. 1 BayBO dar; somit ist die Erfüllung ihrer Anforderungen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO zu prüfen.
Die Beteiligten gingen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend von einem Stellplatzbedarf von 5 Stellplätzen für das streitgegenständliche Vorhaben aus, wobei sich aus Sicht des Gerichts bei einer Fläche von 71 m² (Angaben des Klägers für die Nutzfläche) ein Wert von 5,68 Stellplätzen ergibt, der gem. § 2 Abs. 1 StS der Beklagten durch Aufrundung einen Wert von 6 Stellplätzen ergibt. Bei einem anrechenbaren Bestand von 2 Stellplätzen für das zuvor genehmigte Vereinslokal mit einer Fläche von 143,68 m² (1 St./50 m² GRF x 0,8 aufgrund Lage in Zone 1; vgl. zur Berechnung des zusätzlichen Stellplatzbedarfs Würfel in Simon/Busse, BayBO, Stand Dezember 2019, Art. 47 Rn. 69 ff.) ergibt sich damit ein zusätzlicher Bedarf von 4 Stellplätzen.
Es wurde seitens des Klägers diesbezüglich kein hinreichender Stellplatznachweis erbracht.
So zog der klägerseits beauftragte Architekt bereits bei der Ermittlung des anrechenbaren Bestandes die Richtzahl 1 St/35 m² für Gaststätten (Nr. 6.1 der StS), statt richtigerweise der Richtzahl 1 St/50 m² für nicht öffentlich zugängliche Gastronomien (Vereinsheime, Kulturvereine) (Nr. 6.2 der StS) heran. Zudem legte der klägerseits beauftragte Architekt seinem Stellplatznachweis auch eine fehlerhafte Flächenberechnung zugrunde, da er von einer Nutzfläche von 86 m² ausging, was nicht der aktualisierten Planung entsprach.
Auch ein Nachweis der Erfüllung der Stellplatzpflicht durch die Herstellung der erforderlichen Stellplätze auf dem Baugrundstück oder in dessen Nähe (vgl. Art. 47 Abs. 3 Nr. 1 und 2 BayBO) wurde nicht erbracht. Ungeachtet der Tatsache, dass klägerseits von einer unzureichenden Anzahl nachzuweisender Stellplätze ausgegangen wurde, findet sich nur die Angabe, dass ein Stellplatz in der Hoffläche nachgewiesen werden könne. Es fehlen aber nähere Ausführungen zur Situierung; ein Lageplan mit Einzeichnung des Stellplatzes wurde nicht vorgelegt. Vor allem im Hinblick darauf, dass im Bereich der Hoffläche teilweise in der Vergangenheit Stellplätze nachgewiesen wurden, für die nach Angaben der Beklagten andauernde Altforderungen bestehen, kann auf die Vorlage eines Lageplans mit Einzeichnung des nachzuweisenden Stellplatzes auch nicht verzichtet werden.
Eine Ablösevereinbarung wurde nicht abgeschlossen. Die Vertreterin der Beklagten teilte in der mündlichen Verhandlung mit, dass ein solcher Abschluss auch aufgrund des städtebaulichen Störpotentials der dann fehlenden Parkplätze für sie nicht in Betracht komme.
Die Entscheidung über den Abschluss des Ablösevertrages, der als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von Art. 54 ff. BayVwVfG anzusehen ist, trifft die Gemeinde als Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises. Sie entscheidet hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei sie insoweit einen von dem der Bauaufsicht zu unterscheidenden eigenen Sachbereich zu wahren hat (vgl. BayVGH U.v. 10.12.1985 – 26 B 83 A.996 – juris). Die Stellplatzablösung ist mithin eine der Erteilung der Baugenehmigung vorgreifliche Entscheidung, die von der Gemeinde in einem besonderen, dem Baugenehmigungsverfahren zwischengeschalteten Verfahren zu treffen ist. Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Gemeinde selbst für die Erteilung der Baugenehmigung zuständig ist (vgl. BayVGH U.v. 10.12.1985 a. a. O.). Aus dem Umstand, dass die Entscheidung über die Ablösung im Vollzug der Erfüllung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises durch die Gemeinde erfolgt und insoweit keine Regelungsbefugnis für die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren eröffnet ist, folgt weiter, dass ein etwaiger Anspruch auf den Abschluss eines Ablösungsvertrages auch nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung der Baugenehmigung geltend gemacht werden kann. Er muss vielmehr mit einer gesonderten Leistungsklage gegenüber der Gemeinde verfolgt werden (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.1990 – 2 B 89.336 – BayVBl 1991, S. 246; VG München, U.v. 18.11.2013 – M 8 K 12.5721 – BeckRS 2014,49968 – beck-online).
Die Gemeinde kann ihr „Vertragsabschlussermessen“ auch zur Verfolgung städtebaulicher Zwecke, die sie mit dem Instrumentarium des BauGB und der BauNVO allein nicht erreichen kann, einsetzen und es ist ihr unbenommen, das Instrumentarium der Stellplatzablösung mit der Intention zu handhaben, hierdurch eine nach ihren städtebaulichen Zielvorstellungen vorzugswürdige bauliche Entwicklung zu fördern (vgl. BVerwG, B. v. 27.9.1983 – 4 B 122/83 – juris Rn. 6; B. v. 4.9.1986 – 4 B 186/86 410 – juris Rn. 3 f.). Die Gemeinde ist insbesondere nicht gehindert, die Ablösung für ein Vorhaben zu verweigern, selbst wenn es bebauungsrechtlich zulässig sein sollte (BVerwG, B. v. 27.9.1983 – 4 B 122/83 – juris Rn. 6).
Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass der Kläger den erforderlichen Stellplatznachweis nicht geführt hat. Da dieser Nachweis Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung ist, kann die Klage auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben.
2. Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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